Text von Mandy Gnägi
Der Schritt in die Arbeitswelt ist für Lernende ein grosser. Im Gegensatz zum vertrauten Rhythmus des Schul- und Lernalltags findet die berufliche Grundbildung an drei verschiedenen Lernorten statt: im Betrieb, in überbetrieblichen Kursen und in der Berufsfachschule. Diesen Wechsel beschreiben Lernende als einschneidend, zumal sie sich in einer Lebensphase des Umbruchs befinden. War ihr bisheriger Weg ferner durch schulische Schwierigkeiten geprägt, wie z.B. schlechte Noten, hohe Fehlzeiten oder soziale Auffälligkeiten, war ein Einstieg in eine drei- bis vierjähre berufliche Grundbildung mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) oder in eine weiterführende Schule erschwert resp. nicht möglich. Eine Folge davon war eine hohe Jugendarbeitslosigkeit der 1990er und 2000er Jahre, der seit 2004 durch eine zeitlich verkürzte und vom schulischen sowie betrieblichen Anspruch her reduziertere Form der Ausbildung entgegengewirkt wurde. Sie schliesst nach absolvierten Prüfungen mit einem eidgenössisch anerkannten Berufsattest (EBA) ab.
Bedarf qualifizierte Begleitung
Mit dem Inkrafttreten der neuen Ausbildungsmöglichkeit hat der Bundesrat die «fachkundige individuelle Begleitung von Personen mit Lernschwierigkeiten in zweijährigen beruflichen Grundbildungen» lanciert. Diese Begleitung soll in der Lage sein, zugrundeliegende «Lernschwierigkeiten» oder «soziale Probleme» gemeinsam mit den Lernenden anzugehen und zu beheben. Alle «schulischen und bildungsrelevanten Aspekte, die im Umfeld der lernenden Person einen Bildungserfolg gefährden könnten», sollten durch individuelle und zielführende Massnahmen entkräftet werden. Statt den Fokus auf Schwächen und Defizite zu richten, fördert und fokussiert eine fachkundige individuelle Begleitung die Stärken der Lernenden. Dazu gehört auch die Aktivierung von Eigeninitiative und Lernbereitschaft sowie das Erproben und Etablieren verschiedener Lerntechniken. Ziel der fachkundigen individuellen Begleitung ist die Mitgestaltung positiver Lernerfahrungen, so dass Misserfolge und Lehrabbrüche reduziert und Schulen entlastet werden.

Variantenreiches Arbeitsfeld
Die genannten Ziele machen deutlich, dass fachkundige individuelle Begleitungen über ein Handlungsrepertoire verfügen müssen, das sich deutlich von dem als Lehrperson resp. als ausbildungsverantwortliche Person unterscheidet. Für ihre Arbeit stehen den individuellen Begleitungen unterschiedliche zeitliche, personelle und räumliche Ressourcen zur Verfügung. Da es dafür keine einheitliche Regelung gibt, variieren die Einsätze von individuellen Begleitungen von Schule zu Schule, die sich grob in vier Kategorien einteilen lassen: es findet regelmässig eine offene Sprechstunde für alle Lernenden der Schule statt, im Rahmen des Stundenplans ist eine Stunde im Klassenverband für die individuelle Begleitung reserviert, individuelle Begleitungen werden auf Anfrage bestimmten Klassen oder Lernenden zugewiesen oder es werden externe individuelle Begleitungen an die Schule geholt. Folglich muss eine fachkundige individuelle Begleitung angesichts genannter Umstände, Ziele und Herausforderungen eine hohe Handlungskompetenz ausbilden, um ihrer Aufgabe und den daran gekoppelten Anforderungen gerecht zu werden.
Essenzen einer besonderen Qualifikation
Ein wichtiger Faktor dafür ist ein hoher Grad an Selbstreflexion einerseits und ein stetes Einholen von Feedback andererseits. Beide Formen verfolgen den Nutzen, darüber die Anschlussfähigkeit an die Lernenden und die Wirksamkeit für die Lernenden im Hinblick auf die vereinbarten Ziele zu ermitteln. Individuelle Begleitungen gestalten darüber den Rahmen für einen Entwicklungsprozess, bei dem sich Lernende gemäss ihrer Stärken, Ressourcen und Lösungsmöglichkeiten als wirksam, handlungsfähig und entscheidend erleben. Individuelle Begleitungen geben also keine Veränderungswege vor, sondern regen durch unterschiedliche Impulse primär den Denk- und Veränderungsprozess dazu bei den Lernenden an. Eine fundierte Weiterbildung zur fachkundigen individuellen Begleitung umfasst folglich relevante Essenzen aus dem systemischen Coaching und Lerncoaching, der angewandten positiven Psychologie, der Neuen Autorität und den entsprechenden Kommunikationen, um darüber tragfähige Beziehungen zu gestalten. Fachkundige individuelle Begleitung zeichnet aus, eine sorgfältige pädagogische Diagnostik vorzunehmen, beim Verdacht auf psychische Störungen versiert zu agieren, mit den Lernenden auf ihre Stärken zu schauen, Ressourcen zu aktivieren, Gutes und Gelingendes in den Fokus zu rücken. Es ist erwiesen, dass mit der Stärkung des Vorhandenen die Defizite überwunden werden können. Durch die Arbeit der individuellen Begleitungen erleben sich Lernende selbstwirksam, eingebunden und kompetent – und das manchmal erstmalig in ihrer Schullaufbahn.
CAS Fachkundige individuelle Begleitung
Mit der Etablierung der fachkundigen individuellen Begleitung zur Unterstützung von Lernenden haben Pädagogische Hochschulen in der Schweiz die Aufgabe gefasst, entsprechende Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten. Die PH Zürich hat ihr Angebot bisher zwei grösseren Revisionen unterzogen, um die Inhalte zu aktualisieren und die jeweiligen Bedürfnisse und Bedarfe aufzunehmen. Ab dem Herbst 2026 wird das Zentrum Berufs- und Erwachsenenbildung den bisherigen, zwei Jahre umfassende CAS Coaching und Lernen mit Jugendlichen ersetzen. Neu ist die Anpassung an die gängige Weiterbildungsdauer von etwa 10 Monaten. Neu ist ebenso, dass durch explizite Reflexionsaufgaben und Vertiefungen sowie durch eine modulübergreifende Arbeit die jeweiligen Inhalte stärker miteinander verzahnt und reflektierend in den eigenen Entwicklungsprozess zur individuellen Begleitung einbezogen werden. Neu ist, dass zu den bewährten Inhalten die Aspekte von Stärkenorientierung, Gruppen- und Lerncoaching, Lernbegleitung und souveränes Handeln durch organisationales Verständnis aufgenommen worden sind. Neu ist auch, dass sich das CAS mit dem Titel «Fachkundige individuelle Begleitung (FiB/ZiB) – Lernende in Schule und Beruf stärken» nicht mehr nur an Berufsschullehrpersonen, sondern an alle Verantwortlichen in der beruflichen Bildung wendet.
INFOBOX
Bei allen Fragen oder Anliegen rund um die Weiterbildung zur fachkundigen individuellen Begleitung wenden Sie sich gerne direkt an Mandy Gnägi, mandy.gnaegi@phzh.ch oder +41 43 305 51 08.
Lehrgang
Alle Informationen zum CAS Fachkundige individuelle Begleitung (FiB/ZiB)
Weitere Informationen zum Thema
«Coaching in der Berufs- und Erwachsenenbildung» – Blogbeitrag von Mandy Gnägi im Lifelong Learning Blog (22. April 2025)
Literatur
- Bach, D. (2017): Reden kann auch Gold sein – Coaching von Berufslernenden
- Bauer, Ch., Hegemann, T. (2010): Ich schaffs! – Cool ans Ziel. Das lösungsorientierte Programm für die Arbeit mit Jugendlichen
- Fischer, S. (2024): Fachkundige individuelle Begleitung. Gelingensfaktoren in der beruflichen Grundbildung
- Wolfensberger, R. (2018): FiB-Handbuch. Individuelle Begleitung in der zweijährigen Grundbildung
Netzwerk
CoP – FiB-EBA, verantwortet durch Nadine Vetterl, nadine.vetterl@dlh.zh.ch
Zur Autorin

Mandy Gnägi ist Beraterin und Dozentin im Zentrum Berufs- und Erwachsenenbildung an der PH Zürich.






















