Unterstützen im Berufsfindungsprozess – eine besondere Aufgabe

Text: René Schneebeli

Die erste Berufswahl

Die Aussicht, nach der Schulzeit eigene Wege zu gehen, Selbstständigkeit zu erreichen, eigenes Geld zu verdienen und nur noch zu lernen was einen interessiert, kann für viele Schulabgänger:innen motivierend sein.

Die richtige Anschlusslösung zu finden, ist aber ein Prozess, der manch einem vieles abverlangt. Die eigenen Stärken, Schwächen, Fähigkeiten und Interessen müssen mit den unzähligen Angeboten der Berufs- und Schulwelt abgeglichen werden. Dabei sind Entscheidungen zu fällen, die sich nachhaltig auf die weitere Berufskarriere auswirken. Dieser anspruchsvolle Prozess fällt zudem in eine Zeit, in der die Jugendlichen stark mit sich selbst beschäftigt sind. Darüber hinaus beeinflussen Zufälle, Gelegenheiten und ausserschulische Vorkommnisse diese sensible Phase.

Dass laut der Juvenir-Studie 2.0 der Jacobs Foundation (2013) trotz diesen vielen Unsicherheiten das Zustandekommen der Wunschausbildung der Jugendlichen der Regelfall ist, erstaunt dann doch immer wieder. Insbesondere wenn man bedenkt, dass im Frühjahr des Abschlussjahres erst etwa zwei Drittel der Lehrstellensuchenden eine zugesicherte Lehrstelle haben (gfs.bern, Nahtstellenbarometer März/April 2022).

Ein Berufswahlfahrplan (Quelle: PH Thurgau)

Wenn die Unterstützung durch Eltern und das reguläre Schulangebot nicht ausreicht

Zu verdanken ist das Finden einer Lehrstelle primär der Beteiligung der Eltern, die Werte vermitteln, Interessen wecken, Informationen vermitteln und emotionale Unterstützung bieten. Sie haben den grössten Einfluss aller Involvierten und sind verantwortlich für die Erstausbildung. Unterstützend wirken auch die Lehrpersonen, die im Fach «Berufliche Orientierung» die Jugendlichen ab der 2. Sekundarschule in diesem Findungsprozess systematisch begleiten. Weiter können Peergruppen und die Berufsberatung Einfluss nehmen.

Wo Eltern über nicht genügend Ressourcen für die Unterstützung verfügen oder wo das reguläre Angebot der Schulen für Jugendliche mit schwierigen Voraussetzungen oder aussergewöhnlichen Berufswünschen nicht genügt, fällt spezialisierten Fachpersonen eine besondere Aufgabe zu. Sie begleiten die Jugendlichen individuell bei der Entwicklung und Umsetzung von Lebens- und Laufbahnperspektiven.

Für diese Berufsrolle hat sich seit längerem die Bezeichnung «Berufswahl-Coach» etabliert. Im schulischen Umfeld sind es besonders die Fach- oder Lehrpersonen der Sekundarstufen I und II oder aus Brückenangeboten sowie aus der Schulsozialarbeit, die diese Funktion einnehmen. Ausserschulisch sind es Fachpersonen aus der Sozialarbeit, Job-Coaches, Mentor:innen oder Case-Manager:innen die hier aktiv sind. Sie alle unterstützen Jugendliche im Berufsfindungsprozess im jeweiligen Kontext.

Professionalisierung der Berufsrollen

Im Zug der Professionalisierung dieser Berufsrolle haben sich spezialisierte Weiterbildungen bewährt, welche mittlerweile von einzelnen Kantonen für die Übernahme dieser Funktion voraussetzt werden.

Neben der FHNW bietet die PHZH zusammen mit der PHTG einen CAS Lehrgang zum Berufswahl-Coach an. In weniger als einem Jahr werden wissenschaftlich fundiert, aber auch stark an der Praxis ausgerichtet, die wesentlichen Inhalte vermittelt. Neben dem Coaching-Handwerk, das einen zentralen Stellenwert in der Weiterbildung einnimmt, geht es um die vertieften psychologischen Hintergründe des Berufswahlprozesses bei Jugendlichen und um verwertbares Wissen zum Schweizer Bildungssystem und Arbeitsmarkt. In den teilweise organisierten Praktika lernen die Studierenden die regionalen Betriebe und Berufsberatungsstellen kennen und erhalten Einblicke in wichtige Schnittstellen wie Sozialversicherungen, Bildungsämtern und anderen Anlaufstellen.

Wer sich als Lehrperson im Rahmen der Schule und des Unterrichts noch weiter spezialisieren will, kann, aufbauend auf dem CAS Berufswahl-Coach, den Lehrgang CAS Fachlehrer:in Berufswahlunterricht absolvieren. Im Fokus stehen die Inklusion und insbesondere die Fachdidaktik. Absolvent:innen sind verantwortlich dafür, innerhalb der eigenen Schule den Berufswahlunterricht zu koordinieren und zu übernehmen. Zu ihren Kernaufgaben gehören das Entwickeln und Umsetzen von Berufswahlkonzepten, die Qualitätssicherung, das Beraten der Schulleitung und des Schulteams wie auch die Weiterbildung von Lehrpersonen.

Die Ausbildung ist von der EDK zertifiziert und entspricht dem Profil für die Zusatzausbildung «Fachlehrerin/Fachlehrer Berufswahlunterricht» vom 25. Oktober 2007. Absolventinnen und Absolventen dürfen den Zusatz «EDK anerkannt» im Titel ausweisen.

INFOBOX

Der CAS «Berufswahl-Coach», eine Kooperation der PH Thurgau und der PH Zürich, startet im Oktober 2023. Am 17. Januar 2023 und am 6. März 2023 finden dazu Online-Informationsveranstaltungen statt. Hier können Sie sich anmelden.

Zum Autor

Rene_Schneebeli_sw

René Schneebeli arbeitet im Zentrum Berufs- und Erwachsenenbildung an der PH Zürich. Er ist Dozent und Co-Studiengangsleiter des CAS Berufswahl-Coach der PHZH.

Folgen über E-Mail
Folgen über Twitter
Visit Us
Follow Me