Beitrag von Maik Philipp
Schreiben an Hochschulen ist mitunter ein mühsames Geschäft. Davon zeugt die pure Existenz von Schreibberatungen und Schreibzentren landauf, landab. Studierende haben notorisch Schwierigkeiten damit, ihre schriftlichen Leistungsnachweise und Abschlussarbeiten in eine zielangemessene, kohärente und hochschuladäquate Form zu überführen. Spezifische Angebote wie Schreibcoachings, Kurse zum wissenschaftlichen Schreiben und weitere propädeutische Lernangebote nehmen dies auf – auch das Schreibzentrum der PH Zürich, welches u. a. auf Peer-Feedback von studentischen Tutorinnen und Tutoren setzt. Aber wie effektiv ist das?
Formatives Peer-Feedback – eine logistisch leichte Standortbestimmung
Ein häufig anzutreffendes Element der Schreibdidaktik im Hochschulbereich bildet das formative Peer-Feedback. Formativ sind Rückmeldungen dann, wenn Texte, die noch am Entstehen sind, eingebracht werden können, um sie zu optimieren. Von Peers spricht man, wenn nicht institutionell hierarchisch übergeordnete Personen wie Dozierende Feedbacks geben, sondern statusgleiche Mitstudierende, darunter auch Tutorinnen und Tutoren.
Zwei Gründe sprechen für den Rückgriff auf Peers, wie es Huisman und KollegInnen benennen: Erstens wird anderen Studierenden generell zugestanden, sinnvolle Einschätzungen zu geben, auch wenn sie Texte anders beurteilen als Hochschullehrpersonen. Zweitens ist ihr Feedback logistisch einfacher einzuholen, sei es in der schieren Menge, sei es auch in zeitlicher Nähe – Peers stehen damit als Ressource leichter zur Verfügung als wissenschaftliches Hochschulpersonal.
Was sagt die Forschung?
Doch bringt formatives Peer-Feedback tatsächlich den erhofften Mehrwert? Dieser Frage ging eine Metaanalyse eines vierköpfigen Forschungsteams nach. Im Zentrum des Erkenntnisinteresses stand leider nur bei einer kleinen Anzahl von Studien, welche Art von formativem Feedback am effektivsten ist. Die Anzahl der Studien und die Zahl von untersuchten Personen ist gering, was eine Limitation in puncto Generalisierbarkeit der Ergebnisse darstellt. Und doch liefert die Metaanalyse wichtige Erkenntnisse, die im nachstehenden Diagramm gebündelt sind:
Die Metaanalyse fokussierte auf drei Teilfragen, die im Balkendiagramm durchnummeriert sind. Für jede Teilfrage weist das Diagramm zudem aus, wie hoch die Effektstärke (ES) war. Je höher dieser Wert ist, desto stärker war der Zuwachs in den Schreibleistungen. Die Ergebnisse – mit einer Ausnahme waren sie alle statistisch abgesichert grösser als ein Nulleffekt, also statistisch signifikant – lauten im Einzelnen:
- Bei der Vergleichsgruppe war Peer-Feedback deutlich effektiver, als wenn es überhaupt keine Rückmeldung gab (ES = 0,91). Auch gegenüber puren Selbsteinschätzungen waren Rückmeldungen fremder Personen überlegen (ES = 0,33). Selbst wenn im Vergleich von Peer-Feedback und Rückmeldungen von Hochschullehrpersonen die Effektstärke deutlich für die Peers spricht (ES = 0,46), waren die Befunde in den Primärstudien zu heterogen, um letztlich eindeutig interpretierbar zu sein. Immerhin aber verweisen die Ergebnisse darauf, Studierenden die Möglichkeit zu geben, sich über die entstehenden Texte auszutauschen.
- Eine zweite Frage lautete, welcher inhaltlicher Art besonders wirksames Feedback ist. Damit ist hier gemeint, dass das Feedback quantitativ sein kann, indem es numerische Kategorien oder Rangreihungen von Texten betraf, oder aber qualitativ, d. h. verbale Kommentare umfasste. Ein rein quantitatives, im Übrigen nur selten untersuchtes Feedback, entfaltet positive Wirkung (ES =0,32). Etwas effektiver war das rein qualitative Feedback (ES = 0,48). Die höchste Effektivität hatte eine Kombination aus nummerischen und verbalen Rückmeldungen (ES = 1,39). In den drei Studien mit dieser Kombination gab es zudem Rückmeldungen von mindestens drei Personen. Das Feedback war anonym und die Nutzung der Kriterien erfolgte angeleitet. Gut möglich, dass hier diverse Merkmale für die ausgesprochen hohe Effektstärke verantwortlich waren. Die Ergebnisse zeigen insgesamt jedoch, dass quantitative und qualitative Rückmeldungen wirksam sind, aber vor allem in ihrer sinnvollen Verquickung alle Vorteile konsequent ausnutzen.
- Mit demselben Studienpool wie bei der Art des Peer-Feedbacks wurde noch ausgewertet, ob die Anzahl der rückmeldenden Peers von Belang ist. Die Höhe der Effektstärken spricht deutlich dafür, da es fast dreimal so effektiv war, sich von mehreren Personen Feedback geben zu lassen (ES = 1,00), statt sich auf ein solitäres Feedback zu verlassen (ES = 0,37). Dies unterstützt die Annahme, dass mehr Feedback einen Mehrwert hat.
Fazit: Feedback? Feedback!
Schreiben im Hochschulkontext kann nachweislich mithilfe von Peer-Feedback unterstützt werden. Dies hat die Metanalyse von Bart Huisman und Team illustriert – zwar auf noch dünner empirischer Basis, aber dafür doch mit ermutigender Richtungsanzeige. Demnach lohnt es sich, auf formative Rückmeldungen von mehreren Personen zu setzen und dabei sowohl fixe (nummerisch zuordenbare) Kriterien bzw. Rangreihungsverfahren als auch offene (verbale) Feedback-Optionen zu nutzen. Oder anders: Die Usancen und Grundmechanismen des wissenschaftlichen Review-Verfahrens entfalten ihre positiven Effekte offenkundig bereits im Studium.
INFOBOX
Das Schreibzentrum der PH Zürich bietet u.a.
Textcoachings,
professionelle Begleitung von Schreib- und Publikationsprojekten,
Workshops und
externe Weiterbildungen.
Spezifisch für Hochschuldozierende und Lehrpersonen der Sekundarstufe 2 ist der Weiterbildungskurs Arbeiten von Studierenden begleiten und beurteilen.
Zum Autor
Maik Philipp ist Professor für Deutschdidaktik an der PH Zürich. Seine Schwerpunkte sind Lese- und Schreibförderung mit Fokus auf Evidenzbasierung. Neuere Publikationen: «Multiple Dokumente verstehen» (2019), «Lesekompetenz bei multiplen Texten» (2018), «Lesestrategien» (2015) und «Grundlagen der effektiven Schreibdidaktik» (2018).
Redaktion: Martina Meienberg