Wissenschaftliches Schreiben – KI als Ghost, Partner oder Tutor

Text: Alex Rickert

Es gibt inzwischen empirische Evidenz dafür, dass Studierende und Schüler:innen mit KI zwar qualitativ bessere Texte schreiben, dadurch aber weniger Lernen in Bezug auf den Gegenstand im Vergleich zum Schreiben ohne KI (Ju 2023; Süße u. Kobert 2023). Es fragt sich daher, inwiefern der Einsatz von KI beim Schreiben zum Zweck des Lernens sinnvoll ist. Auf welche Weise sollen generative Bots beim Schreiben von Texten zum Einsatz kommen, damit sie den Schreibprozess unterstützen und gleichzeitig das Lernen durch Schreiben fördern? Dieser Frage geht der vorliegende Beitrag nach.

KI fürs Fachlernen nutzen – aber wie?

Ausgehend von einer Heuristik nach Steinhoff (2023) wird von drei Rollen ausgegangen, die eine generative KI beim Schreiben als zusätzlicher «Aktant» nebst der schreibenden Person spielen kann. Diese Rollen sind: Ghostwriter, Writing Partner und Writing Tutor.

  • Als Ghostwriter nimmt ein Large Language Model (LLM) einer Person das Schreiben ab. Eine Person formuliert einen Prompt oder eine interaktive Sequenz von Prompts, die den Schreibauftrag enthält. Der Output der KI wird übernommen und die Person beansprucht die Autorschaft dennoch für sich. Schreibkompetenz reduziert sich auf Prompting-Kompetenz.
  • Als Writing Partner schreibt die KI zusammen mit der Person, die das LLM bewusst und zielorientiert beim Schreiben miteinbezieht, sei es stellenweise, z.B. nur beim Überarbeiten, oder während allen Phasen des Schreibens. Die KI hat die Rolle einer Ko-Autorin. Im Vergleich zur Ghostwriter-Praktik interagiert der Mensch hier dynamisch und bringt sich selbst als Autor ein. Analog zu Ghostwring-Praktiken besteh die Gefahr, Fehlinformationen zu erhalten. Um ein LLM als Writing Partner zu nutzen, bedarf es hoher Lese- und Schreibkompetenzen. Die Person muss in der Lage sein, die Schreibaktivitäten metakognitiv zu steuern und entscheiden können, welche Art von KI-Einbezug zu welchem Zeitpunkt sinnvoll ist.
  • In der Rolle als Writing Tutor unterstütz ein KI-Bot eine Person beim Schreiben, indem er der schreibenden Person als «Quasi-Lehrperson» gegenübertritt. Die Person nimmt das LLM interagierend als Lerner:in in Anspruch.
Welche Rolle nimmt die KI bei der Unterstützung beim Schreiben ein? (Quelle: Adobe Stock)

Implikationen für das wissenschaftliche Schreiben mit KI: ein Diskussionsvorschlag

Im Folgenden werden die KI-Rollen anhand von Beispielen hinsichtlich ihres Potenzials fürs Lernen durch das Schreiben beurteilt. Hierbei wird auf prototypischen Phasen des Schreibprozesses – Planen, Formulieren, Überarbeiten – eingegangen. Die Beurteilung erfolgt anhand einer Ampel-Logik, wobei rot eine kritisch anzusehende, orange und grün eingefärbte KI-Praktiken legitime, aber im Falle des Writing Partners mit Vorsicht einzusetzende Rollen darstellen. Die Begründung zu den Urteilen folgt danach.

PLANENFORMULIERENÜBERARBEITEN
Ghostwriter

– Skizze oder Inhaltsverzeichnis für einen Text generieren (strukturell und inhaltlich) und übernehmen
    – Text ausformulieren lassen auf Basis von Prompts
    – Zusammenfassungen generieren
    – Fazit formulieren
– Text inhaltlich, strukturell, stilistisch und/oder formal revidieren lassen.
Writing Partner

– eigene Ideen weiterentwickeln
– Strukturvorschläge zu definierten Inhalten generieren
– Brainstorming mit integraler Plausibilitäts- und Wahrheitsprüfung
– Hypothesen formulieren aufgrund zuvor festgelegter Variablen
– Reformulieren der Fragestellung
– einen selbst geschriebenen Abschnitt kürzen
– Formulierungs-alternativen generieren
– Text inhaltlich, strukturell, stilistisch und/oder formal revidieren lassen, dabei Überarbeitungen hervorheben lassen und die Eignung der Revisionen selbst überprüfen
Writing Tutor

– Geplante Textstruktur auf Schlüssigkeit prüfen lassen
– Feedback zur Passung der geplanten Inhalte zu einer Fragestellung evaluieren lassen
– Tipps zum Vorgehen bei der Textplanung oder zur Recherche einholen
– Textsortenspezifische Formulierungshilfen erfragen
– Tipps zum Vorgehen beim Formulieren einholen
– Verschiedene Stile aufzeigen
– Rückmeldungen zur Lesefreundlichkeit, Satzlänge und zur Wortwahl einholen
– Feedback zu aufgabenbezogenen Passung von Inhalt, Struktur, Stil und/oder Korrektheit generieren und begründen lassen
– Tipps für die Schlussredaktion einholen
– Überarbeitungsvorschläge priorisieren lassen

The good, the bad and the buddy

Zur Beurteilung der Frage, welche Rolle der KI-Anwendung in welcher Phase des Schreibens lernförderlich und legitim ist, muss zunächst geklärt werden, was epistemisches Schreiben ist oder anders gefragt: Unter welchen Bedingungen ist Schreiben förderlich für das Fachlernen?

Dieser Frage liegt eine Vielzahl von weitverzweigten Theorien und empirische Arbeiten zugrunde, die hier nur sehr verkürzt und unvollständig erläutert werden. Der Nachweis, dass (Fach-)Lernen durch Schreiben erfolgt, wurde vielfach postuliert, theoretisch modelliert sowie empirisch nachgewiesen (z. B. Meta-Analysen von van Dijk et al. 2022; Graham et al. 2020; Bangert-Drowns et al. 2004). Es existieren mehrere Modelle, die die Funktionsweise des Lernens durch Schreiben beschreiben. Das verbreitete Modell von Galbraith und Baaijen (2018) geht davon aus, dass inhaltliche Konzepte als mental verknüpfte semantische Einheiten im Langzeitgedächtnis gespeichert sind. Beim Schreiben greift die schreibende Person auf dieses Repertoire zurück. Um ihr Schreibziel zu erreichen, aktiviert sie die gespeicherten Verknüpfungen in Syntheseprozessen, überprüft diese und fügt gegebenenfalls weitere Ideen aus bereits gespeicherten semantischen Einheiten oder externen neue Quellen hinzu. Im Prozess dieser Wissensaktivierung und -transformation findet Lernen statt.

Aus dieser Perspektive werden die drei KI-Rollen wie folgt eingeschätzt:

  • Ghostwriter: Keine oder minimale Notwendigkeit der Informationstransformation eigener Wissensbestände sowie kognitiver Syntheseprozesse in Bezug auf den Lerngegenstand. KI-Anwendung ersetzt den Lernprozess oder kürzt ihn ab. Prompting-Kompetenzen ersetzen Schreibkompetenzen.
  • Writing Partner: Wissensaktivierung und -transformation ist erforderlich. Die KI-Rolle unterstützt den Lernprozess, sofern die Sinnhaftigkeit und der Zeitpunkt der KI- Anwendung metakognitiv bewusst gesteuert sind sowie die Bereitschaft und die Fähigkeit vorhanden sind, Informationen des Outputs in eigene Wissensbestände zu integrieren und damit eigenes Wissen zu transformieren.
  • Writing Tutor: Wissensaktivierung und -transformation ist erforderlich. Eigene Textproduktion steht im Mittelpunkt. Unterstützung beim (strategischen) Vorgehen durch Instruktionen und Feedback der KI. Die KI-Rolle unterstützt den Lernprozess.

Fazit: Augen auf beim Prompten! 

Die drei KI-Rollen lassen sich nicht immer klar voneinander abgrenzen. Vor allem die Übergängen zwischen der Partner- und der Tutoren-Rolle sind fliessend. Die Heuristik zu diesen KI-Rollen, die in der obigen Tabelle beispielhaft Mensch-Maschine-Interaktionen in verschiedenen Phasen des Schreibprozesses aufführt, verstehen sich als Diskussionsbeitrag, um den sinnvollen und legitimen KI-Einsatz zu planen und zu reflektieren. Das hier angelegte Ampelsystem ist nicht apodiktisch zu verstehen. Auch die Ghostwriter-Rolle kann beim Schreiben unter Umständen lernförderlich sein. Etwa dann, wenn der Output als musterhaftes Beispiel einer Textsorte oder einer Formulierung studiert und dessen Merkmale analysiert werden. Solche Analysen können dabei helfen, Wissen über Textsorten aufzubauen.

Ein absolut zentraler Aspekt bei allen Formen der KI-Anwendung in Wissenskontexten ist der zweifelhafte epistemische Status der KI-Ausgaben. LLMs garantieren aufgrund ihrer Funktionsweise keine verlässlichen Outputs können keine Verantwortung für die Richtigkeit von Informationen übernehmen. Aus diesem Grund sprechen wissenschaftliche Publikationsinstanzen – z.B. Nature – den LLMs eine Autorschaft ab. Jede KI-Ausgabe muss deshalb minutiös daraufhin überprüft werden, ob sie wahr, vollständig, verzerrt und für das eigene Vorhaben relevant und valide ist. Dabei gilt: Je höher das Ausmass an Delegation von Schreibaufgaben an die KI ist, desto höher ist die Notwendigkeit, Informationen zu prüfen. Die KI-Anwendung Ghostwriter macht die Prüfung des Outputs unausweichlich, auch für die Writing-Partner-Rolle ist sie notwendig und für die Writing-Tutor-Anwendung mindestens empfohlen. Diese Prüfverfahren setzen digitale Lesekompetenzen voraus, die als «epistemisch wachsames Lesen» (Philipp 2021; 2023) bezeichnet werden. Verkürzt gesagt, versteht man darunter Fähigkeitenbündel, um die Plausibilität von Aussagen, die Vertrauenswürdigkeit von Quellen, die Kohärenz von Aussagen oder die Entstehung und Interpretation von Daten zu evaluieren. Es sind in erster Linie diese Fähigkeiten, die für das Lernen durch Schreiben mit KI geschult werden müssen und dies mit Vorteil zusammen mit einem Menschen in der Rolle eines Reading Tutors.

INFOBOX

Das Schreibzentrum der PH Zürich bietet Module zum Schreiben an, in denen KI-Aspekte thematisiert werden:

Schreiben begleiten und beurteilen (Start: 17. März 2025)
Wissenschaftliches Schreiben (Start: 23. September 2025)


Auch für literarische Zugänge zum Schreiben finden Sie beim Schreibzentrum Angebote – z.B. das Modul Biografisches Schreiben (Start: 30. April 2025).


Einzelpersonen, Teams und Organisationen bietet das Schreibzentrum Weiterbildungen und Schreibberatungen in Form von Coachings, Kursen oder Workshops an. Kontaktieren Sie uns! schreibzentrum@phzh.ch

Zum Autor

Alex Rickert ist Leiter des Schreibzentrums und ist als Dozent in Weiterbildungsgefässen aktiv. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Textlinguistik, Schreibberatung und -didaktik.

Schreiben an Hochschulen in Zeiten von KI – das tiefe Nachdenken wird zukünftig noch nötiger

Text: Maik Philipp

Wenn wir Texte an der Hochschule schreiben, verfolgen wir damit häufig den Zweck, Wissen zu dokumentieren, es zu kritisieren oder es weiterzuentwickeln. Dabei stützen wir uns zum einen auf Wissensquellen wie andere Texte, aber auch auf unsere eigenen Ideen. Was für Forschende gilt, wird auch für das Lernen im Rahmen des Studiums beansprucht. Diese traditionelle Sicht auf das, was «epistemisches Schreiben» genannt wird, hat sich zu verändern begonnen, seitdem mit ChatGPT ein Game Changer aufgetreten ist, dessen mögliche Auswirkungen zurzeit Gegenstand von umfassenden Abwägungen sind. Automatische Textproduktion mittels Large-Language-Models ist die vorerst letzte, aber bei Weitem nicht einzige technologisch basierte Etappe in der offenen Frage, wie wir hochschulisches Lernen und Lehren betreiben wollen, wenn neue Technologien aufkommen.

Reine Reproduktion beim Schreiben und die Ausweichmöglichkeiten

Vielleicht ist es gar nicht unbedingt die technische Seite, die im Kern das Problem ausmacht. Die Frage, die sich stellt, wenn Algorithmen Texte herstellen, betrifft natürlich Chancen der Arbeitserleichterung und Risiken der Eigenleistungsbestimmung. Aber sie tangiert doch viel mehr eine andere Grundsatzthematik: Wozu und was schreiben wir denn an den Hochschulen noch bzw. lassen wir schreiben? Damit sind unweigerlich Zielvorstellungen angesprochen und infolgedessen wiederum die Notwendigkeit, sich über diese Ziele Gedanken zu machen. Solche Klärungsnotwendigkeit besteht freilich nicht nur bei den Prüfungsformaten, sondern zusätzlich bei den Lernaufgaben, ja: beim Lernen allgemein.

Dabei müssen wir keineswegs wieder von Null starten. Die Lehr-Lern-Forschung hat sich intensiv damit beschäftigt, wie das Schreiben das Fachlernen unterstützt und welche Arten von kognitiven Prozessen und welche Arten von Wissen für das Lernen unterscheidbar sind. Dabei wird schnell deutlich, dass es verschiedene Facetten des Lernens gibt, die sich darin unterscheiden, wie stark Gegenstände im Rahmen des Lernens kognitiv verändert werden müssen. So kann zum Beispiel unterschieden werden, ob man eine Theorie nur wiedergeben, ihre Logik und Anwendungsgebiete erläutern, sie auf einen Fall anwenden, sie mit einer anderen Theorie vergleichen oder begründet kritisieren soll. Je nach Aufgabe müssen Lernende zu sehr unterschiedlichen Dingen kognitiv in der Lage sein. Nicht alles davon ist in allen Fällen immer gefragt oder sinnvoll, aber entscheidend ist, dass wir Lernaufgaben profilieren und charakterisieren können, welche Prozesse sie einfordern und welche Wissensarten sie touchieren. Wir können zudem kartieren, welche Prozesse und Produkte des Denkens höherer Ordnung wir lesend und schreibend an Hochschulen nutzen wollen und wie wir Enkulturation in Wissensgemeinschaften mit dem Schreiben verbinden.

KI-generierte Texte müssen von kritisch denkenden Personen eingeschätzt werden.

Was automatische Textproduktion zumindest ansatzweise kann, ist das Reproduzieren von Inhalten auf der Basis von Mustererkennung in riesigen Textkorpora, anhand derer der Algorithmus trainiert wurde. Dass Tools wie ChatGPT diese Reproduktion sprachlich auf hohem Niveau leisten, mag arbeitserleichternd sein, aber es entbindet nicht davon, wozu Personen schreibend in der Lage sein müssen: einem evaluierenden Verarbeiten, welches seinerseits Verstehen voraussetzt. Ein ChatGPT-Text ist zunächst ein Angebot. Dessen Eignung oder Nicht-Eignung, seine Richtigkeit, seine Angemessenheit und seine Verwertbarkeit bemessen sich daran, dass die Texte von kritisch denkenden Personen eingeschätzt werden müssen. Hier bestehen Ausweichmöglichkeiten für die Hochschullehre, die teils zutiefst in das hineinragen, was zum Beispiel im Falle des naturwissenschaftlichen Lernens gefordert wird. Wir können und sollten uns darum Lern- und Leistungsaufgaben überlegen, welche das Denken höherer Ordnung fördern und fordern. In diesen Aufgaben sollte weniger die Reproduktion eine Rolle spielen als die begründete und begründbare Evaluation von Aussagen und ihrem Geltungsanspruch als Wissen.

Prüfen von Aussagen als immer wichtiger werdende Fähigkeit: Was ist weshalb wahr und wer ist warum vertrauenswürdig?

Was es – nicht nur bei KI-basierten Texten – zu prüfen gilt, ist die Plausibilität, also die potenziell zugeschriebene Wahrheit von Aussagen, und die Vertrauenswürdigkeit von Quellen hinter der Aussage. Die Leseforschung nennt dies Erste- und Zweite-Hand-Einschätzung. Die Zuweisung von Plausibilität als Erste-Hand-Einschätzung ist an Wissen über den Gegenstand, kohärentes Begründen von Aussagen und auch die Produktion von wissensbezogenen Aussagen gebunden. Die Bestimmung der Vertrauenswürdigkeit als Zweite-Hand-Einschätzung bemisst sich daran, welchen Personen und Organisationen zugestanden wird, sich inhaltlich qualifiziert und gesellschaftlich wohlwollend zu äussern, weil Expertise und Redlichkeit unterstellt werden. Solche Zweite-Hand-Beurteilungen von Aussagen werden von ChatGPT zwar erschwert, aber sie sind dadurch nicht unwichtiger geworden – im Gegenteil. Vielmehr geht es zunehmend um die Abwägungen, was warum wahr ist und wie wir sinnvoll vorgehen, um begründbare und ausreichend sichere Antworten auf diese Frage zu finden. Anders gesagt: Das tiefe Nachdenken und mit ihm eine Entschleunigung wirken nötiger denn je.

Damit ist ein Bündel von Fähigkeiten angesprochen, welches in der Leseforschung schon seit Längerem als wichtig erachtet wird und durch die Zunahme an digitalen Texten und Dokumenten noch an Bedeutung gewonnen hat. ChatGPT und andere KI-Applikationen werden diese Fähigkeiten mutmasslich nicht weniger wichtig werden lassen. Darin liegt auch eine Chance, Lern- und Lehrprozesse an den Hochschulen anzupassen.

INFOBOX

Das Schreibzentrum der PH Zürich pilotiert derzeit Kurse für Studierende und Dozierende. Im Kern der Angebote stehen Prozesse des Lernens. Die Erfahrungen werden voraussichtlich am Tag der Lehre der PH Zürich (2. Februar 2024) im Workshop «Los, KI, denk für mich?! Lernen und Lehren mit Texten» vorgestellt.

Zum Autor

Maik Philipp ist Professor für Deutschdidaktik an der PH Zürich. Seine Schwerpunkte sind Lese- und Schreibförderung mit Fokus auf Evidenzbasierung.

Promoting Authentic Assessment in the Age of Artificial Intelligence

Text: Mònica Feixas

In the actual context of higher education, the emergence of artificial intelligence (AI) tools introduces a multitude of challenges to conventional assessment practices. While we are witnessing that certain teaching and learning activities may eventually be performed by AI to a relatively good standard, we cannot fully rely on the generated content because it can exhibit deficiencies in accuracy, comprehending context, coping with intricate analysis or being ethical. For rigorous scholarly pursuits, it is necessary to empower students to critically discern and interpret data, to identify bias and ensure fairness, and to make choices aligned with human values, that is: to form evaluative judgements (EJ). This blog is about practices that foster EJ within the context of authentic assessment tasks, answering questions such as: What precisely constitutes an authentic assessment task? What practices promote EJ in the context of authentic assessment tasks? How can we effectively leverage tools like ChatGPT to facilitate the development of evaluative judgement?

Can artificial intelligence give you a realistic assessment of your work? (Image source: Adobe Stock)

Authentic Assessment Tasks in Higher Education: a Response to traditional Assessments

Authentic assessment tasks have emerged as a meaningful response to address the limitations of conventional assessment methods in higher education (Clegg & Bryan 2006). They require students to perform as professionals within the actual social and physical contexts of a specific field, demanding the demonstration of skills and knowledge reflective of real-world scenarios.  

Authentic assessment aims to replicate the tasks and performance standards typically found in the world of work and has been found to have a positive impact on student learning, autonomy, motivation, self-regulation and metacognition; abilities highly related to employability.

(Villarroel et al. 2018)

Different displays of knowledge and performance can be encouraged based on the selected assessment formats employed to assess students‘ learning:

Figure 1: Continuum from traditional to authentic assessment approaches (own elaboration)

While traditional assessment formats focus on the demonstration of Knowing (e.g. through factual tests or MCQs) or Knowing How (context-based tests, MCQs, problem solving), authentic assessment also emphasize Showing How (performance based, objective school observations, problem-based learning, scenarios, portfolios) and Showing Doing (performance based tasks, work/professional experience, patient care, pupils’ teaching) (Sambell & McDowell 1998)

Designing authentic tasks can be done by following the five-dimensional framework from Gulikers, Bastiaens and Kirschner (2004) (reproduced in Figure 2) with pertinent questions in relation to each dimension. Another alternativ is Sambell’s guide. In both cases, effective assessments work in tandem with teaching and learning activities to help students develop long-term approaches to learning.

Figure 2: Framework for designing authentic assessment (adapted from Gulikers, Bastiaens and Kirschner 2004

Examples of authentic assessment tasks can be found in Jon Mueller’s Authentic Assessment Toolbox, or Kay Sambell and Sally Brown.

Evaluative Judgement: a crucial Skill in the Age of AI 

Following Villarroel et al. (2018), authentic assessments should include at least three components: 

  • Realism, to engage students with problems or important questions relevant to everyday life; 
  • Cognitively challenging tasks that prompt students to develop and use higher levels of thinking to use knowledge, process information, make connections and rebuild information to complete a task (rather than low-level recall or reproduction of facts); 
  • Opportunities to develop Evaluative Judgement and enhance the self-regulation of their own learning. 

Evaluative judgement is the capability to make decisions about the quality of work of oneself and others.

Tai et al. (2018)

In the age of AI, supporting students navigate the fake news world, veracity of data and reflect the work being presented by ChatGPT or other artificial intelligence tools is crucial. It is only possible if students develop a deep understanding of topics and of quality and help them assess quality of a product or performance. EJ is all about engaging with grading criteria, improving the capacity to appreciate the features of «quality» or excellence in complex outputs and developing the ability to provide, seek and act upon feedback. 

EJ is additionally a skill that interacts with self-regulated learning. When students develop an understanding of quality, they are better able to apply feedback, and become less reliant on external sources of feedback. Students who can self-regulate and judge their own work can be more autonomous in their learning. It is suggested that students with these attributes may make a smoother transition into the workforce (Tai et al. 2018)

EJ is also relevant from a perspective of inclusive education. A Delphi Study with 10 international experts on authentic and inclusive assessment showed that activities which develop EJ include discussions of quality with their students, listen to students‘ perspectives and have the potential to be more inclusive by ensuring that all students have a shared understanding of standards and criteria (Feixas & Zimmermann 2023).

Practices supporting the Development of Students’ evaluative Judgement

In order to apply EJ we have to consider its two key components: the contextual understanding of the quality of work, and the judgement (and articulation thereof) of specific instances of work. This can be applied to the work or performance of both self and others.   

Research suggest the following practices to developing the EJ components (Bouwer et al. 2018; Tai et al. 2018; Sridharan & Boud 2019):

  1. Exemplars:  
  • Students receive various examples of expected standards for evaluating their own and others‘ performance, including progress notes, reports, learning goals, reflection sheets, and intervention strategies. They are provided alongside grading criteria, and can be used for  review, or students can discuss exemplar assignments in groups. 
  • Video-feedback, like «live marking» screencasts, can also be utilized to demonstrate different levels of work quality. See the three examples by Dr. Nigel Frances (University of Swansea):  
  1. Assessment criteria and rubrics: 
  • Checklists, templates, or rubrics are provided to help students reflect on their achievement of competencies. 
  • Students engage with criteria by discussing the meaning and distinguishing features of work at each level of the rubric. 
  • Involving students in translating generic grade descriptors into assignment-specific grading criteria, and involving students in designing own rubrics with ChatGPT enhances their understanding. 
  1. Peer-review and feedback: 
  • Students engage in providing feedback on their peers‘ work-in-progress based on the grading criteria, focusing on elements where they can offer valuable insights, such as i.e. argument strength in the case of a ChatGPT-text. 
  1. Self-appraisal or self-assessment:  
  • Students appraise their own work against grading criteria to show their development of EJ.  
  • They submit cover sheets where they self-assess their work before assessment and receive feedback about it. Such feedforward supports improvement from one task to another (Sadler, Reimann & Sambell 2022).   
  • This higher-level thinking process involves reflection, identifying potential improvements, and working towards integration in an ongoing manner. 

A fictitious Example of an Authentic Assessment Task in an Educational Psychology Course and the Use of ChatGPT to enhance Evaluative Judgement Practices

Task-Title: Inclusive Education Initiatives – An Educational Psychology Project for Social Impact 

In this group task, students design an inclusive education initiative that not only addresses educational psychology principles but also seeks to foster diversity, equity, and inclusion in educational settings. The goal is to create a project that promotes an inclusive learning environment, where every pupil thrives academically and socially. Rubrics, self-and peer-assessment options, exemplars, and feedback are practices deployed to strengthen their evaluative judgement skills.  

Part 1: Identifying the Need

Students conduct research on challenges in marginalized communities‘ access to quality education. They are allowed to use AI-tools after their initial research to broaden their understanding of the educational psychology concepts related to the identified communities. AI can assist, for example, in providing new data, visualisations, translating information from other languages, condensing content summaries or responding questions. Students‘ critical analysis and ethical review of the generated content is crucial in interpreting results and making summaries or recommendations. The teacher afterwards provides feedback to the groups to improve the needs assessment. 

Part 2: Project Design

Based on their research, students develop evidence-based inclusive education initiatives. ChatGPT can be utilized to help students with intervention strategies, best practices, and approaches used in similar contexts. A possible prompt is: «Identify evidence-based interventions that have demonstrated success in narrowing the education gap among underserved populations.» Peer-assessment is encouraged to critically evaluate their different project designs and identify differences between versions of ChatGPT. Groups include improvements done after peer-feedback. 

Part 3: Social Impact Assessment

Students describe the potential social impact of their initiatives and self-evaluate it with a rubric containing criteria about how the project can contribute to breaking down barriers, promoting social cohesion, and enhancing educational opportunities for the targeted group. 

Part 4: Stakeholder Engagement

Students present their projects to stakeholders and utilize feedback to enhance their engagement strategies, ensuring buy-in and long-term sustainability. After the presentation and before the final submission, teacher offers exemplars based on successful projects in similar contexts. 

Final Reflection:

Students utilize a rubric to self-assess their projects, reflecting on strengths, limitations, and ethical considerations. The final project is submitted alongside an individual reflection highlighting aspects of the use of EJ. Final feedback is provided by the teacher to foster growth and improvement.

INFOBOX

Empowering academics to promote Evaluative Judgement – three training opportunities:

We want to empower teachers to design authentic assessment practices to better create work-ready graduates, who are able to operate independently in rapidly evolving, technologically-enabled environments and to promote EJ as means to judge the quality of work through standards.
At ZHE, we offer a half-day course online on Authentic Assessment and Evaluative Judgement: «How to judge the quality of my own work and that of others, including ChatGPT? Evaluative Judgement in the context of authentic assessment tasks». 27th September 2023, 13–17h, online.

From February to May 2024, the PH Zürich offers a one-time course: «Beyond Exams: Designing Authentic Assessment and Feedback Practices». The 1.5 ECTS module takes place in the context of the international project «PEER-Net» of the Department Projects in Education (PH Zürich). The course is taught in a team-teaching format by experts in assessment and feedback of the Faculty of Education of the University of Pristina in Kosovo and the ZHE. The participation in this module includes a reciprocal visit (Swiss scholars to Kosovo and the colleagues of Kosovo to Zurich), classroom visits and discussion with students.

In the context of our CAS Hochschuldidaktik, the module «Assessment und Evaluation» offers a comprehensive exploration of these subjects. 26th October to 7th December, PH Zürich. Enrol now!

About the Author

Zwischen Technologie und Menschlichkeit

Text: Dominic Hassler und Monique Honegger

Wenn wir als Bildungsfachleute Curricula und Unterricht im Kontext von KI weiterentwickeln, sollten uns die Stärken und Schwächen von Künstlicher Intelligenz (KI) und von Menschen bewusst sein. Tools wie etwa ChatGPT erzeugen Texte, die solchen von Menschen gleichen. Allerdings produzieren sie Texte auf andere Weise. Vorliegender Beitrag ergründet, u.a. mit Bezug auf Ausführungen von Floridi (2014), worin dieser Unterschied besteht. Abschliessend identifizieren wir Fragen für professionelles Handeln zwischen Technologie und Menschlichkeit.  

Wir bauen keine Roboter, die wie ein Mensch Hemden bügeln und falten. (Quelle: Youtube)
Stattdessen bauen wir eine Kleiderfaltmaschine.
(Quelle: Facebook)

Menschen bauen Maschinen nicht mit dem Ziel, dass die Maschinen Aufgaben auf dieselbe Weise lösen wie Menschen. Andernfalls müsste ein Roboter am Spülbecken stehen und das Geschirr mit Schwamm oder Bürste reinigen. Stattdessen bauen wir einen Geschirrspüler (Luciano Floridi, 2014). Das Ingenieurwesen nennt dies «Enveloping» (dt.: umhüllen). Der Geschirrspüler fungiert als Hülle für die Maschine, die unser Geschirr reinigt. In dieser Hülle erledigt die Maschine ihren Job effizient und effektiv. Entsprechend ist eine Autobaustrasse eine grossformatige Hülle für Maschinen, die Autos zusammenbauen. Solche Umgebungen sind für Maschinen gemacht, nicht für Menschen. 

Diese «Hülle» ist nicht für Menschen gemacht. Rätsel: Wo ist der Mensch?
(Quelle: Adobe Stock)

Ähnlich verhält sich der Transfer von menschlichem Schreiben und einem Tool wie ChatGPT. Wenn ein Mensch einen Text verfasst, erfordert dies Intelligenz sowie für eine angemessene Performance als Erwachsener rund 20’000 Stunden Übung (vgl. Linnemann 2014, S. 27, Kellogg 2008, S. 4). Schreibt hingegen ChatGPT einen Text, braucht es beträchtlich Speicher und Rechenpower.  

Zahlreiche Prozesse unserer Welt sind automatisiert dank Maschinen, also in Envelopes gehüllt. Jeden Tag werden mehr Daten gesammelt, gibt es mehr Geräte, die miteinander kommunizieren, Tools, Satelliten, Dokumente, RFID, IoT – in einem Wort: mehr Enveloping. Darum kann es manchmal so aussehen, als ob Maschinen zunehmend «intelligenter» und Menschen «dümmer» werden. 

Beziehung zwischen Menschen und Technik

Stellen wir uns ein Menschen-Paar mit zwei unterschiedlichen Charakteren vor. Die eine Person ist fleissig, unflexibel und stur. Die andere Person ist faul, anpassungsfähig und nachgiebig. Ihre Beziehung funktioniert, weil sich die faule Person der fleissigen Person anpasst. Derzeit hüllen wir als Teil eines Paars (Mensch-Technik) immer grössere Teile unserer Umgebung in smarte ICTs. Mitunter prägen diese Technologien unsere physische und konzeptionelle Umwelt. Schliesslich ist KI die arbeitssame, aber unflexible Paarhälfte, während Menschen intelligent, aber faul sind. Es passt sich demnach der faule Part an, wenn eine Trennung keine Option ist (vgl. Luciano Floridi 2014, S. 150). Mensch und Maschine als gleichwertiges Paar auf Augenhöhe zu denken, entspricht einer Handlungslogik. Es gibt jedoch auch eine Sehnsuchts- und Angstlogik, respektive eine emotionale Interpretation, die medial weit verbreitet ist: diese geht von einer Dominanz des anderen Paarteils aus.

Mediale Omnipräsenz von «allgemeiner künstlicher Intelligenz»

In Filmen und Literatur und finden sich mächtige «allgemeine künstliche Intelligenz» als fiktionaler Alltag: von Olimpia im Sandmann (ETA Hoffmann) bis zu HAL 9000 in A Space Odyssey oder Skynet in Terminator. Gleichzeitig warnen und warnten Persönlichkeiten wie Stephen Hawking oder Elon Musk davor, dass eine künstliche Intelligenz sich irgendwann über die Menschheit erheben könnte. Ingenieur:innen von Microsoft verkündeten kürzlich, «Experimente mit ChatGPT 4.0 hätten einen Funken von allgemeiner KI gezeigt». Daraus liesse sich folgern, dass die Menschheit auf dem Weg ist, eine mächtige «allgemeine KI» zu entwickeln und aktuelle Schreibroboter wie ChatGPT der nächste Schritt auf diesem Weg sind. Ist diese Folgerung gerechtfertigt? Oder wir können auch anders fragen: Haben KI wie ChatGPT heute oder morgen das Potenzial etwas Bedeutungsvolles zu kreieren? 

Tippende Affen und unendlich viele Daten

Theoretisch kann KI etwas Neues oder Innovatives kreieren, wie das Infinite Monkey Theorem zeigt. Stellen wir uns eine unendliche Anzahl von Affen vor, die auf Schreibmaschinen tippen. Irgendwann verfasst ein Affe per Zufall Goethes Faust. Allerdings versteckt sich der Faust-Text in Galaxien von zusammenhangslosen Zeichen und Texten. Die tippenden Affen realisieren nicht, wenn ein für die menschliche Kultur bedeutsames Werk erschaffen wird. Kurz: Es gibt viel Produziertes, aber den produzierenden Affen entgeht der kulturelle, intellektuelle oder diskursive Wert des jeweiligen Textes. 

Bild einer papierüberquellenden Galaxis (Annäherung).
(Quelle: Adobe Stock)

Die schreibende Affenhorde lässt sich mit ChatGPT vergleichen: ChatGPT beherrscht die Syntax unserer Sprache fast perfekt. Daher entstehen keine Texte mit Schreibfehlern auf der Textoberfläche (Grammatik, Orthografie) und ChatGPT arbeitet etwas weniger zufällig als die unendlich vielen Affen. Gleichwohl müsste ChatGPT unzählige sinnfreie Wortkombinationen verfassen, um zufällig ein Kulturgut wie Faust zu kreieren. Aufgrund des Mooreschen Gesetzes (alle ca. 18 Monate verdoppelt sich die Leistung neuer Computerchips) können KIs bereits heute nahezu unendlich viele Texte kreieren. 

KI versteht jedoch nicht, was sie schreibt. Sie kombiniert aufgrund statistischer Werter, welche Worte zueinanderpassen. Etwas Bedeutungsvolles schafft sie per Zufall, ohne es zu merken. Diese Unbewusstheit der KI schmälert keineswegs ihr enormes Leistungspotenzial. Nützlich ist, dass KI auf Knopfdruck in riesigen Datenmengen weitere Worte und Begriffe findet, die zu einer Suchanfrage passen und daraus Text produziert. Die Resultate erinnern an Texte, welche fleissig sammelnde Lernende für die Schule verfassen. Nebenbei: oftmals ist es unabdingbar, solchen Lernenden zu feedbacken, dass ihr Text einen Fokus, eine diskursive Position sowie eine Verknüpfung der dargestellten Inhalte benötigt. 

Die Existenz solcher KIs wirft Fragen auf für die Bildungswelt, insbesondere für Schreibaktivitäten. Sinkt etwa die Motivation dafür, weil KI schreiben kann (PHSZ)? Oder erhöht sich die Performanz beim Schreiben dank KI-Unterstützung? Dies ist nicht nur eine Frage von Sprachunterricht, bekanntlich findet Lernen nicht ohne Sprache statt. Ebensowenig funktioniert eigenständiges Denken ohne Sprache (Honegger/De Vito/Bach 2020). Umgang mit KI betrifft Denkförderung und Sprachförderung.

Es folgt eine Auswahl von weiterführenden Fragen für den Unterricht und das Lernen in allen Fächern:

A) Lehrende

  1. Wie integriere ich als Lehrende KI-Tools sinnvoll in den Unterricht (→ Beispiel)?  
  1. Wie gestalte ich motivierende Schreibaufgaben und baue die Leistungsfähigkeit von KI in Lernprozesse ein? 
  1. Wie begleite ich einzelne Lernende mit oder dank KI effektiv? 
  1. Was bedeuten Lösungsansätze wie «mehr mündlich» oder «mehr prozessorientierte Lernbegleitung» (siehe bspw. PHSZ) konkret für meinen Unterricht? Gezieltes wirksames Feedback und wirkungsvolle Reflexion. Dies impliziert eine Änderung in methodischen Settings (vgl. Hassler/Honegger 2022

B) Schulleitungen und Schulteams 

  1. Wie nutzen wir KI-Tools im Unterricht als Werkzeug und gewährleisten dabei den Datenschutz? → eine Möglichkeit
  1. Welche Richtlinien und Freiräume brauchen wir für den Einsatz von KI im Unterricht und an Prüfungen (inklusive Projektarbeiten)?

C) Prüfungen

  1. Welche Rahmenbedingungen gelten für Prüfungen und Projektarbeiten?  
  1. Inwiefern sind Inhalte und Kompetenzen anzupassen? (Siehe bspw. Müller/Winkler 2020 für eine Einordnung des Grammatikunterricht)  

D) Weiter- und Ausbildung von Lehrenden 

  1. Inwiefern sind aktuellen Kompetenzbeschreibungen und -modelle anzupassen (Kröger 2021)? 
  1. Welche Kulturkompetenzen (Schreib- oder Lesekompetenzen u.a.) brauchen Menschen in Zukunft?  
  1. Welche Inhalte sollen vermittelt, welche Kompetenzen trainieren werden? 

Lehren und Lernen in einer von digitaler Technik geprägten Welt ist Balancieren zwischen faul und schlau:  Die Beziehung zwischen Mensch und Technik steuern.

INFOBOX

Angebote
Mehr über die Chancen und Herausforderungen von KI und anderen aufkommenden Bildungstechnologien wie VR oder Learning Analytics erfahren Sie im Modul Emerging Learning Technologies am 25.8. und 15.9.2023 am Campus PH Zürich.

Prägnante Aufgabenstellungen für Lernende effizient formulieren
Blitzkurs online, 25.5.2023, 17.30–19 Uhr

Podcast
Hören Sie mehr zum Thema ChatGPT und KI im Gespräch zwischen Rocco Custer (FHNW) und Dominic Hassler (PHZH) im Podcast #12 «Resonanzraum Bildung – ChatGPT, Chancen und Risiken in der Berufs- und Hochschulbildung».

Zu den Autor:innen

Monique Honegger ist Senior Teacher, ZFH-Professorin an der PH Zürich. Beratend, entwickelnd, weiterbildend und bildend. 

Kreatives Schreiben und Life Skills

Text: Peter Holzwarth

«Wenn du deine Rolle in der Welt besser verstehen willst, dann schreib. Versuche deine Seele ins Schreiben zu legen, auch wenn niemand es liest, oder, was schlimmer ist, jemand es liest, obwohl du es nicht wolltest. Der einfache Akt des Schreibens hilft uns, Gedanken zu ordnen und klar zu sehen, was uns umgibt. Ein Stück Papier und ein Kugelschreiber können Wunder bewirken – Schmerzen heilen, Träume in Erfüllung gehen lassen, verlorene Hoffnung wiederbringen.
Im Wort liegt Kraft.»

(Paolo Coelho 2007, S. 52)

«Ohne zu schreiben, kann man nicht denken; jedenfalls nicht in anspruchsvoller, anschlussfähiger Weise.»

(Niklas Luhmann 1992, S. 53)

«Schreiben heißt: sich selber lesen.»

(Max Frisch [1950] 1985, S. 19)

Der folgende Beitrag zeigt verschiedene Möglichkeiten auf, kreatives Schreiben mit der Entwicklung von Lebenskompetenzen zu verbinden.

Das Konzept Life Skills wurde von der World Health Organisation (WHO) eingeführt. Life Skills werden folgendermassen definiert:

«Life skills are abilities for adaptive behaviour that enable individuals to deal effectively with the demands and challenges of everyday life» (World Health Organisation 1997, S. 1).

Es werden zehn zentrale Skills definiert: Decision-making (Fertigkeit, Entscheidungen zu treffen), Problem-solving (Problemlösefertigkeit), Creative thinking (kreatives Denken), Critical thinking (kritisches Denken), Effective communication (Kommunikationsfertigkeit), Interpersonal relationship skills (Beziehungsfähigkeit), Self-awareness (Selbstwahrnehmung), Empathy (Empathie/Einfühlungsvermögen), Coping with emotions (Gefühlsbewältigung) und Coping with stress (Fähigkeit zur Stressbewältigung).

Über kreative Schreibprozesse können Life Skills angeeignet und weiterentwickelt werden. Im Folgenden ein paar Beispielszenarien:

  • Ein Teenager wird sich seiner ambivalenten Gefühle bewusst, indem er ihnen in Form eines kleinen Gedichts ästhetische Gestalt verleiht. (Self-awareness, Coping with emotions, Coping with stress)
  • Eine junge Lehrerin hat sich angewöhnt, jeden Tag drei Dinge aufzuschreiben, die gut gelaufen sind bzw. die ihr Freude bereitet haben (vgl. Beitrag «Ehemalige Tutorin Antonia Rakita im inside 2/2022» im SchreibBLOGzentrum). (Coping with stress, Coping with emotions)
  • Eine Schülerin schreibt einen kurzen Text aus der Perspektive einer Figur in einem Spielfilm. (Empathy)
  • Ein Heranwachsender verfasst einen Liebesbrief an sich selbst, in dem er all das würdigt und zum Ausdruck bringt, was er an sich mag. (Self-awareness)
  • Eine Schülerin lernt das Prinzip der Wiederholung von Textstellen kennen und empfindet Selbstwirksamkeit in Bezug auf das entstandene eigene Gedicht.
  • Eine Weiterbildungsteilnehmerin entdeckt eine spannende ästhetische Interaktion zwischen einem selbstgemachten Foto und einem selbstgeschriebenen Text.

Lernprozesse können auf mehreren Ebenen stattfinden:

  • Sich selbst besser kennen lernen (Selbstreflexion, Inneres Erleben durch Schreiben nach Aussen bringen und es dann mit Abstand betrachten können (Veräusserung und Resubjektivierung))
  • Phänomene der Welt besser deuten können (sich über Schreibprozesse einem Gegenstand annähern und schreibend verstehen)
  • Literarische Aspekte kennen lernen (z. B. das ästhetische Prinzip der Wiederholung, das Prinzip der kreativen Aneignung von Vorlagen im Sinne eines Remakes)
  • Stolz empfinden in Bezug auf das eigene Produkt (Selbstwirksamkeit, den Mut haben, den eigenen Text einem Publikum zu präsentieren, Anerkennung von anderen bekommen, sich selbst wertschätzen können)
  • Über Kritik und Feedback lernen und sich weiterentwickeln (z. B. Kritik und Feedback von anderen können helfen, den eigenen Text aus einer neuen Perspektive zu sehen (z. B. andere Lesarten), sich der eigenen Leserlenkungspotenziale bewusst zu werden und den eigenen Text noch besser zu machen)
  • Zusammenhänge von Denken, Fühlen und Schreiben ausloten (vgl. Eingangszitat von Niklas Luhmann oben)

Im Folgenden werden ausgewählte Projektideen aus dem Buch «Life Skills mit Medien» (Holzwarth 2022) vorgestellt:

Fotogedicht «Vergnügungen»

Ein Remake zum Gedicht «Vergnügungen» von Bertolt Brecht wird produziert und mit einem Foto kombiniert (Leis 2019, S. 130 u. 131; Holzwarth & Maurer 2014).

Brecht zählt in seinem sprachlich sehr einfachen Gedicht alltägliche Dinge auf, die Vergnügen bereiten können, wie z. B. der erste Blick aus dem Fenster am Morgen oder das Wiederfinden eines alten Buchs. Das Verfassen eines Remakes hilft den Schreibenden, sich ihrer «Alltagsschätze» bewusst zu werden: Man braucht nicht auf das große Glück zu warten, weil der Alltag bereits sehr viele kleine Reichtümer enthält. Man muss sie nur entdecken und bewusst machen.

«VERGNÜGUNGEN

Der erste Blick aus dem Fenster am Morgen
Das wiedergefundene Buch
Begeisterte Gesichter
Schnee, der Wechsel der Jahreszeiten
Die Zeitung
Der Hund
Die Dialektik
Duschen, Schwimmen
Alte Musik
Bequeme Schuhe
Begreifen
Neue Musik
Schreiben, Pflanzen
Reisen
Singen
Freundlich sein»

(Bertold Brecht, Suhrkamp Verlag 1990, S. 1022)
Abbildung 1: «Vergnügung» (Schulprojekt)

Fotogedicht «Rondell»

«Poesie macht einem die schwierigen Zeiten erträglicher.
Und Poesie macht die schönen Seiten noch schöner und strahlender.»

Heinz Rhyn, Pädagogische Hochschule Zürich, «PH Goes Poetry», 23.9.2021 (Übertragen aus dem Berndeutschen)

Die Gedichtform «Rondell» lebt von bestimmten Wiederholungen. Die Zeilen 1, 4 und 7 sind identisch und Zeile 2 ist gleich wie Zeile 8.

Ein Gedicht kann 8 Zeilen lang sein oder mehrere Strophen von 8 Zeilen hintereinander haben. Die folgende Darstellung visualisiert die Wiederholungsstruktur des «Rondells»:

Abbildung 2: Struktur «Rondell»

Was mein Leben reicher macht

«Beim Schwimmen im kühlen Badsee untertauchen und das eigene Herz schlagen hören.
Anita Chasiotis, Osnabrück»

(Lechner 2012, S. 63)

«Was mein Leben reicher macht» ist der Titel eines Buches, in dem Beiträge von Lesenden aus einer Kolumne der Zeit zusammengetragen wurden (Lechner 2012). In Anlehnung an diese Serie werden die Teilnehmenden gebeten aufzuschreiben, was ihr Leben reicher macht und den Text mit einem Bild zu kombinieren. Es muss sich dabei nicht um eine exakte Visualisierung des Geschriebenen handeln. Auch abstrakte Bilder können eine Rolle spielen. Weitere Projektideen zum kreativen Schreiben, sowie Ideen für Fotografie, Videoproduktion und Medienreflexion sind in Holzwarth 2022 zu finden.

INFOBOX

Schreibmodule
Unter dem Motto «Dem eigenen Schreiben auf der Spur» bieten Prof. Dr. Daniel Ammann, Erik Altorfer und Dr. Martina Meienberg zwei Module zum literarischen Schreiben an, die separat oder kombiniert gebucht werden können.

Das erste Modul «Biografisches Schreiben – das Leben erzählen» bietet Anfänger:innen wie Fortgeschrittenen Gelegenheit, sich im Schreiben mit Erlebnissen, Erinnerungen und persönlichen Lebenserfahrungen zu beschäftigen, um daraus eigene Prosatexte und Geschichten entstehen zu lassen.

Das zweite Modul «Literarisches Schreiben – Wege zum eigenen Schreibprojekt» widmet sich dem fiktionalen Schreiben und vermittelt Methoden des realistischen und fantastischen Erzählens.

In beiden Modulen erhalten Sie in Präsenzveranstaltungen und individuellen Coachings Anregungen und Impulse zum literarischen Schreiben und lernen Techniken der kreativen Textarbeit kennen.
Beide Module sind für den CAS Beraten im Bildungsbereich anrechenbar und sind mit je 1 ECTS dotiert.
Das erste Modul startet am 26. April 2023. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung!

Workshop
Workshop des Schreibzentrums zum Thema:
Kreatives Schreiben leicht gemacht: Das motivierende Prinzip «Remake»,
Peter Holzwarth, Mi. 3. Mai 2023, 17.30–19 Uhr

Zum Autor

Peter Holzwarth ist Dozent für Medienpädagogik an der PH Zürich. Er leitet das Fachteam Medienpädagogik, arbeitet im Schreibzentrum und im Digital Learning (DLE). Ausserdem ist er Berater bei der Stelle für Personalfragen (SteP). 

Lange Links kurz gemacht

Beitrag von Caspar Noetzli

Logo Caspar's Toolbox

 In der Serie «Caspars Toolbox» stellt Caspar Noetzli einmal jährlich eine bewährte App oder ein digitales Werkzeug vor, das sich im Unterrichtsalltag sinnvoll einsetzen lässt – diesmal den URL-Shortener.

 

Mit einem sogenannten URL-Shortener – auf Deutsch etwa «Internetadressen-Verkürzer» – lassen sich lange Links zu Dokumenten und Webseiten verkürzen. Kurze Internetadressen sehen schöner aus, lassen sich schneller merken und einfacher kopieren. Das tönt erstmal banal – doch sie haben noch weitere praktische Merkmale und Anwendungsmöglichkeiten:

  • In einem Buch oder einer Broschüre können optisch ansprechende und aussagekräftige Verweise zu weiterführenden Materialien abgedruckt werden. Das Ziel dieser Links lässt sich jederzeit anpassen, so dass die gedruckten Links über Jahre richtig funktionieren und nicht veralten.
  • Im Verwaltungsbereich des URL-Shorteners sehen Sie, wie oft Ihr Link effektiv angeklickt wurde.
  • Den Kurzlink zu einer wiederkehrenden Tagung können Sie über Jahre beibehalten und einfach jeweils die aktuelle Tagungswebsite hinterlegen.

In diesem Screencast zeige ich Ihnen, wie ein URL-Shortener funktioniert und wie Sie selber Kurz-URLs erstellen und bearbeiten können. Ein Hinweis, welchen Typ von URL-Shortener Sie besser nicht benutzen sollen, rundet das Erklärvideo ab:

Links kürzen

Verschiedene Hochschulen stellen Ihren Mitarbeitenden, und teilweise auch den Studierenden, URL-Shortener zur Verfügung:

  • Angehörige der Pädagogischen Hochschule Zürich nutzen tiny.phzh.ch, um Internetadressen zu kürzen und QR-Codes zu erstellen.
  • Auch an der ETH Zürich steht ein URL-Shortener unter diesem Link zur Verfügung.
  • An der Universität Zürich findet man ihn unter tiny.uzh.ch/t.

Gibt es auch an Ihrer Hochschule einen URL-Shortener? Falls ja, fügen Sie die Adresse dazu – hoffentlich eine kurze –  bitte ins unten stehende Kommentarfeld ein. Falls nein, fragen Sie bei Ihren Informatikdiensten nach und verweisen Sie dabei vielleicht auf diesen Artikel.

Wie immer freue ich mich über Kommentare, Fragen und vor allem über eigene Erfahrungsberichte. Bitte benutzen Sie dazu die Kommentarfunktion direkt unterhalb dieses Blog-Beitrags.

INFOBOX

In der Abteilung Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung werden verschiedene Digital-Learning-Veranstaltungen angeboten, z.B. der Kurs E-Didaktik des ZHE, die Veranstaltungen für Berufsfachschullehrpersonen in der Rubrik Digitales Lernen oder die Veranstaltungen für Erwachsenenbildende in der Rubrik Digitalisierung.

Zudem bietet das Zentrum Hochschuldidaktik und -entwicklung der PH Zürich Webinare zum Distanzlernen an.

Zum Autor

Caspar-Noetzli-sw

Caspar Noetzli ist Dozent und Berater im Digital Learning Center der PH Zürich.

Nähe auf Distanz: Möglichkeiten im virtuellen Raum

Beitrag von Petra Weiss und Simone Heller-Andrist

Homeoffice
So sieht Lehre und Lernen im Distanzbetrieb aktuell häufig aus.

Die Massnahmen wegen der Coronakrise zwangen Dozierende und Studierende mitten im Semester, fast von einem Tag auf den anderen, auf Distanzlehren und -lernen umzustellen.

Wir veranschaulichen in einer Video-Präsentation, wie bei einem zweitägigen Weiterbildungsmodul des ZHE mit dieser Herausforderung umgegangen wurde. Dabei geben wir einen Einblick in diese Weiterbildungsveranstaltung und greifen methodische Aspekte zur Vorbereitung und Planung, zur Bedeutung des Einstiegs und zur Rhythmisierung einer Online-Veranstaltung auf.
Weitere Webinare zum Distanzlernen an Hochschulen finden Sie hier.

Viele Fragen

Bei einer so kurzfristigen Umstellung stellen sich Dozierenden zahlreiche Fragen:

  • Grundlegende organisatorische Fragen: Was muss ich im Vorfeld erledigen? Wie lade ich die Teilnehmenden ein? Etc.
  • Inhaltlich-methodische Gestaltung: Was geht auch digital, was nicht oder anders?
  • Strukturierung und Ablauf der Veranstaltung: Wie rhythmisiere ich meine Veranstaltung? Was soll analog, was digital laufen? Wie viel Zeit plane ich für was ein? Etc.

Während es inzwischen im Internet viele nützliche Tipps und Hinweise für die Umstellung auf Online-Lehre gibt (vgl. z. B. Hochschulforum Digitalisierung), zeigen wir, wie sich solche Veranstaltungen rhythmisieren lassen und wie es auch in einer Online-Veranstaltung gelingt, Nähe und Präsenz herzustellen. Damit wird besonders der Austausch mit und zwischen den Teilnehmenden gefördert.

In Phasen denken

Distanzlernen
 
Die Online-Lehre lässt sich genauso in verschiedene Phasen unterteilen wie die klassische Lehre. (Bildquelle: Ritter-Mamczek, B. & Lederer, A. (2012). 22 splendid Methoden. Mehr Vergnügen für Ihre Veranstaltung. Berlin: splendid-verlag.
 © splendid-akademie Berlin: https://www.splendid-akademie.de/)

Jede Veranstaltung, vom einstündigen Webinar bis zum mehrtägigen Präsenz-Seminar, besteht aus einem Einstieg, Arbeitsphasen und einem Abschluss. Diese Phasen gelten im Grossen für die komplette Veranstaltung, aber auch im Kleinen für einzelne Sitzungen oder thematische Einheiten. Auch beim Lehren auf Distanz sind sie bedeutsam. Wichtig ist ausserdem, dass es immer ein «Davor» und «Danach» gibt. So wenig wie die Veranstaltung mit dem ersten Aufeinandertreffen zwischen Dozierenden und Teilnehmenden beginnt, so wenig ist sie auch mit dem Verlassen des (virtuellen) Raums beendet. Gerade bei Online-Kursen ist z. B. ein informatives Einladungsschreiben sinnvoll. Dieses enthält technische und organisatorische Hinweise sowie Vorbereitungsaufträge, schlägt aber vielleicht auch schon Möglichkeiten vor, wie sich die Teilnehmenden für spätere Partner- oder Gruppenarbeiten finden können.

Was wird synchron, was asynchron gemacht?

Distanzlernen



Das Burgzinnen-Diagramm (vgl. Dee Fink 2013) kann Dozierende bei der Planung der Lehre unterstützen.
 

Bei der Planung der einzelnen Phasen stellt sich die Frage, welche Aktivitäten in den Präsenzzeiten und welche als Vor- und Nachbereitung erfolgen sollen. Bei Online-Veranstaltungen ist zu überlegen, was synchron (z. B. beim Treffen auf der Online-Plattform) und was asynchron (ausserhalb der bzw. zwischen den Online-Phasen) passieren soll. Besonders wichtig sind hier auch die Schnittstellen, mit denen durch geeignete Aufgabenstellungen eine gute Verknüpfung zwischen den digitalen Präsenzphasen und den Vor- und Nachbereitungsaktivitäten hergestellt wird.

Wie kann Nähe auch im virtuellen Raum hergestellt werden?

Eine grosse Herausforderung im Virtuellen ist es, Nähe herzustellen, ein Gefühl von Gemeinschaft und Kontakt. Es fehlt oft das Nonverbale (Gestik, Haltung, Mimik), und das Paraverbale (Stimme, Betonung, Lage) wird wichtiger. Es fehlt der direkte Blickkontakt, das Kennenlernen per Händedruck. Wir können weniger gut ‘fühlen’, wie es den anderen Menschen im Raum geht.

Auch im virtuellen Raum muss trotzdem nicht komplett auf Nähe und Präsenz verzichtet werden. In der hier beschriebenen Veranstaltung wurden die Teilnehmenden etwa durch das Einladungsschreiben sorgfältig an das Unbekannte herangeführt. Allfällige Vorurteile und Zweifel wurden durch Hinweise zum Datenschutz ausgeräumt und Möglichkeiten zur Zusammenarbeit zwischen Teilnehmenden während der Weiterbildung wurden bereits im Vorfeld organisiert.

«Der Anfang ist die Hälfte des Ganzen!»

Dieses Zitat wird Aristoteles zugeschrieben. Es verdeutlicht, wie wichtig der Einstieg in eine Veranstaltung ist. Er bildet die Grundlagen für die weitere Zusammenarbeit. In der beschriebenen Veranstaltung wurde bei der Begrüssung ein Test der Instrumente der Online-Plattform mit der Frage nach der momentanen Befindlichkeit kombiniert. Möglich sind hier aber auch Fragen zu den individuellen Erwartungen oder Erfahrungen, um zumindest ein Gespür für die Teilnehmenden zu erhalten und ihnen einen Eindruck von der Zusammensetzung der Gruppe zu ermöglichen. Es gibt mittlerweile eine Fülle von Tools, die entweder in die entsprechende Plattform integriert sind oder auch ausserhalb zur Verfügung stehen (z. B. Life-Umfrage-Systeme wie Mentimeter oder PollEverywhere – viele Hochschulen haben Lizenzen für solche Systeme).

Webinar
Dieses Video zeigt einen Input zum Thema Distanzlernen.

In der Online-Veranstaltung wurden nicht nur Regeln für die bewusste Nutzung von Mikrofon und Kamera vereinbart. Die Dozierenden luden die Teilnehmenden auch ein, während der Veranstaltung Rückmeldungen zu geben (z. B. zum Live-Chat). Dazu stellten sie Fragen wie «Wie steht es um eure Energie?», «Wie war das Tempo bisher?». Auch bauten sie gelegentlich Fragen zum Kontext der Teilnehmenden ein. Etwa sollten sie auf dem Whiteboard Antworten zu Fragen wie «Wo befindet ihr euch gerade?», «Was seht ihr, wenn ihr aus dem Fenster schaut?» notieren. Je nach Gruppengrösse lassen sich Antworten von Teilnehmenden auch auf einer Tonspur, in einem Chat oder mit externen Tools evozieren.

In unserem eigenen Webinar haben wir als virtuelle Interaktion innerhalb einer Arbeitsphase mit einem «Padlet» gearbeitet. Dabei ging es darum, gemeinsam Ideen zur Frage «Wie kann Nähe auch im Virtuellen hergestellt werden?» für alle Phasen einer Online-Veranstaltung zu sammeln. Sie als Leserinnen und Leser laden wir gerne ein, diese Sammlung weiter zu befüllen oder die dortigen Ideen und Anregungen zu kommentieren.

Was bleibt von den Erfahrungen des Distanzlernens?

Die Überlegungen zu Nähe und Präsenz im Virtuellen zeigen: Durch die Umstellung auf Online-Lehre muss vieles expliziter gedacht und überlegt werden, was letztlich auch für Präsenzveranstaltungen gilt. (Dieser Aspekt wurde auch in die oben erwähnte Sammlung eingebracht.) Die aktuelle Notwendigkeit zur Digitalisierung hat den positiven Nebeneffekt, dass wir die Planung und Durchführung unserer Lehr- oder Weiterbildungsveranstaltungen noch einmal unter die Lupe nehmen müssen. Dadurch wird vielleicht die Hemmschwelle abgebaut, vermehrt digitale Elemente auch in Präsenzveranstaltungen einzubauen.

INFOBOX

Die positiven Erfahrungen aus seinen in den letzten Wochen erfolgreich online durchgeführten Modulen nimmt das ZHE mit in den CAS Hochschuldidaktik «Sommerstart», der am 25. Juni 2020 startet. 
Es hat noch freie Plätze, der Lehrgang wird definitiv durchgeführt. Anmeldungen sind noch bis 17. Mai möglich!
Hinweis: Das Modul 1, vom 25.–27. Juni 2020, wird digital stattfinden.

Zum Autorenteam

Petra Weiss Blog

Petra Weiss ist Dozentin für Hochschuldidaktik am ZHE Zentrum für Hochschuldidaktik und -entwicklung der PH Zürich. Sie leitet den CAS Hochschuldidaktik «Sommerstart» sowie weitere hochschuldidaktische Lehrgänge und Kurse und berät bei der (Weiter-)Entwicklung von Curricula.

Simone Heller

Simone Heller-Andrist arbeitet am ZHE Zentrum für Hochschuldidaktik und -entwicklung der PH Zürich als Projektleiterin für Entwicklungs- und Weiterbildungsangebote im Hochschulbereich. Sie leitet den CAS Hochschuldidaktik «Winterstart» und zeichnet verantwortlich für den Förderpreis der Lehre an der PH Zürich.

Der Effekt von Powerpoint ist bei Erwachsenen fast gleich null

Beitrag von Maik Philipp

Über das Lernen sind viele Behauptungen im Umlauf, auch an Hochschulen. Manche davon stimmen, andere nicht – und meistens ist die Realität komplexer. Gestaltet man Unterricht aufgrund falscher Annahmen über das Lernen, untergräbt man seine Wirkung. Deshalb nehmen wir in der Serie «Urban Legends» verbreitete, aber problematische Annahmen über Lehren und Lernen an Hochschulen unter die Lupe. Diesmal zum Thema Powerpoint. 

Nachteile von Powerpoint im Unterricht

Der Einsatz von Powerpoint und anderer Präsentationssoftware ist im Hochschulkontext üblich. Zwei Gründe sprechen dafür, wenn man Lernende befragt: Erstens halten Lernende den Einsatz für sinnvoll, wenn es darum geht, eine strukturierte Auseinandersetzung mit dem Lernstoff zu ermöglichen. Zweitens erlaube die Präsentationssoftware eine gesteigerte Aufmerksamkeit. Diesen Vorteilen stehen handfeste Nachteile gegenüber: ein hohes Tempo, mitunter ein zu hohes, zum sinnvollen Notieren von Inhalten und die Gefahr, abgelenkt statt gelenkt zu werden. Was sich als Frage daraus ergibt: Was ist der Mehrwert für das Lernen, wenn statt Powerpoint beispielsweise traditionellere Formen (Chalk and Talk) eingesetzt werden?

Null-Ergebnisse beim Zusatznutzen

Dieser Frage hat sich jüngst eine Metaanalyse gewidmet. Darin verfolgten die Autoren die Frage, welche Effekte sich auf das Lernen nachweisen lassen. Die Effekte auf das Lernen betrafen verschiedene, primär kognitive Leistungsmasse, also nicht die oben angesprochenen Einstellungen von Personen zum Powerpoint-Einsatz. Die empirische Basis für die Auswertungen bildeten 48 Studien, veröffentlicht im Zeitraum von 1996 bis 2017. 45 Studien stammten aus dem Hochschulkontext, womit sich die Metaanalyse also mit grosser Mehrheit mit den Effekten in der Erwachsenenbildung beschäftigte.

Für das Lernen ist der Zusatznutzen von Powerpoint minimal.

Der studienübergreifende Vergleich zeigte bezogen auf die Überlegenheit von Powerpoint gegenüber traditionelleren Formaten der Wissensvermittlung: nichts. Das Hauptergebnis ist nämlich ein Null-Ergebnis. Dies zeigte sich in statistisch nicht signifikanter Effektstärke von g = 0.07. Das bedeutet: Der Zusatznutzen von Powerpoint für das kognitive Lernen war bestenfalls minimal und hart an der Grenze des Nachweisbaren.

Personen im Schulalter profitieren eher

Dieses Resultat unterschied sich jedoch in einer einzigen spezifischen Auswertung, nämlich beim Alter. Denn in der Metaanalyse wurde geprüft, ob Personen im Schulalter anders vom Powerpoint-Einsatz in ihren Lernleistungen betroffen waren als ältere Lernende. Das war tatsächlich sehr deutlich der Fall. Zwar gab es in den über 45 Studien mit Studierenden keine Effekte (g = 0.01). Doch in den restlichen drei Untersuchungen profitierten die Schülerinnen und Schüler aus dem Schulbereich anders, nämlich deutlicher (g = 1.08). Der in seinen Befunden erstaunliche Alters- bzw. Bildungsetappenvergleich relativiert sich freilich dadurch, dass die Anzahl der Studien in den beiden Vergleichsgruppen (Schule vs. Hochschule) extrem ungleich verteilt war.

Zur Vollständigkeit sei noch erwähnt, dass abgesehen vom Altersgruppenvergleich keine weiteren Moderatoranalysen Unterschiede nachweisen konnten. Es war demnach unerheblich, in welchem Fach die Studien durchgeführt wurden. Ob es sich dabei um publizierte Studien handelte, war ebenfalls nicht relevant. Auch spielte es keine Rolle, ob es experimentelle Variationen gab und mit welchen Massen die Lerneffekte erfasst worden waren. Diese Null-Ergebnisse zu Effekten von Studienmerkmalen sind deshalb wichtig, weil solche Merkmale die Ausprägung von Effekten in der Bildungsforschung zum Teil systematisch beeinflussen.

Was denn nun: Powerpoint oder Chalk and Talk? 

Was bedeutet das metaanalytische Null-Ergebnis für die Erwachsenenbildung? Impliziert es, man sollte auf Powerpoint verzichten? Vielleicht ist es wenig hilfreich, die Frage als Dichotomie, also als logischen Ausschluss zu formulieren. Denn der bisherige Einsatz von Powerpoint hat weder gross genutzt noch geschadet. Statt also ein Entweder-Oder zu postulieren, lohnt es sich zu fragen, wie Präsentationssoftware gewinnbringend eingesetzt werden kann. Eine solche Frage betrifft einerseits die Verwendung von Animationen und Bewegtbildern, andererseits die sinnvolle Verknüpfung von mündlichen Redeanteilen und fixierten Präsentationsinhalten. Auch die Frage, wie sich das Anfertigen von Notizen mit der Präsentationssoftware steigern lässt, ist anschlussfähig. Die Metaanalyse zum Effekt von Powerpoint auf Lernergebnisse zeigt also, dass es nicht per se sinnvoll ist, auf den Technologieeinsatz allein zu vertrauen.

Und auch so lassen sich die Ergebnisse insgesamt interpretieren und für den eigenen Einsatz in der Hochschuldidaktik und in der Erwachsenenbildung nutzen: als essenzielle Frage nämlich, wie Powerpoint helfen kann, das Lernen angemessen zu unterstützen. Denn wenn sich nicht allein durch die Verwendung einer Präsentationssoftware ein Mehrwert ergibt, dann eventuell, wenn Präsentationssoftware geschickt partiell verwendet wird und ein Werkzeug unter vielen ist.

INFOBOX

Eine aktuelle Publikation der Abteilung für Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung der PH Zürich in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Verband für Weiterbildung SVEB unter dem Titel «Digitalisierung und Lernen» (Haberzeth/Sgier 2019) beleuchtet die Herausforderungen, die Digitalisierung in der Weiterbildung bringt.

Auch ein Projekt der PH Zürich behandelt die Thematik:
Digital-Skills-Projekt «Synergien zwischen persönlichen und institutionellen Lernumgebungen für Lehrende und Lernende»

Zudem können an der PH Zürich verschiedene Kurse und Module besucht werden, die die Teilnehmenden im Umgang mit Medien im Unterricht schulen:
E-Didaktik
Webinar: E-Assessment in der Hochschule
Kompetenzorientierter Unterricht mit e-Portfolio
Überfachliche Kompetenzen mit digitalen Tools fördern

Zum Autor

Maik Philipp ist Professor für Deutschdidaktik an der PH Zürich. Seine Schwerpunkte sind Lese- und Schreibförderung mit Fokus auf Evidenzbasierung. Neuere Publikationen: «Multiple Dokumente verstehen» (2019), «Lesekompetenz bei multiplen Texten» (2018), «Lesestrategien» (2015) und «Grundlagen der effektiven Schreibdidaktik» (2018).

Redaktion: Martina Meienberg

Flippity.net – Gruppen bilden und mehr

Beitrag von Caspar Noetzli

Logo Caspar's Toolbox

 

In der Serie «Caspars Toolbox» stellt Caspar Noetzli zweimal jährlich eine bewährte App oder ein digitales Werkzeug vor, das sich im Unterrichtsalltag sinnvoll einsetzen lässt.

Der «Random Name Picker» von Flippity.net

Ich stelle Ihnen diesmal ein webbasiertes Tool aus der Kategorie «kleine nützliche Helferlein» vor. Denn als Dozent stehe ich im Präsenzunterricht regelmässig auch vor organisatorischen Entscheidungen. Wer? Wer mit wem? In welcher Reihenfolge und wie lange? Der «Random Name Picker» von Flippity.net schafft hier Abhilfe auf einfache, effiziente und unterhaltsame Weise:

  • 4er-Gruppen bilden für eine Gruppenarbeit,
  • 2er-Teams formen für eine Murmelphase,
  • eine Reihenfolge für eine Serie von Kurzvorträgen festlegen,
  • oder eine Person als Studierendenvertreter oder als Ansprechpartnerin für eine Aufgabe auswählen.

Je nach Studierendengruppe funktionieren solche Abläufe zwar problemlos, geben manchmal aber auch Anlass zu Diskussionen, welche wertvolle Präsenzzeit kosten. Natürlich können solche Gruppenprozesse wertvoll sein, manchmal fehlt mir jedoch die Zeit (und gelegentlich auch die Lust) dazu.

Vorschau Random Name Picker
Wer ist heute dran? Der Random Name Picker wählt aus.

In diesem Screencast stelle ich Ihnen deshalb ein webbasiertes Tool vor, mit welchem ich solche Organisationsaufgaben rasch, spielerisch und fair erledigen kann. Mit Flippity.net erstelle ich in Kürze einen eigenen «Random Name Picker» für meine Lehrveranstaltung, ein Tool, womit ich Personen auswähle oder Gruppen zusammenstelle. Ich kann dadurch nicht nur Zeit sparen. Als Nebeneffekt lernen sich die Studierenden so besser kennen, weil sie nicht immer mit denjenigen Personen zusammenarbeiten, die sie schon kennen.

Screencast Flippity.net
Screencast: Mit Flippity.net schnell und fair Gruppen bilden. Oder auch mehr?

Weitere Ideen?

Mit etwas Fantasie lässt sich das Tool auch für andere Zwecke nutzen, z.B. zum Verteilen von Aufgaben oder zum Auslosen von Arbeitsthemen. Zudem stellt Flippity.net weitere Tools bereit, womit beispielsweise kleine Spiele oder Rätsel erstellt werden können, die Spass und Abwechslung in die Lehrveranstaltung bringen. Ich bin gespannt auf kreative Ideen und freue mich über Kommentare, Fragen und vor allem über eigene Erfahrungsberichte direkt unten in den Blogkommentaren.

Link

Website: Flippity.net

Caspar Noetzli leitet für das ZHE zusammen mit Carola Brunnbauer den Kurs E-Didaktik. Dieser richtet sich primär an Lehrende an Hochschulen sowie der Erwachsenenbildung, ist aber auch für Lehrpersonen der Sekundarstufe 2 interessant.

Zum Autor

Caspar-Noetzli-sw

Caspar Noetzli ist Dozent und Berater beim Digital Learning Center der PH Zürich.

 

Redaktion: ZBU

Weiterbildung: Digitalisierung im Blindflug?

Beitrag von Irena Sgier

Muss Weiterbildung digitaler werden? Und wenn ja: Warum eigentlich? Dass die Digitalisierung in den Medien omnipräsent ist und es zurzeit kaum eine Fachzeitschrift oder Tagung zu Bildungsfragen gibt, die ohne dieses Thema auskommt, beweist, dass der Digitalisierung eine gewisse Dringlichkeit innewohnt. Dass digitale Technologien für die Bildung nötig und nützlich wären, ist damit aber nicht bewiesen.

Aktuelle Studie zur Digitalisierung

Was weiss man überhaupt über die Digitalisierung der Weiterbildung? Tatsächlich sehr wenig, denn Forschungen dazu gibt es kaum. Der Schweizerische Verband für Weiterbildung SVEB und die PHZH haben deshalb bei Weiterbildungsanbietern nachgefragt. Im Rahmen der Weiterbildungsstudie 2017/18 wurden 338 Anbieter in der ganzen Schweiz befragt. Die Studie zeigt: Obwohl vier von fünf Weiterbildungsanbietern erwarten, dass die Digitalisierung die Weiterbildung in den nächsten zehn Jahren entscheidend beeinflussen oder gar revolutionieren wird, steht der Präsenzunterricht nach wie vor an erster Stelle. Fast die Hälfte der Weiterbildungsinstitutionen verzichtet ganz auf digitale Technologien, die übrigen setzen sie in unterschiedlicher Intensität ein. Sich in Online-Anbieter zu verwandeln, ist für die meisten aber kein Thema.

Was bringen digitale Anwendungen?

Trotz zurückhaltendem Einsatz digitaler Technologien beurteilen die meisten Anbieter deren Wirkungen insgesamt recht positiv. Die Mehrheit ist davon überzeugt, dass die Digitalisierung die individuelle Begleitung erleichtert und bei den Lernenden die Motivation sowie das Verstehen der Lerninhalte fördert. Etwas skeptischer beurteilen sie die Auswirkungen auf die Lernergebnisse, aber auch hier überwiegen die positiven Einschätzungen. Für lernungewohnte Erwachsene allerdings werden digitale Technologien tendenziell als schwierig beurteilt.

Welche digitalen Technologien sind heute gefragt?

An erster Stelle stehen bei den Anbietern Lernplattformen und Lernmanagementsysteme sowie Social Media und Wikis. An zweiter Stelle folgen Web Based Training und Computer Based Training. Rund 40-50% der Anbieter setzen diese Anwendungen in ihren Lehrangeboten ein, ebenso viele attestieren ihnen auch einen pädagogischen beziehungsweise andragogischen Nutzen. Bei neueren Anwendungen hingegen klafft die Schere zwischen Nutzen und Nutzung teilweise auseinander: So attestieren 40% der Anbieter dem Game Based Learning oder den Webinaren einen hohen Nutzen, aber nur 15% setzen diese Technologien tatsächlich ein.

Grafik Einsatzhäufigkeit digitale Anwendungen
Einsatzhäufigkeit digitaler Anwendungen (Quelle: Weiterbildungsstudie 2017/18, S.19)

Noch ausgeprägter ist die Differenz bei Virtual/Augmented/Mixed Reality – alles Ansätze, die kaum ein Anbieter verwendet, aber immerhin 18% in der Erwachsenenbildung für sinnvoll halten. Viele Anbieter sind also bereit, digitalen Anwendungen, mit denen sie keinerlei Erfahrung haben, einen Nutzen zu attestieren. Bei neueren Anwendungen halten sich allerdings die Befürworter und die Skeptiker ungefähr die Waage. Sehr viele sehen sich zudem nicht in der Lage, Wirkung und Nutzen dieser Anwendungen zu beurteilen.

Digitales Rüstzeug für das Weiterbildungspersonal

Bei den Auswirkungen auf das Weiterbildungspersonal sind sich die Anbieter weitgehend einig: Die Digitalisierung stellt hohe Anforderungen an deren Kompetenz und verschiebt das Profil der Lehrpersonen in Richtung Lernbegleitung. Bei der Frage, ob die Digitalisierung die Lehrpersonen auch entlaste, gehen die Meinungen hingegen auseinander.

Obwohl bei den Anbietern nach wie vor der Präsenzunterricht im Zentrum steht, tun Berufseinsteiger und -einsteigerinnen gut daran, sich auf digitalem Terrain fit zu halten. Bei der Rekrutierung legen die Weiterbildungsinstitutionen nämlich grossen Wert auf Kompetenzen im Umgang mit digitalen Technologien. Gefragt sind in erster Linie die üblichen IKT-Anwenderkenntnisse. An zweiter Stelle auf der Wunschliste stehen überraschenderweise nicht Kompetenzen, sondern Kenntnisse über die gesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung; mehr als 80% der Anbieter halten diese bei ihrem Personal für nötig oder zumindest wünschenswert. Ebenfalls hoch im Kurs stehen Kompetenzen im Umgang mit Social Media und für den Einsatz von Blended Learning. Alle diese Kompetenzen erwarten mindestens drei Viertel der Institutionen von Personen, die heute beruflich in die Erwachsenenbildung einsteigen wollen. Bei jedem zweiten Anbieter erwünscht sind auch Kompetenzen zur Entwicklung von Online-Angeboten sowie zur Erstellung von Videos. Mit Programmierkenntnissen hingegen kann man bei den Anbietern kaum punkten.

Digitalisierung in der Weiterbildung
Kurs zu E-Didaktik: Digitale Kompetenzen sind in Aus- und Weiterbildung gefragt.

Der Beruf des Erwachsenenbildners und der Erwachsenenbildnerin wird also nicht einfacher. Ohne digitale Kompetenzen dürfte es mittelfristig sogar schwierig werden, in die Kursleitung einzusteigen. Bei den Beraterinnen und Beratern hingegen liegt die digitale Latte etwas tiefer. Sie kommen vorerst mit grundlegendem IKT-Rüstzeug über die Runden. Stark gefordert sind hingegen die Ausbildungsinstitutionen, denn bei diesen zeigt die Studie Handlungsbedarf: Zwei Drittel der Anbieter sind der Ansicht, die gegenwärtigen Aus- und Weiterbildungsangebote würden das Lehrpersonal nur mittelmässig oder ungenügend auf die Digitalisierung vorbereiten.

Wohin geht’s?

Das Thema Digitalisierung ist also omnipräsent. Was tatsächlich auf die Weiterbildung zukommt, weiss aber niemand so genau. Viele Anbieter definieren die Digitalisierung mittlerweile als strategische Priorität, haben aber zugleich den Eindruck, im Blindflug unterwegs zu sein. Was beispielsweise Big Data, Künstliche Intelligenz oder Virtual Reality für das Lernen der Zukunft bedeuten werden, ist noch gar nicht absehbar. Viel wichtiger ist aber eigentlich die Frage, wie sich die Gesellschaft und vor allem der Arbeitsmarkt unter dem Einfluss der Digitalisierung umgestalten wird. Davon wird es letztlich abhängen, was und wie in Zukunft gelernt werden muss.

Die Weiterbildungsstudie 2017/2018 des SVEB in Kooperation mit der PHZH (Professur für Höhere Berufsbildung und Weiterbildung):
Irena Sgier, Erik Haberzeth, Philipp Schüepp (2018): Digitalisierung in der Weiterbildung. Ergebnisse der jährlichen Umfrage bei Weiterbildungsanbietern (Weiterbildungsstudie 2017/2018). Zürich: SVEB & PHZH.

Mehr Beiträge zu Digitalisierung und Weiterbildung:
> Irena Sgier im SVEB-Blog: Können Sie digital? 
> Erik Haberzeth im Lifelong Learning Blog: 
Digitalisierte Arbeit: Von Initiative + Unplanbarem, 
Weiterbildung 4.0: Was ist Trend was ist Hype

Zur Autorin

Portrait Irena SgierIrena Sgier, Soziologin lic. phil., ist Vizedirektorin des Schweizerischen Verbandes für Weiterbildung SVEB und Ko-Autorin der Weiterbildungsstudie 2017/2018.

 

 

Redaktion: ZBU

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