Beitrag von Erik Haberzeth und Gabriel Flepp
Die Teilnahme an Weiterbildung nimmt in der Bevölkerung seit Jahrzehnten zu, wie die amtliche Bildungsstatistik zeigt (vgl. BFS 2018). Die steigenden Teilnahmezahlen haben dazu geführt, dass die Weiterbildung als zentraler Teil des Bildungswesens und damit auch als Tätigkeits- und Berufsfeld stark expandiert ist. Die Zahl von Personen, die im Hauptberuf oder nebenberuflich in diesem Feld tätig sind, ist erheblich. Entsprechend ist auch der Professionalisierungsbedarf gross, denn für die Qualität der Programme und Angebote in der Weiterbildung ist die erwachsenenpädagogische Kompetenz des Personals entscheidend.
Drei Pfade der Professionalisierung
Prinzipiell lassen sich drei Pfade der Kompetenzentwicklung und damit Professionalisierung für eine Tätigkeit in der Weiterbildung unterscheiden:
- ein berufspraktischer,
- ein akademischer und
- ein dritter Pfad, der die ersten beiden Ansätze zu verknüpfen versucht.
In der Schweiz ist der berufspraktische Professionalisierungspfad vor allem über das Ausbildungssystem für Ausbildende (AdA-Baukasten) stark ausgebaut. Das Motto lautet: «aus der Praxis für die Praxis» (vgl. AdA-Flyer). Das AdA-System ist ohne Zweifel sehr erfolgreich und andere Länder beneiden uns um dieses ausgebaute, anerkannte und vielfach genutzte Qualifizierungssystem.
Dagegen spielt die akademische Professionalisierung über grundständige Studienangebote, also solchen die zu einem ersten Hochschul-Abschluss führen, eine marginale Rolle. Dies im Unterschied etwa zu unseren Nachbarländern Deutschland und Österreich. Die Studiengänge bilden prinzipiell für eine Tätigkeit in der Weiterbildung als Erstberuf aus. Auch sie können sich durch eine Praxisnähe auszeichnen, gleichwohl steht die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichem Wissen zu Bildung und Erwachsenenbildung im Mittelpunkt.
Gewissermassen zwischen diesen beiden Pfaden entwickelt sich zunehmend ein dritter, der die Stärken der anderen beiden Pfade zu verbinden versucht. Er lässt sich als wissenschaftlich-handlungsfeldorientierter Pfad bezeichnen. Im Gegensatz zu den grundständigen Studiengängen ist das Angebot deutlich spezialisierter und fokussiert auf einen konkreten Handlungsbereich, etwa Lehre/Unterricht oder Planung. Im Unterschied zu den berufspraktischen Angeboten nimmt allerdings die Auseinandersetzung mit aktuellem wissenschaftlichen Wissen zur Weiterbildung und zum Lernen Erwachsener einen deutlich höheren Stellenwert ein. Den Angeboten geht es vor allem um eine Verknüpfung von berufspraktischem Erfahrungswissen und wissenschaftlichem Wissen (vgl. Haberzeth 2018). Aber ist eine solche Verknüpfung in einer Person überhaupt sinnvoll? Ist es nicht besser, Kompetenzbereiche zu trennen?
Kompetentes Handeln in der modernen Weiterbildung
Die Behauptung des AdA-Systems, es handle sich um den «Königsweg» (vgl. AdA-Flyer) der Kompetenzentwicklung, ist sehr problematisch. Kompetentes Handeln angesichts komplexer und sich dynamisch entwickelnder beruflicher Aufgaben und Herausforderungen – nicht nur im Bildungsbereich, sondern auch in anderen Branchen – zeigt sich gerade darin, über unterschiedliche Formen des Wissens zu verfügen (vgl. Umbach u.a. 2020). Notwendig ist ein systematisches Wissen, das wissenschaftlich begründet ist, und ebenso ein Erfahrungswissen, welches durch sinnliche und praktische Erfahrung in konkreten Handlungszusammenhängen erworben wird. Systematisches Wissen und berufliche Erfahrungen müssen sich verbinden, um die komplexen Herausforderungen in Handlungssituationen der Weiterbildung dauerhaft erfolgreich bewältigen und auch aktiv Innovationen anstossen zu können (vgl. Gieseke 2018). Für eine entsprechende Kompetenzentwicklung können gerade hochschulische Angebote des dritten Professionalisierungspfads eine Möglichkeit bieten.
Umsetzung im «CAS Erwachsenenbildung»
Auf der Grundlage dieser Überlegungen hat die Pädagogischen Hochschule Zürich einen neuen CAS-Lehrgang in Erwachsenenbildung entwickelt. Konkret setzen wir den skizzierten Anspruch der Kompetenzentwicklung vor allem folgendermassen um:
In einem ersten Modul geht es um das Herzstück der Weiterbildung, nämlich das Lernen Erwachsener. Alle Aktivitäten in der Weiterbildung sind letztlich darauf gerichtet, das Lernen Erwachsener zu ermöglichen. Dabei meint Lernen eine Handlungsmöglichkeit in der Lebensführung von Menschen – neben z.B. Spielen, Arbeiten oder Schlafen. Man kann sich entschliessen, zu lernen und an einer Weiterbildung teilzunehmen – oder auch nicht. Es geht also auch zentral um Weiterbildungsentscheide von Menschen vor dem Hintergrund ihrer beruflichen und familiären Lebenssituation. Die Thematik wird anhand ausgewählter wissenschaftlicher Literatur erarbeitet. Inhalte des Moduls sind:
- Die Teilnehmenden bekommen einen vertieften Einblick in wissenschaftliche Diskurse. Sie lernen wissenschaftliches Denken und Argumentieren kennen. Sie eignen sich ein reflektiertes Verständnis menschlichen Lernens an, das langfristig tragfähiger ist als Rezepte und Moden.
- In den ausgeprägten Gruppenphasen lernen sich die Teilnehmenden untereinander und ihre Arbeitsfelder vertieft kennen und prüfen Transfermöglichkeiten in ihre Praxis.
- Das Modul begleitet die Teilnehmenden über einen längeren Zeitraum. Im Kontakt miteinander können nach und nach neue Sichtweisen entstehen oder alte sich verändern. Gerade Theorieaneignung braucht Zeit.
In einem zweiten Modul geht es darum, eigene praktische Erfahrungen mit einem eigenen Innovationsprojekt zu sammeln. Die Teilnehmenden suchen sich eine Herausforderung oder ein Problem aus ihren jeweiligen Arbeitskontexten, das sie reflektieren und dabei verschiedene Handlungsentwürfe entwickeln:
- Das Modul stellt das persönliche Handeln der Teilnehmenden ins Zentrum, ihre eigene Praxis und mögliche Innovationen im Sinne eines (tatsächlichen) Transfers.
- Dabei werden sie durch Expertinnen und Experten begleitet und beraten. Zudem spielen Peer-Hospitationen eine zentrale Rolle.
Das eigene Innovationsprojekt kann ganz unterschiedlich sein, es kann z.B. aus den Bereich Weiterbildungsplanung und -organisation, Lehre/Unterricht oder Beratung kommen. Immer geht es aber darum, einen geschulten erwachsenenpädagogischen Blick zu entwickeln, der wissenschaftlich fundiert ist, und um eine entsprechende Gestaltungsfähigkeit.
INFOBOX
Der Lehrgang «CAS Erwachsenenbildung» startet zum ersten Mal am 1. September 2021. Anmeldeschluss ist der 31. Mai 2021. Alle Informationen finden Sie hier.
Am CAS interessierte Volksschullehrpersonen, die noch nicht über das «SVEB-Zertifikat Kursleiter/-in» verfügen, empfehlen wir, dieses in einer verkürzten Dauer bei unserem Kooperationspartner EB Zürich zu erwerben.
Zu den Autoren
Erik Haberzeth ist Professor für Höhere Berufsbildung und Weiterbildung im Zentrum Berufs- und Erwachsenenbildung der PH Zürich.
Gabriel Flepp ist als wissenschaftlicher Assistent am Zentrum für Hochschuldidaktik und -entwicklung der PH Zürich.