Die Reform im Detailhandel und KV – ein Werkstattbericht

Text: René Schneebeli

Die Umsetzung der Reform im Detailhandel und im KV läuft auf Hochtouren. Bis zum Sommer 2022 bzw. 2023 werden alle Lehrpersonen im Kanton Zürich ihre Weiterbildungen abgeschlossen und ihren Unterricht auf die neuen Vorgaben abgestimmt haben. Ein Unterfangen mit vielen Beteiligten, Veränderungen, Fragen und Unsicherheiten.

Quelle: vbv 2021

Die Reform ist tiefgreifend. Soll sie erfolgreich sein, muss ihre Umsetzung in einen mehrjährigen Schulentwicklungsprozess eingebunden sein. Die PHZH und andere Hochschulen haben den Auftrag erhalten, im Rahmen dieses Prozesses den viereinhalbtägigen Präsenzteil der Lehrerweiterbildung zu übernehmen. Dabei geht es um die Entwicklung und Umsetzung eines kompetenzorientierten Unterrichts und um die Gestaltung von kompetenzorientierten Prüfungen. Im Fokus steht die konkrete Anwendung im Unterricht.

Heterogenität, Kritik und Erfahrung

Als wir im letzten Herbst mit der Umsetzung begannen, stellten wir fest, dass die Schulen und die etwa 650 Lehrpersonen bezüglich der Reform sehr unterschiedlich unterwegs waren. Schnell wurde klar, dass die vorgesehenen Standardangebote, die wir zusammen mit den anderen Hochschulen aufgrund des nationalem Grobkonzept entwickelten, der Situation nicht gerecht wurden. Die inhaltliche, organisationale und zeitliche Heterogenität war insbesondere bei den KV Schulen einfach zu gross. Also mussten wir die Angebote auf die jeweiligen Verhältnisse der Schulen abstimmen. So wurden Lernende oder Schulleitungen in die Lernsettings eingebunden oder schuleigene Lehrpersonen als Kursleitende engagiert. Zum Teil wurden die Weiterbildungen mit schulspezifischen Halbtagen ergänzt oder es wurden andere inhaltliche Schwerpunkte gesetzt. Zwar hatte dies für uns einen deutlich grösseren Aufwand pro Weiterbildung zur Folge, die Angebote wurden dadurch jedoch anschlussfähiger.

Gleichwohl begegneten wir als Repräsentanten der Reform auch immer wieder grundsätzlichen Vorbehalten und punktueller Skepsis. Das war in der Anfangszeit zu einem Teil den Unklarheiten geschuldet, die sich aus dem nationalen Projekt selbst ergaben und die unseren Kursleitenden den notwendigen Wissensvorsprung erschwerten. Grund für Kritik gab auch das mangelnde Zusammenspiel aller Beteiligter. Wo an Schulen hinsichtlich der schulischen Umsetzungsprojekte Unklarheiten oder Ungereimtheiten zwischen Leitung, Projektverantwortlichen und Lehrpersonen bestanden, richtete sich die Kritik der Lehrpersonen oftmals stellvertretend an das Reformprojekt, die Kurse oder die Kursleitenden. 

Unterdessen sind wir weiter. Wir haben vielfältige Erfahrungen gesammelt und die Prozesse und Inhalte sind so ausgereift, dass wir flexibler auf die Nachfrage reagieren können. Dies wird für die kommenden Kursumsetzungen und insbesondere für die Anbieter der schulischen Grundbildung (SOG Schulen) relevant sein, die einen guten Teil der Weiterbildung selbst finanzieren und bei denen die Weiterbildung der Lehrpersonen noch bevorsteht. Gleiches gilt für die Wirtschaftsmittelschulen, die ebenfalls von diesen Erfahrungen profitieren können.

Situationslogik, Interdisziplinarität und Teamarbeit

Ganz im Sinne des handlungskomptenzorientierten Lernens erarbeiten sich die Lehrpersonen das notwendige theoretische Wissen selbstorganisiert. Der Präsenzunterricht konzentriert sich auf die Umsetzung, Diskussion sowie Erläuterung und Vertiefung einzelner Themen. Gleichzeitig ist immer wieder auch Klärungsarbeit zu leisten bezüglich der Vielzahl von Grundlagendokumenten und Konzepten.

Oft machen die Lehrpersonen die Feststellung, dass nicht alles, was die Reform bringt, wirklich neu ist. Vieles wird schon so gelebt und im Rahmen der Weiterbildung nur neu verortet. Die grösste Neuerung ist der Wechsel von der Fach- in die Situationslogik und die Zentrierung der Sichtweise auf die Lernenden. Damit verbunden ist eine Fokusverschiebung weg von Leistungszielen, Lehrmitteln und Lerninhalten hin zu Arbeitssituationen und typischen Tätigkeiten.

Situationsorientierung statt Leistungszielorientierung, HSLU/EHB/PHSG/PHZH

Dabei muss eine Verbindung hergestellt werden zwischen dem durch die Lernmedien vermittelten Grundlagenwissen und Handlungsabläufen, die in sogenannten «Handlungsbausteinen» bereitgestellt werden oder wie sie die Lernenden aus ihrer Praxis berichten. Erst die Kombination von Wissen und Handeln erzeugt die situationsbedingte Handlungskompetenz (Krapp & Weidenmann 2006), auf die die Reform abzielt. Dieser Perspektivenwechsel und die Notwendigkeit, sich mit der Berufspraxis der Lernenden intensiver auseinanderzusetzen, wird von vielen als eigentlicher Kulturwandel erlebt, der Haltungsfragen berührt und deshalb Schulen und Lehrpersonen noch einige Zeit beschäftigen wird.

Über den nächstjährigen Schulstart hinaus dürfte es auch dauern, bis sich die interdisziplinären Lehrerteams etabliert haben. Das gemeinsame Entwickeln interdisziplinärer Lernarrangements verlangt den Blick über den Tellerrand hinaus. Es muss eine gemeinsame Sprache und ein Konsens zu den Qualitäts- und Bewertungskriterien gefunden werden. Manche Schulen gehen bei diesem Schritt noch weiter und suchen schulübergreifende Lösungen.

Nicht zuletzt ist es für alle anspruchsvoll, durch den Schritt von der disziplinären Fachdidaktik zur interdisziplinären Kompetenzorientierung sich selbst und den Lernenden einen Überblick über die Lerninhalte zu verschaffen.

Grossprojekte, Unsicherheiten und Umsetzungshilfen

Es liegt in der Natur komplexer Grossprojekte, dass mit ihrer Umsetzung begonnen wird, bevor alle Details geklärt werden können. Mit dieser Herausforderung waren alle Involvierten und somit auch wir in den vergangenen Monaten konfrontiert. Je mehr nun auf allen Ebenen Schritt für Schritt Unsicherheiten ausgeräumt, Prozesse geklärt, Zuständigkeiten definiert und Inhalte erstellt werden, umso mehr nimmt die Bereitschaft zu, als Lehrperson die Reform mitzutragen. Nach wie vor tauchen immer wieder Bedürfnisse nach Umsetzungshilfen auf, auf die das Projekt noch keine genügenden Antworten bietet: Wie begleite ich die Portfolioarbeit der Lernenden, wenn die Erteilung von Zugriffsberechtigungen dafür bei den Lernenden liegt? Wie bewerte ich Portfolioarbeit? Wie sieht in diesem Zusammenhang die Rolle des Lerncoachs aus? Wie komme ich als IKA-Lehrperson zu dem Wissen, das ich im Handlungskompetenzbereich E vermitteln soll? Fehlt mir da noch Fachwissen? Etc.

Schulentwicklungsprozess und ergänzende Angebote

Die Reform ist weder mit der Lehrerweiterbildung noch mit dem Schulstart 2022 bzw. 2023 abgeschlossen. Es ist absehbar, dass eine so fundamentale Reform einen mehrjährig geführten Schulentwicklungsprozess benötigt, der die Zusammenarbeit aller Akteure erfordert. Die PHZH hat das Privileg, bei allen betroffenen Schulen Einblick zu erhalten, die Bedürfnisse zu erfassen und zeitnahe, ergänzende Angebote zu machen, die es den Schulen ermöglicht, in ihrem Entwicklungsprozess weiterzukommen.

Konkret werden wir aufgrund unserer vielen Gespräche Angebote im Bereich des KV-Handlungskompetenzbereiches E, zur Portfoliobegleitung sowie eventuell zum Wahlpflichtbereich der zweiten Fremdsprache im KV offerieren.

INFOBOX

Das ergänzende Angebot der PH Zürich wird ab dem Herbstsemester verfügbar sein. Eine Infoveranstaltung dazu, in der wir unsere Angebote näher vorstellen, findet online am 20. Juni 2022 um 19.30 Uhr statt.

Allen, die sich unabhängig von der Reform für das Thema Handlungskompetenzorientierung interessieren, können wir folgendes Angebot empfehlen: Handlungskompetenzorientierung auf den Punkt gebracht, 4. November 2022, 13.30–17 Uhr, PH Zürich.

Zum Autor

Rene_Schneebeli_sw

René Schneebeli arbeitet im Zentrum Berufs- und Erwachsenenbildung an der PH Zürich. Er ist Dozent und Leiter des Projekts Reform Detailhandel und KV.

The Bridge Between Us

Text: Amel Meziane and Erik Altorfer

In spring 2019, the first network meeting of SINAN – The Swiss-North African Academic Network – took place at PH Zurich (PHZH). Lecturers and professors from colleges and universities in Tunisia, Egypt and Switzerland met during three days at the launch event of a project that was to last two years with more meetings in Tunisia in autumn 2019, Egypt (spring 2020) and a concluding symposium in Zurich (November 2021).

Second SINAN meeting, Carthage 2019

In addition to the scheduled meetings, participants had to form duos or trios with other Tunisian and Egyptian fellows in order to jointly work on topics related to teacher education. The aim of these international collaborations was to foster academic exchanges, share teaching experiences and identify similarities as well as differences in professional practices. 

The Importance of Creative Writing in Teacher Education Programmes

Lecturers with similar interests, backgrounds and the desire to make new experiences met. That is how Amel Meziane, a lecturer in English language and didactics at ISEAHZ (Higher Institute of Applied Studies in Humanities of Zaghouan), University of Tunis and Erik Altorfer, a staff member of the writing centre at PHZH embarked on a journey with the purpose to promote the importance of creative writing in teacher education programmes.

The two lecturers held creative writing sessions  for pre-service teachers. On one hand, Amel Miziane organized an informal creative writing club composed of eight pre-service teachers and six English language students, who met six times for one hour once a week. On the other hand, Erik Altorfer worked with his students in the German didactics module for secondary school students. The two lecturers jointly prepared two writing workshops – one on inner monologues and another one on aesthetic perceptions. Both workshops were based on writing creatively using pictures as a source of inspiration. 

The Power of Creative Writing

Once the creative writing sessions were over, both researchers collected relevant data based on reflective accounts which students had to fill in. They were most interested in asking the participants five questions about their feedbacks on the experiences, more specifically the impact these had on the personal, professional and academic levels. Although the data collection took place in two countries, both researchers decided to look at the similarities as well as the differences identified in the collected corpora without any interpretation based on the ground of cultural or geographical disparities. To begin with, most participants from both groups acknowledged creative writing as a way of communication which gives writers a voice to reflect upon private and life matters in a unique way. The power of creative writing to ensure psychological relief was mentioned by both groups as a very strong characteristic of creative writing. Also, its flexible artistic nature (emphasis on expression, perspective of narration, form and style rather than on more formal criteria) was seen as an asset that puts writers at ease, increases their motivation, lowers their apprehension and encourages them to overcome the difficulties they encounter in other more formal writing experiences. Both groups mentioned the effect of creative writing on developing writing skills, communication and creativity. Such findings corroborate to a great extent the literature on the benefits of teaching creative writing. Most importantly, the authors of this article strongly believe that the techniques taught in creative writing can enrich writers’ language, the style and the dramaturgy of their texts. It can also be transformed and made fruitful in other writing genres including academic writing.

Slam Poetry Competition

Poster poetry slam contest at ISEAHZ in Zaghouan, Tunisia, 2020 

Another equally interesting part of the joint endeavour was the Slam Poetry competition, that was held in both countries, yet on different dates. The Sea Between Us was chosen as a common title. Although the title hints at the sea as a barrier that stands between Tunisia and Switzerland, many candidates looked at it from various perspectives, thus yielding a variety of texts. With regard to the Tunisian call for participation, all three languages were welcomed.

Poster of the poetry slam final event in PHZH, Zurich, Switzerland, 2020

Two judges, who are also university language teachers with a great mastery of English, French and Arabic, read the texts and watched the performances with the aim of selecting the texts which achieved creativity, accuracy, relevance and depth of content. As for the competition that took place in Zurich, a jury consisting of a student, who is a tutor at the PHZH writing centre and two poetry slam authors selected eight texts. In Switzerland, the criteria for text pre-selection were content, language and performance quality. The publication of the booklet received an encouraging response.

Publication winner texts poetry slam competition and videos (QR-Codes), 2021 

The six winning texts, three of which were composed by Tunisian candidates and the remaining were written by Swiss candidates were published in a booklet (along with links to videos of the author’s performed readings) to celebrate the talent of those writers. 

In case the link does not work, please click here.

Everyone Can Write Creatively

It is worth mentioning that creative writing has long been mistakenly considered as a skill that only people born with a natural talent can master. The fruitful and enriching experience  which took place in teacher education universities in Tunisia and Switzerland questions such an assumption. Also, this unusual collaboration paved the way to a second edition of a Poetry slam competition which takes place in 2022. This time the chosen topic is «True Colors». Students, staff members and lecturers from both Zaghouan and Zurich are currently submitting their texts. As it was the case last year, a publication of the winning texts of both countries along with the QR-Codes to the performance videos is planned.

INFOBOX

The project «Swiss North African Academic Network» (SINAN), organized by the Department International Projects in Education (IPE) of the Zurich University of Teacher Education (PH Zürich), aimed to facilitate dialogue and exchange between teacher training universities in Egypt, Tunisia and Switzerland. Four meetings were held in Zurich, Zaghouan/Carthage and Cairo between March 2019 and November 2021.

About the Authors

Amel Miziane and Erik Altorfer in Carthage, Tunisia, October 2019

Amel Meziane is a lecturer in English language and didactics at ISEAHZ (Higher Institute of Applied Studies in Humanities of Zaghouan), University of Tunis.

Erik Altorfer is a staff member at the writing centre at PH Zurich, Switzerland.

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