Coaching in der Berufs- und Erwachsenenbildung

Text: Mandy Gnägi

Das Rollenverständnis von Lehrpersonen in der Berufs- und Erwachsenenbildung hat sich nicht erst mit der Kompetenzorientierung ausdifferenziert. Je nach Kontext mäandrieren Lehrende in ihrem Verhalten als Hüterin oder Hüter von Wissen, als strukturgebende Leader, als impulsgebende Beratende, selbst als unwissende Lernende oder als unterstützende Coaches. Jede dieser Rollen impliziert ein eigenes Verhalten. Danach gestaltet sich das Miteinander ebenso wie neue Lehr-Lernangebote austariert und formuliert werden. Die Rolle eines systemischen Coaches ist dabei insofern eine besondere, als dass sie nicht als die inhaltlich überlegeneren Personen agieren: ihnen obliegt ausschliesslich die Verantwortung dafür, dem Gegenüber durch unterschiedliche Impulse und Interventionen Möglichkeiten für einen Reflexions- und Entwicklungsprozess zu eröffnen. Die inhaltliche Deutung oder Wertung bleibt in der Verantwortung des Gegenübers, dem Coachee.

Coaches schenken den Coachees höchste Aufmerksamkeit und echtes Interesse.

Coaches öffnen Raum

Sucht ein Coachee ein Coaching auf – oder wird durch die Institution dazu angehalten – ist das Anliegen häufig bekannt und bereits mehrfach besprochen oder durchdacht. Im Coaching wird in einem dialogischen Prozess diesem Anliegen aus unterschiedlichen Perspektiven auf den Grund gegangen. Hintergründe, relevante Personen, bestimmende Bedingungen oder «Trigger» werden dabei ebenso in den Fokus genommen, wie die bisherigen Versuche, das Thema zu lösen. Die Coachee erleben höchste Aufmerksamkeit und echtes Interesse daran, das Thema in der subjektiv erlebten Komplexität zu erfassen. Dabei sind Ruhe, wertschätzende und klare Kommunikation, schrittweises Fragen und sorgfältiges Agieren Gelingensbedingungen dafür, dass das Gegenüber Vertrauen aufbaut und sich öffnet. So kann es in dieser «sicheren» Umgebung gelingen, dass die Coachee bereit sind, neue Sichtweisen auf das Thema einzunehmen – etwa aus der Perspektive von vorhandenen Rahmenbedingungen, aus der von Kolleginnen oder Kollegen, aus der des Betriebes resp. der Institution, der vorgesetzten Person oder aus der von Freunden. Dieser neue Blick auf das «Problem-System», in dem sich das Thema am deutlichsten zeigt, ermöglicht, das eigene und fremde Verhalten neu zu bewerten. Gleichermassen wird deutlich, welche Wege von Lösungen die Coachee nun gehen können, welche Ressourcen dafür vorhanden sind oder aktiviert werden müssen.

Coaches haben persönliches Handwerkszeug

Mit welchen Methoden im systemischen Coaching gearbeitet wird, obliegt den Kompetenzen, Erfahrungen und Vorlieben der Coaches. Dazu gehören verbale Impulse durch Fragen gekoppelt mit dem Raum, in dem die Antworten gut gehört werden und darauf reagiert wird. Möglich ist die Arbeit mit Bildern; sei es mit vorgefertigten Bildkarten oder der Einladung an die Coachee, selbst Stellvertreterbilder zu entwerfen oder Konstellationen oder Hierarchien aufzuzeichnen. Zum Einsatz können ebenso unterschiedliche Materialien gebracht werden. Gerade die beiden zuletzt genannten Zugänge ermöglichen es den Coachees, einer vorhandenen Sprachbarriere konstruktiv zu begegnen. Unabhängig davon, welches Repertoire das persönliche Handwerkszeug der Coaches umfasst: es wird so im Coaching zum Einsatz gebracht, wie es dem Entwicklungsprozess des Coachees dienlich ist.

Coaches bringen Handwerkszeug so ins Spiel, wie es den Coachees dienlich ist.

Coaching braucht Haltung und psychologische Sicherheit

Das Wichtigste im systemischen Coaching ist eine zugewandte Haltung. Coaches muss es gelingen, Vorurteile, jede Form von eigenem Stress oder eigenen Emotionen abzulegen und sich ganz auf ihr Gegenüber einzulassen. Zur offenen und zugewandten Haltung gesellt sich die Einstellung, dass jedem Verhalten ein Nutzen innewohnt. Nicht immer ist der Nutzen offensichtlich oder ergibt sich mit der ersten oder zweiten Frage an die Coachee. Dann braucht es hohe Präsenz und Beharrlichkeit, sorgfältiges Navigieren im Ungewissen und grosse Wachsamkeit, um die verborgenen Aspekte zu beleuchten.

Genanntes bildet zusammen mit der Deutungshoheit der Coachee einen Rahmen, in dem sie psychologische Sicherheit erfahren:  Vertraulichkeit, Verlässlichkeit, Klarheit, verschiedene Angebote für einen Perspektivwechsel, Zuversicht, Würdigung und der Fokus auf Ressourcen machen es dem Coachee möglich, das Handeln zu reflektieren und daraus Erkenntnisse für einen Veränderungsprozess abzuleiten.

INFOBOX

COACHING IN DER BERUFS- UND ERWACHSENENBILDUNG

In der Weiterbildung der Pädagogischen Hochschule gibt es mehrere Angebote, um sich im Bereich Coaching weiterzubilden. Wer ein CAS anstrebt, dem stehen zwei Möglichkeiten offen. Der CAS Coaching – Beraten im Bildungsbereich richtet sich an jene Personen, die sich in der Begleitung von Studierenden, Teamentwicklung, Beratung, Elterngesprächsführung oder auch Coaching von Kursleitenden qualifizieren möchten.

Wer den Fokus auf eine fachkundige individuelle Begleitung (FiB) von Jugendlichen legen will, findet im CAS Coaching und Lernen mit Jugendlichen das passende Gefäss. Der Lehrgang richtet sich einerseits an Lehrpersonen in Berufsfachschulen, die durch die Weiterbildungsinhalte des CAS in der Lage sind, die Lernenden in der Erreichung eines erfolgreichen Lehrabschlusses gezielt zu unterstützen. Andererseits ist er für all jene Personen im Bildungsbereich offen, die in den unterschiedlichen Kontexten junge Menschen im Bildungsbereich und Ausbildungsbetrieben auf ihrem Weg unterstützen wollen.

WEITERE BERATUNGS- UND COACHINGANGEBOTE

Beratung und Coaching für Berufsfachschulen

Beratung und Coaching für Hochschulen

Übersicht Beratung und Coaching an der PH Zürich

Zur Autorin

Mandy Gnägi ist Beraterin und Dozentin im Zentrum Berufs- und Erwachsenenbildung an der PH Zürich.

A machine in need is a friend indeed? – Zu viel Vertrauen in KIs durch Vermenschlichung

Text: Yves Furer

Wenn Dinge misslingen, neigen Menschen dazu, nichtmenschlichen Objekten wie Maschinen menschliche Eigenschaften zuzuschreiben. So scheint der Drucker persönlich etwas gegen mich zu haben, weil er immer dann nicht funktioniert, wenn ich ihn dringend brauche. In die Maschine wird ein Wille hineininterpretiert, wo keine Intention vorhanden ist. Solche Vermenschlichung oder Anthropomorphisierung hilft uns, Situationen zu bewältigen, in denen wir uns externen Faktoren ausgeliefert fühlen.

Ist mir der Drucker heute gut gesinnt oder nicht? (Bild: Adobe Stock)

Im Gegensatz zu Druckern, die weder aussehen wie Menschen noch bedeutungsvoll mit Menschen interagieren, sind moderne KI-Systeme genau dafür designt, menschlich zu wirken. Bei Chat-GPT und Co. stellt die Anthropomorphisierung ein Feature und kein Zufall dar. Der Erfolg grosser Technologiekonzerne beim Vorantreiben dieser Entwicklung wird sichtbar, indem es immer schwieriger wird, menschliche Äusserungen von KI-generierten zu unterscheiden. Im schriftlichen Dialog mit Chat-GPT-4 können offenbar viele Menschen nicht mehr mit Sicherheit sagen, ob sie sich gerade mit einem Menschen oder einer Maschine unterhalten (Mei et al. 2024). Doch wirken die Antworten von KI-Chatbots nicht nur deshalb menschlich, weil sie inhaltlich passend ausfallen, sondern KI-Chatbots beantworten beispielsweise medizinische Fragen in einem Online-Forum auch empathischer als medizinisches Fachpersonal (Ayers et al. 2023).

Auffällig ist, wie scheinbar mühelos menschliche Eigenschaften auf die KI übertragen werden, indem entsprechende Begrifflichkeiten verwendet werden. Schon der Begriff künstliche Intelligenz suggeriert, dass eine Entität vorliegt, die eine menschliche Eigenschaft, nämlich Intelligenz besitzt. Doch es stellt sich die Frage, ob KIs wirklich empathisch sind oder uns Menschen nur sehr gut vorspielen, dass sie es sind. Wären KIs empathisch, müssten sie die Gefühle von Menschen erkennen, verstehen und nachempfinden können. Während das Erkennen von Emotion durchaus funktioniert und wohl auch schon kommerziell genutzt wird (Monteith et al. 2022), dürften Verstehen und insbesondere das Nachempfinden Kategorien sein, über die die KIs noch nicht verfügen.

Die KI versteht dich. Oder doch nicht? (Quelle: Adobe Stock)

Vertrauen in KI: Ein zweischneidiges Schwert

Wie sich zeigt, bleibt es nicht ohne Folgen, wenn KIs menschliche Eigenschaften zugeschrieben werden, die sie gar nicht besitzen. Anthropomorphe Elemente scheinen das Vertrauen von Menschen in KIs zu erhöhen. Leider handelt es sich beim Vertrauen um ein zweischneidiges Schwert. Ein höheres Vertrauen kann den Umgang mit neuen Technologien erleichtern oder sogar dazu führen, dass sich Personen überhaupt auf eine neue Technologie einlassen. Andererseits besteht beispielsweise die Gefahr, dass Menschen in der Interaktion mit der KI zu viele, auch private Daten von sich preisgeben (Akbulut et al. 2024). Doch auch beim Lernen mit KI-Systemen können weitere Probleme entstehen, wenn insbesondere den KI-generierten Outputs zu viel Vertrauen entgegengebracht wird.

Mehr Vertrauen = weniger nachprüfen?

Bekanntlich liegt die KI sehr häufig richtig, wenn sie mit konkreten Fragen konfrontiert wird, jedoch nicht immer. Insbesondere beim wissenschaftlichen Lernen und Arbeiten ist es essenziell, genau diese Fehler zu erkennen. Das gezielte Prüfen von Informationen stellt allerdings einen aufwändigen und anstrengenden Prozess dar. Ein zu hohes Vertrauen in KI-generierten Output könnte sowohl dazu führen, dass die Notwendigkeit, Inhalte zu prüfen, zu wenig erkannt oder Prüfungsprozesse nicht bis zum Ende durchgehalten werden, weil die Motivation dazu fehlt. Wahrscheinlich mangelt es an Bereitschaft zur kritischen Auseinandersetzung mit KI-Antworten, wenn die KI nicht als Maschine oder Tool angesehen wird, sondern als quasi menschliche Partner:in oder Tutor:in. Schliesslich war die KI doch so nett, mir lange und ausführlich meine Fragen zu beantworten, mir passende Quellen zu suchen und zusammenzufassen und dann erst noch meinen Text zu korrigieren. Wer so viele Freundschaftsdienste für mich erbracht hat, hat doch mein Vertrauen verdient?

Maschinen bleiben Maschinen

Wie schon erwähnt, werden die Technologiekonzerne weiterhin mit viel Geld daran arbeiten, KIs noch menschlicher wirken zu lassen. Auf diese Entwicklung können die wenigsten direkt Einfluss nehmen. Unmittelbar beeinflussen können wahrscheinlich viele Leser:innen dieses Blogs jedoch, wie ihre Studierenden mit KI arbeiten. Selbst wenn die Studierenden KIs häufig auch ohne das Wissen der Dozierenden einsetzen, besteht trotzdem die Möglichkeit, das Lernen mit KI direkt zu thematisieren. KI-generierten Inhalten mit einer gewissen Skepsis zu begegnen, stellt dabei nur einen Ausgangspunkt dar. Dennoch erscheint es wichtig, genau diesen Ausgangspunkt herzustellen, um weitere Schritte wie Überprüfen, Auswählen, Integrieren und Kombinieren von Inhalten und damit Lernen zu ermöglichen. Und schliesslich haben wir alle die Möglichkeit, uns zu hinterfragen, welche Begriffe wir im Kontext von KIs verwenden und wie stark diese Begriffe eine Vermenschlichung implizieren. Denn Maschinen bleiben vorerst Maschinen und keine Freund:innen.

INFOBOX

WORKSHOP
Nachricht an Chat-GPT: Gib mir Feedback auf meinen Text, Montag, 14. April 2025, 12.15–13.30 Uhr, Campus PH Zürich

MODUL
Schreiben begleiten und beurteilen, ab 16. März 2026, Campus PH Zürich

LITERATUR
- Placani, Adriana (2024): Anthropomorphism in AI: hype and fallacy. In: AI and Ethics 4 (3), 691–698.
- Reinecke, Madeline G. / Ting, Fransisca / Savulescu, Julian / Singh, Ilina (2025): The Double-Edged Sword of Anthropomorphism in LLMs. In: Proceedings 114 (1), 4.

Zum Autor

Yves Furer ist Dozent für Deutschdidaktik und Mitarbeiter des Schreibzentrums der PH Zürich.

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