Beitrag von Simone Heller-Andrist
Dozierende und wissenschaftliche Mitarbeitende an Pädagogischen Hochschulen sind mit vielfältigen Aufgaben betraut, die fundierte Kenntnisse des Berufsfelds erfordern. Diesen Anforderungen kann mit einem aufgabenspezifischen Berufsfeldbezug nachgekommen werden. Die Projektarbeiten zum «Doppelten Kompetenzprofil der Pädagogischen Hochschulen» nahmen die Stärkung des Berufsfeldbezugs in den Fokus. Eines der Resultate der Arbeiten ist ein CAS-Studiengang, der im Herbst 2021 erstmals lanciert wird.
Für meinen hochschuldidaktischen Unterricht stelle ich mir immer wieder die Frage, ob ich eigentlich über aktuelle Kenntnisse des Tertiärbereichs verfüge. Was bedeutet es für die Dozierenden an Hochschulen heute, Studierende zu unterrichten? Was treibt sie um? Wie ist der Kontext des Studiums gestaltet? Diese und weitere Fragen betreffen den Berufsfeldbezug meiner Aufgabe als Dozentin in Hochschuldidaktik, also den Bezug, den ich zur Praxis auf der Tertiärstufe pflege.
In meiner Lehre greife ich regelmässig auf Erkenntnisse aus meiner Tätigkeit in der Ausbildung Studierender zurück: Wie habe ich beispielsweise mein Feedback an die Studierenden gestaltet, frage ich mich, wenn ich meinen Teilnehmenden im CAS Hochschuldidaktik Regeln des Feedback-Gebens vorstelle. Wie haben die Studierenden auf strukturiertes Feedback, beispielsweise im Anschluss an eine Präsentation im Seminar, reagiert? Wie habe ich den Studierenden Rückmeldung zu persönlichen Aspekten wie Haltung und Gestik, Stimme und Intonation gegeben, ohne sie unangenehm zu exponieren?
Wenn ich meinen Berufsfeldbezug kritisch betrachte, dann liegen meine Bedenken darin begründet, dass meine langjährige Unterrichtstätigkeit auf der Tertiärstufe eine Weile zurückliegt, also nicht aktuell ist. Gleichzeitig bemerke ich, dass ich nicht zu allen für meine heutige Lehre aktuellen Themen selbst Erfahrungen gesammelt habe, auf die ich zurückgreifen kann. Ich kann auch schwerlich rückwirkend neu reflektieren. Es stellt sich also die Frage nach dem Verhältnis zwischen Unterrichtserfahrung und Berufsfeldbezug.
Rechtliche Grundlagen und Kompetenzen des Berufsfeldbezugs
Ein Blick in die Rechtsgrundlagen, die die Qualifikation der Dozierenden zum Gegenstand haben, wirft dieselbe Frage auf. Dozierende und wissenschaftliche Mitarbeitende an Pädagogischen Hochschulen sind üblicherweise in mehreren Tätigkeitsbereichen engagiert und mit vielfältigen Aufgaben betraut. Die damit verbundenen Anforderungen sind u.a. in der Hochschulordnung der PHZH ausgeführt: Dozierende der PHZH «verfügen über einen Hochschulabschluss im zu unterrichtenden Fachgebiet, über didaktische Qualifikationen und über ein Lehrdiplom oder einen äquivalenten Bezug zum Schulfeld» (§24.2). Die rechtlichen Grundlagen auf gesamtschweizerischer Ebene (Bund, SBFI, EDK, ) fordern dasselbe, wenn auch teils in etwas allgemeinerer Form. Das wissenschaftliche Personal soll also über wissenschaftliche Kompetenzen sowie vertiefte, aktuelle Kenntnisse des Schul- und Berufsfelds verfügen. Dieses Kompetenzprofil, das eine Kombination von Kenntnissen der wissenschaftlichen Praxis und der Praxis des Berufsfelds darstellt, wird häufig als «doppeltes Kompetenzprofil» bezeichnet.
Um den «äquivalenten Bezug zum Schulfeld» zu beurteilen, stellt sich die Frage, welche Kompetenzen mit dem Lehrdiplom und der Unterrichtserfahrung gemeint sind. Das Projekt «Doppeltes Kompetenzprofil der Pädagogischen Hochschulen» (DKP PH) aus dem Programm P-11 «Pilotprogramme zur Stärkung des doppelten Kompetenzprofils beim FH- und PH-Nachwuchs» von swissuniversities, befasste sich in Zusammenarbeit von insgesamt neun Pädagogische Hochschulen eingehend mit dem Berufsfeldbezug des wissenschaftlichen Personals. Eines der Resultate aus dem Projekt sind die Beschreibungen berufsfeldbezogener Kompetenzen, aus denen die Lernziele eines im Projekt entwickelten CAS-Studiengangs abgeleitet wurden.
Studiengang aus dem Projekt «Doppeltes Kompetenzprofil der PH»
Im Projekt DKP PH wurde ein Angebot zur Stärkung des Berufsfeldbezugs entwickelt, zweifach pilotiert und in einen CAS-Studiengang überführt. Der CAS «Den Berufsfeldbezug stärken!» wird ab September 2021 angeboten. Er richtet sich an Dozierende und wissenschaftliche Mitarbeitende an Pädagogischen Hochschulen, die ihren aufgabenspezifischen Berufsfeldbezug aufbauen, erweitern oder aktualisieren wollen, also an Personen, deren eigene Unterrichtstätigkeit eine Weile zurückliegt, deren Lehrdiplom nicht der Zielstufe der aktuellen Tätigkeit entspricht, die über kein Lehrdiplom verfügen oder die sich mit dem schweizerischen Bildungssystem bekannt machen wollen. Im Zentrum des CAS steht der aufgabenspezifische Berufsfeldbezug, der Dozierenden und wissenschaftlichen Mitarbeitenden an PH eine berufsfeldbezogene Tätigkeit ermöglicht.
Unterrichtserfahrung und Berufsfeldbezug
Wie kann ich denn meine Tätigkeit berufsfeldbezogen ausüben? Meine eigene Unterrichtserfahrung trägt sicherlich dazu bei, dass ich meine Aufgabe als Dozentin der Hochschuldidaktik gut erfüllen kann. Ich stosse aber auch an Grenzen dessen, was Erfahrung leisten kann:
- Meine Unterrichtserfahrung ist nicht aktuell. Das (Hoch-)Schulfeld hat sich in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt. Ich möchte gerne über aktuelle Innensichten der Tertiärstufe verfügen.
- Die Passung meiner (damaligen) Erfahrung auf meine aktuellen Aufgaben an der Pädagogischen Hochschule ist nicht oder nur teilweise gegeben.
- Eine Reflexion der Erfahrung zugunsten von Erkenntnissen, die ich in meine aktuellen Aufgaben transferieren kann, ist aufgrund der zeitlichen Distanz nur schwer zu vollziehen.
Ein Berufsfeldbezug meint also einen Bezug zum Berufsfeld, der aufgabenspezifisch hergestellt wird, aktuell ist und gepflegt wird. Auch wenn ich über Unterrichtserfahrung verfüge, brauche ich Möglichkeiten, um meinen Berufsfeldbezug kontinuierlich zu aktualisieren.
Gemäss Scherrer et al. (Artikel «Die Bedeutung des Berufsfeldbezugs für Laufbahnen an Pädagogischen Hochschulen» eingereicht, noch nicht online publiziert) bedingt der aufgabenspezifische Berufsfeldbezug iterativ folgenden Dreischritt:
- Aufgabenanalyse: Ich analysiere und bestimme, welche Aufgaben ich an der PH ausübe, und welche Berufspraxis damit korrespondiert.
- Berufsfeldzugang: Ich frage mich, mit welchen Methoden ich Erfahrungen und Erkenntnisse gewinnen kann von jenen Bereichen der Berufspraxis, die für meine Aufgaben an der PH relevant sind. Dies kann ich auf verschiedene Weise tun, beispielsweise über eine Unterrichtstätigkeit oder -beobachtung in mehreren Klassen der Zielstufe.
- Transfer der Erkenntnisse: Ich integriere meine Erkenntnisse in meine Tätigkeit an der PH, d.h. ich arbeite sie beispielsweise für meine eigene Lehre auf oder ich bemühe mich um Passung der Produkte meiner Tätigkeit an der PH auf den Bedarf der Berufspraxis.
Wie steht es denn nun um den Berufsfeldbezug meiner Aufgaben in Hochschuldidaktik? Ich verschaffe mir im Rahmen meiner Tätigkeit im CAS Hochschuldidaktik immer wieder Einblicke in die Tätigkeit von Dozierenden des Tertiärbereichs, beispielsweise durch Berichte oder Videoaufnahmen des Unterrichts der Teilnehmenden. Ab 2021 unterrichte ich nun wieder Studierende der PHZH, um meinen Bezug zur Lehre der Tertiärstufe zu aktualisieren.
INFOBOX
Der CAS «Den Berufsfeldbezug stärken!» startet im September 2021, alle Informationen dazu finden Sie auf unserer Webseite. Bei Interesse am CAS dürfen Sie auch gerne die Informationsveranstaltung (Webinar) besuchen, die am 4. März 2021 stattfindet.
Zur Autorin
Simone Heller-Andrist arbeitet am ZHE Zentrum für Hochschuldidaktik und -entwicklung der PH Zürich als Projektleiterin für Entwicklungs- und Weiterbildungsangebote im Hochschulbereich. Sie leitet den CAS Hochschuldidaktik «Winterstart» und den im Herbst 2021 startenden CAS «Den Berufsfeldbezug stärken!».