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Unterschiede in der Führung – Sicht von quereinsteigenden Schulleitungen 

Braucht eine Schule eine andere Führung als ein Wirtschaftsbetrieb? Und wenn ja, welche Unterschiede gibt es in der Führung unterschiedlicher Organisationen? Da es kaum wissenschaftliche Erkenntnisse im Bereich der quereinsteigenden Schulleitungen gibt, haben wir im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung der Schulleitungsausbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich mit sechs Quereinsteigenden dazu Interviews geführt. 

Zunahme an quereinsteigenden Schulleitungen in der Ausbildung 

Seit einigen Jahren können in verschiedenen Kantonen Führungspersonen ohne Lehrdiplom die Leitung einer Schule übernehmen. In der Neukonzeption der Schulleitungsausbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich wurde dem Rechnung getragen, in dem neben den Grundlagen Teacher Leadership als Vorqualifikation für Lehrer:innen mit dem CAS Quereinstieg Schulleitung auch für Quereinsteigende in der Schulleitung die Möglichkeit einer Vorqualifikation geschaffen wurde. Seit drei Jahren können Führungspersonen aus anderen Organisationen während einem knappen Jahr praxisnah – der Grossteil des Lehrgangs findet an Schulen statt – mit der Führung an Schulen auseinandersetzen, um sich dann zu entscheiden, ob sie sich für eine Stelle bewerben. Bei einer erfolgreichen Bewerbung können sie noch den zweiten Teil der Schulleitungsausbildung berufsbegleitend absolvieren. 

In den letzten Jahren hat die Anzahl an quereinsteigenden Schulleitungen stark zugenommen. Zurzeit ist die siebte Durchführung des Lehrganges in der Durchführung und bisher haben bereits über 150 Führungspersonen den Lehrgang erfolgreich absolviert. Und auch in der Schulleitungsausbildung stieg in den letzten Jahren die Anzahl an quereinsteigenden Schulleitungen.

Abb.: Anzahl Teilnehmende des DAS SL 01 und 02 mit und ohne Lehrdiplom

Wissenschaftliche Begleitung der Schulleitungsausbildung 

Um mehr Wissen über die Prozesse der Professionalisierung von Führungspersonen von und in Bildungsorganisationen zu erhalten und so die Ausbildung zu stärken, wurde mit dem Start der neugestalteten Schulleitungsausbildung eine wissenschaftliche Begleitung eingesetzt. Vor einigem Monaten wurden darauf bereits erste Strukturdaten in einem Blogbeitrag präsentiert. 

Für die Erstellung des Fragebogens bei den Quereinsteigenden wurden im Januar 2024 sechs Absolvent:innen des CAS Quereinstieg  zur Unterschiedlichkeit von Führungsaufgaben in Schulen und privatwirtschaftlichen Unternehmen befragt. Grundlagen ihrer Antworten sind ihre Erfahrungen als Führungspersonen in ihrer vorherigen Position in der Privatwirtschaft und während der Ausbildung an den Partnerschulen. In ihren Antworten zeigen sich spannende Einblicke betreffend Gemeinsamkeit und Unterschiedlichkeit in der Führung.  

Ziel der sechs Interviews, welche als Videokonferenz online stattgefunden haben, war die Entwicklung von Fragen zum Thema Unterschiede in Führungsaufgaben in Schulen und andere Organisationen. Die so entwickelten Fragen werden zukünftig in der Absolvent:innenbefragung von quereinsteigenden Schulleiter:innen verwendet.  

Für die Befragung wurden sechs Personen aus zwei laufenden Lehrgängen ausgewählt. Ein Lehrgang war gerade gestartet, während der zweite kurz vor dem Abschluss stand. Bei der Auswahl wurde auf eine Durchmischung bezüglich Geschlechtes, Alter, Branche, Vorbildung und Führungsspanne geachtet. Die Auswahl wurde durch die Lehrgangsleitung vorgenommen. 

Kultureller Wandel als Herausforderung 

Besonders interessant zeigt sich, dass obwohl die Antwortenden sowohl Unternehmen in der Privatwirtschaft wie auch Schulen als Expert:innenorganisationen sehen, sich deutliche Unterschiede laut den Teilnehmenden in der Vermarktung des Unternehmens sowie in der Kultur, welche von den Menschen gelebt werden, zeigen. In der Privatwirtschaft geht es häufig darum, ein Unternehmen, eine Agentur oder ein Service zu vermarkten und finanziellen Gewinn zu generieren. Diese Gewinnorientierung fällt an Schulen weg. Schulen sind weniger zahlen-, umsatz- oder gewinnorientiert. Gleichwohl spielen betriebswirtschaftliche Überlegungen auch in Schulen eine Rolle. In der Vermarktung von Schule geht es jedoch weniger um zahlenbasierten Umsatz und mehr darum, an der Reputation einer Schule zu arbeiten.    

«Das wichtigste Merkmal für mich ist wahrscheinlich schon, was ich einstiegs gesagt habe:  Also weniger zahlengetrieben viel näher am Menschen, der steht im Zentrum» (QSL02).

Auch muss man als Schulleiter:in «näher am Menschen» sein, wie die einzelne Teilnehmende dies nennen. Das bedeutet auch, dass Schulleitende in ihrer Wahrnehmung immer wieder beobachten müssen, ob es allen Menschen innerhalb der Schule gut geht. Denn ohne Menschen geht es nicht.   

An Schulen sind viele Personen wie Schüler:innen, Lehrpersonen, Eltern, Behörde, Politiker:innen und weitere beteiligt. So werden die körperliche Präsenz und das Wahrnehmen des ganzen Menschen (und Engagement), was an Schulen stärker vorhanden ist, als Unterschied gesehen. Man lebt zusammen.   

Ein weiterer wesentlicher Unterschied zeigt sich somit in der Art und Weise wie geführt wird. Während in der Privatwirtschaft die Führungsperson entscheidet und alle das Entschiedene ausführen, werden in Schulen flache Hierarchien gelebt. Mitarbeitende in privatwirtschaftlichen Organisationen, die mit den Entscheidungen nicht einverstanden sind, verlassen die Unternehmung oder werden gelassen. In der Privatwirtschaft herrscht, so die Einschätzung der Befragten, eine direktere Führung, wobei dies abhängig vom Thema oder Inhalt bestimmt wird.  

«Alle reden mit»  

Die Struktur bzw. Führung an Schulen wird als von unten nach oben beschrieben. Dies mit der Begründung, dass sich Lehrpersonen weniger gewohnt sind, autoritär geführt zu werden. “Es einfach zu machen” ginge an Schulen, so die Wahrnehmung einer befragten Person, nicht. Lehrpersonen müssen durch ihre Art und Weise wie sie arbeiten und denken mit einbezogen werden. Dies auch im Hinblick darauf, dass man sie gerade in Zeiten des Lehrerpersonenmangels an der Schule halten möchte. Führung an Schulen ist vielmehr verwoben und kann nicht einfach von aussen geplant und durchgeführt werden. Es müssen verschiedene Ebenen beachtet werden, welche einen Einfluss haben: Schüler:innen, Eltern, Schulpflege und Leitung Bildung, Gesellschaft, Behörden und Politik. Die Befragten sehen im Vergleich zur Privatwirtschaft, dass Schulen anders in der Öffentlichkeit stehen. Schulleitungen und Lehrpersonen sind öffentliche Personen und Schulen werden gesellschaftlich bewertet.  

«Diese verschiedenen Ebenen, die beachtet werden müssen und allgemein die Gesellschaft natürlich, die wir nie aus den Augen verlieren dürfen. Es sind ganz viele Aspekte. Das ich auch noch die Eltern habe, nebst natürlich unserem Kerngeschäft sag ich jetzt mal die Schüler:innen. Schulpflege, Leitung Bildung oder es ist wirklich ein grosses Konstrukt, dass man überall wirklich schauen muss, dass überall alle informiert sind, Rücksprachen gemacht werden, dass am Schluss wirklich das Endprodukt für die Schüler:innen stimmt» (QSL 05). 

Deshalb sehen sie die Schulleitung als Teammitglied im ganzen System, welche nicht alleine bestimmen kann. Sie müssen Rücksprachen halten, Gespräche führen und Kompromisse eingehen, um mit dem ganzen Team ein gewisses Ziel anzustreben. V.a. die Lehrpersonen wünschen sich beziehungsweise fordern Mitentscheidung und Mitgestaltung. Die Arbeit besteht aus viel Austausch und Diskussion, bei der alle integriert sind, bis die Führung eine Entscheidung trifft.   

Umgang mit Lehrer:innen 

Miteinhergehend sprechen fünf von sechs Personen die Führung von Lehrer:innen an. Ein Grundtenor dabei ist, dass es – allenfalls als Quereinsteiger:in – «Fingerspitzengefühl» braucht, dass Führung stärker auf das Begleiten fokussieren soll und die Rolle der Schulleitung eher diejenige eines Coaches statt des Chefs ist.  

«Ich hab mir viel überlegt, dass ich eigentlich für die Lehrpersonen da sein möchte, also dass ich mich nicht als Chef sehe. Ich finde das Wort nicht so toll. Dass es ein Miteinander ist und dass ich mich eigentlich als Teammitglied sehe und für das Team da sein möchte[…]» (QSL 06). 

Zwei Personen sprechen an, dass die Lehrer:innen ihre Klassen führen und aus diesem Grund eine hohe Selbstbestimmung brauchen. Als Schulleitung muss man Lehrer:innen deshalb auch anders führen und kann nicht einfach Aufträge verteilen. Es geht um die Führung von Menschen als Gesamtheit. Die befragte Person berichtet von der hohen Leistungsbereitschaft der Lehrer:innen, welche sie als Unterschied zur Privatwirtschaft sieht. Eine andere Person spricht von der hohen Sozialkompetenz und dem grossen Engagement der Lehrer:innen. So wird in den Lehrpersonen ein hohes Potential gesehen, welches v.a. im administrativen Bereich durch die Schulleitung unterstützt werden kann. Dies gestaltet sich nicht immer so einfach, da die Befragten als Quereinsteigende auch das Absprechen von Kompetenzen erleben, da sie kein Lehrdiplom vorweisen: 

«Grosses Dilemma. Oder das ist auch das, was ich vorhin gesagt habe, dass ich eben keine Lehrperson bin und dann nicht unbedingt mitreden kann, was ist guter Unterricht oder wie macht eine Person guten Unterricht. Und da sehe ich die grössten Unterschiede, also das versteh ich auch, dass jemand da Zweifel hat, wenn jemand von aussen kommt» (QSL 01).  

Die Antworten zeigen auf, dass es für die Ausbildung – neben der regulären Kompetenzentwicklung, wie sie auch Lehrer:innen hin zur Schulleitung durchlaufen – zwei Themen zentral sind: Einerseits sind Schulen Systeme mit «losen Koppelungen», wie es Weick einmal ausgedrückt hat, bei denen verschiedenen Personen auf unterschiedlichen Ebenen mitsprechen. All die verschiedenen Ebenen und Akteure müssen bei der Führung einer Schule berücksichtigt und bedient werden. Daneben sind Schulleiter:innen öffentliche Personen und müssen sich entsprechend auch verhalten. Andererseits brauchen quereinsteigende Schulleitungen Branchenkenntnisse, welche Lehrer:innen bereits mitbringen. Das gleiche gilt jedoch auch in andere Branchen: Wer eine Bank führen will, muss etwas von Finanzgeschäften verstehen. So müssen auch quereinsteigende Schulleiter:innen sich mit Unterricht und pädagogischen Fragen auseinandersetzen. 

Leitend für diese Auseinandersetzung ist auch die eigene Schulerfahrung. Die meisten Menschen verbringen einen wesentlichen Teil ihrer Kindheit/Jugend in der Schule und bringen so immer eigene Schulerfahrungen mit. Die eigene Schullaufbahn – in den beiden Interviews waren eher negative Erfahrungen – prägt das eigene Bild von Schule, welches die Teilnehmenden in ihrer Entscheidung Schulleiter:in zu werden, beeinflusst. Aktives Bearbeiten des eigene Schulbildes scheint somit ein weiterer wesentlicher Teil der Ausbildung zu sein.  

INFOBOX: 

Die Schulleitungsausbildung im Kanton Zürich setzt sich aus den Grundlagen Teacher Leadership für Lehrer:innen, welche noch keine Schulleitungsstelle inne haben, dem CAS Quereinstieg Schulleitung für Führungspersonen aus anderen Bereichen, welche sich für eine Schulleitungsstelle interessieren und dem DAS Schulleitung, der berufsbegleitend zu einem EDK-anerkannten Diplom als Schulleiter:in führt. Den DAS Schulleitung wird sowohl in einer Präsenz- als auch Onlineversion angeboten. Für Schulleitende mit einer abgeschlossenen Schulleitungsausbildung bietet der DAS Schulleitung Upgrade die Möglichkeit die bisherige Ausbildung zu einer Ausbildung auf Level DAS-Studiengang abzuschliessen. Hier findet man alle Informationen zur Schulleitungsausbildung an der PHZH.

Zu den Autor:innen

Jasmin Kolb hat pädagogische Psychologie an der Universität Fribourg studiert und arbeitet im Zentrum Management und Leadership als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Sie beschäftigt sich vor allem mit wissenschaftlichen Evaluationen und der Weiterentwicklung der Schulleitungsausbildung.

Niels Anderegg leitet das Zentrum Management und Leadership an der Pädagogischen Hochschule Zürich. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Leadership for Learning, Teacher Leadership und Professionalisierung von Führungspersonen von und in Bildungsorganisationen.

Redaktion: Jasmin Kolb
Titelbild: Archiv PHZH

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