Bei 9 von 10 Flugzeugcrashs ist das Team schuld

Von Philip Keil, einem Lufthansa-Pilot, der einen Beinahecrash verhindert hat, erfährt Johannes Breitschaft, Dozent an der PH Zürich,  wie wichtig immer wieder Absprachen im Team und Standardroutinen sind.

Der Pilot Philip Keil schildert eindrücklich wie bei 9 von 10 Abstürzen die Ursache nicht fliegerisches Versagen, sondern das Versagen des Teams war: Entscheidungsschwäche, schlechte Kommunikation und mangelnde Prioritätensetzung. In 80% aller Abstürze und Unfällen sass der erfahrene Kapitän am Steuer und nicht der Co-Pilot. Fehlerketten bringen Flugzeuge zum Absturz, meist in Verbindung mit folgenden Verhaltensweisen: Sorglosigkeit, Selbstüberschätzung, Tunnelblick, Indirektheit in der Kommunikation («this seems a little high»), übertriebene Toleranz. Mir kommen dabei auch diverse Skandale in der Wirtschaft in den Sinn, wo ich merke, dass Machtdistanz und fehlendes Feedback zu solchen Verhaltensweisen führen. Fehlleistungen im Leadership und Management sind die Folge.

Zum Schluss des Vortrages sind die Zuhörerinnen und Zuhörer auf eine Checkliste gespannt, die Philip Keil schon zu Beginn angekündigt hat: FORDEC

F FACTS Was sind die Facts / einen Moment inne halten / habe ich alle Fakten auf dem Schirm / würde ein Aussenstehender die Situation gleich sehen

O OPTIONS Welche Optionen ergeben sich aus dieser Faktenlage / alle Optionen notieren

R RISKS & BENEFITS Jede einzelne der Optionen wird bewertet

D DECISION Treffen einer Entscheidung und dazu stehen

E EXECUTION Ausführung, konkrete planvolle Umsetzung der Entscheidung

C CHECK Evaluieren, was passiert bei der Umsetzung, was passiert darum herum

Diese Vorgehensweise wurde von der NASA entwickelt und kann bei Entscheidungen eine Unterstützung bieten. Das Verschriftlichen des Prozesses wird empfohlen, um uns kognitiv zu entlasten.

Bei Prof. Dr. Olaf-Alex Burow, mit dem Thema «wertschätzende Schulleitung», nehme ich ein paar Aussagen mit. Das von ihm vorgestellte Buch «Wertschätzende Schulleitung – der Weg zu Engagement, Wohlbefinden und Spitzenleistung» gehört meiner Ansicht nach in jede Schulleitungsbibliothek. Das Buch ist sehr gut lesbar, praxisbezogen und bietet zahlreiche Impulse für Umsetzung und Reflexion.

Schulentwicklung ist ein komplexes Gebiet mit unzähligen Definitionen und Modellen. Betrachtet man das Thema aus Sicht der Komplexitätsreduktion, so geht es letztlich um drei übergreifende Kernziele:

1. Equity (Chancengleichheit)

2. Excellence (Anspruchsvolle Leistungen)

3. Well-being (Wohlbefinden).

Gute Schulen zeichnen sich dadurch aus, dass sie zu Chancengleichheit beitragen, möglichst viele Schülerinnen und Schüler zu guten Leistungen führen und ein Lehr-Lern- und Schulklima schaffen, das Wohlbefinden ermöglicht. Für Burow ist Schulleitungshandeln zentral. Er zeigt in seinem Vortrag den Leadership-Kompass auf mit den «magischen 3×3»:

1. Wertschätzende Schul- und Organisationsentwicklung (wertschätzende Diagnose, Vision, Umsetzung)

2. Selbstbestimmung (Sinn/Zugehörigkeit, Kompetenzerleben, Wohlbefinden)

3. Salutogenese (Bedeutsamkeit, Verstehbarkeit, Handhabbarkeit).

Spannend wäre ein Austausch von Schulleitungen mit genau diesem Fokus: Was mache ich konkret (normativ, strategisch und im Alltag) um diese potenzialfördernden Prinzipien lebendig werden zu lassen? Vielleicht bei einem gemeinsamen Kaffee?

 

 

 

 

 

 

Johannes Breitschaft, Dozent PH Zürich

Auf die Schulleitung kommt es an

Bereits steht der letzte Kongresstag vor der Tür. Die Tage in Düsseldorf vergehen wie im Flug. Es ist ein Anlass im Jahr, an dem ich als Schulleitung auftanken, neue Ideen und Impulse mitnehmen kann und etwas Distanz zum Schulalltag gewinne.

Bei der Auswahl der Vorträge für den Samstag habe ich lange hin und her überlegt. Hattie interessierte mich, doch hatte ich auch schon viel darüber gelesen und glaube gut informiert zu sein. Es ist aber immer wieder spannend zu hören, wie sich verschiedene Pädagogen mit Hattie auseinandersetzen und die Resultate interpretieren. Also doch, Hattie zum Frühstück!

Das Eingangszitat des Referats von Michael Felten, Gymnasiallehrer und Lehrbeauftragter in der Lehrerausbildung «Ihr müsst den Kindern zeigen, dass die Schule etwas ganz Besonderes ist» hat mich nachdenklich gestimmt. Noch immer ist es für viele Kinder auf dieser Welt nicht selbstverständlich, dass sie zur Schule gehen können oder sie nehmen teils lange und gefährliche Schulwege in Kauf. Einige unserer Schülerinnen und Schüler hingegen sehen die Schule oftmals als unangenehme Pflicht. Doch was macht es aus, dass Schule in der westlichen Welt für viele Schülerinnen und Schüler als ein Müssen oder eine Unterbrechung der Freizeit angesehen wird?

Auf diese Frage gibt es sicherlich unterschiedliche, teils diametral auseinanderliegende Antworten die, abendfüllend diskutiert werden könnten. Als Schulleiterin stellt sich mir die Frage: Was kann ich dazu beitragen, dass Schule attraktiv ist und die Schülerinnen und Schüler den Besuch der Schule wieder als Privileg betrachten?

Michael Felten, Autor von «Auf die Lehrer kommt es an!» zeigt in diesem Referat, dass es auch auf die Schulleitung ankommt. Für ihn ist der Kern der Schulentwicklung Unterrichtsentwicklung. Aber:

– wer stösst Unterrichtsentwicklung an?

– Wohin soll sie gehen?

Aufgrund der Ergebnisse von Hattie hat die Schulleitung einen hohen Effekt (d=0.84) wenn sie sich an der Unterrichtsentwicklung beteiligt und ihre Expertise einbringt. Doch wie soll sie das tun? Eher als Motivator, Vorbild und Mentor oder durch Führung mit Vorgaben, einem System klarer Regeln und Entwicklungsarbeit an der Lernkultur? Hattie belegt mit seiner Metastudie, dass die klare, instruktionale Führung den höheren Wirkungsgrad hat.

Laut Felten – und das zeigt sich auch in meinem persönlichen Umfeld – neigen Schulleitungen eher dazu «gut Freund» mit dem Kollegium sein zu wollen, gerade dann, wenn Schulleitungen aus dem Kollegium herauskommen, also eher die transformationale Führung bevorzugen.

Für mich persönlich bedeutet der Befund von Hattie aber nicht, dass Schulleiterinnen und Schulleiter nicht auch als Vorbild, Mentor und Coach führen sollen. Denn wie schon Joachim Bauer (2005) gesagt hat: «Der Mensch ist für den anderen Menschen die Motivationsdroge Nummer eins.»

Und zum Schluss nochmals Hattie mit seinen drei Kernbefunden:

– Auf die Lehrer kommt es an

– Viele Wege führen nach Rom – nicht alle!

– Die Beziehung macht’s

Diese drei Aussagen lassen sich auch auf meine Tätigkeit als Schulleiterin übertragen und werden mich in meinen Schulleitungsalltag begleiten.

Simone Augustin, Schulleiterin Schule Aeugst am Albis ZH und Co-Leiterin Bezirksschulleiterkonferenz Affoltern

Es lohnt sich, sich zu engagieren!

Am Deutschen Schulleiterkongress lernt Johannes Breitschaft, Dozent an der PH Zürich, interessante Abenteurer kennen, die von ihren Pioniertaten erzählen. Das sind der Lifestyle-Unternehmer Jochen Schweizer, der Polarforscher Arved Fuchs und der Dschungelbezwinger Rüdiger Nehberg.

Die Faszination ist beim Publikum nicht zu verbergen. Mit Leidenschaft und Humor erzählen sie von ihrem erfüllten und abenteuerlichen Leben. Keine 08/15-Biografien. Leider sind alles Männer, etwas mehr «starke Frauen» würden dem Kongress gutstehen. Dennoch: das Publikum hängt diesen Persönlichkeiten an den Lippen. Was man daraus ziehen kann? Das Erlebnis, bei den Wagnissen wenigsten ein bisschen dabei gewesen zu sein. Was ich daraus nehme: «Es lohnt sich, sich zu engagieren».

Bei Prof. Rolf Arnold geht es wieder etwas wissenschaftlicher zu und her. Er zeigt nachvollziehbare Verbindungen von Neurobiologie, Lernen und Erwachsenenbildung. Lernen ist für ihn ein selbstgesteuerter Aneignungsprozess. Didaktik sollte keine Lehr-, sondern eine Lernwissenschaft sein. Auch in meiner Ausbildung in Hochschuldidaktik ging es um den «shift from teaching to learning». Das Motto lautet: vom Lernenden her denken, was mich an die Bedingungen zu Kompetenzorientierung erinnert. Lehrpersonen müssen Bedingungen schaffen, damit etwas (Neues) entstehen kann! Die Lehrperson bietet den Kompetenzrahmen, den Kompetenznachweis muss der Lernende selber geben. Die Beziehung und die Resonanz ist der Boden. Schon Rolff hat den Satz geprägt: «wer den Unterricht verändern will, muss mehr als den Unterricht verändern». Veränderungen geschehen meist sehr langsam. Die Problematik ist dabei, dass das Überlieferte und die Erfahrung zunächst immer für richtig erachtet werden. Eine weiterführende Anregung zum Weiterdenken können einige gesammelte Zitate zum Lernen sein, die ich von Rolf Arnold gefunden habe.

Prof. Dr. Harald Görlich zeigt mir, dass wir im Modul «Selbst-, Zeit-, Gesundheitsmanagement» im Rahmen des Lehrgangs «Führen einer Bildungsorganisation» die richtigen Schwerpunkte setzen. Sein Thema ist «Stark durch Resilienz!». Was mir besonders in Erinnerung bleibt, ist die konsequente Haltung des Vertrauensvorschusses gegenüber Mitarbeitenden und die bedingungslose Einstellung, dass man als Führungsperson in jedem Menschen einen wertvollen Kern erkennen muss. Schon Anselm Grün meint «wenn ich den Menschen mag, ist er nicht so schnell zu viel für mich» oder Thomas von Aquin «ich freue mich, dass du da bist, und nicht weil du so bist».

Schulleitungen müssen neben vielem Anderen auch Meisterinnen und Meister der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen sein! Was ich wieder mitnehme: Die Befriedigung von vier Grundbedürfnissen, welche die Basis psychischer Gesundheit, unabhängig von der Quantität der Arbeit sind, nämlich:

1. Orientierung und Wirkungsmöglichkeit (Sinnerfahrung). «Wer ein Warum zu leben weiss, erträgt fast jedes Wie» (Nietzsche)

2. Anerkennung und Wertschätzung (Selbstwertbezug)

3. Soziale Bindung / Zugehörigkeit

4. Lust erleben / Unlust vermeiden.

Zwei Fragen werden mich noch weiter begleiten: Was heisst für mich gelingendes Leben? Wann mache ich einen Termin mit mir selbst, um den wirklich wichtigen Fragen nachzugehen?

Johannes Breitschaft, Dozent PH Zürich

Hat die Schule ein Umsetzungsdefizit?

Nach dem Referat von Prof. Dr. Andreas Helmke am Deutschen Schulleiterkongress stellt sich für Simone Augustin, Schulleiterin in Aeugst am Albis die Frage: Hat die Schule ein Umsetzungsdefizit? Hier beschreibt sie den weiten Weg vom Wissen zum Tun.

Nach einer kurzen Stärkung am Buffet und einem erfrischenden Spaziergang entlang des Rheins, freue ich mich auf den Nachmittag mit Prof. Dr. Andreas Helmke, Autor diverser Fachliteratur – darunter «Kernpunkte guten Unterrichts – ein summarischer Überblick» oder «Unterrichtsdiagnostik als Ausgangspunkt für Unterrichtsentwicklung» und Mitentwickler der evidenzbasierten Methode der Unterrichtsdiagnostik und -entwicklung EMU.

Gleich zu Beginn des Referats zeigt Helmke an einem anschaulichen Beispiel auf, weshalb Unterrichtsdiagnostik und Feedback so zentral für Schulentwicklung ist.

Beispiel: Lehrpersonen wurden während einer Lektion gefilmt. Danach wurden sie gefragt, wie hoch sie ihren Sprechanteil in der gefilmten Lektion einschätzen. Danach wurden die gefilmten Lektionen, mit der Stoppuhr in der Hand, betrachtet und der effektive Sprechanteil ermittelt. Der Unterschied in der untenstehenden Grafik spricht für sich.

 

 

 

 

 

«Es besteht oftmals eine Kluft zwischen dem, was Lehrpersonen glauben zu tun und dem, was sie wirklich tun.» Das heisst jetzt aber nicht, dass alle Lehrpersonen unfähig sind. Es ist ein Zeichen dafür, dass das Lehr- und Lerngeschehen

· hoch komplex

· multidimensional

· gleichzeitig

· unvorhersehbar

· sowie unaufschiebbar ist.

Um dem hochkomplexen Geschehen gerecht zu werden, braucht es eine evidenzbasierte Bestandsaufnahme. Dazu eignen sich folgende Methoden:

· Schülerfeedback

· Kollegiales Feedback

· kollegiale Hospitation

· virtuelles Feedback (Videoaufnahmen des Unterrichts)

· Feedback durch Dritte

Viele dieser Feedbackmethoden sind bekannt und teils auch seit Jahren in vielen Schulen fest verankert. Doch was geschieht nach dem Feedback? Was passiert in der Unterrichtstunde nach dem kollegialen Feedback, nach dem Betrachten der auf Video festgehaltenen Lektion?

Nach Helmke wäre der folgende Vierschritt optimal:

1. Diagnose

2. evidenzbasiert, kriteriengeleitete Reflexion

3. Durchführung von Massnahmen

4. Analyse der Wirksamkeit

Meist hapert es ab Punkt 3. Es gibt im Alltag so viele kleine Hinderungsgründe; keine Zeit Unterricht neu zu planen, es hat ja bis jetzt auch ganz gut funktioniert, das Neue kenne ich zu wenig, der Kollege macht es ja auch so…

Ich habe mir während dem Vortrag immer wieder die Frage gestellt: «Was kann ich als Schulleitung dazu beitragen, dass Unterrichtsentwicklung stattfindet und Feedback nicht als l’art pour l’art betrieben wird?» Aus meiner Sicht gibt es einen wichtigen Punkt, denn ich zukünftig beherzigen werde. Nach einer Weiterbildung oder einem Feedback die Frage an mich und mein Team stellen: «Was probiere ich morgen konkret aus und mit wem bespreche ich meine gemachte Erfahrung.»

Simone Augustin, Schulleiterin Schule Aeugst am Albis ZH und Co-Leiter der Bezirksschulleiterkonferenz Affoltern

Begegnungen bereichern das Leben

Johannes Breitschaft, Dozent an der PH Zürich, schildert in drei Tagebucheinträgen vom Deutschen Schulleitungskongress.

Begegnungen bereichern das Leben. Meine erste (zufällige) Begegnung in Düsseldorf ist der rappende und malende Taxifahrer, der auch in der lokalen Presse portraitiert wurde. Der Rap «Mein Taxi ist mein Flow / Mein Taxi ist meine Show» zeigt mir deutlich auf, dass Leidenschaft ansteckend ist. Ich erfahre viel Lebensweisheiten, die die Biografie des Lebens von Seddik Gasmi bereichert haben. Ich erfahre, dass Flexibilität lebendig hält und nichts als selbstverständlich betrachtet werden darf – faszinierend! Bin gespannt, ob die eingeladenen Keynote-Speaker auch so viel zu bieten haben.

 

 

 

 

 

Meinen ersten Workshop leitet Michael Brandt, Regisseur, Autor und Schauspiellehrer. Es geht um Führung von Nicht-Führbaren. Von Schulleitungen höre ich ab und zu, dass die so genannten Nicht-Führbaren Leidensdruck generieren. Ich mache mir meine Gedanken dazu: was heisst das eigentlich? Gibt es auch eine Art von Führung, die Nicht-Führbarkeit mit sich bringt? Auf welche Weise äussern sich die beiden Akteure, Vorgesetzter und Mitarbeitende?

Im Seminar sind wir dauernd aktiv am Kommunizieren in szenischen Darstellungen. Wir lassen zwei Personen, unabhängig von ihrer formalen Hierarchie, im sogenannten Hochstatus und Tiefstatus miteinander sprechen, immer und immer wieder, auch vor dem Plenum. Die These, die dahinter liegt, heisst: Konflikte sind keine Sach-, sondern eine Statusfrage. Und diese lässt sich ändern.

Das Modell des Statusmodells wurde in der Theaterpädagogik entwickelt und stammt von Keith Johnstone. Auf den schulischen Unterricht wurde dieses Konzept von Maike Plath übertragen. Bei der Recherche ist mir ein hilfreicher Link für den Unterricht aufgefallen:

https://www.smore.com/t0bgb-status-im-unterricht

 

 

 

 

 

 

Johannes Breitschaft, Dozent PH Zürich

Vom Chefsessel brüllen kann jeder

Simone Augustin, Schulleiterin der Schule Aeugst am Albis berichtet über spannende Impulse und Innovationen in ihrem Tagebuch über den Deutschen Schulleiterkongress in Düsseldorf.

Frisch gestärkt von einem reichhaltigen Frühstück rufen wir ein Taxi und bitten zum Messegelände gefahren zu werden.  Der Taxifahrer dreht sich zu uns um und meint: «Ah, sie gehen zur Beautymesse?» Ja, jetzt kann man sich hintersinnen, ob man dies als erste morgendliche Stärkung des Egos betrachten soll oder doch eher als Beleidigung? Wir entscheiden uns für Ersteres!

Der erste Hauptvortrag des Tages «Vom Chefsessel brüllen kann jeder! Bringen Sie Ihre Mannschaft durch faire Führung zum Sieg» gehalten von Urs Meier, dem Schweizer Weltfussballschiedsrichter, hat die anwesenden Schulleiterinnen und Schulleiter in ihren Bann gezogen. In rasantem Tempo, begleitet von spontanem Applaus und herzlichen Lachern aus dem Publikum, erläuterte Urs Meier den Zuhörern, was eine faire Führungspersönlichkeit in seinem Sport, dem des Schiedsrichters, ausmacht.

  • Es braucht eine überzeugende Persönlichkeit
  • mit einer überdurchschnittlichen Kompetenz im sozialen Bereich
  • sie muss belastbar sein und einstecken können
  • braucht eine mentale Kraft, um zu motivieren
  • braucht Durchsetzungsvermögen und soll klar im Ausdruck sein
  • muss Beziehungsfähig sein und Menschen mögen
  • und als letztes aber nicht minder wichtig: soll dialogfähig und entwicklungsbereit sein.

Wenn ich die obige Beschreibung lese, könnte die aber genauso gut aus einem Inserat für eine Schulleitungsstelle stammen. Brauchen also alle Führungspersönlichkeiten ähnliche Fähigkeiten?

Und was hat «Fairplay» mit Führung in der Schule zu tun? Fairplay heisst: Vom anderen her denken und wer vom anderen her denkt, ist längerfristig erfolgreich. Auch diese Aussage passt wunderbar zu unserem Job. Doch Entscheidungen treffen – und das müssen Schulleitungen täglich – ist immer ein Risiko. Es birgt das Risiko, Fehler zu machen.

Hier hat Urs Meier eine klare Haltung. Menschen machen Fehler! Führungspersönlichkeiten sind Menschen. Im Sport besteht immer die Gefahr, dass ein Schiedsrichter nach einem Fehlentscheid zu einem späteren Zeitpunkt einen sogenannten Kompensationsentscheid fällt, in der Meinung, den begangenen Fehler wieder gut zu machen. Doch ist das korrekt? Urs Meier verneint das explizit.

1 Fehler + 1 Fehler = 2 Fehler und ist nicht null.

Diese Aussage hat mich zum Nachdenken gebracht. Fällen wir in der Schule als Schulleitungen auch Kompensationsentscheide? Machen das unsere Lehrpersonen?

Diese Frage nehme ich nach Hause mit und werde sie sicher mit meinem Team diskutieren. Denn ja, 1 + 1 = 2. Das lernen bereits unsere jüngsten Schülerinnen und Schüler.

Simone Augustin, Schulleiterin der Schule Aeugst am Albis ZH und Co-Leiterin Bezirksschulleiterkonferenz Affoltern

Konflikte sind eine Statusfrage

Mehr als 2’500 Schulleitungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz reisten an den Deutschen Schulleiterkongress nach Düsseldorf, welcher in dieser Form bereits zum 7. Mal stattfindet. Simone Augustin, Schulleiterin in Aeugst am Albis ZH berichtet jeden Tag über die spannendsten Impulse und Innovationen für den Schulführungsalltag.

Mit viel Vorfreude auf drei spannende Tage voller Workshops, Praxisforen und Vorträgen checken wir in der Düsseldorfer Messe Süd ein.

Aus dem grossen Angebot habe ich mir für den ersten Nachmittag den Workshop «Führen von Nichtführbaren», geleitet von Micheal Brandt, dem künstlerischen Leiter des Scharlatan Theaters für Veränderung, ausgesucht. Ein künstlerischer Leiter an einem Schulleiterkongress? Was kann ich da für meinen Alltag mitnehmen? Das haben sich vielleicht einige vor diesem Nachmittag gefragt. Wer aber nicht das erste Mal mit von der Partie ist, weiss, dass solche, in erster Linie «fachfremden» Vorträge oft einen neuen, spannenden Blick auf unseren Schulführungsalltag werfen.

Herr Brandt stellt gleich zu Beginn des Workshops eine Hypothese in den Raum:

«Konflikte sind keine Sachfrage sondere eine Statusfrage»

Doch was bedeutet Status?

Status ist der Unterschied zwischen formeller und informeller Hierarchie, wird jede Minute unbewusst neu verhandelt und findet immer statt.

Wie kann ich Status festmachen, an welchen Kriterien zeigt sich Status? Dazu ein paar Stichworte:

  • Stimmsitz
  • Blick
  • Lautstärke
  • Atmung
  • Muskeltonus
  • Raumnutzung
  • Zeit

Als Schulleitung sollte man im Status beweglich sein, nicht immer ist es sinnvoll und gewinnbringend im hohen, formellen Status zu verharren.

Nach einigen spannenden, szenischen Übungen führte uns Michael Brandt in die Rolle des A-part (franz. à part = abseits) ein. Der A-part, ein Stilmittel aus der Theaterwelt, vielen vielleicht besser bekannt aus House of Cards, gespielt von Kevin Spacey. Als Frank Underwood bedient er sich dieses Stilmittels erstmals im Fernsehen, um die Zuschauer damit an seinen Gedanken teilhaben zu lassen, während die Szene einfriert.

Der A-part im Alltag ist die Möglichkeit auf die Metaebene zu gehen, hilft eine schwierige Situation zu kontrollieren, indem Zeit gewonnen wird und dient als «Folie» zwischen Gefühl und Sache. Wenn auch noch der Humor ins Spiel kommt, kann das Leiden deutlich reduziert werden.

Ein Beispiel?

Situation: Dieter Bohlen steht ein Meter vor mir und schreit mich lauthals an. Der gedankliche A-part: «er schreit, er ist mir zu nahe, hat er Spinat gegessen?» Wenn ich die Idee des gedanklichen A-Part auf schwierige Situationen in meinen Alltag als Schulleiterin übertragen kann, winkt mir mehr Gelassenheit, Sicherheit und ein angepasster Status.

Simone Augustin, Schulleiterin Schule Aeugst am Albis ZH und Co-Leiterin Bezirksschulleiterkonferenz Affoltern

Darum braucht es Schulleitungen!?

Der reisserische Titel könnte suggerieren, dass nun ein normatives, vielleicht auch gewerkschaftliches Pamphlet für Schulleitungen kommt. Wer dies erwartet, wird enttäuscht sein. Ich habe nur eine kleine Geschichte zu bieten.

Früher war alles anders
An einem Elternabend erzählt ein Vater einer Schulleiterin, dass auch er schon in diese Schule ging. Er erzählt ihr von seinem Klassenlehrer, welcher während 30 Jahren an dieser Schule wirkte – gefürchtet und geachtet gleichermassen. Von vielen Schülerinnen und Schüler wurde er wegen seinen legendären Wanderungen gehasst. Jeden Monat mussten sie unabhängig von Wetter, Jahreszeit und Kondition eine Wanderung machen. In der 4. Klasse waren es immer 10 Kilometer, in der 5. Klasse 15 Kilometer und in der 6. Klasse sogar 20 Kilometer. Jeden Monat 20 Kilometer! Der Lehrer kannte kein Pardon und jede und jeder musste da durch. Der Vater selber war jedoch froh bei diesem Lehrer gewesen zu sein. «Wir haben viel gelernt bei ihm und das Wandern … er war halt ein Wanderfan». Er erzählte auch vom Lehrer im Zimmer nebenan. Diesen hätte man meistens besser verstanden als den eigenen Lehrer. «Wenn der wütend war – der konnte schreien. Ein herzensguter Mensch war er. Aber manchmal rastete er einfach aus und dann war ‘fertig lustig’». Am Ende meinte der Vater, dass er eine gute Zeit an dieser Schule hatte. Aber früher war es anders und er ist froh, dass sein Sohn nicht mehr in die alte, sondern in die neue Schule gehen kann.

Wir und die Schule

Als die Schulleiterin nach dem Elternabend auf dem Fahrrad nach Hause fährt, kommt ihr der Gedanke, dass es vielleicht gerade deshalb Schulleitungen braucht. Die Lehrerinnen und Lehrer sind nicht mehr allmächtig und die Schülerinnen und Schüler den einzelnen Personen ausgesetzt. Der Schulleiterin ist es wichtig, dass sie gemeinsam mit den Lehrerinnen und Lehrer die Verantwortung tragen, dass sie sich austauschen und von und miteinander lernen. Nicht mehr ‘ich und die Klasse’, sondern ‘wir und die Schule’. «Aber tun wir dies auch wirklich?» Die Schulleiterin stutzt einen kurzen Moment. Es könnte ja auch sein, dass Schulleitungen bewirken, dass Lehrerinnen und Lehrer zu gesichtslosen Unterrichtsbeamten verkommen, welche nur noch konsensorientierten Einheitsbrei produzieren. «Ich will keine Lehrerinnen und Lehrer, welche beim Eingang zum Schulhaus ihre Persönlichkeit und ihre Leidenschaft an die Garderobe hängen», resümiert die Schulleiterin für sich. «Und gleichzeitig will ich auch nicht, dass alle einfach machen können, was sie wollen». Zu Hause angekommen beschliesst die Schulleiterin sich und ihre Lehrerinnen und Lehrer in den nächsten Tagen und Wochen einmal zu beobachten.

Vielleicht fragen Sie sich nun, was ich Ihnen mit dieser Geschichte sagen will. Meine Antwort wäre: «Ich weiss es nicht». Deshalb liebe ich Geschichten. Ich kann aus Geschichten Dinge für mich herauslesen und diese mit anderen diskutieren. Andere Personen mit anderen Perspektiven werden anderes herauslesen. Die Frage, ob oder wozu es Schulleitungen braucht, kann die Geschichte nicht beantworten. Ich lese einiges heraus, was für Schulleitungen spricht. Ich sehe in der Geschichte Chancen und Risiken. So ambivalent wie die Geschichte ist, so ambivalent ist wahrscheinlich auch die Frage.

Welche Geschichten, Erfahrungen haben Sie? Ich bin ein neugieriger Mensch. Veröffentlichen Sie Ihre Geschichte hier auf dem Blog oder schicken Sie mir diese zu. Ich würde mich freuen.

Niels Anderegg, Zentrumsleiter Management und Leadership, PHZH

5 Fragen an Michael Gerber, Schulleiter Schulhaus Weihermatt, Urdorf ZH

In dieser Rubrik werden spannende Schulführungspersonen vorgestellt, die wiederum eine Kollegin/einen Kollegen interviewen und so den Stafetten-Stab weitergeben. Als erste Persönlichkeit traf ich Michael Gerber, Schulleiter der Schule Weihermatt in Urdorf ZH zum Gespräch.

Lieber Michael, seit 2015 leitest du die Schule Weihermatt in Urdorf ZH. Was ist dir in der Führung eurer Schule wichtig?

Primär denke ich an unseren Bildungsauftrag, an unsere Schülerinnen und Schüler und an die fachlichen und überfachlichen Ziele. Und dann überlege ich mir, welche Führung unser Schulteam braucht, damit optimale Voraussetzungen vorhanden sind, um den Bildungsauftrag bestmöglichst umzusetzen. Das bedeutet für mich Schulführung.

Bereits mit der Übernahme der Schulführung in Urdorf hast du dich mit dem MAS Bildungsmanagement an der PH Zürich weitergebildet. Inwieweit hat der MAS dein Führungsverständnis geprägt?

Ich erhielt dank theoretischen Grundlagen ein viel breiteres Bild und lernte das System «Schule» in seiner Komplexität differenzierter wahrzunehmen. Dies ist gleichzeitig ein Grundsatz, der mich für weitere Weiterbildungen motiviert.

In deiner MAS Abschlussarbeit hast du dich mit der Wirkung von Schulwebsiten befasst – mit welchen Erkenntnissen?

Unsere Schulwebsite hat wöchentlich bis zu 1000 Hits. Dies zeigt, wie wichtig das Medium für unsere Öffentlichkeitsarbeit ist. Für den Informationsaustausch gibt es nichts Vergleichbares, was der Wirkung einer modernen Website gleichkommt. Es ist entscheidend, dass sich Schulen auf ihrer Website präsentieren und das Potential dieses Kanals nutzen sich aber gleichzeitig den Grenzen der Kommunikation über Webseiten bewusst sind.

Eure Schulwebsite offenbart interessante Inhalte und stellt Besucher/innen herausfordernde Fragen – wie fallen die Reaktionen aus?

Sehr postitiv! Einerseits reagieren Lehrerinnen und Lehrer aus meinem Team, andererseits melden Eltern zurück, dass sie es spannend finden. Ich veröffentlichte beispielsweise Zitate wie «Wir müssen gemütlich hasten» und einen Beitrag zum Lehrplan 21. Dort verwies ich auf andere Schulreformen, die nicht den gewünschten Effekt hatten. Eine kritische Auseinandersetzung mit den verschiednen Ansprüchen an die Schule kommt gut an.

Was wünschst du dir für die Vernetzung unter uns Schulleiterinnen und Schulleitern für die Zukunft?

Ich möchte effizient gute Ideen austauschen. Deshalb habe ich die LinkedIn Gruppe «Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz» gegründet. Uns stehen mit den Onlinemedien viele Möglichkeiten zur Verfügung. Wenn ich beispielsweise für den nächsten Evaluationstag nicht wieder im gleichen Muster vorgehen möchte, schreibe ich die Frage meinem Netzwerk und erhalte innert kürzester Zeit viele tolle Anregungen. Dies würde mir die Arbeit sehr erleichtern. Weiter wünsche ich mir Antworten auf Fragen zu herausfordernden Situationen im Führungsalltag, bei Konflikten usw. Hier ist der Rat von anderen goldwert.

von Jörg Berger, Schulleiter und Wissenschaftlicher Mitarbeiter PH Zürich

«Digitale Schule» ist mehr als ein digitales Klassenzimmer

Daniel Brodmann, Dozent und Lehrgangsleiter des CAS Schulmanagement an der PH Zürich hat Pierre Tulowitzki zum Vortrag «Die Organisation (von) Schule in einer digitalen Welt» eingeladen mit der Absicht, das Thema Schulmanagement bei Schulführungspersonen  zu stärken.

Spricht man von «Digitaler Schule», so entsteht beim Zuhören leicht ein innerliches Bild einer Schule, welche digitale Medien wie Smartphones, Tablets und Smartboards im Unterricht einsetzt; also dasjenige eines digitalen Klassenzimmers.

Pierre Tulowitzki, Juniorprofessor an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, hat in seinem Referat vom 28. Februar 2018 an der Pädagogischen Hochschule Zürich, dieses Bild erweitert. «Digitale Schule» ist weit mehr als nur digitale Klassenzimmer. So sind Schulleitung und Schulverwaltung Teil einer «Digitalen Schule». Nicht zu unterschätzten sei, so Tulowitzki, die indirekte Wirkung eines digitalen Schulmanagements auf den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern. Ein digitales Schulmanagement erlaubt eine effiziente Schulführung, verringert den administrativen Schulleitungsaufwand und fördert dadurch das Schulklima. Das verbesserte Schulklima schliesslich schlägt sich auch in der Motivation aller Beteiligten und damit auch im Lernerfolg nieder.

Wie sieht gemäss Pierre Tulowitzki die «Digitale Volksschule der Zukunft» ergänzend zu digitalen Klassenzimmern aus?

– Noten sind für alle berechtigten Personen jederzeit einsehbar

– Zeugnisse sind online hinterlegt

– Raumbelegung und Pensenplanung sind transparent und jederzeit einsehbar

– Absenzen von Lehrpersonen und Lernenden sind online erfasst

– Die Kommunikation mit Lehrpersonen, Eltern (Sprechstunden) und Lernenden ist online möglich

– Elternabende mit Online-Beteiligung

– Schülerakten und Schulstatistiken sind elektronisch verfügbar

Während auf der Sekundarstufe II und auf der Tertiärstufe das digitale Schulmanagement Einzug gehalten hat, findet man auf der Volksschulstufe noch oft Einzellösungen und manuelle Administration. Aufgabe der Schulleitungen ist es, «als Türöffner» Rahmenbedingen für eine «Digitale Schule» zu schaffen und Vernetzungspotentiale zu erkennen. Schliesslich müssen sie einen Medienentwicklungsplan erstellen und geeignete Tools evaluieren, welche der Schulgrösse und der Datenflut gerecht werden und die Professionalisierung der Schule unterstützen. Hierfür sind die Schulleitungen von den politischen Behörden mit den entsprechenden Kompetenzen und Ressourcen auszustatten.

Daniel Brodmann,  Dozent Zentrum Management und Leadership PH Zürich

Präsentation Referat P. Tulowitzki