Dank ICSEI über den Zaun blicken

ICSEI [ixi] tönt einfach und sympathisch. Es könnte ein Wort auf Schweizerdeutsch sein, wie z.B. [hixgi] oder [häxli]. Ist es aber nicht, sondern die Abkürzung eines Kongresses, der dann gar nicht mehr einfach tönt: «International Congress for School Effectiveness and School Improvement». Wir bleiben lieber beim [ixi], oder?

Im Januar 2018 war ich zum zweiten Mal dabei und nun bin ich süchtig nach ICSEI. Nicht nur deshalb, weil der Kongress an wunderbaren Orten stattfindet wie in diesem Jahr – in Singapur. Letztes Jahr fand er übrigens im eiskalten Ottawa statt, bei minus 20 Grad – ein echtes Erlebnis.

 

 

 

 

 

Es hat mehrere Gründe, warum ich ICSEI mag:

* ICSEI ist ein Kongress, der Interprofessionalität und -nationalität lebt: Wissenschaftler/innen, Schulleitungen, Politiker/innen, Lehrpersonen, Privatanbieter, Weiterbildner/innen aus allen Ecken der Welt bilden eine bunte Gesellschaft, die von Toleranz und gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist.

* Es gibt ganz viele neugierige Teilnehmende und es entstehen echte Diskussionen nach den Symposien, Referaten und Workshops über die Höflichkeitsfragerunde hinaus.

* Mein Thema, Schulentwicklung, steht im Zentrum des Kongresses. Er hiess dieses Jahr: „Deepening School Change for Scaling: Principles, Pathways & Partnerships“.

* Dieses Jahr waren meine Highlights die Paneldiskussionen, in denen zentrale Themen kontrovers diskutiert wurden: Improving and leading schools for the future economy and society; Educational innovations must be disruptive to be effective; School improvement for equity and excellence: rhetoric, possibility or reality?

Am letzten Konferenztag werden jeweils Schulbesuche angeboten. Das ist auch ganz interessant; mal eine Schule in Kanada oder Singapur von drinnen gesehen zu haben. Alles in allem ist es eine tolle Möglichkeit zu lernen und sich zu vernetzen. Auch die ganz grossen Namen wie Michael Fullan, Andy Hargraeves, Alma Harris, Dennis Shirley, Caren Seashore und Luisa Stoll sind am Kongress mit dabei und es gibt die Gelegenheit sich mit ihnen auszutauschen. Nächstes Jahr findet der Kongress gar nicht so weit weg, nämlich in Norwegen, statt. Falls Sie Lust haben mal über den Zaun zu blicken finden Sie weitere Informationen hier: https://www.icsei.net/

Enikö Zala-Mezö, Leiterin Zentrum für Schulentwicklung PH Zürich

Schulführung – in welchen Räumen?

Erinnern sie sich an ihren ersten Kindergarten? Wie die Finken unter der Sitzbank aufgereiht auf die warmen Füsschen warteten oder wo sich die lange Fensterfront erstreckte? Auf welchen Bäumen geklettert werden durfte oder wo sie Stelzenlaufen lernten? Schulräume sind nebst Lehrpersonen oder Gspändlis ein prägender Bestandteil unserer Schulerfahrung: sie sind eng mit Aktivitäten und sozial Erlebtem verflochten.

Schulräume ermöglichen, fördern oder behindern, was in der Schule und rund um sie herum erlebt werden will. Das Nachdenken über die gewünschten Handlungen soll der Definition des Raumprogramms und der Gestaltung ihrer Schule vorangehen – unabhängig davon, ob es sich um Neu- oder Bestandesbauten handelt. Das pädagogische Konzept und die räumliche Umgebung bedingen sich gegenseitig:

  • Altersdurchmischtes Lernen oder Jahrgangsklassen?
  • Tagesstrukturen oder Tagesschule?
  • Binnendifferenzierung oder Lern- und Förderateliers?
  • Schule im Wald, auf dem Bauernhof oder im Klassenzimmer?
  • Wochenstart in der Klasse, im Jahrgang oder mit der ganzen Schule?

Zunehmend verbringen Kinder und Erwachsene mehr Zeit an Schulen. Die Grenzen zwischen Unterricht und Freizeit, Schule und Zuhause weichen sich auf. Die Schule verliert ihr Bildungsmonopol und übernimmt im Gegenzug Erziehungsaufgaben. Sie wird zum Lern-, Lehr- und Lebensraum und macht neue Bedürfnisse an die Innen- und Aussenräume geltend. Sich verändernde Bildungsziele und/oder Lernmethoden sollen aber auch zukünftig in geeigneten Räumlichkeiten umgesetzt werden können.

Sollen formulierte pädagogisch-funktionale Bedürfnisse baulich umgesetzt werden, müssen sie erst in architektonische Anforderungen übersetzt werden. Dieser Zwischenschritt wird durch erfahrene Fachleute auf dem Gebiet der Schulraumentwicklung begleitet. Schulleitungen müssen für ein allfälliges Schulbauprojekt in ihrem ohnehin schon prall gefüllten Thek nicht auch noch Kompetenzen in Planung und Bau mitbringen. Dennoch ist es wertvoll, wenn sie sich auch den Hüllen ihrer Schule bewusst werden. Erkunden sie ihr Schulhaus mit forschendem Blick. Beobachten sie, wie die Räume auf sie wirken. Wäre da nicht mit einer einfachen Massnahme etwas zu verbessern? Sie wissen ja, der Raum ist der dritte Erzieher. Vielleicht kann er ihnen auch eine Aufgabe erleichtern oder gar abnehmen?

Katharina Lenggenhager

Dipl. Arch. HTL

MAS Cultural & Gender Studies ZFH

Expertin Schulraumentwicklung

Geschäftsführerin schul raum entwicklung, Wetzikon

katharina.lenggenhager@schulraumentwicklung.ch

www.schulraumentwicklung.ch

und

Frank Kessler

Dipl. Ing. ETH/SIA, MAS BA, KUB

Bauherrenberater und Projektentwickler

Leiter Geschäftseinheit Bauberatung und Planung

F. Preisig AG, Zürich

frank.kessler@preisigag.ch

www.preisigag.ch

 

Wann ist ein Laie ein Laie?

Die Frage wurde in der Pause während einem Kommunikationstraining für Schulpflegemitglieder von einer Teilnehmerin gestellt. Ausgangspunkt für die Frage war eine Diskussion über die Rolle von Schulpflegerinnen und Schulpfleger bei der Mitarbeitendenbeurteilung. «Wir können ja nie so professionell beurteilen wie eine Schulleitung», meinte eine Teilnehmerin. Wie viele andere musste ich auch nicken und wusste innerlich doch, dass mit der Argumentation etwas nicht stimmt. Die Frage hat mich nicht mehr losgelassen und zum Nachdenken angeregt.

Wenn Schulpflegerinnen und Schulpfleger Laien sind und mit professionellen Schulleitungen verglichen werden, dann haben sie verloren und man kann die Schulpflegen abschaffen. Für die Schulen wäre dies aus meiner Sicht jedoch ein Verlust. Und das hat damit zu tun, dass Schulpflegen in meinem Verständnis keine Laien sind. Sie wären dann Laien, wenn sie, wie vor der Einführung von Schulleitungen, die operative Führung innehaben. Sie wären dann unausgebildete Schulleiterinnen und Schulleiter oder eben: Laien. Die Schulpflegen haben heute jedoch eine andere Aufgabe: Sie sind Vertreterinnen und Vertreter der Bevölkerung und sorgen als strategische (oder politische) Führung dafür, dass das Dorf die Schule hat, welche die Bevölkerung will. Sie sind gewissermassen das ‘Volk’ der Volksschule.

Schulpflegende und Schulleitende agieren nach meinem Verständnis in unterschiedlichen Rollen, Perspektiven und Aufgabenfelder in der Schulführung. Die Frage, ob Schulpflegende Laien sind, stellt sich nicht im Vergleich zu den Schulleitenden, sondern im Vergleich zu den Anforderungen an eine politische Führung. Zum Beispiel in der Frage, wie sie schwierige Gespräche kommunikativ führen können. Für mich geht es nicht um die Frage, ob Schulpflegende Laien sind, sondern wie professionell sie als Schulpflegende agieren. Und professionell agierende Schulpflegen sind ein wesentliches Element für Schulqualität.

Aus diesem Grund verstehen wir uns im Zentrum Management und Leadership an der PH Zürich seit einigen Jahren nicht mehr nur als Kompetenzzentrum für Schulleitung, sondern als Kompetenzzentrum für Schulführung. Darin sind alle Führungspersonen und -funktionen in Bildungsorganisationen gemeint. Neben Schulleitungen unterstützen wir unter anderem auch die politische oder administrative Führung und entwickeln verschiedene Angebote für diese Personengruppen.

Und wer Lust hat als Schulpflegerin, Schulpfleger auf solche Pausengespräche und dabei auch noch an der eigenen Kommunikation zu arbeiten, am 8. Mai 2018 biete ich das nächste Kommunikationstraining an.

Niels Anderegg, Zentrumsleiter Management und Leadership, PHZH

Schülereinteilungen mit Google Fusion Tables

Was ist das nur für eine mühselige Arbeit: Über 100 Klebepunkte in vier Farben (zur Unterscheidung von Mädchen und Knaben der zwei verschiedenen Schuleinheiten) auf einer zuvor hochkopierten Karte von Urdorf liefern mir nach einiger Such- und Klebearbeit einen Überblick über die einzuteilenden Schülerinnen und Schüler. Das muss doch auch einfacher gehen?!

Im letzten Schuljahr nahm ich mir Zeit dafür, diesen Prozess zu vereinfachen. Momentan arbeite ich so:

Schnelle Übersicht per Fusion Tables

Mit Fusion Tables brauche ich für eine Übersichtskarte mit allen einzuteilenden Kindern 10 Minuten. Das Schulsekretariat schickt mir ein Excelfile mit den Namen und Adressen der Schülerinnen und Schüler. Die Daten importiere ich in eine «Fusion Table», lasse das Tool die Adressen «erkennen» und erhalte eine erste Übersicht.

Der nachfolgende Screenshot zeigt keine aktuellen Schüleradressen, sondern zufällige Adressen aus meinem Arbeitsort :

Diese Karte dient mir nun als geographische Arbeitsgrundlage für die Einteilung in die zwei verschiedenen Schuleinheiten. Ich notiere mir nun noch Einteilungsgesuche und wichtige Kommentare von Lehrpersonen zu den einzelnen Punkten und drucke die Karte dann aus.

Diese Vorgehensweise ist definitiv schneller als meine alte und bietet folgende Vorteile:

  • Ich kann auswählen, welche Schülerinnen und Schüler angezeigt werden sollen: Nur solche aus dem Schulhaus A, nur Mädchen, nur solche der Lehrerin B usw.
  • Nach der gemachten Einteilung lese ich die provisorischen Klassenlisten ein. Dann klicke ich die einzelnen Klassen durch und überprüfe, dass Kinder aus einem Quartier möglichst in das gleiche Schulhaus sowie Kinder, die einen speziell weiten Schulweg haben, in die gleiche Klasse eingeteilt sind. Dies ist mit wenigen Mausklicks möglich.
  • Sind die entsprechenden Daten vorhanden, lassen sich einfach Heatmaps erstellen um die Entwicklung der Schülerinnen- und Schülerzahlen zu visualisieren. Dies ist für die Schulraumplanung eine gute Arbeitsgrundlage.

 

 

 

 

  • Habe ich die Schülerinnen und Schüler im Excel erfasst, lassen sich mit kleinem Aufwand weitere Daten automatisiert herauslesen.

Hinweise

Da die Daten auf Google Drive gelagert sind, benutze ich von den Schülerinnen und Schüler aus Datenschutzgründen nur die Initialen. Diese lassen sich in Excel einfach per Formel herauslesen.

Leider zeigt es Kinder, die an derselben Adresse wohnen, nur als einen Punkt an. Die fehlenden Punkte müssen manuell hinzugefügt werden oder die Koordinaten werden in einem Workaround leicht verändert.

Die Vorgehensweise erfordert IT Kenntnisse (Excel, Webtools). Da wir im Schulleitungsalltag aber genügend Zeit vor dem Bildschirm verbringen, lohnt es sich jedenfalls, an der eigenen IT Kompetenz zu arbeiten.

Fazit

Mit dem Tool spare ich Zeit, die ich sinnvoller einsetzen kann als mit dem Aufkleben von Punkten. Die Nachkontrolle mit den provisorischen Klassenlisten verringert zudem geographisch ungünstige Einteilungen.

Michael Gerber, Schulleiter Schulhaus Weihermatt, Urdorf ZH

Normal anders sein

Turbulente Szenen auf der Schulanlage Walenbach in Wetzikon ZH. Alle Kinder vom Kindergarten bis zur 6. Klasse erleben während zwei Projekttagen was es heisst „Normal anders sein“.

Das Nachempfinden von körperlichen Beeinträchtigungen bildete die Grundlage der zahlreichen Workshops, die von namhaften Institutionen und Lehrpersonen angeboten werden: Mit dem Rollstuhl fahren, fangen, einen Parcours durchfahren oder Hockey mit der E-Hockey-Mannschaft spielen sind hierbei einige der vielen Highlights. Wer sich in andere hinein fühlen will, muss erst seinen eigenen Körper kennenlernen. Bewegungslandschaften zum Spüren des eigenen Körpers und Grenzen erfahren, bilden weitere körperliche Erlebnisse. Ebenso diverse Sportspiele oder Alltagssituationen mit Seh- oder Hörbehinderungen mit den entsprechenden Erfahrungsmöglichkeiten erweitern das Verständnis der Kinder. Dabei lernen sie blinden oder gehörbeeinträchtigten Menschen zu helfen, wie sie es beispielsweise von Hunden für Blinde oder bewegungseingeschränkte Menschen gezeigt bekommen. Die Betroffenheit der Kinder ist nachhaltig und wird über die kommenden Schuljahre hinweg durch weitere kleinere Sequenzen im fürsorglichen Umgang mit Mitmenschen aller Art vertieft und zu einer sozial geprägten Gesellschaft ausgebaut. Während der zwei Projekttage erleben die Kinder, was anders ist als normal. Und vielen kommt das Ungewohnte am Ende schon fast wie normal vor.

Video

Frank Bierlein, Schulleiter Schulhaus Walenbach, Wetzikon ZH

5 Fragen an Urs Tschamper, Schulleiter Primarschule Bubikon

Im heutigen Beitrag stellt Michael Gerber, Schulleiter Schulhaus Weihermatt, Urdorf ZH fünf Fragen an Urs Tschamper, Schulleiter Primarschule Bubikon.

In dieser Rubrik werden spannende Schulführungspersonen vorgestellt, die wiederum eine Kollegin/einen Kollegen interviewen und so den Stafetten-Stab weitergeben.

Was bedeutet für dich Schulführung?

Ich möchte „Ermöglicher“ sein, Entwicklungshelfer, Unterstützer, manchmal auch Beschützer: Es ist mir wichtig, meinem Schulteam Vertrauen zu geben und motivierende Rahmenbedingungen und Freiräume zu schaffen, damit die Mitarbeitenden sich entfalten können, Freude an ihrer Arbeit haben und sich laufend verbessern. Dazu mache ich Betroffene zu Beteiligten: Indem ich Betroffene fair und der Situation entsprechend angemessen in Entscheidungen einbeziehe, fördere ich das aktive Mitdenken und die Mitarbeiterzufriedenheit.

In deiner CAS Arbeit «Steuerung der Schulentwicklung durch die Schulleitung» untersuchst du erfolgreiche Vorgehensweisen einer Schulleitung im Schulentwicklungsprozess. Was muss eine Schulleitung bei der Schulentwicklung beachten?

Wichtig ist, dass ich mich als Schulleiter immer wieder (hinter-)frage: In welchem Ausmass soll ich Entwicklungsprozesse anregen, begleiten, (an-)leiten, führen oder gar durchsetzen? Welches Handeln ist förderlich, welches hinderlich oder gar kontraproduktiv? Wie viel Druck und wie viel Zug – oder „neudeutsch“ ausdrückt: Wie viel „Top-down“ und wie viel „Bottom-up“ ist in welcher Situation angemessen?

Die grosse Kunst der Schulleitung bei der Schulentwicklung ist, Wege aufzuzeigen und zu ebnen, die Lehrpersonen zum selbstständigen Handeln befähigen und sie in ihrem Tun bestätigen – ohne alles selber machen zu wollen. Hilbert Meyer beschreibt dieses Führungsmodell treffend mit den Worten: „Steuern, nicht rudern!“

Was ist für dich der zentrale Baustein einer erfolgreichen Schul- und Unterrichtsentwicklung?

Ein zentraler Baustein, wenn nicht gar der absolut wichtigste, ist die „Lehrerkooperation“. Ich fördere deshalb als Schulleiter gezielt eine angemessene Kooperation in meinem Schulteam, unter anderem indem wir weniger Schulkonferenzen und mehr Stufenkonferenzen einplanen. Ich bin überzeugt, dass dort die Zeit für pädagogische Schulentwicklung besser genutzt wird.

Du bist jetzt im 4. Jahr als Schulleiter. Wo und wie hat sich dein Schulleiterhandeln entwickelt?

Ich habe inzwischen das Vertrauen, dass Schulentwicklung ein kooperativer Prozess ist und ich nicht alles wissen, steuern oder beeinflussen kann und muss. Ich weiss besser, was ich delegieren kann, wie (und wann) ich Lehrpersonen in schwierigen Situationen unterstützen und ihnen den Rücken stärken kann oder wie (und wann) ich ihnen gezielt Arbeitslast abnehmen muss.

Und: Die Gelassenheit hat bestimmt zugenommen…

Du hast vor deiner Stelle als Schulleiter unter anderem in der Schulaufsicht im Kanton Glarus oder in der IT Abteilung einer Bank gearbeitet. Kannst du von diesen Erfahrungen für deine momentane Arbeit profitieren?

Enorm! Ich möchte diese 13 Jahre mit ausserschulischen Berufserfahrungen nicht missen und empfehle jeder Schulleitungsperson, einmal etwas Privatwirtschaftsluft zu schnuppern und nicht direkt vom Klassenzimmer ins Schulleitungsbüro zu wechseln. Ich finde es allerdings sehr schade, dass der Kanton Zürich solche Erfahrungen nicht unterstützt bzw. honoriert. Bei meiner Rückkehr in den zürcherischen Schuldienst wurden mir bei der Einstufung in die Lohnskala die sechs Jahre beim Kanton Glarus nur zur Hälfte angerechnet. Ich hätte also geradesogut sechs Jahre lang Schuhe putzen oder Zeitungen austragen statt Schulen evaluieren können…

von Michael Gerber, Schulleiter Schulhaus Weihermatt, Urdorf ZH

«Der Fall: Rückstellung eines Kindes vom Kindergarteneintritt um ein Jahr»

Familie Meier, mit Wohnsitz im Kanton Zürich, erhält von der Schulverwaltung die Klassenzuteilung für ihre jüngste Tochter Lea, die am 15. Juli 2014 geboren wurde und zum Zeitpunkt des Kindergarteneintritts, am 20. August 2018, unlängst das vierte Altersjahr vollendet haben wird. Nach Ansicht der Eltern ist Lea noch nicht reif für den Eintritt in den Kindergarten und sie erklären bei der Schulverwaltung übereinstimmend, dass sie ihre Tochter wegen Entwicklungsrückständen noch nicht im Kindergarten sähen und darum ersuchen, Lea um ein Jahr vom Kindergarteneintritt zurückzustellen. Die Schulverwaltungsleiterin erklärt der Familie, dass Kinder, die das vierte Altersjahr erreicht haben bis zum Stichtag, was bei Lea der Fall sei, grundsätzlich regulär einzuschulen seien. Familie Meier möchte sich damit nicht abfinden. Wie gestaltet sich die Zürcher Rechtslage?

Kinder, die das vierte Altersjahr vollendet haben, treten grundsätzlich auf Beginn des nächsten Schuljahres in den Kindergarten ein. Mit Inkraftsetzung des HarmoS-Konkordats am 1. August 2009 verschiebt sich der Stichtag jährlich um zwei Wochen nach hinten, bis schliesslich ab Schuljahresbeginn 2020/21 der 31. Juli als Stichtag gelten wird.

Auf Schuljahresbeginn 2018/19 werden Kinder eingeschult, die zwischen dem 1. Juli 2013 und dem 15. Juli 2014 geboren wurden oder im Vorjahr rückgestellt wurden. Stichtag ist der 15. Juli 2018.

§ 5 Abs. 1 VSG (Volksschulgesetz vom 7. Februar 2006) sieht vor, Kinder gestützt auf ihr Geburtsdatum – bei Vollendung des vierten Altersjahrs unter Berücksichtigung des Stichtags – regulär einzuschulen. Abweichungen vom Grundsatz bedürfen damit einer hinreichenden Begründung. Nach § 3 VSV (Volksschulverordnung vom 28. Juni 2006) kann die Schulpflege dann vom Grundsatz der regulären Einschulung abweichen und die Rückstellung um ein Jahr anordnen, wenn erstens der Entwicklungsstand des Kindes dies als angezeigt erscheinen lässt und zweitens den zu erwartenden Schwierigkeiten bei regulärer Einschulung nicht mit sonderpädagogischen Massnahmen begegnet werden kann.

In formeller Hinsicht müssen die Eltern ein begründetes Rückstellungsgesuch fristgerecht bei der Schulverwaltung einreichen. Nach § 34 Abs. 2 VSV wird die Schulpflege jeweils bis Ende April die Rückstellung anordnen oder aber das Gesuch abweisen.

Blosse Wünsche oder Einschätzungen der Eltern stellen keine hinreichende Entscheidungsgrundlage für die Schulpflege dar. Werden Fachpersonen beigezogen oder werden weitere Abklärungen vorgenommen bzw. angeordnet, wie dies § 34 Abs. 3 VSV vorsieht, muss die Abklärung soweit sachlich fundiert sein, dass die Schulpflege gestützt darauf über den Rückstellungsantrag befinden kann.

Massgebendes Kriterium für den Rückstellungsentscheid bildet der individuelle Entwicklungsstand des Kindes. Liegt ein kinderärztlicher, schul- oder kinderpsychologischer Bericht vor, der Bezug nimmt auf den individuellen Entwicklungsrückstand des Kindes und liegt kumulativ dazu eine Einschätzung vor, ob den Schwierigkeiten des Kindes bei regulärer Einschulung mittels sonderpädagogischer Massnahmen hinreichend begegnet werden kann, wird die Schulpflege in die Lage versetzt, unter Würdigung des individuell-konkreten Einzelfalls und in Ausübung des sogenannten Einzelfallermessens per Mehrheitsbeschluss die Rückstellung anzuordnen oder aber das Gesuch der Eltern abzuweisen.

Den Eltern von Lea steht somit kein durchsetzbarer Anspruch auf Rückstellung ihres Kindes zu.

Thomas Bucher (MLaw), Dozent für Schulrecht, PH Zürich

Mit Belastungen umgehen können

Simone Augustin, Schulleiterin der Schule Aeugst am Albis berichtet ein letztes Mal vom Schulleiterkongress in Düsseldorf. Zum Abschluss besucht sie das Praxisforum von Ada-Sophia Luthe, Pädagogin und Supervisorin, die das Thema «Einstecken können will gelernt sein! So gehen Sie mit Belastungen im Schulalltag um» erläutert.

Schulleitungen sind vielseitigen Belastungen ausgesetzt. Sie sind in der Sandwichposition zwischen Behörden und Lehrpersonen, fungieren manchmal als Puffer zwischen Eltern, Schülerinnen und Schülern und Lehrpersonen und sind für die Umsetzung vieler pädagogischer Projekte, wie dem Lehrplan 21, verantwortlich.

Eine weitere wichtige Aufgabe der Schulleitung ist die Personalführung und damit verbunden auch die Personalpflege. Doch wer «pflegt» die Schulleitungen? Wie gehen Schulleitungen mit Stress und Belastungen um?

Es gibt zwei Arten von Stress, positiven Stress, auch Eustress genannt und negativen Stress, Disstress genannt. Stress ist demnach nicht zwingend belastend. Doch wie können wir im Alltag mit negativem Stress, also Disstress umgehen und gesund bleiben?

Im Zusammenhang mit positiver Stressbewältigung steht der Begriff «Resilienz». Ein Phänomen, das in den letzten Jahren, vor allem nach 9/11, auch in der Forschung an Bedeutung zugenommen hat.

Nach Rosmarie Welter-Enderlin ist Resilienz die «Fähigkeit von Menschen Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf persönliche und sozialvermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für persönlich Entwicklung zu nutzen». Ada-Sophia Luthe zeigte uns mit einer einfachen Methode des Selbstcoachings, wie wir mit Hilfe von acht Resilienzschlüsseln Belastungen bessern meistern können und achtsam mit uns selber umgehen können.

Das Selbstcoaching besteht aus vier Schritten:

  1. Welches Thema/Problem bereitet mir zurzeit am meisten Stress
  2. Ein Ziel setzen
  3. Sich vorstellen, wie es ist, wenn das Ziel erreicht ist
  4. Welche Strategien der Resilienz nutze ich (Auswahl von zwei bis drei Strategien)

 

 

 

 

Und hier die acht Resilienzschlüssel nach Luthe:

  • Akzeptanz – es ist wie es ist, ein realistisches, objektives Bild von der Situation haben
  • Optimismus – darauf vertrauen, dass es gut kommt
  • Lösungsorientierung – in Möglichkeiten denken, Alternativen finden
  • Eigenverantwortung – Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen und die Opferrolle verlassen
  • Selbstwirksamkeit – Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten
  • Zukunftsorientierung – Mut für neue Konzepte haben
  • Achtsamkeit – sich und die Umwelt wahrnehmen und wertschätzen
  • Netzwerkorientierung – das innere Team aktivieren und Beziehungen pflegen

Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass sich Schulleiterinnen und Schulleiter Sorge tragen und sich im Alltag immer wieder Zeit nehmen, um sich selber zu schauen. Denn nur wenn wir gesund sind, nützen wir unserer Schule, unserem Team. In solchen Momenten kann ein Selbstcoaching, wie sie Ada-Sophia Luthe vorgestellt hat, eine hilfreiche Methode sein.

Simone Augustin, Schulleiterin Schule Aeugst am Albis ZH und Co-Leiterin Bezirksschulleiterkonferenz Affoltern