Von der Idee zur eigenen Stimme: Literarisches Schreiben im Schreibzentrum der PH Zürich

Text von Daniel Ammann und Erik Altorfer

Ein Mensch, der sich mittels Sprache in der Welt bewegt und sich mit dieser auseinandersetzt – davon bin ich überzeugt –, kann sich alles Weitere aneignen, das er zum Leben braucht. Die Förderung der eigenen Fähigkeit und Volition, sich zu artikulieren, stelle ich daher […] ins Zentrum meiner Lehre. Und das kreative Schreiben sehe ich als den eigentlichen Schlüssel dazu.

Peter Kaiser, vgl. Altorfer u. Miziane 2022

Seit Frühjahr 2023 bietet das Schreibzentrum extern vermehrt Module und Weiterbildungen zum literarischen Schreiben an. Das kreative Schreiben in gleichem Masse wie das wissenschaftliche Schreiben zu fördern und zu begleiten – diese Kultur hat sich das Schreibzentrum schon seit seiner Entstehung vor 22 Jahren auf die Fahne geschrieben.

So erhalten Studierende und Weiterbildungsteilnehmende in Kursen, Workshops und Schreibberatungen neben Coachings zu Leistungsnachweisen oder Fachtexten auch Unterstützung beim Verfassen von fiktionalen, essayistischen oder journalistischen Textsorten. Feste Programmpunkte sind seit den ersten Erzählnächten (ab 2010) die jährlichen «PH Goes Poetry»-Schreibwettbewerbe und Poetry-Slams (ab 2017) im Kafi Schnauz. Die besten Texte wurden bis 2022 in individuell gestalteten Booklets publiziert.

«The Sea Between Us» – Schreibwettbewerb.
Koproduktion mit ISEAHZ – University of Tunis, 2020

Edition Schreibzentrum

Dank einer Kooperation mit der ZHdK und deren Studierenden im MA Visual Communication startet nun eine neue Online-Publikationsplattform. Unter edition-schreibzentrum.ch werden in einem ersten Schritt die Wettbewerbstexte des Formats PH Goes Poetry präsentiert.

Später werden hier weitere literarische Texte von Studierenden und Weiterbildungsteilnehmenden einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht: Kurzprosa, Kolumnen, Essays, Gedichte, Romanauszüge.

Wenn wir von Lernenden verlangen, sich in der Welt nicht nur zu orientieren und diese zu erschliessen, sondern auch darin zu handeln, so bedeutet dieses Handeln etwa im politischen Kontext oft ein sprachliches Tun. Kreative Schreibformen können hier Ausgangspunkt sein zur Bildung einer eigenen Meinung, aber auch zu deren Artikulation in einer dafür geeigneten, ausgesuchten Textform.

Peter Kaiser, vgl. Altorfer u. Miziane 2022

Schreiben ist eine basale Fähigkeit, die als Denkwerkzeug, als Mittel zum kreativen Ausdruck und beim Entwickeln der eigenen Stimme eine zentrale Rolle spielt. Schreiben ist mehr als die Niederschrift fertiger Gedanken, vielmehr dient es als Motor, um über einen längeren Prozess spezifischen Fragen nachzugehen, neue Perspektiven zu erkunden und individuelle Lösungen zu entwickeln. Wie Strategien und Prozesse des literarischen Schreibens für wissenschaftliches Schreiben fruchtbar gemacht werden und dass Methoden des Storytellings und stilistische Präzision auch in Sachtexten unabdingbar sind, haben wir in der Publikation Wissenschaftlich erzählen – literarisch überzeugen untersucht (Ammann, Altorfer, Bürki u. Rickert 2023.

Den Stil entwickeln

In unseren Angeboten nutzen wir vielfältige Zugänge zum kreativen Schreiben und gehen dabei über Schreibimpulse, Fingerübungen oder lustvolles Freewriting hinaus. Ziel ist es, die entstehenden Texte und Entwürfe systematisch weiterzuentwickeln und die individuellen Coachings durch Modulleitende und Feedbacks anderer Kursteilnehmenden in die Überarbeitung einfliessen zu lassen.

Hierbei verfolgen wir unterschiedliche Ansätze. In einem Weiterbildungskurs mit dem Titel «Vom literarischen Vorbild zum eigenen Text» ging es beispielsweise darum, Texte intuitiv und spontan oder nach sorgfältiger Lektüre und Analyse bewusst zu imitieren und weiterzuführen. Die Schreiber:innen durften stilistische Eigenheiten aufgreifen, Textroutinen wiederholen und handwerkliche Techniken «anprobieren» oder übertreiben, um im Prozess den eigenen Ton zu entdecken.

In einem Modul zum autobiografischen Schreiben wiederum arbeiteten die Teilnehmenden mit eigenen Erinnerungen. Sie lernten methodische Zugänge und Aspekte des Storytelling kennen, um Lebensereignisse und persönliche Erfahrungen literarisch einzufangen und in Form zu bringen. Dabei entstanden anekdotische Vignetten, Gedichte, Kurzgeschichten oder längere Erzählungen in der Tradition des Life-Writing.

In individuellen Coachings lektorieren wir auch umfangreiche literarische Projekte, zum Beispiel den 800-seitigen Fantasyromanentwurf eines Junglehrers, ausserhalb des Curriculums entstehende Kurzgeschichten und Erzählungen von Studierenden sowie in einem Feedback-Workshop für freie Texte Song-Lyrics einer Mitarbeitenden der PHZH.

Für die Entwicklung und Umsetzung von literarischen Schreibprojekten sind die Tutor:innen des Schreibzentrums unverzichtbare Mitarbeiter:innen. Sowohl im Organisations- und Publikationsteam von PH Goes Poetry als auch in der Redaktion der Schreibstaffel «Punkt Punkt Komma Strich» (seit 2020, zuerst unter dem Titel «Seasons for all») verfassen die Tutor:innen freie Texte und lektorieren Beiträge ihrer Peers. Zudem schrieben die Schreibzentrums-Tutor:innen bis 2024 über 60 Kolumnen für die Studierendenseite des Magazins Akzente, seit 2019 auch für die PHZH-interne Zeitschrift inside.

Selbst kreativ zu werden, fördert beides: Einen persönlichen Stolz, der Freude macht, sowie eine Demut vor der Undurchdringlichkeit der Worte.

Peter Kaiser, vgl. Altorfer u. Miziane 2022

Transferwirkungen des literarischen Schreibens

Im kreativen und literarischen Schreiben trainieren und erweitern wir unser Repertoire an sprachlichen Ausdrucks- und erzählerischen Gestaltungsformen. Die hier erworbenen Schreibstrategien kommen auch der Arbeit an journalistischen, dokumentarischen oder wissenschaftlichen Textsorten zugute.

Klar ist: Diese Art von produktivem und entdeckendem Schreiben lässt sich nicht vollständig an eine künstliche Intelligenz delegieren.

INFOBOX

Aktuelle Angebote

CAS Modul
Literarisches Schreiben – biografisch bis fiktional: Wege zum eigenen Schreibprojekt

Workshops
Lyrics, Erzählung, Reportage: offenes Feedback zu Ihren Texten
Kreatives Schreiben: Vom Bild zum Wort

Individuelle Angebote zum literarischen Schreiben für Institutionen und Privatpersonen
Literarisches Schreiben

Plattform für literarisches Schreiben an der PHZH

edition-schreibzentrum.ch

Literaturempfehlungen

- Abraham, Ulf. 2021: Literarisches Schreiben: Didaktische Grundlagen für den Unterricht
- Genz, Julia. 2022: Handbuch kreatives Schreiben: Literarische Techniken verstehen und anwenden
- Saunders, George. 2023: Bei Regen in einem Teich schwimmen: Von den russischen Meistern lesen, schreiben und leben lernen
- Zanetti, Sandro. 2022: Literarisches Schreiben: Grundlagen und Möglichkeiten

Zu den Autoren

Daniel Ammann ist Dozent für Medienbildung, Mitarbeiter des Schreibzentrums der PH Zürich, Autor und Literaturkritiker (SRF-Bestenliste).

Erik Altorfer ist Mitarbeiter des Schreibzentrums der PH Zürich, Leiter von internationalen Autor:innen-Projekten, Dramaturg und Regisseur für Theater und Hörspiel.

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