Schüler erhält Zeugnis, können Eltern Zeugniseinträge abändern lassen?

Anfechtung von Zeugnissen

Die Schüler:innen haben vor den Sommerferien ihre Zeugnisse erhalten, in denen deren Leistungen und Verhalten beurteilt wurden. Immer wieder kommt es vor, dass Eltern eine von der Lehrperson gesetzte Zeugnisnote oder Verhaltensbeurteilung als ungerechtfertigt betrachten. Können sie sich dann an die Schulleitung wenden und die Abänderung des Zeugniseintrags verlangen (Frage 1)? Oder können die Eltern den Zeugniseintrag gar mit einem ordentlichen Rechtsmittel bei einer Behörde oder einem Gericht anfechten (Frage 2)? Reto Allenspach beantwortet diese Fragen mit Blick auf die Rechtslage im Kanton Zürich.

Beurteilung als pädagogische Aufgabe

Die Beurteilung von Schüler:innen (SuS) bei einzelnen Unterrichtsanlässen (Prüfungen etc.) sowie im Zeugnis ist eine pädagogische Aufgabe, welche Lehrpersonen im Rahmen ihres Berufsauftrages zu erfüllen haben. Als Bestandteil der Unterrichtstätigkeit wird die Beurteilung von der Methodenfreiheit gemäss § 23 VSG (Volksschulgesetz, LS 412.100) erfasst. Die Lehrperson entscheidet grundsätzlich selbst, wie sie zu einer professionellen und pädagogisch sachgerechten Beurteilung gelangt. Ihr steht dabei ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu, handelt es sich bei der Notensetzung doch nicht um ein exaktes «Messverfahren».

Beurteilungsspielraum und Recht

Das Recht belässt den Lehrpersonen diesen Beurteilungsspielraum, grenzt ihn aber auch ein. Es setzt damit den Rahmen, indem sich Lehrpersonen bei der Beurteilung zu bewegen haben. Im Kanton Zürich ist die Beurteilung in § 31 VSG und im Zeugnisreglement (ZRegl, LS 412.121.31) geregelt. Zu beachten und bei Beschwerden gegen Zeugnisse oft bedeutsamer sind jedoch die allgemeinen verfassungsmässigen Rechtsgrundsätze wie die Rechtsgleichheit (Art. 8 BV [Bundesverfassung, SR 101]), der Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 und 9 BV) und das Willkürverbot (Art. 9 BV).

Aus diesen Rechtsgrundsätzen ergibt sich, dass Lehrpersonen verpflichtet sind, ihre SuS angemessen, sachgerecht und objektiv nachvollziehbar zu beurteilen. Oder umgekehrt ist eine Beurteilung widerrechtlich, wenn sie sich als willkürlich erweist, anerkannte Rechtsgrundsätze klar verletzt oder sich auf sachfremde Erwägungen stützt.

Informationspflichten

Weiter zu beachten sind die Informationspflichten der Lehrperson gegenüber Eltern. Gemäss § 54 Abs. 2 VSG sind die Eltern regelmässig über das Verhalten und die Leistungen ihrer Kinder zu informieren. Ausdrücklich muss die Lehrperson die Eltern bei aussergewöhnlicher Entwicklung von Leistung und Verhalten informieren, insbesondere wenn eine wesentlich schlechtere Qualifikation im Zeugnis zu erwarten ist (§ 61 VSV). Dieser Informationspflicht kommt eine Lehrperson hinsichtlich der Leistungen etwa nach, wenn sie die einzelnen Lernzielkontrollen (oder Kopien davon) von den Eltern unterschreiben lässt.

Grundsätzlich können die Eltern bei einer Vernachlässigung dieser Informationspflichten durch die Lehrperson nicht die Abänderung der Beurteilung verlangen, wenn diese dann materiell unrichtig wäre (es handelt sich mithin lediglich um Ordnungsvorschriften und nicht um Gültigkeitsvorschriften). Ausnahmen können sich aber bei der Verhaltensbeurteilung ergeben, sind hier die Einflussmöglichkeiten der Eltern doch oft grösser als bei der Leistungsbeurteilung (Noten).

Wenn zum Beispiel ein:e Schüler:in der zweiten Oberstufe im Jahresendzeugnis plötzlich und ohne Vorwarnung der Eltern unter «Erscheint pünktlich und ordnungsgemäss zum Unterricht» ein «ungenügend» erhält, nachdem diese Rubrik im Zeugnis davor noch mit einem «gut» bewertet wurde, können die Eltern in der Regel eine Anpassung verlangen.

Noten als Beurteilung der Gesamtleistung

Zu beachten ist, dass die Zeugnisnote die Gesamtleistung in den einzelnen Fächern abbildet (vgl. § 9, § 7 Abs. 2 ZRegl). Sie setzt sich nicht einfach aus dem Durchschnitt der schriftlichen Prüfungen zusammen, sondern sie stützt sich auf weitere schriftliche, mündliche und praktische Leistungen (Schülerarbeiten, Portfolios, Vorträge, Lerndialoge etc.). Wichtig ist, dass die Lehrperson das Heranziehen von Bewertungsanlässen objektiv nachvollziehbar begründen kann.

Vor allem in den oberen Klassen der Primarstufe und in der Sekundarstufe setzen sich die Zeugnisnoten in den kognitiven Fächern (insbesondere Mathematik, Deutsch und Fremdsprachen) regelmässig aus Notendurchschnitten von mehreren summativen Lernkontrollen zusammen. Wenn diese Lernkontrollen die Gesamtleistung im jeweiligen Fachbereich abbilden (breites Leistungsspektrum, angemessene Gewichtung), ist diese Methode nicht zu beanstanden.

Anfechtung von Zeugnissen

Im Kanton Zürich können weder einzelne Prüfungsnoten noch die Noten und Verhaltensbeurteilungen im Zeugnis mit einem ordentlichen Rechtsmittel, das heisst mit Rekurs an den Bezirksrat beziehungsweise Beschwerde ans Verwaltungsgericht, angefochten werden. (Ausnahmen bestehen lediglich bei der Aufnahmeprüfung in die Gymnasien und Maturitätsschulen, wo bei einem Rekurs bei der Bildungsdirektion über die Erfahrungsnoten beziehungsweise Vorleistungen ein Entscheid der Schulpflege verlangt werden kann.)

Hat eine Lehrperson bei der Beurteilung eine Pflichtverletzung begangen, etwa indem sie sich von sachfremden Kriterien hat leiten lassen, können die Eltern (und die urteilsfähigen SuS) lediglich aufsichtsrechtlich vorgehen und eine sogenannte Aufsichtsbeschwerde (auch Aufsichtsanzeige oder Zeugnisbeschwerde genannt) erheben. Das heisst, sie können sich – formlos – zunächst gemeindeintern an die Schulleitung und anschliessend an die Schulpflege wenden. Gegen den Entscheid der Schulpflege können sie Aufsichtsbeschwerde beim kantonalen Volksschulamt erheben (vgl. § 73 VSG).

Zu beachten ist aber, dass es sich bei der Aufsichtsbeschwerde nicht um ein Rechtsmittel handelt, sondern bloss um einen sogenannten Rechtsbehelf, mit dem die Aufsichtsbehörde auf Missstände hingewiesen werden kann. Die angerufene Behörde ist an sich nicht verpflichtet, eine Aufsichtsbeschwerde zu behandeln und der oder die Anzeigende hat auch keine Parteirechte. Wenn aber eine Aufsichtsbeschwerde einigermassen plausibel erscheint, sollten im Schulbereich die Behörden diese dennoch behandeln und die erforderlichen Abklärungen, insbesondere eine Rückfrage bei der Lehrperson, vornehmen.

Beantwortung der Fragen

Gestützt auf die obigen Ausführungen können die zwei eingangs erwähnten Fragen wie folgt beantwortet werden:

Frage 1: Können die Eltern sich an die Schulleitung wenden und die Abänderung des Zeugniseintrags verlangen?

Ja, die Eltern können sich an die Schulleitung – und anschliessend an die Schulpflege – wenden. Zu beachten ist jedoch, dass die Lehrperson bei der Beurteilung Methodenfreiheit geniesst und ihr ein erheblicher Beurteilungsspielraum zusteht. Hat sie keine Pflichtverletzung begangen, haben Schulleitung und Schulpflege kein Weisungsrecht. Sie können eine Beurteilung nur dann aufsichtsrechtlich abändern, wenn sie sich als willkürlich erweist, anerkannte Rechtsgrundsätze klar verletzt oder sich offensichtlich auf sachfremde Erwägungen stützt.

Frage 2: Können die Eltern die Zeugnisnote mit einem ordentlichen Rechtsmittel bei einer Behörde oder einem Gericht anfechten?

Nein, im Kanton Zürich können die Eltern lediglich mittels Aufsichtsbeschwerde zunächst gemeindeintern bei der Schulleitung und der Schulpflege und anschliessend beim kantonalen Volksschulamt gegen eine ungerechtfertigte Zeugnisbeurteilung vorgehen (zur Ausnahme bei der Aufnahmeprüfung in die Gymnasien und Maturitätsschulen siehe oben).

INFOBOX

Weitere Informationen zum Thema Leistungskontrollen und Beurteilung in der Volksschule finden Sie hier: RETO ALLENSPACH, in: Susanne Raess/Thomas Bucher/Matthias Schweizer (Hrsg.), Schul-recht des Kantons Zürich, Zürich 2025, N 3.274 ff.).

Zum Autor

Reto Allenspach ist Dozent für Schulrecht an der PH Zürich. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Staats- und Verwaltungsrecht, Schulrecht, Personalrecht, Vertragsrecht und Familienrecht.

Redaktion: Melina Maerten
Beitragsbild: adobe stock

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