Schulraum "Der dritte Pädagoge"

«Der dritte Pädagoge» steht häufig auf wackligen Beinen!

Ein Um- oder Neubau bietet die seltene Chance an den wichtigen Schulraum zu denken und ihn mit zu gestalten, der auch für den «schulischen Impact» wichtig ist. Die Schülerzahlen steigen und fordern mehr Raum. Die Ansprüche an Bauten werden durch neue und andere Schulformen verändert: Ein Schulraum wird zunehmend vielfältiger, variabler und Schülerinnen und Schüler bezogener, doch geplant und erstellt wird er häufig von pädagogisch nicht geschulten Personen oder gar unter «Ausschluss» der Pädagogik. David Bächi, Schulleiter der Sekundarschule Hohfurri in Winterthur, zeigt, was hinter «dem dritten Pädagogen» in Zusammenhang mit dem Projekt zum CAS «Digital Leadership» steckt.

Ausgangslage

Pädagogische Grundhaltungen, Konzepte, Ideen und Vorstellungen wie guter/ihr Unterricht oder wie ihre Schule sein soll, wird häufig durch Vorgaben, Richtlinien und Standards «erdrückt».

Es wird auch davon ausgegangen, dass Architektinnen und Architekten ihre Vorstellung von «guter Schule» umsetzen, vergessen aber, dass deren Schulzeit mindestens zwei Dekaden zurückliegt.

Unter dem Aspekt «Der Raum als dritter Pädagoge» (Loris Malaguzzi, ital. Erziehungswissenschaftler:» Der Mitschüler ist der erste, die Lehrperson der zweite und der Raum der dritte Pädagoge.») solldie Chance genutzt werden, sich zu einem frühen Zeitpunkt der Raum- und Bauplanung mit den Themen der Pädagogik auseinanderzusetzen.

Projektarbeit «PEGS»

Im Rahmen der Projektarbeit zum CAS «Digital Leadership in Education» an der PHZH habe ich mich dieser Problematik gestellt. Mit Interviews und einer Umfrage für «schulnahe Personen» habe ich zu ergründen versucht, ob und wie pädagogische Aspekte in schulische Bauprojekte einfliessen.

Meine Arbeit ist sehr Winterthur-spezifisch. In ländlichen Regionen, wo keine Fachstelle für jedes schulische Thema existiert, werden die Wege in der Regel als kürzer empfunden. Dort sind die Schulleitenden häufig gut in Schulraumprojekte integriert.

Dennoch zeigt das Fazit meiner Arbeit «Gelingensfaktoren» zu einem besseren Einbezug pädagogischer Aspekte in Schulraumprojekten auf.

Schulraum
Quelle: David Bächi

Fragestellung

  • Wie kann es gelingen, pädagogische Aspekte in die Planung und die Umsetzung von Schulraumprojekten zu implementieren?
  • Wann im Planungsprozess müssen diese pädagogischen Aspekte einfliessen, um die Gestaltung von Schulraum im Sinne der schuleigenen Pädagogik zu beeinflussen?

Fazits aus den Interviews

Die Vorgaben des Kantons bezüglich Schulbauten beschränkt sich in der Regel auf finanziell «folgenlose» Empfehlungen. Es wird versucht, mit Standards zu arbeiten, diese sind aber derart volatil, dass sie pädagogische Überlegungen nur sehr beschränkt abbilden und allfälligen individuellen Ausrichtungen der Schulen nicht gerecht werden können. Zudem sind sie in gewissen Bereichen wie zum Beispiel in der IT so kurzlebig, dass sie nie aktuell sind.

Die Architekten gehen davon aus, dass die Standards, die einen grossen Teil des Raumprogramms ausmachen «pädagogisch» überprüft und aktuell sind. Zudem werden Berufserfahrung und das «Gefühl» für die Schule als bestimmende Faktoren angegeben.

Die eigenen Inputs wurden von der Schulleiterin häufig als unerwünscht empfunden. Der Einbezug der Pädagogik ist also vom Gutdünken der Auftraggebenden und Ausführenden abhängig.

4 Lösungsansätze

1. Haltungswandel: «Vom Störfaktor» zur Partnerin

Der Schule muss es als Partnerin möglich sein, die «schulraum-relevanten» Elemente ihrer pädagogischen Konzepte in die Bauprojekte einzubringen.

2. Einbezug in allen Phasen von Schulraumprojekten      

Als Partnerin muss die Schule frühzeitig, projektbegleitend und regelmässig in Planung, Ausarbeitung sowie Umsetzung miteinbezogen werden.

3. Verortung der Pädagogik

Der Einfluss pädagogischer Aspekte darf weder durch bestehende Standards und Vorgaben noch durch die pädagogischen Vorstellungen vorgesetzten Stellen und Architekten bestimmt werden. Sie obliegt den Verantwortungsträgern pädagogischer Aspekte der Schule, also der Schulkonferenz unter der Verantwortung der Schulleitungen.

4. Beitrag der Schulen

Schulen ihrerseits müssen ein pädagogisches Konzept haben, das auch die Vorstellung und die Vision des Schulraums mitdenkt.

Zum Autor

David Bächi

David Bächi ist ursprünglich Primarlehrer. Er absolvierte ein vierjähriges Studium der Bewegungswissenschaften an der ETH Zürich und ist seit 27 Jahren an der Sekundarschule Hohfurri in Winterthur tätig, davon 15 Jahre als Klassenlehrer von Sek C Klassen und seit 12 Jahren als Schulleiter. Er war von 2002 bis 2010 als Fachvorsteher Informatik für alle IT-Belange aller 11 Sekundar-Schulhäuser der Stadt Winterthur zuständig.

Redaktion: Melina Maerten

Bilder: zVg

4 Gedanken zu „«Der dritte Pädagoge» steht häufig auf wackligen Beinen!“

  1. Ich kann diesen Beitrag nur unterstützen!
    Als Lehrerin mit 30 Jahren Erfahrung stelle ich jeweils zu Beginn des Semesters meine Zimmer um und „kämpfe“ darum, meine Bestuhlung beibehalten zu können! Die „Bus- und Trambestuhlung“ ist für mich seit Jahren unsinnig, die Lernenden „reden sich in den Rücken“, eine Diskussion und Kommunikation findet nur sehr schwer statt! Heute müssen Lerninseln, variabel ausgestaltete Räume, zusätzlich Lern-Räume für den lernendenzentrierten Unterricht geschaffen und die Lehrpersonen viel mehr einbezogen werden! Es kann ja nicht sein, dass ein neues Schulhaus gebaut wird, der Unterricht aber nur nach dem letzten Jahrhundert durchgeführt werden kann, weil gewisse Standards eingehalten werden müssen.

    1. Sehr geehrte Frau Schwarz, ich danke ihnen herzlich für ihren Kommentar, der unterstreicht, dass die Schulraumgestaltung der Schule angepasst wein soll und nicht umgekehrt. Viel Erfolg bei all ihren zukünftigen „Kämpfen“!

  2. Sehr geehrter Herr Bächi
    Besten Dank für Ihren Beitrag, den ich sehr unterstütze. Ich weiss aus Erfahrung, wie wichtig es ist, dass die Schulleitung bei Schulprojekten mit einbezogen wird.
    Ihren letzten Punkt möchte ich noch ergänzen und zwar:
    Beitrag der Schulen:
    Schulen ihrerseits müssen ein zusammen mit den Lehrpersonen erarbeitetes pädagogisches Konzept haben, das auch die Vorstellung und die Vision des Schulraums mitdenkt.
    Es ist wichtig, dass sich die Lehrpersonen in den Gremien einbringen können, denn sie sind es, die vor allem mit den neuen Räumen arbeiten und sie sollen die Visionen mitentwickeln können. Es ist auch wichtig, dass das pädagogische Konzept erarbeitet wird, bevor mit dem Bau begonnen wird, nicht erst im Nachhinein. Auch dies meine Erfahrung aus zwei Bau-/Umbauprojekten.
    Freundliche Grüsse
    C. Christen

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