Smartphones in der Schule – Zwischen Verbot und sinnvoller Integration

Die Smartphones von Schüler:innen sorgen im Schulfeld immer wieder für Unruhe. Wäre ein komplettes Verbot sinnvoll? Immer mehr Schulen entwickeln Konzepte zum Umgang mit Smartphones oder denken über ein vollständiges Verbot nach. Dieser Trend betrifft nicht nur die Schweiz, auch Länder wie Schweden überdenken bereits seit längerem ihre Digitalisierungsstrategie. Dozierende des Zentrums Medienbildung und Informatik der PH Zürich beleuchten Überlegungen aus Praxis und Wissenschaft zum Umgang mit digitalen Geräten im Schulalltag und plädieren für einen verantwortungsvollen, geklärten Einsatz digitaler Medien, der das Lernen bereichert, ohne auf starre Verbote zu setzen.

Der Umgang mit dem Smartphone variiert je nach Schulgemeinde. Mancherorts müssen die Schüler:innen das Smartphone beim Schulstart am Morgen abgeben. Andernorts sind Smartphones auf dem Schulareal verboten. Es gibt aber auch Stimmen, die von einem generellen Smartphone-Verbot abraten. Stattdessen sollten Schüler:innen gezielt Medienkompetenzen erwerben, um mit dem Smartphone verantwortungsvoll umgehen zu können. Schulen stehen daher vor der Aufgabe, eine Balance zwischen Kontrolle der Smartphone-Nutzung und der Förderung digitaler Kompetenzen zu finden. So empfiehlt etwa der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz eine stufengerechte und partizipative Regelung, um Schüler:innen für den verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Geräten zu sensibilisieren und positive Lerneffekte zu fördern (LCH, 2024).

«Regeln statt Verbote», mit diesem Credo plädiert Michael In Albon, Medienschutzbeauftragter der Swisscom, für eine Regelung des schulischen Umgangs mit digitalen Geräten. Ein generelles Smartphone-Verbot greift also zu kurz – stattdessen brauchen Schüler:innen Medienkompetenz, um beispielsweise sicher mit Fake News und Cybermobbing umzugehen.

Wie kann Lernen trotz, mit und über Smartphones und digitale Medien gestaltet werden?

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Schulhauszuteilung per Losentscheid

Auf Beginn jeden Schuljahres werden Schüler:innen einem bestimmten Schulhaus zugeteilt. Dies ist insbesondere bei der Kindergartenzuweisung eine für die Schulverwaltung, die Schulleitung und die Schulpflege nicht zu unterschätzende Aufgabe, weil  Erziehungsberechtigte zuweilen nicht einverstanden sind und dies zu heftigen Reaktionen führen kann. Thomas Bucher führt die Rechten und Pflichten für Schulen und Eltern auf und erklärt einen Fall, der durch das Los entschieden wurde.

Schulpflegen kommt nach § 42 Abs. 3 Ziff. 6 des Volksschulgesetzes vom 7. Februar 2005 (VSG, LS 412.100) die Aufgabe zu, Schüler:innenr an die Schulen zuzuteilen. § 25 Abs. 1 der Volksschulverordnung vom 28. Juni 2006 (VSV, LS 412.101) nennt die bei der Zuteilung zu den Schulen und Klassen anzuwendenden Kriterien. Neben der Länge und Gefährlichkeit des Schulwegs ist auf eine ausgewogene Zusammensetzung der Schulklassen zu achten, wobei insbesondere die Leistungsfähigkeit, die soziale und sprachliche Herkunft und die Verteilung der Geschlechter zu berücksichtigen sind. Der Verordnungsgeber gibt durch § 25 Abs. 1 VSV zentrale Kriterien vor, die es im individuell-konkreten Zuteilungsfall zu beachten gilt. Die Aufzählung der Kriterien ist auch deshalb nicht abschliessend, weil im Rahmen der Ausübung des sogenannten pflichtgemässen Ermessens das Rechtsgleichheits- und Willkürverbot sowie das Verhältnismässigkeitsprinzip und die Pflicht zur Wahrung der öffentlichen Interessen zu befolgen sind (Häfelin, U./Müller, G./Uhlmann, F.: Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. A, Zürich 2020, Rz. 409).

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Auf die Haltung kommt es an!

Niels Anderegg war Ende September auf Schulbesuch bei Persönlichkeitsgeograph Stefan Schmid und Schulleiter Erwin Müller. Daraufhin hat er sie bezüglich der Haltung «Gelbe Schule» interviewt. Es geht dabei darum, Menschen als Persönlichkeit zu achten und bei ihrer Entwicklung zu begleiten und wie auch Führungs- und Lehrpersonen eine solche Haltung einnehmen können.

Stefan Schmid, immer wieder hört man von Schulleitenden aber auch Lehrpersonen, dass es auf die richtige Haltung ankommt. Wie reagiert ihr auf solche Aussagen?

Der Begriff die «richtige» Haltung ist etwas diskussionswürdig und stellt die Frage nach der «richtigen» Haltung für welche Person? Für die Schüler:innen um in Verbindung mit der Lehrperson gehen zu können? Für Lehrpersonen, um mit zunehmenden Unterrichtsstörungen richtig umgehen zu können? Für Schulleiter:innen, um Schulentwicklung und Innovationen nachhaltig voranzubringen? Für administrative Ebenen, um neue Konzepte und Curricula umsetzen zu können?

Die «richtige» Haltung ist stets mit dem jeweiligen Menschen und seinen eigenen Ressourcen abgestimmt und basiert darauf. So kann es wohl keine pauschale Aussage über die «richtige» Haltung geben, sondern nur über die eigene, die persönliche Haltung. Sie führt dazu, dass das eigene Handeln und Entscheiden sicherheitsgebend für sich selbst und für andere sein kann. Damit ist authentisches Sein gemeint und dass «Führungspersonen, die ihr Umfeld mit dieser Haltung beschenken, nicht perfekt sein müssen!» Wie auch? Bei einer authentischen Haltung gibt man den anvertrauten Personen das gute Gefühl, dass jemand für sie da ist und Sicherheit gibt. Im Kontext Schule ist diese Haltung «Gelbe Schule».

Wenn sich allerdings der Einzelne stets überlegen muss, «ist das jetzt die richtige Haltung, in der ich grade bin, oder brauche ich eine andere?», dann führt das dazu, dass die Menschen wieder im Denken stecken bleiben und nicht ins Sein gehen. Und das würde die Haltung als eine Methode sehen, eine Vorschrift. Genau das ist «Gelbe Schule» nicht.

Was wird mit dem Begriff der Haltung konkret gemeint?

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Exzellenzinitiativen – Warum sie auch in der Volksschule förderlich sein können

Exzellenzförderung zu verlangen ist in der Schweiz ungewohnt und untypisch. Wer jedoch in der Wirtschaft und Forschung Talente braucht, sollte keinem begabten Kind die Lust an der hohen Leistung und dem eigenen Weg verwehren. Davon ist Regula Haag Wessling, Geschäftsführerin der «Stiftung für hochbegabte Kinder», überzeugt. Worin sie die Vorteile der Begabungsförderung sieht.

Im Zusammenhang mit der Volksschule sprechen wir nicht gerne von besonders hohen Talenten, Begabungen, Leistungen und schon gar nicht von Exzellenz. Der Fokus der Inklusionsdebatte liegt ganz bei den schwachen Schüler:innen mit besonderem Förderbedarf, die Kinder am oberen Ende der Leistungs- und Intelligenzkurve gehen noch zu oft vergessen. Dies, obwohl sich seit dem Jahr 2000 alle Deutschschweizer Kantone verpflichtet haben, jedem Kind das Recht auf eine angemessene Förderung in der Volksschule zu gewähren – auch Kindern mit hohen Begabungen!

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Was ist Teacher Leadership?

Sowohl in den Vereinigten Staaten als auch auf internationaler Ebene wird der Begriff Teacher Leadership verwendet, um eine Vielzahl unterschiedlicher Rollen und Aufgaben von Lehrer:innen zu bezeichnen. Im folgenden Beitrag sollen diese anhand von sechs Eigenschaften von Teacher Leader herausgearbeitet werden. Übersetzt aus dem Englischen von Niels Anderegg.

Teacher Leadership ist ein Prozess und Teacher Leader sind Fachleute, welche diesen Prozess vorantreiben. Dies mit dem Ziel, den Wandel in ihren Schulen zum Wohle aller Schüler:innen zu gestalten. Teacher Leader treten aus ihrem Klassenzimmer heraus und nehmen die Herausforderungen an, um die Praxis durch die Zusammenarbeit mit Kolleg:innen, dem Fachpersonal und der Schulleitung als auch mit den Schüler:innen und ihren Familien zu verbessern.

Eine der Verwirrungen bei der Definition von Teacher Leadership und der Identifizierung von Teacher Leader besteht darin, dass Führung nicht an einer Position oder einem Titel festgemacht wird. In den meisten Schulen gibt es Lehrer:innen, welche die Leitung von Teams oder Abteilungen innehaben. Die Bezeichnung Teamleiter:in meint jedoch nicht dasselbe wie die Bezeichnung Teacher Leader.

Sie zeichnet sich durch bestimmte Eigenschaften aus. Zwar besitzen alle Lehrer:innen mehrere dieser Eigenschaften, aber nur Teacher Leader setzen sie konsequent und gleichzeitig in Form von Teacher Leadership ein.

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Lernräume: vernetzt – offen – agil

An der diesjährigen Tagung Unterrichten mit neuen Medien (UNM) unter dem Titel «Lernräume: vernetzt – offen – agil» stehen Fragen rund um die Gestaltung von Schule als Lern- und Begegnungsraum im Zentrum. Die Tagungsleitenden Eliane Burri und Tobias Schifferle beleuchten in diesem Blogbeitrag, inwiefern Offenheit, Vernetzung und Agilität Merkmale zukunftsgerichteter Lern- und Arbeitswelten sind.

Wir leben in einer digital geprägten Welt, die sich ständig verändert. Dies hat auch Einfluss darauf, wie und wo wir Lernen. Innerhalb und ausserhalb der Schule verschwimmen die Grenzen zwischen Lernräumen und -orten zunehmend. Traditionelle Lehrangebote verschmelzen mit informellen Lerngelegenheiten. Schüler:innen informieren sich in sozialen Netzwerken und tauschen sich über digitale Plattformen aus. Dies führt nicht nur zur Erweiterung der Lernräume, sondern auch zu einer zeitlichen Flexibilisierung, die neue Lern- und Arbeitsstrukturen ermöglicht.

Ein ganzheitliches, zukunftsorientiertes (Schulraum-) Konzept berücksichtigt sowohl die räumliche Gestaltung, analoge und digitale Infrastrukturen als auch didaktisch methodische Überlegungen gleichermassen. Um anschlussfähig zu bleiben, müssen also bestehende Modelle hinterfragt und über traditionelle Begrenzungen hinaus neu gedacht werden.

Blick über das Schulzimmer hinaus

Lernräume sind heute mehr als physische Räume. Sie sind als soziale Umgebungen zu verstehen, die Schüler:innen dazu ermutigen, ihre Interessen zu erkunden, Fragen zu stellen und gemeinsam sowie auch eigenverantwortlich zu lernen. Lernen findet an realen und relevanten Problemstellungen statt, die sich weder auf das Schulzimmer noch das Schulhaus begrenzen: Es geschieht auf dem Schulweg, am Mittagstisch oder in der Bäckerei um die Ecke und kann mittels digitaler Technologien auch in virtuelle Lernwelten erweitert werden.

Durch den Einbezug ausserschulischer Lernorte ergeben sich neue, vielfältige Zugänge. Perspektivenübergreifende Themen verschieben neben Fächergrenzen auch Zeitstrukturen. Beim projektorientierten Lernen wird oft ausserhalb von starren Stundenplänen in grösseren Zeit- und Themengefässen gearbeitet. Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung sind dabei auch Steuerungs- und Selbstmanagementkompetenzen gefordert.
Offene Lernräume repräsentieren somit ein Verständnis von Lernen, welches anstatt starrer Strukturen viel Freiraum für Flexibilität und Kreativität schafft und zur gemeinschaftlichen Lösungsentwicklung anregt.

Gemeinsam lernen

Wir leben in einer vernetzten Welt. Schüler:innen bewegen sich zunehmend fliessend in analogen und digitalen Welten. Sie haben mittels Laptops, Tablets oder Smartphones jederzeit Zugang zu Wissen. Sie teilen Erfahrungen in Chatgruppen und kommunizieren über geografische Grenzen hinweg. Kollaborative Lernumgebungen unterstützen nicht nur den Wissensaustausch, sie bieten auch Diskussionsforen und Zugriff auf gemeinsame Ressourcen und regen zur Ko-Konstruktion an.

Digital vernetztes Lernen hat das Potenzial, traditionelle Lernmodelle zu erweitern und Erfahrungen anzureichern. Dabei ist die fachkundige Begleitung durch die Lehrperson bedeutsam. Sie unterstützt die Schüler:innen dabei, einen ausgewogenen und kompetenten Umgang mit digitalen Technologien zu finden, um deren Vorteile für das Lernen zu nutzen. Kompetenzen im Bereich Anwendung, Medien- und Informatik sowie die 4K (kritisches Denken, Kreativität, Kollaboration, Kommunikation) sind dafür zentral.

Soziale und emotionale Werte spielen beim Lernen ebenfalls eine wichtige Rolle. Schule soll ein Begegnungsort sein, der positive Gefühle auslöst, an dem sich Menschen mit ihren Fähigkeiten einbringen können und selbstwirksam erleben. Über das Vermitteln von Wissen hinaus geht es um persönliche und soziale Erfahrungen. Eine anregende, förderorientierte Lernumgebung lädt zum Erproben und Tüfteln ein und versteht Fehler als Bestandteil des Lernprozesses.

Veränderung gestalten und begleiten

Die Welt, in der wir leben, befindet sich im Umbruch. Schule als Teil der Gesellschaft ist herausgefordert, sich zu verändern. Agile Arbeitsmethoden und Infrastrukturen unterstützen nicht nur Schüler:innen, sondern auch Schulleitungen und ihre Teams dabei, ihren Arbeitskontext zu reflektieren und Schulentwicklungsprozesse zu gestalten. Lehrpersonen und Schulleitungen lernen voneinander, teilen Bewährtes und arbeiten an innovativen Ansätzen. Eine unterstützende, vertrauensfördernde Zusammenarbeitskultur und digitale Infrastrukturen schaffen die Voraussetzung für eine agile Arbeitsweise.

Agiles Lernen und Arbeiten erfordert auch konstante Rückmeldung. Lehrpersonen begleiten das Lernen ihrer Schüler:innen, indem sie regelmässige Feedbackschlaufen einbauen, um Lernprozesse besser zu verstehen und adäquat zu gestalten. Moderne Technologien bieten dabei vielfältige Möglichkeiten, Lernfortschritte zu dokumentieren. Mittels Audio- und Videofeedbacks können Lehrpersonen beispielsweise Rückmeldungen anreichern und so die Nachvollziehbarkeit erhöhen.

Innovative Lernumgebungen verlangen nach situativ anpassbaren Räumen. Flexibel einsetzbares Mobiliar bereichert die Lehr- und Lernerfahrungen sowohl von Schüler:innen als auch von Lehrpersonen. Anstatt starrer Pultreihen können bewegliche Möbelstücke je nach Unterrichtsbedarf umgestellt werden, sei es für Einzelarbeit, Gruppenprojekte oder Präsentationen. Zugang zu adäquaten technologischen Hilfsmitteln und ein zuverlässiges Internet tragen ausserdem zu einer anregenden Lernumgebung bei.  

Schule ist mehr als ein Ort

Es ist ein Ort, wo Menschen zusammenkommen und sich gemeinschaftlich mit bedeutsamen Themen auseinandersetzen. Die Schule soll auch positive Emotionen auslösen und dadurch gerne besucht werden. Dies muss sich nicht länger auf das Klassenzimmer und das Schulareal beschränken. Ausserschulische, analoge und digitale Umgebungen eröffnen erweiterte Räume, um miteinander zu lernen, miteinander zu kommunizieren und zu reflektieren.

Offene, vernetzte und agil gestaltete Lern- und Arbeitsumgebungen tragen dazu bei, dass Schüler:innen die Kompetenzen erwerben, die sie brauchen, um an einer digitalen Welt teilzuhaben und sie mitzugestalten.

Obwohl in der digital geprägten Welt bisher als schultypische erachtete Reglementierungen wie Curricula, Stundenpläne und Räumlichkeiten vermehrt aufgebrochen werden, ist dennoch anzunehmen, dass die Schule weiterhin ein zentraler Ort des Lernens und der Gemeinschaft bleiben wird.

INFOBOX

Melden Sie sich jetzt zur UNM-Tagung an, die am 28. Oktober 2023 stattfindet.

Oder interessieren Sie sich für einen Weiterbildungskurs? Dann finden sie im Schulhaus der Zukunft oder «Lernen sichtbar machen» in unserer Kultur der Digitalität: Tools konkret sicher die passenden Inhalte.

Im MIA Aufbaumodul geht es um das Leben in medialen und virtuellen Räumen.

Zu den Autor:innen

Eliane Burri

Eliane Burri leitet das Zentrum Medienbildung und Informatik an der Pädagogischen Hochschule Zürich. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Digital Leadership in Education und die Begleitung von Schulen im digitalen Wandel. Als ehemalige Schulleiterin verantwortete sie die digitale Schulentwicklung an einer Berufsfachschule. Ab Herbst leitet sie mit Tobias Röhl den neuen CAS Schule entwickeln – Profil Digitalität.  

Tobias Schifferle

Tobias M. Schifferle ist Erziehungswissenschaftler und Primarlehrer mit Hang zur Informatik. Als Dozent am ZMI arbeitet er in verschiedenen Funktionen an Angeboten und Kooperationen der Aus- und Weiterbildung. Als Didaktischer Leiter unterstützt er das MINT-Förderungsprojekt mint & pepper der ETH. 

Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: adobe stock von Halfpoint

Literaturverzeichnis

Ebner-Zarl, A. 2021. Die Entgrenzung von Kindheit in der Mediengesellschaft. Springer VS, Wiesbaden.

Hauck-Thum, U. 2021. «Grundschule und die Kultur der Digitalität.» In: Was ist Digitalität?. Hrsg. v. Hauck-Thum, U., Noller, J.,73 – 82. Berlin, Heidelberg: Metzler

swissuniversities. 2021. «Grundsätze und Leitvorstellungen für die Mitgestaltung von Schule und Lernen in einer Kultur der Digitalität.»

Gewaltprävention in der Schule

Gewaltdelikte von Jugendlichen nehmen laut einer Studie wieder zu. Gewaltphänomene sind ein äusserst komplexes Gefüge von Ursachen, Bedingungen, Faktoren und auch ein Symptom für fehlende soziale Kompetenz. Die Schule als Sozialisations- und Bildungsinstanz hat hier eine zentrale Rolle. Schulische Gewaltprävention ist aber nur ein Teil davon. Es braucht Massnahmen im familiären und sozialen Umfeld, in der Freizeit und auf gesellschaftlicher Ebene. Otto Bandli teilt mit uns seine Gedanken.

Das sollten Schulleitungen beachten

Schulische Gewaltprävention sollte zwei Zielgruppen/Handlungsebenen abdecken:

1. Massnahmen, gerichtet an die Gesamtheit der Schüler:innen, ungeachtet, ob Kinder ein Risiko aufweisen, später gewalttätiges Verhalten zeigen oder nicht. Für die Schüler:innen, die eine negative Entwicklung einschlagen und sich später gewalttätig verhalten würden, sind dann gewaltpräventive Massnahmen.  Solche universellen Präventionsmassnahmen betreffen die Förderung allgemeiner Lebenskompetenzen, die der allgemeinen Verbesserung der soziokulturellen und psychosozialen Situationen dienen.

2. Massnahmen gerichtet an Schüler:innen mit Risikobedingungen oder ersten Symptomen wie Verhaltensauffälligkeiten oder starker Bezug zu gewaltanwendenden Peergruppen. Es geht also um Massnahmen für gefährdete Schüler:innen, die noch kein Gewaltverhalten gezeigt haben, aber ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung von Gewalttätigkeit aufweisen.

Gewaltprävention zielt immer auf die direkte oder indirekte Beeinflussung von Personen und Situationen. Sie sollten kontext- und personenorientierte Massnahmen umfassen. Kontextorientierte Massnahmen zielen auf die Verbesserung des sozialen Umfeldes, also beispielsweise in der Familie oder in der Schule. Personenzentrierte Massnahmen beziehen sich auf das Individuum selbst, richten sich auf Verhalten, Wissen, Einstellungen, Überzeugungen und Bewertungen.

Das sollten Schulleitungen konkret umsetzen

Auf Schulebene ist das Initiieren einer Reflexion und Auseinandersetzung der persönlichen Einstellungen zur Gewalt aller an der Schule beteiligten Personen eine zentrale Aufgabe der Schulleitung. Ziel ist eine gemeinsame Sprache (Begrifflichkeiten von Aggression, Mobbing und Gewalt) zu finden und dann einen Verhaltenskodex für eine gewaltfreie Schulkultur zu entwerfen (Zum Beispiel: Wir leben hier eine 0,0-Toleranz gegen Gewalt, wir schauen hin, wir anerkennen Vielfalt als Chance und Bereicherung, wir benennen Diskriminierungen und lehnen sie ab, wir stärken Selbst-, Sozial- und Systemkompetenz aller Mitarbeiter:innen).

Ebenfalls zur Schulebene gehören das Beachten der Schulraumgestaltung und das Einfordern einer präsenten und achtsamen Pausenaufsicht bei verbindlichen Pausenregelungen. Und auch die Kooperation mit Eltern und mit ausserschulischen Partnern (Polizei oder Fachstellen) zur Prävention. Ein oft unterschätztes Element der Prävention sind die Gestaltung von Übergängen: Kindergarten / Unter- /- Mittel- Oberstufe / weiterführenden Schulen.

Auf Klassenebene ist die wichtigste Forderung seitens der Schulleitung an alle an der Schule beteiligten Personen, dass sie vom ersten Tag an die Verantwortung für den sozialen Umgang im Klassenzimmer, in den Räumen der Betreuung und in der ganzen Schule übernehmen. Sehr hilfreich sind die Setzungen von nicht verhandelbaren Standards (Zum Beispiel: Jeder/jede arbeitet mit jedem/jeder wertschätzend, Akzeptanz von Andersartigkeit, Kultur der Wiedergutmachung oder Zivilcourage leben). Optimal ist die Umsetzung eines gemeinsamen Gewaltpräventionskonzepts (Zum Beispiel: Denk-Wege, Faustlos, Be-Prox, Mobbing ist kein Kinderspiel).

Bei allen Konzepten geht es um ein positives Schul- und Klassenklima, klare Verhaltensnormen, eine wertschätzende Lernkultur, die Entwicklung sozialer Kompetenzen und um eine Sensibilisierung und Aufklärung im Thema Gewalt. Ganz wichtig: Alle Lehrpersonen werden von der Schulleitung verpflichtet, den Klassenrat regelmässig durchzuführen und dabei immer über die gemeinsame Zusammenarbeit sowie den Unterricht zu sprechen. (WIE haben wir letzte Woche zusammengearbeitet? (Stimmung/Atmosphäre / Mitgestaltungsmöglichkeiten / Wertschätzung, Umgang mit Problemen und Konflikten / Umgang mit Standards und Regeln / Verbindlichkeit / Fairness / Umgangston sind feste Bestandteile dieser gemeinsamen Reflexion).

Auf individueller Ebene ist es Aufgabe der Schulleitung, dafür besorgt zu sein, dass Fachpersonen Schüler:innen in den Bereichen Kommunikations- und Reflexionsfähigkeit, Selbstwertgefühl, Empathie, Selbstkontrolle/Umgang mit Emotionen und Konfliktlösungsfähigkeit fördern und weiterentwickeln. Bei der Intervention von Gewaltvorfällen ist das Initiieren eines gemeinsam entwickelten Interventionsleitfaden die wichtigste Aufgabe der Schulleitung.

Darin wird festgehalten, wie die Fachpersonen bei grenzüberschreitendem Verhalten einheitlich reagieren sollten. Ein Unterteilungsvorschlag: Präventiv positives Verhalten stärken durch Präsenz, Achtsamkeit und Wertschätzung.

A: Ärgerliches, aber altersbedingtes Verhalten, das nicht akzeptabel und störend ist

B: Langfristig nicht akzeptables Verhalten.

C: Nulltoleranz-Grenze auf keinen Fall akzeptieren.

Wichtig ist, dass man sich bewusst ist, dass Schüler:innen die klare Erwartung haben, dass alle an der Schule beteiligten Personen bei gewalthaltigen Situationen sofort einschreiten. Frühe und konsequente Intervention schützt nicht nur Schüler: innen vor Übergriffen, sondern setzt vor allem die Normen in der Klasse und der Gruppe durch und verhindert somit eine weitere Eskalation.

Diffuse Reaktion signalisiert den Täter:innen, dass Aggression erlaubt ist. Es signalisiert dem Opfer, dass es keine Unterstützung erhält und sich selbst schützen muss und auch aggressiv sein darf. Den Zuschauenden signalisiert es schliesslich, dass es keine Folgen hat, wenn Aggression ausgeübt wird.

Gewaltprävention hört nie auf. Immer wieder thematisieren und dranbleiben!

INFOBOX

Führungspersonen, die sich mit dem Thema Früherkennung und Frühintervention bei Gewalt weiterbilden möchten, bietet die PH Zürich das Modul Gewaltprävention an.
Otto Bandli

Otto Bandli ist Dozent und Berater an der PH Zürich im Zentrum Management und Leadership. In der Ausbildung lehrt er zu den Themen Gewalt und Mobbing. Er berät Schulleitungen und Lehrpersonen bei Konflikten, Krisen und Gewalt. In der Schulleitungsausbildung ist er in der Lehrgangsleitung FBO und leitet verschiedene Wahlpflichtmodule im DAS Schulleitung unter anderem auch zu Gewaltprävention.

Redaktion: Melina Maerten

Titelbild: adobe stock/ highwaystarz

Quelle: Studie Universität Zürich und Jacobs Center zur Entwicklung von Gewalterfahrungen Jugendlicher im Kanton Zürich 1999–2021

Warum Zusammenarbeit im Bildungswesen bereichernd ist

Frank Brückel ist seit vielen Jahren in der Schulentwicklung tätig, hat als Dozent an der PH Zürich engen Kontakt zu vielen Schulen und Gemeinden und er beschäftigt sich mit vergangenen, laufenden und zukünftigen Entwicklungen. Der Austausch mit Schulleitungen, Schulpflegen und Mitarbeiter:innen aus der Verwaltung sind ihm wichtig. Im Beitrag geht er dabei besonders auf die aktuellen Freuden und Herausforderungen ein.

Bei den Freuden sind sich alle einig: Das Schönste am Beruf ist die Arbeit mit den Schüler:innen oder der eigene Beitrag dazu, dass Schulen jeden Tag ihre Arbeit machen können. Auch die Antworten auf die Herausforderungen lassen sich gruppieren: neben dem Fachkräftemangel wird nicht selten der Umgang mit einer zunehmenden Heterogenität in der Schülerschaft genannt, daneben der digitale Wandel, die Umstellung auf Tagesschulen oder die Einführung von erweiterten Tagesstrukturen, eine gelingende Zusammenarbeit mit den Eltern sowie die Sorge um die Gesundheit der Teammitglieder verbunden mit einer zunehmenden Belastung in den Kollegien. Wahrscheinlich kommt noch das eine oder andere Thema hinzu.

Ausgehend von diesen Fragen entwickelt sich oft eine spannende Diskussion darüber, wie diesen Herausforderungen am besten begegnet werden kann. Die am häufigsten genannte Lösung erscheint auf den ersten Blick einfach, wird aber bei näherer Betrachtung schnell komplex: Je besser wir zusammenarbeiten, desto besser können wir den Herausforderungen begegnen.

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Geordnetes Schulsystem und Lernspass – darum braucht es beides

Im dritten Beitrag über das erste Jahr als Schulpräsidentin in Uitikon, stellt sich Caroline Čada Fragen zur Rolle der Schule als Lern- und Lebensort.

Vor ein paar Tagen stand ich auf dem Pausenplatz unseres Schulhauses. Lässige Musik ertönte aus dem Radio,  die Schüler:innen tanzten, unterhielten sich und spielten. Es war gleichzeitig Besuchsmorgen, viele Eltern waren anwesend. Erwachsene und Kinder genossen entspannt die Frühlingssonne. In diesem Moment dachte ich an die Rolle der Schule als Lern- und Lebensort.

Die Schüler:innen, die Lehrpersonen und die Schulleitung verbringen meistens mehr Zeit in der Schule als zu Hause. Man kennt sich. In der Schule als Lebensort werden Werte und Haltungen vermittelt, gewisse Verhaltensweisen gefordert und andere abgelehnt, Kinder unterschiedlicher Herkunft zusammengebracht und Toleranz gelehrt. Die Schule bringt Stabilität und Struktur. Im Auftrag unserer Gesellschaft verfolgt sie höhere Ziele: die Vermittlung von Bildung im umfassenden Sinne, die Förderung der Kreativität und des kritischen Geistes, das Schaffen von künftigen mündigen Bürgern, die für sich selbst und ihre Umwelt Verantwortung übernehmen.

Auf dem Pausenplatz stehend, erinnerte ich mich an dieses Gedicht von Khalil Gibran:

«Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken,
Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen,
Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.»

Gemäss Gibran sollten wir die Köpfe unserer Kinder nicht mit starren Vorstellungen füllen, «…denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern…».

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5 Fragen an Matthias Held, Schulleiter der Schule für offenes Lernen

In unserer Rubrik «5 Fragen an…» interviewt Schulleiter Philippe Villiger den Schulleiter Matthias Held über seine Tätigkeit. Der Stafetten-Stab wird an ihn weitergereicht.

Matthias, du hast die Schule für Offenes Lernen in Liestal (SOL) seit 24 Jahren zusammen mit der Mitbegründerin Ruth Oechsli geleitet. Seit zwei Jahren, nach ihrer Pensonierung, führst du die Schule allein. Was verstehst du unter offenem Lernen?

Ich bin der Überzeugung, dass verbindliche Strukturen, also eine sichere Umgebung, grundlegende Bedingungen sind, damit sich Kinder mit Neuem auseinandersetzen können. Offenes Lernen heisst also eine Umgebung kreieren, wo sich ein Kind entwickeln kann und seine Bedürfnisse ernst genommen werden. Die Lehrer:innen begleiten die Kinder mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung aber vor allem mit einer unterstützenden Strukturierung der Lernumgebung und des Lernstoffes.

Offenes Lernen ist ein Begriff aus der Reformpädagogik. In der Freinet-Pädagogik findet man diesen Begriff bei den Lernwerkstätten, wo Kinder den Lernweg selbst wählen können. Ich habe meine Wurzeln bei der Freinet-Pädagogik und meine Kollegin ist Psychotherapeutin nach dem personenzentrierten Ansatz von Carl Rogers. Célestin Freinet und Carl Rogers verbindet das humanistische Menschenbild und die Würdigung der individuellen Entwicklung jedes Menschen.

Die SOL befindet sich in einem alten Fabrikgebäude. Man findet keine konventionellen Klassenzimmer vor, sondern grosszügige Räume und viel Platz für kreative Tätigkeiten. Wie ist eure Schule organisiert?

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