Was benötigt eine Schule für eine gemeinschaftliche, ermutigende Bildungsprozessbegleitung, die nicht nur Kinder und Jugendliche in ihren Potenzialen und Begabungen stärkt? In diesem Beitrag zeigt Sabrina Krasselt, Grundschullehrerin an der Universität Münster, die Voraussetzungen für eine ermutigende Schulkultur aus Sicht der pädagogisch tätigen Personen. Es wird zudem ein Ausblick gegeben, inwiefern Schulleitungen dabei unterstützen können.
Schule sollte der Ort sein, an dem Kinder und Jugendliche ermutigt werden, ihre Potenziale und Begabungen entdecken und ausbilden zu können. Dies setzt Fähigkeiten von Lehrpersonen und pädagogischen Mitarbeitenden auf drei Ebenen voraus:
Persönliche Ebene: Um Begabungen und Potenziale zu erkennen und zu fördern, braucht es die Überzeugung einer pädagogisch tätigen Person, dies auch hinreichend gelingend umsetzen zu können und handlungsfähig zu sein. Dazu gehören unter anderem eine hohe Selbstwirksamkeitsüberzeugung; eine potenzialorientierte Sicht auf Kinder und Jugendliche, die Begabungen in jeder Person erwartet; eine professionsbedingte Überzeugung, die darauf basiert, dass es eine sinnhafte und notwendige Aufgabe ist, bei der Entdeckung und Entfaltung von Begabungen mitzuwirken; die bewusste Verantwortungsübernahme für die Begabungsförderung eines jeden Kindes und Jugendlichen sowie den Mut, Neues auszuprobieren.
Didaktisch-methodische Ebene: Eine Vielfalt an didaktischen und methodischen, zur Begabungsförderung ermutigenden Handlungsmöglichkeiten verstärkt die Handlungsfähigkeit und damit einhergehend die Selbstwirksamkeitserwartung von pädagogisch tätigen Personen. Dies setzt zum einen das Wissen darüber voraus, wie Begabungen in Leistungen umgesetzt werden können und welche Schwierigkeiten bei diesem Prozess auftreten können. Es braucht zum anderen ein Handlungsrepertoire für die Begleitung der Kinder und Jugendlichen bei diesem Prozess, durch einen stärkenorientierten Unterricht (zum Beispiel bereichert durch Enrichment und Compacting) sowie Methoden- und Beratungskompetenz beispielsweise im Umgang mit mehrfach aussergewöhnlichen Lernenden oder mit Underachievement.
Organisatorische Ebene: Es braucht eine ermutigende Schulkultur, in der ebenfalls (vor)gelebt wird, dass die Begabungen und Stärken aller an Schule Beteiligten gesehen und gefördert werden. Dazu gehören neben der Fokussierung auf die Kinder und Jugendlichen die bewusste Einbeziehung und Achtung der Potenziale und Kompetenzen der pädagogischen Mitarbeitenden. Sie müssen bestärkt werden, sich weit über den eigenen Unterricht hinaus in die Schulgemeinschaft einbringen zu dürfen und Schulentwicklung vorantreiben zu können, z.B. durch Teacher Leadership.
Wie Schulleitungen unterstützen können
Schulleitungen können sich für eine ermutigende, wertschätzende und stärkenorientierte Schulkultur engagieren und damit die Grundvoraussetzung schaffen, für eine Ermöglichungskultur in der alle Potenziale und Kompetenzen von Personen sichtbar und nutzbar werden können. Gezielte Unterstützung können Schulleitungen wiederum auf den drei genannten Ebenen geben durch:
Persönliche Ebene: eine stärkenorientierte Mitarbeitendenführung, die in regelmässigen Mitarbeitendengesprächen persönliche Entwicklungspotenziale thematisiert und gegebenenfalls durch (externe) Coachingangebote die Selbstentwicklung der Mitarbeitenden unterstützt.
Didaktisch-methodische Ebene: das Bereitstellen von Ressourcen für Fortbildungsangebote, das gezielte Nutzen von Expert:innenwissen an der Schule oder in Netzwerken sowie das Fördern von kollegialem Austausch zum Beispiel durch Mentoring oder Lesson Study.
Organisatorische Ebene: das Zurverfügungstellen organisatorischer Rahmenbedingungen für den Aufbau von Partizipationsstrukturen aller an Schule Beteiligten, bewusstes und konstruktives Gestalten von gemeinschaftlicher Schulführung in sozialen Aushandlungsprozessen vor allem auch im Umgang mit Führungsthemen (zum Beispiel Legitimieren und Autorisieren von Mitarbeitenden zur Übergabe von Führungsverantwortlichkeiten).
Das Teacher Leadership Konzept, wie es auch in diesem Beitrag beschrieben wird, arrangiert eine weiterführende Rahmung für eine ermutigende Schulführung, die am Gemeinwohl aller an Schule Beteiligten orientiert ist. Beste Voraussetzungen bieten sich, wenn Schulleitungen dies bewusst initiieren und fördern sowie ihre Personalentwicklung in einer Ermöglichungs- und Ermutigungskultur leben. Ein reflektierter Umgang mit Hierarchien und Macht ist dafür ebenso notwendig.
INFOBOX
Für die Auseinandersetzung mit Teacher Leadership bietet das Zentrum «Management und Leadership» unterschiedliche Angebote an. In den Grundlagen Teacher Leadership entwickeln Teacher Leader ihre Führungskompetenzen weiter. Im Modul «Gemeinschaftliche Schulführung» betrachten wir Teacher Leadership als ein wichtiges Führungselement aus der Sicht von Schulleitungen und anderen Führungspersonen. Im Rahmen der Themenreihe Teacher Leadership werden unterschiedliche Themen aufgegriffen und diskutiert. Am kommenden Anlass zum Thema «Steuergruppen 2.0» am 22. Januar 2025 vertiefen wir die Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Gefäss anhand einer Auslegeordnung und verschiedener Praxisbeispiele. Das Buch «Teacher Leadership - Schule gemeinschaftlich führen» gibt zudem Einblicke in verschiedene Konzepte und Umsetzungen an Schulen.
Zur Autorin
Sabrina Krasselt ist Grundschullehrerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut
für Erziehungswissenschaft der Universität Münster sowie Mitglied der Arbeitsgruppe Begabungsforschung / Individuelle Förderung. Im Forschungsprojekt
„Leistung macht Schule“ (LemaS) begleitet sie den Bereich Schulentwicklung.
Redaktion: Jasmin Kolb
Titelbild: Archiv PHZH