Text von Charlotte Axelsson
In China jagen humanoide Roboter einem Halbmarathon hinterher und an der ZHAW spaziert der Unitree G1 durchs Gebäude und sorgt für Aufsehen. Roboter sind längst nicht mehr nur futuristische Ideen, sondern Teil unseres Alltags – als Haushaltshelfer, KI-Influencer oder Bildungs-Bots. Doch was steht als Nächstes auf der Agenda der Robotik? Ich gebe einen kompakten Einblick in die rasante Entwicklung dieser Technologie, beleuchte die Kunst als Experimentierfeld und teile persönliche Erfahrungen aus der Roboterkunst.
Was ist ein Roboter?
Ein Roboter ist technisch eine sensomotorische Maschine: Er nimmt seine Umwelt über Sensoren wahr, verarbeitet Informationen mithilfe eines Rechners und reagiert über mechanische Komponenten. Oliver Bendel, Autor von Soziale Roboter, beschreibt Roboter als selbstständig handelnde Systeme, die menschliche Aufgaben übernehmen und unsere Handlungsfähigkeit erweitern. Er unterscheidet Industrie-, Service-, Weltraum- und Kampfroboter sowie Softwareroboter wie Chat-GPT oder Crawler.
Mit der Weiterentwicklung von KI, insbesondere Large Language Models (LLMs), ist die Verständigung zwischen Mensch und Maschine einfacher, schneller – und vor allem günstiger – geworden. Verbesserte Sensorik und Beweglichkeit machen Roboter zugleich autonomer und agiler. Spürbar ist der Wettlauf zwischen den USA und China: Wer bringt den ersten humanoiden Roboter in marktfähiger Stückzahl? China hat 2025 mit dem G1 von Unitree für rund 14’000 Franken vorgelegt. Das erinnert an die Mondlandung: Wer ist zuerst da?
Kunst als Labor
Um das Thema nicht nur technisch zu betrachten, streife ich durch Kunst- und Kulturwelten – ideale Orte zum Experimentieren, Spielen und kritischen Hinterfragen. Deswegen besuche ich regelmässig Independent-Veranstaltungen und Ausstellungen, in denen – ohne kommerziellen Druck – Überraschendes entsteht. Dort wird das Thema emotional und nahbar; ich kann analog reflektieren und mit Künstler:innen sprechen. Nachfolgend drei Einblicke: die Performance AcRobotics am Robotival, eine Fotoinstallation an der Vernissage Terms of Exposure sowie die Performance Friendly Fire at the Shrink.

Robotival: Wo Robotik auf Kunst prallt
Im Mai war ich auf dem Robotival im Zürcher Dynamo: ein Festival, bei dem Robotik auf Kunst und Forschung auf Alltag trifft – so die Veranstalter. Besonders beeindruckte mich die Performance von Daniel Simu, einem niederländischen Künstler mit Akrobatik-Hintergrund. Im Gespräch betonte Simu, wie wichtig es ihm sei, Roboter als technische Werkzeuge zu sehen – und zugleich als Spiegel unserer Vorstellungen von Körper, Kontrolle und Kreativität. Eine Verlängerung unseres Ichs. Seine Analogie: Ein Stuhl, auf den ich mich setze, verlängert mich – und der Stuhl fühlt nichts.
Mit einer kleineren Version seines Akrobatik-Roboters besucht Simu Schulklassen, erzählt er mir. Im Klassenzimmer klärt er zuerst immer die gleichen Fragen: Warum hat der Roboter keinen Kopf? Warum wirkt er trotzdem menschlich? Kann er traurig sein? Tut es ihm weh, wenn er fällt? Dann greift Simu zu seiner Stuhl-Analogie: Wir geben immer Emotionen in die Maschine – nie die Maschine in uns. Ein Stuhl hat auch keinen Kopf, verlängert uns aber dennoch.
Trotz dieser guten Erklärung: Für mich hatte die Performance AcRobotics einen klaren «Jö-Faktor». Offenbar bin ich nicht gefeit vor Anthropomorphisierung, der Vermenschlichung von Dingen.

Bots als Manipulator
Etwas später im Mai war ich bei Raphaela Pichler auf der Vernissage Terms of Exposure. Dort begegnete ich einer Installation: aussen eine verspiegelte Fotobox, innen ein Bot, der Identitäten verwebt – ungewohnt und wunderbar philosophisch. Pichler meint: Die Maschine liegt zwischen Eingabe und Ausgabe, zwischen Nähe und Verfremdung – und sie zerfasert Identität. Sie spricht mit mir und fragt: Bin das ich – oder der Algorithmus in meinem Gesicht? Am nächsten Tag, als ich die Fotos auf meinem Handy anschaue, frage ich mich tatsächlich: Sehe ich noch mich – oder bereits eine algorithmisch veränderte Version?
Therapie mit dem Chatbot
Etwas später liess ich mich in der Performance Friendly Fire at the Shrink – einer Chatbot-Therapiesoftware von Manuel Hendry – acht Minuten «therapieren». Irritiert, keineswegs mit «Jö-Effekt», verliess ich den Raum. Mit Hendry reflektierte ich danach: Was bleibt? Die Einsicht, dass nicht die Maschine entscheidet, sondern wir. Wer übernimmt Verantwortung – Staat, Big Tech, Gesellschaft? Und wie verhindern wir, dass Technik uns bevormundet, statt uns zu unterstützen?
Wandel statt Wettlauf
Ich fasse zusammen: Robotik ist kein Wettlauf um Marktanteile, sondern löst einen gesellschaftlichen Wandel aus. In künstlerischen Kontexten wird Robotik zum Resonanzraum, in dem wir Technik emotional begreifen, experimentieren, diskutieren und Verantwortung aushandeln. Dabei bleibt Technik Werkzeug und nicht Subjekt: Denn Roboter erweitern unsere Handlungsmöglichkeiten, doch Gefühle und Verantwortung sind und bleiben menschlich. Deshalb braucht es gesellschaftliche Auseinandersetzung – der Wandel wird nicht von Konzernen allein vorangetrieben.
INFOBOX
Beratung oder regelmässige Inputs zum Thema Roboter in der Lehre gibt's im Zentrum Digital Learning.
In diesem Interview spricht Charlotte Axelsson und anderem über Lernroboter.
Im Museum für Gestaltung können Sie sich in der Ausstellung Museum of the Future – 17 digitale Experimente vom 29. August 2025 bis 1. Februar 2026 inspirieren lassen.
Weitere Literaturtipps zum Thema
- Oliver Bendel: 300 Keywords Generative KI
- Kate Crawford: Atlas der KI
- Charlotte Axelsson: Tender Digitality
- Kazuo Ishiguro: Klara und die Sonne
Zur Autorin

Charlotte Axelsson leitet das Zentrum Digital Learning an der PH Zürich.
Zur Ergänzung eine dystopische Perspektive:
«’Die Minderung des Risikos, dass die KI die Menschheit auslöscht, sollte eine globale Priorität sein, wie auch andere globale Risiken wie Pandemien und Atomkrieg.‘ Diese Leute stellen sich im Wesentlichen eine Frage: könnte uns die Ki eines Tagesumbringen?» Daniel Kokotajlo (Der Spiegel Nr. 29 / 11.7.2025, S. 95)
https://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/kuenstliche-intelligenz-ex-openai-mitarbeiter-ueber-die-bedrohung-durch-schlaue-maschinen-a-8ec01cbb-6fd8-426f-badc-73a90ab93791?fbclid=IwY2xjawMRGu1leHRuA2FlbQIxMQABHj2wW7eeves_zBk13sldS3rRIEWIjvx_TqtvBIafZL8519vMme_IkoA4-aka_aem_Go-IgUArzHF1uAzGKy-WWg