Sekundarstufe I, Schule Hausen, 2019

Die Rolle der Schulleitung für ein gesundes und motiviertes Team

Viele Lehrpersonen sind aufgrund der hohen beruflichen Anforderungen zunehmend emotional erschöpft, was negative Auswirkungen auf ihre Gesundheit, die Unterrichtsqualität und die Leistungsfähigkeit der Schüler:innen hat. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Gesundheitsförderung in Schulen zunehmend an Bedeutung. Aktuelle Forschung fokussiert insbesondere das Führungsverhalten der Schulleitungen und die Zusammenarbeit im Team als zentrale Ressourcen für das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit aller schulischen Akteur:innen. In diesem Beitrag wird aufgezeigt, wie Schulleitungen mit transformationaler Führung sowohl die individuellen Ressourcen der Lehrpersonen fördern als auch die Zusammenarbeit im Team stärken können. Durch dieses Führungsverhalten schaffen sie ein gesundheitsförderndes Arbeitsumfeld, das die Bedürfnisse der Mitarbeitenden berücksichtigt und die Gesundheitsförderung als festen Bestandteil der Schulentwicklung verankert.

Einleitung

Die Vielzahl an Aufgaben und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Anspruchsgruppen führt bei zahlreichen Lehrpersonen zu einer starken Belastung (Schoch et al., 2023). Ein hoher administrativer Aufwand, wenig Pausen, Unterrichtsstörungen sowie Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben führen zu erheblichem Stress und unzureichender Erholungszeit, was sich negativ auf das Wohlbefinden und die Gesundheit auswirken kann. Die hohen Anforderungen haben in den letzten Jahren zu einem Anstieg an emotionaler Erschöpfung geführt (Iriarte Redín & Erro-Garcés, 2020; Sandmeier et al., 2017), die als zentrale Komponente des Burnout-Syndroms gilt (Maslach et al., 1997). Die Erschöpfung von Lehrpersonen hat weitreichende Folgen: Sie beeinträchtigt nicht nur die Unterrichtsqualität (Klusmann et al., 2022) und das Klassenklima (Keller-Schneider, 2019), sondern auch die psychosoziale und schulische Entwicklung sowie die Leistungsfähigkeit der Schüler*innen (Granziera et al., 2023; Madigan & Curran, 2021; Madigan & Kim, 2021).

Deshalb gewinnt die Gesundheitsförderung in Schulen zunehmend an Bedeutung (Naidoo & Wills, 2019). Ziel ist es, im gesamten Schulsystem Belastungen zu reduzieren und gleichzeitig personale sowie soziale Ressourcen zu stärken, um herausfordernde Situationen besser bewältigen zu können (Achermann Fawcett et al., 2018). Eine zentrale Rolle spielt dabei die Gesundheitskompetenz (Health Literacy) der schulischen Mitarbeitenden. Diese umfasst das Wissen, die Motivation sowie die Fähigkeiten, relevante Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und anzuwenden, um im Alltag Entscheidungen zu treffen, die die Lebensqualität erhalten oder verbessern (De Gani et al., 2023; Kickbusch et al., 2016; Sørensen et al., 2012). Das Konzept der Gesundheitskompetenz zielt darauf ab, Schulleitungen und Lehrpersonen zu befähigen und zu motivieren, gesundheitsbezogenes Wissen in konkrete Handlungen umzusetzen, um das Wohlbefinden und die Gesundheit aller Beteiligten im schulischen Kontext zu fördern und ihre Leistungsfähigkeit zu unterstützen.

In der aktuellen Forschungsliteratur liegt der Fokus insbesondere auf dem Führungsverhalten der Schulleitungen und der Teamzusammenarbeit, die im Folgenden näher beleuchtet werden.

Führungsverhalten der Schulleitung

Dem Führungsverhalten der Schulleitung kommt eine zentrale Rolle für die Qualität der Schule und für Schulentwicklungsprozesse zu (Keller-Schneider & Keller, 2023). Neben administrativen Aufgaben übernimmt die Schulleitung nicht nur direkte Führungsaufgaben in den Bereichen Schulführung und Schulentwicklung, sondern auch indirekte Aufgaben, wie die Sicherung der Unterrichtsqualität, die Unterstützung von Unterrichtsentwicklungsprozessen (Holtappels, 2010), die Professionalisierung der Lehrpersonen (Wissinger, 2013), die Förderung der Teamqualität und Schulkultur (Keller-Schneider & Albisser, 2015) sowie die Förderung der Motivation und Gesundheit der Lehrpersonen (Maas et al., 2022; Schoch et al., 2023).

Die transformationale Führung hat sich in den letzten Jahren als einer der erfolgreichsten Ansätze herauskristallisiert. Im schulischen Kontext gilt sie als ideales Führungsverhalten und wird als besonders relevant für die schulischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angesehen (Berkovich, 2018; Hallinger, 2003). Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass transformationale Führung eine Reihe positiver Effekte nach sich zieht, etwa auf die Motivation (Eyal & Roth, 2011), das Wohlbefinden (Arnold, 2017) oder das Arbeitsengagement (Chen & Cuervo, 2022).

Transformational führende Personen verändern langfristig die Werte und Motive ihrer Mitarbeitenden, indem sie gemeinsam mit dem Team eine Vision entwickeln, als Vorbilder agieren, zu neuen Ideen und zur Reflexion anregen und die individuelle Entwicklung ihrer Mitarbeitenden fördern (Bass, 1999; Felfe, 2006). In den letzten Jahren hat sich ein Forschungsstrang etabliert, der zwischen der individuellen und der kollektiven Dimension transformationaler Führung unterscheidet (Kark & Shamir, 2013; Schoch et al., 2021; Wang & Howell, 2010). Individuelle transformationale Führung zielt darauf ab, die individuellen Ressourcen der Lehrpersonen zu fördern, indem sie ihre Selbstwirksamkeit stärkt, das Selbstwertgefühl erhöht und sie befähigt, ihr Potenzial auszuschöpfen (Wang & Howell, 2010). Der Fokus liegt dabei auf der Wahrnehmung der individuellen Kompetenzen und Bedürfnisse und der gezielten Unterstützung jeder einzelnen Person (Kark & Shamir, 2013). Kollektive transformationale Führung hingegen strebt an, die Bedeutung gemeinsamer Ziele zu vermitteln, gemeinsame Werte und Überzeugungen zu entwickeln und kollektive Anstrengungen zur Erreichung dieser Ziele zu fördern. Dies wird durch die Schaffung eines unterstützenden Teamklimas erreicht (Keller-Schneider & Albisser, 2013; Leithwood et al., 1998; Wang & Howell, 2010).

Die Schulleitung kann dies umsetzen, indem sie soziale Unterstützung vorlebt, beispielsweise durch das Einplanen von Zeit für die Anliegen der Lehrpersonen oder durch die Unterstützung in herausfordernden Situationen. Die soziale Unterstützung durch die Schulleitung hat sowohl eine direkte (Maas et al., 2021) als auch eine indirekte Wirkung, indem sie die Lehr-personen dazu ermutigt, Anforderungen als Herausforderungen anzunehmen und sich mit diesen auseinanderzusetzen (Keller-Schneider, 2018). Dies hilft, emotionaler Erschöpfung entgegenzuwirken und fördert somit indirekt eine hohe Unterrichtsqualität (Klusmann et al., 2020) sowie eine positive Unterrichtskultur (Keller-Schneider, 2019).

Zusammenarbeit im Team

Die Schulleitung kann die Verantwortung für die Gesundheit der Lehrpersonen nicht allein tragen – auch das Kollegium spielt eine entscheidende Rolle. Ein zentrales Ergebnis transformationaler Führung ist die Schaffung eines positiven Arbeitsklimas (Wang & Howell, 2010). Soziale Unterstützung im Kollegium ist ein wichtiger Bestandteil eines guten Arbeitsklimas in der Schule (Eckert et al., 2013; Rothland, 2013). Verschiedene Studien zeigen, dass Lehrpersonen die Unterstützung ihrer Kolleg:innen als einen der wichtigsten Faktoren betrachten, um mit arbeitsbezogenen Belastungen und Stress umzugehen (Schaarschmidt & Fischer, 2001).

Studien aus dem außerschulischen Kontext zeigen, dass transformationale Führung mit unterstützendem Verhalten unter den Teammitgliedern einhergeht (Kozlowski et al., 2009; Zaccaro et al., 2001). Erste Untersuchungen sowohl aus dem schulischen als auch dem außerschulischen Kontext deuten zudem darauf hin, dass kollektive transformationale Führung besonders mit gruppenbezogenen Ergebnissen verbunden ist: Sie steht in positiver Beziehung zur sozialen Unterstützung im Kollegium (Schoch et al., 2021), zur kollektiven Selbstwirksamkeit des Kollegiums (Windlinger et al., 2019), zum Wissensaustausch innerhalb des Teams (Dong et al., 2017) und zur Gruppenidentifikation (Wang & Howell, 2010). Kollektive transformationale Führung hilft den Teammitgliedern, ihre Werte mit der Vision und den Zielen des Teams in Einklang zu bringen, wodurch die Zusammenarbeit zur Erreichung dieser Ziele gefördert wird (Jung & Sosik, 2002; Keller-Schneider & Albisser, 2015). Dies erfordert auch, dass sich die Teammitglieder gegenseitig unterstützen, um Erfolge zu erzielen (Haslam & von Dick, 2010), und kooperieren, was zur Steigerung der Teamqualität beiträgt (Keller-Schneider & Albisser, 2013).

Implikationen für die Praxis

Führungspersonen mit hoher Gesundheitskompetenz sind in der Lage, ihre eigenen Stresssymptome zu regulieren und gleichzeitig eine gesundheitsfördernde Arbeitsumgebung zu schaffen, die das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden stärkt. Sie erkennen frühzeitig gesundheitliche Risiken wie Stress, Überlastung oder ungesunde Verhaltensweisen und ergreifen rechtzeitig präventive Maßnahmen. Dieser proaktive Ansatz fördert auch die Gesundheitskompetenz der Mitarbeitenden.

Das Führungsverhalten der Schulleitung beeinflusst die Arbeitszufriedenheit, das Commitment und das Wohlbefinden der Lehrpersonen. Um die Bedürfnisse der einzelnen Lehrpersonen besser zu verstehen, sollte die Schulleitung regelmäßig den Kontakt zu den Mitarbeitenden suchen und ein offenes Ohr für deren Anliegen haben. Dies kann durch individuelle Rückmeldungen, das Delegieren von Aufgaben oder der Förderung echter Partizipation durch Mitbestimmung und Mitwirkung erreicht werden. Schulleitungen werden jedoch individuell different wahrgenommen (Keller-Schneider & Albisser, 2012), wodurch sie gefordert sind, sich auf die einzelnen Lehrpersonen einzulassen und unterschiedliche Sichtweisen und Bedürfnisse anzuerkennen.

Die Schulleitung kann außerdem zum Wohlbefinden der Lehrpersonen beitragen, indem sie das Team als Ganzes im Blick behält und Rahmenbedingungen für ein unterstützendes Teamklima schafft. Dies gelingt durch das Vorleben von sozialer Unterstützung, indem sie sich Zeit für die Anliegen der Lehrpersonen nimmt oder ihnen in herausfordernden Situationen den Rücken stärkt. Ziel ist es, eine Kultur zu etablieren, in der sich das Kollegium gegenseitig unterstützt und Herausforderungen gemeinsam, im Einklang mit den eigenen Ressourcen, angeht (Keller-Schneider & Schnebel, 2018).

Die Gestaltung einer gesunden Schule heißt, dass Gesundheitsförderung auf die individuellen und kollektiven Ressourcen der Schulmitglieder ausgerichtet ist und unter Berücksichtigung der Wünsche und Erwartungen aller schulischen Akteur:innen geplant und durchgeführt wird. Gesundheitsförderung muss ein integraler Bestandteil der Schulentwicklung sein. Das bedeutet, dass alle Entscheidungen auch im Hinblick darauf getroffen werden, wie sie sich auf die Gesundheit der Schulleitungen, Lehrpersonen sowie der Schüler*innen auswirken.

INFOBOX

#schuleverantworten ist ein Projekt der PH Niederösterreich und der PH Zürich. Die angebotenen Web-Dialoge und Web-Journale sollen Ideen, Dialoge und Erfahrungen bieten, Impulse geben und zum Diskurs an und um Führungsverantwortung in der Schulwelt anregen.
Die aktuelle Ausgabe widmet sich dem Thema Health Literacy und Schulgesundheit als pädagogische Aufgabe. Zur Vertiefung kann die Aufzeichnung des dazugehörigen Web-Dialogs finden Sie unter folgendem Link abgerufen werden.
Die nächste Ausgabe dreht sich um das Thema Diversität in Gesellschaft und Schule und wird am 28. März 2025 erscheinen.

Zu den Autor:innen

Roger Keller leitet seit 2013 das Zentrum Inklusion und Gesundheit in der Schule an der Pädagogischen Hochschule Zürich und ist Professor für Gesundheitspsychologie. Er ist in der Forschung und Ausbildung tätig und beschäftigt sich mit der Frage, wie das Wohlbefinden, die Gesundheit und die Motivation von Schüler:innen und schulischen Mitarbeitenden optimal unterstützt und gefördert werden können.

Manuela Keller-Schneider ist Professorin für Professionsforschung an der Pädagogischen Hochschule Zürich (seit 2025 pensioniert), mit Aufgaben in der Forschung und der Ausbildung, sowie der Beratung insbesondere für berufseinsteigende Lehrpersonen. Ihre Forschungsgebiete sind Professionalisierung von angehenden, berufseinsteigenden und berufserfahrenen Lehrpersonen sowie Kooperation von Lehrpersonen, Schulqualität und Schulentwicklung.

Redaktion: Jasmin Kolb
Titelbild: PHZH Grafik

Literaturverzeichnis:

Achermann Fawcett, Emilie, Roger Keller, und Piera Gabola. 2018. Bedeutung der Gesundheit von Schulleitenden und Lehrpersonen für die Gesundheit und den Bildungserfolg von Schülerinnen und Schülern. Wissenschaftliche Grundlage für das Argumentarium «Gesundheit stärkt Bildung». Zürich und Lausanne: Pädagogische Hochschule Zürich und Haute école pédagogique Vaud. https://www.radix.ch/media/ox2jfzqj/2018_09_10_allianz_bgf_grundlagen_argumentarium.pdf

De Gani, Saskia, Rebecca Jaks, Urs Bieri, und Jonas Ph. Kocher. 2023. Health Literacy Survey Schweiz 2019-2021. Zürich: Careum. https://careum.ch/en/node/563#schlussbericht

Keller-Schneider, Manuela, und Roger Keller. 2023. «Professionalisierung und Schulentwicklung – Die Bedeutung der Schulleitung für die Stärkung von individuellen und kollektiven Ressourcen.» In Professionalität und Professionalisierung von Lehrpersonen: Perspektiven, theoretische Rahmungen und empirische Zugänge, hrsg. v. Jan-Hendrik Hinzke und Manuela Keller-Schneider, 197-219. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt. https://doi.org/10.35468/6043

Schoch, Simone, Roger Keller, Jasper Maas, Pamela Rackow, Urte Scholz, Julia Schüler, und Mirko Wegner. 2023. «Transformationale Führung und positive Emotionen bei Lehrpersonen – die Rolle der sozialen Unterstützung und der psychologischen Bedürfnisbefriedigung.» Empirische Pädagogik 37 (2): 192-210. https://www.vep-landau.de/produkt/empirische-paedagogik-2023-37-2-kap-5-digital/ 

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