Co-Schulleiterin Christine Finney

Quereinstieg: Vom Bankwesen in die Schulleitung

Christine Finney ist seit bald zwei Jahren als Co-Schulleiterin in Thalwil tätig. Zuvor war sie 16 Jahre lang als Rechtskonsulentin in zwei Banken, in unterschiedlichen und auch leitenden Funktionen. Danach stellte sie sich die Frage, was sie beruflich noch bewirken möchte. Finney schildert ihren Quereinstieg in die Schulleitung.

«Hund und Jugend»-Training mit Primarschulkindern als privates Engagement, Schulungskonzepte erarbeiten und Mitarbeitende sowie Lernende schulen, ein Modul «Aufgepasst Betrüger» für den Zukunftstag erstellen, lösungsorientierte Gespräche mit anspruchsvollen Kund:innen – das waren Tätigkeiten, welche mir sehr Spass machten. Ansonsten fand ich, es sei Zeit für eine Neuorientierung. Ich wurde auf die Möglichkeit zur Schulleitung aufmerksam gemacht. Ich stellte fest, dass mir viele der dazugehörenden Aufgaben nicht fremd sein dürften, das Umfeld jedoch sinnstiftend wäre, indem ich etwas bewirken könnte. Geld war für mich noch nie der hauptsächliche Motivator für eine Stelle und ich war bereit, auf Lohn zugunsten einer spannenden Stelle zu verzichten.

Den CAS Quereinstieg Schulleitung absolvierte ich zunächst inkognito und neben meiner 100 Prozent Anstellung, um mich in Ruhe und ohne Druck heranzutasten. Die Tage an meiner Praxisschule halfen mir, realistische Erwartungen zu entwickeln. Die Stellensuche gegen Ende des CAS verlief anfangs noch harzig, doch dann konnte ich zwischen mehreren Angeboten wählen.

Von Anfang an war mir klar: Ich möchte in einer Co-Schulleitung und in einer öffentlichen Primarschule arbeiten. Meine Kollegin und ich bringen unterschiedliche Hintergründe mit, ticken aber in zentralen Fragen gleich – etwa in unserer Haltung und bei Personalentscheiden.

Führung mit Präsenz und Beziehung

Ich möchte eine sichtbare und anpackende Schulleiterin sein – sowohl für das Team als auch für die Schüler:innen und Eltern.

Die Führungsspanne ist gross, doch eine hierarchische Zwischenebene würde ich nicht wollen. Mir ist der direkte Kontakt zu den Mitarbeitenden sehr wichtig – sei es in Unterrichtsbesuchen oder in Gesprächen mit Lehrpersonen oder Schulassistenzen. Eine meiner obersten Prioritäten ist die Stärkung und Entlastung der Klassenlehrpersonen, die heute nebst der anspruchsvollen Elternarbeit auch eine Koordinationsrolle innerhalb der Unterrichtsteams innehaben. Sie leisten weit mehr als nur Unterricht. Dies sollte sich meines Erachtens auch in einer funktionsbezogenen, höheren Lohneinstufung widerspiegeln. Diese könnte bei Abgabe der Funktion als Klassenlehrperson wieder entzogen werden.

Ich ermutige mein Team, frühzeitig mit mir das Gespräch zu suchen, bevor Belastungen oder Probleme zu gross werden. Gemeinsam findet man oftmals schneller bessere Lösungen. Präsenz in beiden Schulhäusern war für mich und meine Co-Schulleiterin von Beginn weg wichtig. Deshalb haben wir nun in beiden Schulhäusern je ein Schulleitungsbüro und sind dort abwechselnd oder gemeinsam vor Ort. Das schönste Kompliment war, als mir eine kreative und versierte Klassenlehrperson sagte, sie übernehme nochmals einen Klassenzug als Klassenlehrperson, weil sie sich zum ersten Mal wirklich unterstützt fühle.

Die FSB-Evaluation war eine wertvolle und motivierende Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Krisenmanagement und Networking

Troubleshooting und Multitasking liegen mir. In Krisensituationen ruhig zu bleiben, zu entscheiden und klar zu kommunizieren, sind meine Stärken. Besonders herausfordernd waren bisher die Begleitung einer unausgebildeten Lehrperson, ein kurzfristig kommunizierter Umzug eines Doppelkindergartens, ein Vorgesetztenwechsel und eskalierende Situationen mit Schüler:innen.

Mein juristischer Hintergrund hilft mir in vielen schulischen Prozessen. Zudem weiss ich aufgrund meiner früheren beruflichen Tätigkeit, wie wichtig eine offene Kommunikation und Networking ist – intern in der Gemeinde und darüber hinaus. Eine gute Schule muss sich auch sichtbar machen. Deshalb legen wir Wert darauf, die hervorragende Arbeit unserer Lehrpersonen zu zeigen, etwa im Semesterbrief oder auf unserer Webseite durch einen lebendigen Einblick in den Alltag.

Elternarbeit als Schlüssel

Ein offener Austausch mit Eltern ist für mich essenziell. Besonders wertvoll ist unser Willkommensgespräch für Familien, die aus dem Ausland in unsere Gemeinde ziehen. Dieses schafft gegenseitiges Verständnis und ist eine Gelegenheit, Erwartungen an die öffentliche Schule zu klären. Auch die Zusammenarbeit mit dem Elternrat ist eine grosse Unterstützung. Wir dürfen auf viele engagierte Eltern zählen, was alles andere als selbstverständlich ist.

Schulleitung ist für mich mehr als eine Funktion. Sie ist eine tägliche, sehr abwechslungsreiche Tätigkeit, die Sinn stiftet. Die Tage gehen im Flug vorbei und ich habe noch nie so viel beim Arbeiten gelacht. Mein Ziel ist es, gemeinsam mit engagierten Lehrpersonen, einer offenen Fehlerkultur und gegenseitigem Vertrauen eine Schule schaffen zu können, an der sich die Schüler:innen und Lehrpersonen wohlfühlen und bestmöglich entwickeln können und die allen Spass und Freude macht.

Quereinsteigerin mit Leidenschaft für Pädagogik

Mein Weg in die Schulleitung begann mit intensivem Selbststudium zur Unterrichtsqualität. Doch Lernen hört nie auf. Ich setze mich täglich mit der Frage auseinander, was «gute Schule» wirklich ausmacht und wie Kinder die Freude an der Schule behalten können. Besonders inspirierend finde ich Hospitationen in der eigenen Schule sowie an aussergewöhnlichen Schulen in der Schweiz oder im Ausland.

Ein zentraler Teil meiner Arbeit ist der persönliche Austausch mit den Schüler:innen. Inzwischen kenne ich über 90 Prozent mit Namen – ein kleines Detail mit grosser Wirkung. Es stärkt die Beziehung, steigert das Wohlbefinden, gibt ihnen das Gefühl, ernst genommen zu werden, und trägt zur Gewaltprävention bei. Und mir macht dieser Austausch mit den Schüler:innen grossen Spass.

Darüber hinaus liegt mir die Leseförderung besonders am Herzen. Neben meiner Schulleitungsarbeit engagiere ich mich ehrenamtlich mit meinem eigenen, zertifizierten Lesehund. Eine kleine Schüler:innengruppe liest mit ihm und mir wöchentlich zwei Lektionen lang eine Gruppenlektüre, begleitet von einer einfachen, aber wirkungsvollen Verpflichtung: Fünfmal pro Woche zehn Minuten laut zu Hause eine eigene Lektüre lesen. Die Fortschritte und die wachsende Freude am Lesen sind beeindruckend.

Schulführung zwischen Komplexität und Fokus

Schulische Prozesse sind langwieriger und partizipativer als Prozesse in der Privatwirtschaft. Gerade das macht die Führung einer Schule für mich jedoch spannend, sie erfordert eine umsichtigere Kommunikation und den Einbezug zahlreicher Stakeholder. Um wirksam zu bleiben, müssen wir uns auf wenige zentrale Themen konzentrieren, diese konsequent durchdenken, umsetzen und mit klaren Massnahmen absichern. Glücklicherweise haben wir eine unterstützende Schulpflege.

Die organisatorische, teils hausgemachte Komplexität der öffentlichen Schule wäre in der Privatwirtschaft undenkbar. Ein Beispiel ist im Kanton Zürich die kommunale Anstellung von Lehrpersonen für Deutsch als Zweitsprache (DaZ). Ein Relikt, das in Zeiten des Fachkräftemangels die Flexibilität der Schulleitungen unnötig und erheblich einschränkt. Unterschiedliche Vorsorgeregelungen und oft auch unterschiedliche Vorsorgeeinrichtungen machen die Übernahme von kantonalen Pensen für DaZ-Lehrpersonen unattraktiv. Dies sollte dringend angepasst werden.

Wünsche an die öffentliche Schule

Ich wünsche mir eine deutliche Entschlackung des Lehrplans 21 und eine spürbare Reduktion des Leistungsdrucks im Schulsystem. Auf der Primarstufe sollten das Lesen, Schreiben und die Mathematik als solide Grundlage für lebenslanges Lernen im Mittelpunkt stehen. Gleichzeitig braucht es einen stärkeren Fokus auf die sozio-emotionale Regulation, die 4K-Kompetenzen (Kreativität, Kollaboration, Kommunikation und kritisches Denken) und die Partizipation der Schüler:innen im Schulalltag.

Viele Kinder haben heute ein Tagesprogramm, das dem von Topmanagern gleicht: mit durchgetakteten Stunden, wenig Freiraum und hohen Erwartungen. Dies bereitet mir grosse Sorgen. Zum einen, weil damit eine unbeschwerte Kindheit genommen wird, die ihnen zusteht. Zum anderen, weil sich dieser hohe Druck nicht in besseren Lernergebnissen widerspiegelt. Eine Schule, die Kinder auf die Zukunft vorbereitet, muss Raum für Kreativität, selbstbestimmtes Lernen, persönliche Entwicklung und Erholung lassen und nicht nur für die Erfüllung von Lehrplanzielen und dem Eintritt in das Langzeitgymnasium – koste es, was es wolle.

Mein Ziel ist es, an meiner Schule nicht nur zu verwalten, sondern diese aktiv mit Herz, Innovation und einem klaren Blick für das Wesentliche mitzugestalten.

INFOBOX

Sind Sie neugierig geworden? Dann setzen Sie sich im Lehrgang CAS Quereinstieg Schulleitung mit der Führung einer Schule auseinander, um sich für eine Stelle bewerben zu können.

Redaktion: Melina Maerten
Bilder: zVg

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