Handynutzung während Unterrichtszeit

Einziehung von Handys in Schulen

Weil ein Schüler einer Orientierungsschule (Sekundarstufe 1) im Kanton Freiburg während der Schulzeit in der Garderobe beim Turnunterricht mit seinem Handy Musik gehört hatte, zog die Lehrperson beziehungsweise der Schuldirektor dieses für eine Woche ein. Gegen die Verfügung des Schuldirektors erhob der Schüler – vertreten durch seinen Vater – zunächst Beschwerde bei der kantonalen Direktion für Bildung und kulturelle Angelegenheiten und anschliessend beim Kantonsgericht Freiburg. Reto Allenspach fasst das Urteil zusammen.

Vor Kantonsgericht, das sein Urteil am 26. April 2024 fällte (Urteil KG FR 601 2023 48 vom 26. April 2024), war einzig strittig und zu prüfen, ob ein Handy eines Schülers über das Ende der Schulzeit hinaus, für die im konkreten Fall verfügte Dauer von einer Woche beziehungsweise bis zu dem im kantonalen Schulreglement (SchR; SGF 411. 0.11) vorgesehenen Maximum von zwei Wochen, eingezogen werden darf. Die Schule und die kantonale Direktion stützten sich bei der Einziehung nämlich auf Art. 66 SchR, wonach bei einem Verstoss gegen das Verbot des Gebrauchs elektronischer Geräte während der Schulzeit diese bis zu zwei Wochen eingezogen werden können.

Das Kantonsgericht führte aus, dass mit der Einziehung des Mobiltelefons der Schüler in seiner Eigentumsgarantie gemäss Art. 26 Abs. 1 BV (Bundesverfassung) eingeschränkt worden sei. Eine Grundrechtseinschränkung ist nur unter den in Art. 36 BV genannten Voraussetzungen zulässig. Entsprechend prüfte das Kantonsgericht diese Voraussetzungen:

1. Genügende gesetzliche Grundlage

Gemäss Art. 36 Abs. 1 BV bedürfen Einschränkungen von Grundrechten einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein.

Im Kanton Freiburg ist die Einziehung von elektronischen Geräten in der Schule nicht auf Gesetzesstufe, sondern auf Verordnungsstufe geregelt. So regelt Art. 66 SchR u.a.: Der Gebrauch von elektronischen Geräten ist während der Schulzeit verboten, ausser er wird von der Lehrperson oder der Schule erlaubt (Abs. 2). Bei einem Verstoss gegen dieses Verbot kann die Schule diese Gegenstände und Produkte umgehend einziehen (Abs. 3). Sie werden der Schülerin oder dem Schüler oder den Eltern wieder ausgehändigt, und zwar zu einem von der Schuldirektion bestimmten Zeitpunkt innerhalb einer Frist von spätestens zwei Wochen nach dem Einziehen des Gegenstands (Abs. 4).

Gemäss Kantonsgericht könne offenbleiben, ob Art. 66 Abs. 2 bis 4 SchR als Rechtsgrundlage für die Einziehung von bis zu zwei Wochen (auch mittags, abends und über das Wochenende) zu genügen vermöchte oder ob es hierfür einer Grundlage in einem formellen Gesetz bedürfte, da die Beschwerde aus einem anderen Grund gutzuheissen sei.

2. Öffentliches Interesse

Nach Art. 36 Abs. 2 BV müssen Einschränkungen von Grundrechten überdies durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein.

Das Kantonsgericht bejahte in seinem Entscheid ein gewichtiges öffentliches Interesse an einem geordneten Schulbetrieb, ging aber nicht auf die Frage ein, ob für die streitige Handy-Einziehung öffentliche Interessen bestehen.

3. Verhältnismässigkeit

Schliesslich müssen gemäss Art. 36 Abs. 3 BV Einschränkungen von Grundrechten verhältnismässig sein. Das verfassungsmässige Gebot der Verhältnismässigkeit verlangt, dass eine behördliche Massnahme für das Erreichen eines im übergeordneten öffentlichen (oder privaten) Interesse liegenden Zieles geeignet, erforderlich und für den Betroffenen zumutbar ist.

Das Kantonsgericht erachtete die Einziehung eines elektronischen Gerätes, jedenfalls soweit es die Schulzeit betreffe, als grundsätzlich geeignet, den geordneten Schulbetrieb sicherzustellen, da damit die Störquelle beseitigt werde. Indessen kam es zum Schluss, dass die Einziehung des Mobiltelefons ausserhalb der Schulzeit offensichtlich nicht erforderlich sei, um den geordneten Gang des Schulunterrichts, der zu dieser Zeit ja nicht stattfinde, zu gewährleisten. Zudem sei die Einziehung über die Dauer der Schulzeit hinaus für den Schüler, der dadurch auch im Privatleben und in der Kommunikation betroffen gewesen sei, in der heutigen vernetzten Gesellschaft auch als nicht zumutbar zu qualifizieren. Damit beurteilte das Kantonsgericht die Einziehung des Mobiltelefons über die Schulzeit hinaus als unverhältnismässige und damit unzulässige Einschränkung der Eigentumsgarantie.

Fazit

Aufgrund des Entscheides des Kantonsgerichts Freiburg steht nun fest, dass eine Einziehung von Smartphones und Smartwatches über die Dauer der Schulzeit hinaus unzulässig ist. Schulen, die nach wie vor mehrtägige Einziehungen vorsehen, ist zu empfehlen, ihre Regelungen entsprechend anzupassen. Wenn Schüler:innen gegen die Handyregeln  verstossen, können sie, wie auch das Kantonsgericht in seinem Urteil festhält, zusätzlich zur Einziehung bis Schulende mit anderen Erziehungs- oder Disziplinarmassnahmen geahndet werden.

Zum Autor

Reto Allenspach ist Dozent für Schulrecht an der PH Zürich. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Staats- und Verwaltungsrecht, Schulrecht, Personalrecht, Vertragsrecht und Familienrecht.

Redaktion: Melina Maerten
Beitragsbild: adobe stock

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