Die Smartphones von Schüler:innen sorgen im Schulfeld immer wieder für Unruhe. Wäre ein komplettes Verbot sinnvoll? Immer mehr Schulen entwickeln Konzepte zum Umgang mit Smartphones oder denken über ein vollständiges Verbot nach. Dieser Trend betrifft nicht nur die Schweiz, auch Länder wie Schweden überdenken bereits seit längerem ihre Digitalisierungsstrategie. Dozierende des Zentrums Medienbildung und Informatik der PH Zürich beleuchten Überlegungen aus Praxis und Wissenschaft zum Umgang mit digitalen Geräten im Schulalltag und plädieren für einen verantwortungsvollen, geklärten Einsatz digitaler Medien, der das Lernen bereichert, ohne auf starre Verbote zu setzen.
Der Umgang mit dem Smartphone variiert je nach Schulgemeinde. Mancherorts müssen die Schüler:innen das Smartphone beim Schulstart am Morgen abgeben. Andernorts sind Smartphones auf dem Schulareal verboten. Es gibt aber auch Stimmen, die von einem generellen Smartphone-Verbot abraten. Stattdessen sollten Schüler:innen gezielt Medienkompetenzen erwerben, um mit dem Smartphone verantwortungsvoll umgehen zu können. Schulen stehen daher vor der Aufgabe, eine Balance zwischen Kontrolle der Smartphone-Nutzung und der Förderung digitaler Kompetenzen zu finden. So empfiehlt etwa der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz eine stufengerechte und partizipative Regelung, um Schüler:innen für den verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Geräten zu sensibilisieren und positive Lerneffekte zu fördern (LCH, 2024).
«Regeln statt Verbote», mit diesem Credo plädiert Michael In Albon, Medienschutzbeauftragter der Swisscom, für eine Regelung des schulischen Umgangs mit digitalen Geräten. Ein generelles Smartphone-Verbot greift also zu kurz – stattdessen brauchen Schüler:innen Medienkompetenz, um beispielsweise sicher mit Fake News und Cybermobbing umzugehen.
Wie kann Lernen trotz, mit und über Smartphones und digitale Medien gestaltet werden?
Medienkompetenzen stärken
Ein Schüler hält einen Vortrag vor der Klasse, verspricht sich aber vor lauter Nervosität immer wieder. Eine Klassenkameradin filmt ihn dabei heimlich und teilt das Video später im Klassenchat, wo sich seine Mitschüler:innen über die Versprecher lustig machen. Als der Schüler davon erfährt, ist er verletzt und verunsichert. Schliesslich vertraut er sich einer Lehrperson an.
Durch die ständige Verfügbarkeit kann das Smartphone im Schulalltag schnell zu einem Werkzeug werden, um andere Kinder blosszustellen oder zu beleidigen. Ein Blick in die James-Studie 2022 zeigt, dass 38 Prozent der befragten Jugendlichen angegeben haben, es sei bereits mindestens einmal etwas Falsches oder Beleidigendes über sie in privaten Chats verbreitet worden. 36 Prozent der befragten Schüler:innen wurden schon einmal Fotos ohne eine Erlaubnis veröffentlicht. Dabei sind Mädchen und Jungs gleich betroffen, denn ein Geschlechterunterschied konnte in der Studie nicht nachgewiesen werden (Külling et al., 2022).
Wenn Schüler:innen an Schulen keinen Zugang mehr zu Smartphones haben, können laut Abrahamsson (2024) Mobbingfälle verringert werden. Die Annahme, dass Cybermobbing durch ein Smartphone-Verbot an Schulen jedoch gänzlich verhindert werden kann, scheint trügerisch. Die meisten Schüler:innen haben auch in ihrer Freizeit ungehindert Zugang zu ihren Smartphones, was Mobbingverhalten auch ausserhalb der Schulzeiten ermöglicht.
Treten Fälle von Cybermobbing wie im obigen Beispiel auf, sollte die Lehrperson das Gespräch mit den beteiligten Schüler:innen suchen und sich einen Überblick über die Situation verschaffen. Je nach Situation ist es angebracht, die verletzenden Inhalte (zum Beispiel das Video) möglichst überall (Chatverläufe und Smartphones) zu löschen. Bei schweren Mobbingfällen empfiehlt es sich, die Schulleitung, die Schulsozialarbeit oder die Eltern miteinzubeziehen.
Die Sensibilisierung der Schüler:innen für einen verantwortungsvollen Umgang mit Smartphones ist generell entscheidend, um ein positives Schulklima zu fördern und Fällen von Cybermobbing entgegenzuwirken. Durch die Förderung der Medienkompetenzen erwerben die Schüler:innen Kenntnisse über ein sicheres und respektvolles Online-Verhalten. Ebenfalls werden sie im kritischen Denken gestärkt und entwickeln ein Bewusstsein für die Verbreitung von Fehlinformationen. Somit schützen sie nicht nur ihre eigene Privatsphäre, sondern auch die ihrer Mitschüler:innen.
Smartphones als Lern-Werkzeuge
Im TTG-Unterricht (Textiles und Technisches Gestalten) arbeitet die Klasse vertieft an einem neuen Projekt. Eine Schülerin kommt auf die Lehrperson zu und fragt, ob sie ihr Smartphone aus dem Rucksack holen dürfe, um ein YouTube-Tutorial zu einer bestimmten Gestaltungstechnik anzuschauen. Die Lehrperson erinnert sie daraufhin an die Regeln für den Umgang mit Smartphones im Unterricht und gibt ihr die Erlaubnis. Mithilfe des Tutorials versteht die Schülerin die Arbeitstechnik besser und kann ihrem Projekt ein zusätzliches gestalterisches Element beifügen.
Das Beispiel zeigt, dass das Smartphone eine wertvolle pädagogische Chance bietet. Mit einem strikten Verbot wäre der erweiterte, individuelle Lernzugang so nicht möglich gewesen. Bei einem gezielten und sinnvollen Einsatz steht nicht die Technologie imZentrum, sondern der Lernprozess. Deshalb soll die Wahl, ob Smartphones, Whiteboards oder doch lieber analoge Flipcharts zum Einsatz kommen, idealerweise eng an das Lernziel gekoppelt sein (Scheiter, 2021). Wird die Wahl des Lernwerkzeugs den Schüler:innen zudem transparent gemacht, erhalten sie konkrete Beispiele und lernen, ihre Smartphones und andere digitale Medien zweckmässig und gezielt einzusetzen.
Der produktive Einsatz von Smartphones zeigt sich in ihrer Vielfalt als Werkzeug, das Lernen, Kommunizieren, Kollaborieren und Produzieren unterstützt. Dazu braucht es klare Regeln: Wann ist das Smartphone ausgeschaltet und unsichtbar im Schulrucksack verstaut und für welche Aufgaben darf es verwendet werden? Eine Schule, mit idealerweise partizipativ erarbeiteten Regeln (zum Umgang mit dem Smartphone), stellt eine ideale Umgebung dar, um einen verantwortungsvollen und reflektierten Umgang mit dem Smartphone zu üben.
Gerade weil Kinder und Jugendliche in ihrer Freizeit oft unweigerlich Zugang zu Smartphones und anderen Geräten haben, ist es wichtig, dass sie frühzeitig lernen, diese verantwortungsvoll zu nutzen. Es geht nicht darum, dass digitale Tools das Analoge ersetzen. Vielmehr soll durch didaktische Überlegungen ein stimmiges Zusammenspiel von analogen und digitalen Ansätzen geschaffen werden, um vielfältige Lernzugänge zu ermöglichen.
Digitale Medien – Vom Ablenkungsfaktor zur Lernchance
Eine Lehrperson ist besorgt, dass Smartphones ihre Schüler:innen vom Unterricht ablenken. Die schulischen Leistungen könnten darunter leiden. Welchen Einfluss digitale Medien auf das Lernen haben, wird in der Fachliteratur kontrovers diskutiert. Unumstritten ist, dass die Wirksamkeit davon abhängt, wie digitale Medien eingesetzt und genutzt werden. Wenn Schüler:innen Smartphones oder Tablets ohne gezielte Anleitung der Lehrperson nutzen, verbessert sich die Lernqualität nicht. Positive Effekte hingegen ergeben sich, wenn digitale Medien zur aktiven Auseinandersetzung mit Lerninhalten eigesetzt werden (Fütterer et al., 2016). Eine Lehrperson könnte ihre Schüler:innen über eine digitale Applikation zu einer Zeitreise einladen, um konkrete Fragestellungen zu einer historischen Epoche zu erkunden.
Weiter belegen Studien, dass projekt- und problemorientiertes Lernen mit digitalen Geräten die Lernleistung positiv beeinflussen kann (Sung et al., 2016). Dabei können digitale Medien die Schüler:innen bei der Recherche und der kreativen Präsentation ihrer Ergebnisse unterstützen. Digitale Medien können also das Lernen verbessern und bereichern, wenn sie durchdacht integriert werden und die Voraussetzungen der Schüler:innen, den Inhalt sowie die Lernziele berücksichtigen (Böhme & Munser-Kiefer, 2020).
Um Ablenkung zu vermeiden und einen positiven Effekt zu erzielen, ist es wichtig, dass der Einsatz von digitalen Medien reflektiert wird. Dies kann dazu beitragen, den Schüler:innen Kompetenzen im Bereich der digitalen Selbstregulation zu vermitteln. Diese Fähigkeit ist entscheidend, um Ablenkungen zu minimieren und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Lehrpersonen können unterstützend wirken, indem sie gemeinsam mit den Schüler:innen Strategien entwickeln, wie beispielsweise das gezielte Ein- und Ausschalten von Benachrichtigungen oder die Nutzung von Apps, die die Konzentration auf lernrelevante Inhalte fördern. Damit wird der Umgang mit den digitalen Geräten zur gelebten Praxis und kann den Schüler:innen nicht nur in der Schule, sondern auch im privaten Bereich von Nutzen sein.
Digital oder analog: Der Schlüssel liegt im Zusammenspiel
Anstatt Smartphones in Schulen strikt zu verbieten, setzen wir im Zentrum für Medienbildung und Informatik auf pädagogische Konzepte, die Schüler:innen dabei unterstützen, digitale Medien kritisch, verantwortungsvoll und selbstbestimmt zu nutzen. Gemeinsam mit Schulen entwickeln wir altersgerechte Ansätze, die Medienkompetenz gezielt stärken. Dabei berücksichtigen wir die individuellen Bedürfnisse und Rahmenbedingungen der jeweiligen Schule.
Es ist wichtig, dass solche pädagogischen Konzepte zum Lehren und Lernen mit digitalen Medien in Schulteams abgestimmt und partizipativ entwickelt werden. Ein gemeinsames Verständnis und Engagement im Kollegium sind zentral, um die Konzepte im Schulalltag umzusetzen.
Es geht nicht darum, sich für oder gegen das Digitale zu entscheiden. Das Potenzial liegt in der gezielten Kombination von digitalen und analogen Lernressourcen. Der Einsatz von Smartphones und traditionellen Schulbüchern ermöglicht vielfältige und differenzierte Lernzugänge. So kann der Unterricht motivierend, kollaborativ und aktivierend gestaltet werden. Gleichzeitig fördert dieser Ansatz Kompetenzen, die Schüler:innen befähigen, an einer digitalen Welt teilzuhaben und diese mitzugestalten.
INFOBOX
Weiterbildungen zum Umgang mit Smartphones an Schulen und weiteren Themen finden Sie hier.
Zu den Autorinnen
Eliane Burri leitet das Zentrum Medienbildung und Informatik an der Pädagogischen Hochschule
Zürich. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Digital Leadership in Education und die Begleitung von Schulen im digitalen Wandel.
Larissa Meyer-Baron ist Dozentin im Zentrum Medienbildung und Informatik der Pädagogischen
Hochschule Zürich. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind schulinterne Weiterbildungen, Prozessbegleitung und die Förderung von Medien- und Informatikkompetenzen in
den Zyklen 1 und 2.
Melanie Kieber ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Zentrum Medienbildung und Informatik. Zurzeit befindet sie sich im letzten Jahr des Masterstudiums Fachdidaktik Medien und Informatik.
Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: adobe stock
Literaturverzeichnis
Külling, C., Waller, G., Suter, L., Willemse, I., Bernath, J., Skirgaila, P., Streule, P., & Süss, D. (2022). JAMES – Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz. Zürich: Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.