Freude und Engagement – aber kaum Zeit für Erholung und Weiterbildung

Die letzte Befragung des Schulleitungsmonitors Schweiz (SLMS) zeigt weiterhin hohe Berufszufriedenheit mit leidenschaftlichem Engagement trotz steigend hoher Arbeitszeit. Auch wird deutlich, dass die beruflichen Anforderungen es vielen Schulleitungen schwer machen, sich regelmässig weiterzubilden. Pierre Tulowitzki, Leiter Professur Bildungsmanagement und Schulentwicklung an der FHNW, fasst die Studie zusammen.

Über 1’000 Schulleitende haben im Herbst 2022 an der ersten Zwischenbefragung teilgenommen. Die in Bezug auf Geschlecht und Schultypen repräsentative Studie ermöglicht ein fundiertes Bild rund um die Aufgaben und die Situation dieser Führungspersonen.

Wie sich der Umfang der Tätigkeiten von Schulleitungen verteilt 

Die befragten Schulleitungen führen eine Vielzahl unterschiedlicher Tätigkeiten aus. Verwaltungstätigkeiten sowie Tätigkeiten im Bereich Personalführung und -entwicklung nehmen im Durchschnitt jeweils 19 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit in Anspruch. Ähnlich viel Zeit (15 Prozent) erfordern die Pensenplanung und Stellenbesetzung inklusive Stellvertretung. Arbeit an längerfristigen Zielen und Strategien (9 Prozent), Kontakt zu einzelnen Schüler:innen (7 Prozent) und die eigene Weiterbildung (4 Prozent) nehmen hingegen einen geringeren Teil der Arbeitszeit in Anspruch.

Das Tagesgeschäft prägt somit das berufliche Handeln. 

Überstunden sind für viele Schulleitungen Teil des Berufs. Solche mit Vollzeitpensum geben an, im Durchschnitt 55 Stunden in einer normalen Arbeitswoche zu arbeiten. Personen mit 70-Prozent-Pensum geben eine Wochenarbeitszeit von 45 Stunden an.

Teilnehmende mit einem 50-Prozent-Pensum geben eine wöchentliche Ar-beitszeit von 37 Stunden an. Damit fallen Vorgaben und tatsächliche Arbeitszeit deutlich auseinander. 

Trotz der für manche Schulleitungen enormen Arbeitsbelastung ist das Commitment bei den befragten Schulleitungen ausgesprochen hoch. Fast alle stimmen der Aussage zu, dass sie gerne Schulleitungen an ihrer Schule sind (95 Prozent). Hohe Zustimmung erhalten ebenfalls die Aussagen, ausgesprochen froh zu sein, gerade an jener Schule zu arbeiten (89 Prozent), und voll und ganz hinter dem Konzept der Schule zu stehen (87 Prozent). 

Wie es um die Belastungssituation von Schulleitungen steht 

Damit Schulleitungen sich weiterbilden können, benötigen sie entsprechende zeitliche Ressourcen. Auch muss die Beanspruchungs- und Belastungssituation Raum für Weiterbildung lassen. Neben ihren Tätigkeiten und ihrer Arbeitszeit wurden die Schulleitungen daher auch zu ihrer Belastungssituation im Berufsalltag befragt. 

Über die Hälfte (62 Prozent) der befragten Schulleitungen erleben häufig oder sehr häufig Zeiten, in denen zu viele Verpflichtungen zu erfüllen sind. Knapp die Hälfte (46 Prozent) der Befragten gibt an, manchmal Zeiten durchzumachen, in denen ihnen die Arbeit über den Kopf wächst; für 23 Pro-zent ist dies sogar häufig oder sehr häufig der Fall.

39 Prozent der Befragten berichten, dass sie manchmal Zeiten erleben, in denen dringend benötigte Erholung aufgeschoben werden muss. Bei 36 Prozent kommt dies sogar häufig oder sehr häufig vor. 

Die Schulleitung scheint ausserdem eine Position zu sein, welche Auswirkungen auf die Freizeit haben kann. Beispielsweise melden 60 Prozent der befragten Schulleitun-gen, oft oder sehr oft für die Arbeit in der Freizeit erreichbar gewesen zu sein. Ungefähr die Hälfte schildern, oft oder sehr oft während ihrer Freizeit gearbeitet (51 Prozent) beziehungsweise während ihrer Arbeitszeit auf Pausen verzichtet zu haben (47 Prozent).

41 Prozent der Befragten geben an, gelegentlich oder (sehr) oft zugunsten der Arbeit auf genügend Schlaf verzichtet zu haben. 

Obendrein stellt sich das Amt der Schulleitung für viele der Befragten als sehr arbeitsintensiv dar. 42 Prozent der befragten Schulleitungen geben an, gelegentlich in einem als belastend empfundenen Arbeitstempo gearbeitet zu haben.

Ein Drittel (34 Prozent) der Befragten artikuliert, dies (sehr) oft erlebt zu haben. Jeweils 39 Prozent berichten, gelegentlich in einem Arbeitstempo gearbeitet zu haben, welches sie langfristig nicht durchhalten können und von dem sie wissen, dass es ihnen nicht gut tut.

Wie es um die Qualifikation und Weiterbildung von Schulleitungen steht 

Aktuell umfasst die Zusatz-ausbildung zur Schulleitung gemäss Profil der Schweizeri-schen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren mindestens 15 ECTS-Punkte; dies entspricht einem CAS-Pro-gramm. 84 Prozent der Befragten haben eine derartige systematische Qualifikation für die Position der Schulleitung durchlaufen. 

Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um einen CAS, selten um einen DAS. 12 Prozent durchlaufen aktuell eine derartige Qualifikation. 4 Prozent geben an, keine systematische Qualifikation durchlaufen zu haben. 

Die Schulleitungen wurden auch gefragt, welcher Qualifi-zierungsweg für diese Position geeignet sei. 

Etwas mehr als ein Drittel (35 Prozent) der Befragten hält die aktuell vor-herrschende Qualifikation (CAS, 15 ECTS) für passend. 36 Prozent erachten einen DAS (30 ECTS), 14 Prozent einen MAS (60 ECTS) als angemessen. Somit befürwortet die Hälfte der Befragten eine Qualifikation, die über einen CAS hinausgeht. 

Die Anforderungen an Schulen ändern sich kontinuierlich; von Schulleitungen wird daher erwartet, sich regelmässig weiterzubilden. Die befragten Schulleitungen haben sich in den vergangenen 12 Monaten folgendermassen weitergebildet: Der informelle Austausch mit anderen Schulleitungen wurde von 70 Prozent der Befragten in eher grösserem oder grossem Umfang genutzt. Das Lesen von berufsbezogener Literatur (58 Prozent), die aktive Beteiligung an einem Netzwerk von Schulleitungen (50 Prozent), die Teilnahme an Fachtagungen oder Workshops, die nicht vom Arbeitgeber angeboten wurden (56 Prozent) und die arbeitgeberseitigen Angebote (50 Prozent) waren solche, welche circa die Hälfte der Befragten in mindestens (eher) geringem Umfang nutzten.

Von vielen Befragten nicht genutzt wurden hingegen Angebote wie die Teilnahme an wissenschaftlichen Tagungen (46 Prozent ), private Angebote (47 Prozent nicht genutzt), Programme von Universitäten und Pädagogischen Hochschulen (54 Prozent nicht genutzt) und standardisiertes Peer-Mentoring (55 Prozent nicht genutzt). Wissenschaftliche Weiterbildungsangebote und Angebote von Hochschulen werden somit tendenziell eher weniger in Anspruch genommen. 

Wie Schulleitungen verschiedene Weiterbildungsangebote einschätzen 

Eine grosse Mehrheit (96 Prozent) der Schulleitungen erachtet den informellen Austausch mit anderen Schulleitungen als ein besonders gewinnbringendes Angebot für ihre berufliche Weiterbildung. Auch Angebote von privaten Anbietern werden als besonders gewinnbringend wahrgenommen (88 Prozent).

Das Lesen von berufsbezogener Literatur (84 Prozent), die aktive Beteiligung an einem Netzwerk für Schulleiter:innen (83 Prozent) und die Teilnahme an Fachtagungen oder Workshops, die nicht vom Arbeitgeber angeboten werden (80 Prozent) sind weitere Weiterbildungsangebote, welche von den befragten Schulleitungen als besonders gewinnbringend eingeschätzt werden. 

Ein Grossteil (84 Porzent) der befragten Schulleitungen stimmt der Aussage zu, dass Weiterbildungsangebote für die berufliche Weiterentwicklung nützlich sind. Nur knapp ein Drittel stimmen zu, dass das zur Verfügung stehende Budget für Weiterbildungen begrenzt ist (31 Prozent) beziehungsweise, dass die finanziellen Mittel für Weiterbildungsangebote nur für gewisse berufliche relevante Themen zur Verfügung stehen (32 Prozent). Ähnlich viele (34 Prozent) stimmen der Aussage zu, sich regelmässig mit einer übergeordneten Instanz darüber auszutauschen, welche Angebote belegt werden könnten oder sollten.

Jedoch gibt nur eine Minderheit (20 Prozent) der Befragten, dass sich der Abschluss einer umfangreicheren Weiterbildung auf den Lohn auswirkt. Es erscheint somit fraglich, inwiefern Bemühungen in der Weiterbildung seitens der Schuladministration gewürdigt werden. 

Fast die Hälfte (45 Prozent) der befragten Schulleitungen gibt an, es sei häufiger vorgekommen, dass sie aufgrund ihrer beruflichen Verpflichtungen nicht an einem Weiterbildungsangebot teilnehmen konnten.

Die Teilnehmenden wurden darüber hinaus gefragt, welche Merkmale dazu führten, dass sie eine Weiterbildung als für ihre berufliche Entwicklung besonders gewinnbringend empfanden. Sie konnten dabei frei antworten. 68 Prozent nutzten diese Option. Aus ihrer Sicht sind folgende Faktoren für eine besonders gewinnbringende Weiterbildung zentral: Inhalte, die praxisnah und gut umsetzbar sind; das «Abholen» der Schulleitungen in ihren Lebenswelten; die Vermittlung neuer Erkenntnisse oder Impulse; die Möglichkeit der Vernetzung mit Anderen; auf individuelle Bedürfnisse angepasste Strukturen und Formate; Raum für Reflexion des eigenen Handelns im Weiterbildungsangebot. 

Wie sich Schulleitungen bei der Entscheidungsfindung orientieren 

Bei Entscheidungsfindungen können sich schulische Akteure an verschiedenen Wissensquellen orientieren, beispielsweise an Erfahrungswissen oder Erkenntnissen aus der Wissenschaft. Die Schulleitungen wurden daher gefragt, auf welchen Grundlagen ihr Handeln üblicherweise beruht.

Knapp zwei Drittel stimmen der Aussage zu, dass sie bei wichtigen Entscheidungen auf ihr Bauchgefühl vertrauen können (63 Prozent) und die Entscheidungen auf persönliche Überzeugungen basieren (62 Prozent). 65 Prozent der Befragten stimmen der Aussage eher zu oder voll zu, aufgrund der eigenen Erfahrung instinktiv meist die richtigen Entscheidungen zu treffen. 

Eine Mehrheit der Befragten belegen Neuerungen durch wissenschaftliche Untersuchungen (71 Prozent) und trägt dafür Sorge, dass sich ihre Schulen an Entwicklungs- und Forschungsprojekten (von Hochschulen) beteiligen (61 Prozent). 80 Prozent der befragten Schulleitungen geben an, in wichtigen Entscheidungsfragen Expertisen von Berater:innen heranzuziehen.

Eine deutliche Mehrheit (96 Prozent) gibt ausserdem an, zunächst zu prüfen, inwiefern sich die Rahmenbedingungen verschiedener Schulen ähneln, bevor sie ein Verfahren von einer anderen Schule übernehmen. Dagegen scheinen etwa zwei Drittel (65 Prozent) der befragten Schulleitungen (eher) nicht den direkten Kontakt zu Forschenden zu suchen, um ihre Entscheidungsqualität zu verbessern. 

Die Schulleitungen zeigen sich insgesamt offen für Impulse und Ideen von aussen, insbesondere von anderen Schulen. Die Wissensorientierung der Befragten scheint grundsätzlich etwas stärker an Praxiserfahrungen ausgerichtet zu sein, wenngleich auch Wissensbestände aus Forschung und Wissenschaft herangezogen werden. 

Das diesem Beitrag zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln der Stiftung Mercator Schweiz sowie der Jacobs Foundation gefördert. Unser grösster Dank gilt den vielen engagierten Schulleiter:innen, die sich am Projekt beteiligt und es so erst möglich gemacht haben.

INFOBOX

Den Gesamtbericht des Schulleitungsmonitors Schweiz SLMS finden Sie auf der Website des Verbandes Schulleiter:innen Schweiz VSLCH.

Zum Autor

Pierre Tulowitzki leitet die Professur für Bildungsmanagement und Schulentwicklung an der Pädagogischen Hochschule FHNW. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Fragen der Führung und der Organisationsentwicklung in Bildungsorganisationen. Er ist Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Bildungsforschung. Gemeinsam mit Jörg Berger leitet er den Schulleitungsmonitor Schweiz SLMS.

Folgende Autor:innen waren ebenfalls am Beitrag beteiligt

Gloria Sposato, Pädagogische Hochschule FHNW, gloriagrazia.sposato@fhnw.ch

Prof. Dr. Marcus Pietsch, Leuphana Universität Lüneburg, marcus.pietsch@leuphana.de

Jörg Berger, VSLCH, joerg.berger@vslch.ch

Grafik und Gestaltung

Janine Strasser, Pädagogische Hochschule FHNW, janine.strasser@fhnw.ch

Zitationshinweis

Tulowitzki, P., Sposato, G., Pietsch, M., & Berger, J. (2023). Schulleitungsmonitor Schweiz 2022 – Kurzbericht zu Weiterbildung und Professionalisierung . Pädagogische Hochschule FHNW. https://dx.doi.org/10.26041/fhnw-4876 

Redaktion: Jörg Berger

Titelbild: VSLCH, zVg

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