Anita Schneider

Nachhaltige Schulen im Schulnetz 21

Irene Lampert diskutiert mit Anita Schneider Classen, erfahrene Akteurin in Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), über die Entwicklung nachhaltiger Schulen im Rahmen des Schulnetz 21. Es geht um entscheidende Faktoren, welche die Gestaltung von nachhaltigen Schulen fördern und hindern.

Irene Lampert: Anita, bitte stelle dich kurz vor: Was ist deine aktuelle Rolle als Fachperson BNE im Schulnetz 21?

Anita Schneider Classen: In der Rolle als Fachperson Bildung für nachhaltige Entwicklung  im Zürcher Schulnetz 21 für die Volksschulen begleite ich Netzwerkschulen im Kanton Zürich, die sich für das Nachhaltigkeitsprofil entschieden haben. Zudem bin ich in der Steuergruppe und hüte dort die BNE-Perspektive in der Entwicklung des Netzwerks. Darüber hinaus bestreite ich einen Teil der Weiterbildung für die Kontaktpersonen, mit denen wir in den Schulen arbeiten. Meine Haupttätigkeit ist aber an der PH Schaffhausen als Beauftragte für BNE und Nachhaltigkeit.

Was machen nachhaltige Schulen aus deiner Sicht aus?

Diese Schulen verbindet, dass sie sich an Visionen, Ideen und Kriterien orientieren, die in einem Zusammenhang mit BNE stehen. Sie benötigen eine klare Vorstellung, wohin sie sich entwickeln möchten – eine Vision, die nicht zu weit in der Zukunft liegt, sondern konkrete Ziele für die nähere Zukunft setzt und an deren Umsetzung sie arbeiten. Nachhaltige Schulen zeichnen sich aber auch dadurch aus, dass sie vernetzt denken und planen, langfristige Prozesse gestalten und nicht nur kurzfristige Aktionen durchführen. Wichtig ist, dass sie sich mit den vorhandenen Ressourcen und den Voraussetzungen im Team kontinuierlich entwickeln, ohne sich dabei auszulaugen.

Ein Aspekt ist dabei auch, eingefahrene Routinen zu hinterfragen und den Mut aufzubringen, neue Wege zu gehen. Es klappt nicht immer alles auf Anhieb. Deshalb hilft eine gewisse Hartnäckigkeit, Herausforderungen zu überwinden. Zudem sind Kreativität und die Fähigkeit, Synergien zu erkennen, essenziell. Schliesslich braucht es eine gewisse Begeisterung für die eigenen Ziele, um sowohl das Team als auch die Schüler:innen für die Entwicklungen zu gewinnen.

Wie gestaltet man nachhaltige Schulen? Welche konkreten Schritte oder Initiativen hast du eingeführt, um Nachhaltigkeit im Schulalltag zu fördern?

Nachhaltigkeit lässt sich nicht von heute auf morgen umsetzen, sondern erfordert langfristige Entwicklungsprozesse. Ein erster Schritt ist dabei die Sensibilisierung und Mitnahme der Schulgemeinschaft. Schulinterne Weiterbildungen, aber auch Austausch auf verschiedenen Ebenen helfen, nicht nur ein gemeinsames Verständnis für BNE zu entwickeln, sondern auch die Motivation aufrechtzuerhalten und neue Impulse zu erhalten. Wichtig ist, auch zu würdigen, was schon alles gemacht wird. Zudem ist es entscheidend, Nachhaltigkeit nicht als isolierte Zusatzaufgabe zu betrachten, sondern als integralen Bestandteil des Schulalltags.

Ein Beispiel ist die Verankerung von BNE in Schulprogrammen und schulinternen Curricula. Vielversprechend sind dabei beispielsweise fächerübergreifende Projekte, in denen Schüler:innen aktiv an nachhaltigen Ideen und Problemlösungen arbeiten.

Was brauchen Schulleitungen, um nachhaltige Schulen zu gestalten?

Schulleitungen spielen eine zentrale Rolle. Sie benötigen zunächst ein grundlegendes Verständnis von BNE und den Willen, deren Verankerung langfristig zu fördern. Wesentlich sind zudem Kommunikationsfähigkeit und die Fähigkeit, verschiedene Akteur:innen wie Lehrpersonen, Schüler:innen, Eltern und externe Partner zu mobilisieren.

Welche Ressourcen oder Unterstützungen hältst du für essenziell?

Schulen profitieren von Austausch- und Weiterbildungsformaten, in denen sie Best Practices kennenlernen und ihre eigenen Ideen weiterentwickeln können. Zudem sind externe Begleitung und Netzwerke wie das Schulnetz 21 wertvoll, da sie Schulen mit Expertise und Anregungen unterstützen. Und natürlich können solche Entwicklungsprozesse auf Dauer und in die Breite nur funktionieren, wenn dafür personelle Ressourcen verfügbar sind. Wobei es manchmal erstaunlich ist, wie viel Energie hier mobilisiert werden kann, wenn sich eine Schule für geteilte Ideen einsetzt.

Kannst du Beispiele nennen, welche die Rolle der Schulleitung in der Gestaltung nachhaltiger Schulen verdeutlichen?

Das fängt damit an, dass sie dem Thema den notwendigen Platz in der Teamentwicklung und regelmässigen Austauschgefässen einräumt, dass sie Ressourcen spricht für Lehrpersonen, die das Anliegen schulintern weiterentwickeln oder dass sie Aspekte von BNE in der strategischen Entwicklung selbst mitdenkt. Gerade weil BNE häufig auch die Schulkultur, geteilte Haltungen oder fächer- und klassenübergreifendes Arbeiten betrifft, ist die Rolle der Schulleitung essenziell.

Wie können ausserschulische Partner oder die Gemeinschaft in die nachhaltige Entwicklung eingebunden werden?

Kooperationen mit lokalen Expert:innen und Unternehmen oder Gemeindevertreter:innen können nachhaltige Schulentwicklung bereichern und entlasten. Beispielsweise können Schulen gemeinsam mit lokalen Naturschutzorganisationen oder Senior:innen Projekte zur Biodiversität realisieren. Auch die Einbindung der Elternschaft ist wichtig, beispielsweise bei gemeinsamen Aktionen zur Stärkung der Schulgemeinschaft.

Welche Herausforderungen siehst du bei der Gestaltung nachhaltiger Schulen?

Eine der grössten Herausforderungen ist die Balance zwischen dem bestehenden Schulalltag und den zusätzlichen Anforderungen durch BNE. Häufig fehlen Zeit und Ressourcen, um sich auf das Bildungsanliegen in seiner vollen Tragweite einzulassen und sich den Zielkonflikten zwischen dem Druck durch Leistungserwartungen und einem langfristigen überfachlichen Kompetenzaufbau zu stellen.

Wie gehst du mit Zielkonflikten zwischen Nachhaltigkeit und anderen Anforderungen des Schulalltags um?

Eine hilfreiche Herangehensweise ist, sich zu überlegen, wie BNE durch gezielte Ergänzungen und Anpassungen in den Schulalltag und bestehende Strukturen integriert werden kann. Dann hilft eine Priorisierung: Was kann sofort umgesetzt werden? Wo sind langfristige Strategien nötig? Letztlich braucht es auch klare, beherzte Entscheidungen, wofür die begrenzten Ressourcen eingesetzt werden sollen. Das wiederum bedingt eine transparente und umsichtige Kommunikation, die bei den Beteiligten das Verständnis für nachhaltige Schulentwicklung ermöglicht und damit die Akzeptanz für Veränderungen erhöht.

Kannst du ein konkretes Beispiel nennen, bei dem du eine Lösung für eine schwierige Situation gefunden hast?

In meiner Funktion gehe ich nicht in die Schulen und löse Probleme, sondern es geht darum, im Team gemeinsam einen Schritt weiterzukommen. Als herausfordernd nehme ich häufig die bereits oben angesprochenen Ressourcenkonflikte wahr. Hier kommt mir zum Beispiel eine Schule in den Sinn, in der im BNE-Team gezielt daran gearbeitet wird, überhaupt für alle transparent zu machen, wer an welchen BNE-Themen und Aspekten arbeitet, um diese Aktivitäten besser aufeinander abzustimmen. Durch diese Koordination sollen unter anderem regelmässig auftauchende Spitzenbelastungen im Schuljahr abgedämpft werden. Dieser Prozess ist auch mit der Frage verbunden, ob es im Schulalltag auch «nicht-nachhaltige» Aktivitäten gibt, auf die man verzichten könnte.

Wie siehst du die Zukunft nachhaltiger Schulen und welche Rolle spielen Schulleitungen dabei?

Ich nehme das Schulfeld als recht divers wahr und bin optimistisch, dass sich BNE auf vielfältige Art und Weise im Schulalltag etabliert. Denn darin liegt viel Potenzial zum Umgang mit gesellschaftlichen Herausforderungen, auf die Schulen so oder so antworten müssen. Schulleitungen spielen dabei eine Schlüsselrolle, indem sie strategische Weichen stellen, Ressourcen mobilisieren und als Vorbilder für nachhaltiges Handeln fungieren. Langfristig geht es darum, Nachhaltigkeit so selbstverständlich in den Schulalltag zu integrieren, dass sie nicht mehr als Sonderprojekt, sondern als fester Bestandteil der Schulkultur gelebt wird.

INFOBOX

Die PH Zürich bietet Aus- und Weiterbildungen im Bereich BNE an. Informieren Sie sich auf folgender Seite zu ausgeschriebenen Themenreihen und laufenden Projekten.

Wir empfehlen Ihnen auch den Blogbeitrag zu Nachhaltigkeit als Führungsaufgabe – Diese Kompetenzen für Schulleitungen machen den Unterschied von Irene Lampert.

Aktuell ist ein Modul zu Pioneering Sustainability – Bildung für Nachhaltige Entwicklung an Schulen ausgeschrieben. Melden Sie sich jetzt an.

Zur Person

Anita Schneider

Anita Schneider ist Dozentin und Beauftragte für BNE und Nachhaltigkeit an der PH Schaffhausen. Ihre Expertise zu BNE bringt sie in der Aus- und Weiterbildung sowie Schul- und Hochschulentwicklung ein. Zudem hat sie ein Mandat von der PH Zürich für die Prozessbegleitung von Schulen mit BNE-Profil im Zürcher Schulnetz 21 für Volksschulen. Sie ist fasziniert von der Frage, wie Bildung zu einer gerechteren, langfristig tragbaren persönlichen und gesellschaftlichen Entwicklung beitragen kann.

Zur Autorin

Irene Lampert

Irene Lampert ist promovierte Erziehungswissenschaftlerin und Expertin im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) sowie Schulführung. Sie arbeitet als Lehrgangsleiterin und Forscherin an der PH Zürich und war in unterschiedlichen Positionen als Lehrgangsleiterin, Dozentin, Forscherin sowie als Schulleiterin und Lehrerin tätig. Durch ihre akademischen und Praxiserfahrungen hat sie umfassende Kenntnisse in Theorie und Praxis erlangt.

Redaktion: Melina Maerten
Bilder: zVg

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