In einer losen Folge thematisieren wir, wie ein Führungswechsel an Volksschulen gestaltet werden kann: Was können bisherige Schulleitungen, vorgesetzte Stellen sowie neue Schulleitungen und Teams zu einem gelingenden Übergang beitragen? Andrea Hugelshofer hat Claudie Meier und Beat Flach interviewt.
Claudie Meier und Beat Flach leiteten gemeinsam 10 Jahre lang eine Primarschule Winterthur. Flach war davor schon 8 Jahre allein der erste Schulleiter des Tägelmoos. Im Sommer 2024 haben sie die Schulführung in neue Hände gelegt.
Andrea Hugelshofer: Wie habt ihr damals euren eigenen Start als Schulleitung im Tägelmoos erlebt?
Beat Flach: Ich war der erste Schulleiter dieser Schule überhaupt. Ich schätzte, dass ich Zeit hatte – ich konnte das Tägelmoos in Ruhe organisieren und Prozesse etablieren. Gefehlt hatte mir das «Standing»: Ich war jung, viele Kolleg:innen waren älter – ich hätte mir damals mehr Klarheit in meiner Rolle gewünscht.
Claudie Meier: Ich schätzte, dass ich aus dem Team kam und Prozesse, Menschen, insbesondere auch den Co-Schulleiter kannte. Ich konnte mit einem Beispiel von Schulführung einsteigen – gemeinsam entwickelten wir dann vieles weiter. Ich startete mit 40 Prozent, was ein zu kleines Pensum für das war, was ich erreichen wollte – Schulentwicklung fand vor allem in unserer unbezahlten Überzeit statt.
Als ihr euch nun entschieden habt, eure Schule zu verlassen – wie seid ihr den Wechsel angegangen?
Flach: Eine der wichtigsten Funktionen einer Schulleitung ist, für Klarheit zu sorgen. Mir war es schon immer wichtig, die Schule so zu organisieren, dass wenn ich unters Tram käme, jemand rasch übernehmen könnte.
Meier: Wir machten uns einige Überlegungen rund um den Zeitpunkt. Wir wollten allen Beteiligten einen Vorlauf von 6 Monaten geben. Eine interne Schulleiterin kam schon vor zwei Jahren ins Leitungsteam dazu. Auf ihren Anstoss hin stellten wir unsere wichtigsten wiederkehrenden Aufgaben zusammen und sie hat daraus eine Art Jahresübersicht in einem Kanban-Board erstellt.
Eine neue Schulleitung und eine Springerin wurden gefunden. Die neue Schulleitung nahm schon ab Mai an unseren Schulleitungssitzung teil und konnte sich so in einzelne Themen einarbeiten.
Flach: An unserer Schule sind viele Prozesse verschriftlicht. Zum Beispiel war die externe Schulevaluation für mich jeweils Anstoss, ein Thema in den Blick zu nehmen und dort systematisch «Ordnung» reinzubringen.
Meier: Diese Detailabläufe haben wir uns in unseren jeweiligen Hauptgebieten zusammengestellt. Dies war hilfreich für uns selbst und kann nun auch für unsere Nachfolge eine Arbeitsgrundlage bieten. Solche Beschreibungen waren zudem effizient in der Führung: Wenn die Mitarbeitenden Informationen selbst abrufen können, kann ich darauf verweisen und muss nicht alles immer wieder erklären.
Flach: Wir haben jeweils am Start des Schuljahres thematisiert, wer wofür zuständig ist und wie wir kommunizieren möchten. Zum Beispiel, das Mitarbeitende bei Problemen mit einer Schilderung und ihrem Bedürfnis auf uns zukommen – lieber so als mit vier empörten oder hilflosen Ausrufezeichen. Die Vergessenskurve ist hierbei hoch: Verantwortlichkeiten muss man immer wieder thematisieren, gerade auch angesichts der grossen Führungsspanne. Hier kann und muss sich die neue Schulleitung selbst positionieren.
Wir hatten die Kultur, dass Sitzungen freiwillig sind. Das ist etwas, was man nicht übergeben kann. Wie man Sitzungen gestaltet und wie man Beteiligung an Schulentwicklung sicherstellt, ist etwas sehr Persönliches.
Die Gefahr besteht bei einem Führungswechsel, dass die Schulentwicklung aus dem Blick gerät. Wie seid ihr damit umgegangen?
Flach und Meier: Das Schulprogramm sollte partizipativ erarbeitet werden. Wir haben regelmässig unsere Stärken und Herausforderungen mit dem Team überprüft. Dadurch sollte es bei den Lehrpersonen zunehmend verinnerlicht werden. Die Ziele des Schulprogramms haben wir jeweils heruntergebrochen und in den Mitarbeitergesprächen mit Zielvereinbarungen thematisiert. Das schafft Verbindlichkeit und Kontinuität im Team und in der Weiterentwicklung.
Ein Schwerpunkt im Schulprogramm liegt auf der Leseförderung. In diesem Bereich haben wir viel aufgegleist mit Weiterbildungen und mit einer Teilprojektgruppe im QUIMS-Thema. Ziel und Wege sind dort sehr klar und es wird insbesondere von drei Personen aus dem Team mit viel Herzblut weitergeführt. Wir sorgten dafür, dass die entsprechenden Ressourcen vorhanden sind.
Bei anderen Themen wie zum Beispiel unserem internen Eskalationsmodell in schwierigen Situationen sind wir gespannt, ob diese in der DNA der Schule sind oder wohin sich diese entwickeln.
Sehr hilfreich scheint uns bei einem Übergang auch eine Steuergruppe, welche sich verantwortlich fühlt für die Schulentwicklung.
Wer sonst kann eurer Ansicht nach wichtige Beiträge zu einem gelingenden Übergang leisten?
Flach und Meier: Ungünstig ist es, wenn man vor dem offiziellen Start mitarbeitet, ohne dass die Entschädigung geregelt ist. Da sind die Anstellungsinstanzen gefragt, hierfür sinnvolle Lösungen zu finden.
Wir denken, dass vielen kantonalen und kommunalen Behörden zu wenig bewusst ist, wie fragil und herausfordernd der Start in der Funktion als Schulleitung ist. Viele Personen, Prozesse und organisatorische Fragen sind zu Beginn noch unbekannt, aber die Schulleitungen müssen ab Tag 1 professionell kommunizieren, präsent sein und als Troubleshooter auftreten – zum Beispiel gegenüber Eltern.
Das Onboarding von Schulleitungen scheint uns elementar, insbesondere, um mit den Gegebenheiten und Prozessen vor Ort vertraut zu werden. Das kann nicht nur die Ausbildung leisten. In Winterthur wurde stadtweit ein Onboarding-Prozess eingeführt. Dies fänden wir wichtig für alle neuen Schulleitungen.
INFOBOX
Amtierende und designierte Schulleitungen können Praxis und Theorie in der Schulleitungsausbildung kombinieren, ihre Kompetenzen mit Wahlpflichtmodulen erweitern und von anderen Schulleitungen und Führungspersonen im Bildungsbereich profitieren. Melden Sie sich jetzt für die Weiterbildung DAS Schulleitung an.
Zu den Personen
Claudie Meier hat eine Ausbildung als Primarlehrerin und Schulleiterin (EDK); 11 Jahre Klassenlehrerin Unterstufe in Roggwil / Winterthur, 3 Jahre Lehrperson in Shanghai, China und 10 Jahre Schulleiterin in Winterthur; Co-Geschäftsführerin FM unterwegs GmbH und Mitglied im Beratungsteam von schulentwicklung.ch
Beat Flach hat eine Ausbildung als Primarlehrer, Schulleiter (CAS) und in Schulmanagement (MAS). 11 Jahre Klassenlehrer Mittelstufe und 18 Jahre Schulleiter in Winterthur; Co-Geschäftsführer FM unterwegs GmbH und Mitglied im Beratungsteam von schulentwicklung.ch
Zur Autorin
Andrea Hugelshofer ist Dozentin im Zentrum Management und Leadership an der PH Zürich. Sie interessiert sich als Beraterin und Dozentin insbesondere für das gelingende Zusammenspiel verschiedener Steuerungs- und Führungsebenen an Schulen.
Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: zVg/Schule Tägelmoos