Der Verband der Schulleiterinnen und Schulleiter Zürich (VSLZH) feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum. Mit über 500 Mitglieder ist der Verband heute eine feste Grösse und wichtige Stimme in der Bildungslandschaft im Kanton Zürich. Dies war nicht immer so, wie Peter Gerber, Gründungspräsident des VSLZH, und Sarah Knüsel, die Nachfolgerin und aktuelle Präsidentin, im Gespräch mit Niels Anderegg erzählen.
Welche Gedanken verbindet ihr mit dem 25-jährigen Jubiläum des VSZLZH?
Peter Gerber: Dass es den VSLZH heute immer noch gibt, ist für mich eine schöne Bestätigung, dass es richtig war, ihn vor 25 Jahren gegründet zu haben. Wenn es den Verband nicht brauchen würde, dann würde es ihn auch nicht mehr geben.
Sarah Knüsel: Den VSLZH braucht es unbedingt. Als Berufsverband sind wir die Stimme der Schulleitungen und vertreten diese in den verschiedensten Gremien.
Gerber: Den Schulleitungen eine Stimme zu geben, war bei der Gründung unsere Absicht.
Wie kam es zur Gründung des VSLZH?
Gerber: Das war im wahrsten Sinne des Wortes eine Bieridee. Bei einer 3-tägigen Weiterbildung in Vitznau sass ich am Abend mit einigen Schulleiter:innen zusammen. Damals wurden in der deutschsprachigen Schweiz die Schulleitungen eingeführt und in den Medien haben alle möglichen Personen über Schulleitungen gesprochen.
Nur die Schulleitungen selbst hatten keine Stimme. Es wurde über Schulleitungen, aber nicht mit ihnen gesprochen. Das wollten wir ändern und haben an diesem Abend beschlossen, den Verband zu gründen.
Knüsel: Du wurdest damals bei der Gründung als ersten Präsidenten gewählt.
Gerber: Für die Gründungsversammlung hat uns das Pestalozzianum, die Vorgänger-Institution der PH Zürich, welche die erste Schulleitungsausbildung angeboten hat, einen Raum zur Verfügung gestellt. Hans-Jürg Grunder, der Präsident des einige Monaten vor uns gegründeten VSLCH, haben wir als Tagungspräsident eingeladen. Er leitete die Sitzung und ich wurde dann zum ersten Präsidenten des Verbands gewählt.
Damals war es nicht klar, ob es überhaupt einen eigenen Schulleitungsverband braucht oder ob die Schulleitungen sich nicht als Sektion dem Lehrer:innen-Verband anschliessen sollen.
Gerber: Für uns war es von Beginn an klar, dass Lehrer:innen als Arbeitnehmer und Schulleiter:innen als Arbeitgeber nicht im gleichen Verband organisiert sein können. Das wäre schnell zu Differenzen und schwierigen Situationen gekommen. Der Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband (ZLV) wollte damals eine Sektion für Schulleitende gründen und lud zu einer Versammlung ein. Davor haben wir alle Schulleitungen, die wir kannten, angeschrieben und unsere Perspektive dargelegt. An der Versammlung des ZLV ist dann keine Schulleitung erschienen und damit war das Thema vom Tisch.
Knüsel: Wir haben heute zum Glück ein sehr gutes und konstruktives Verhältnis zum ZLV. In vielen Themen vertreten wir die gleichen Positionen und stärken uns gegenseitig. Ein gutes Beispiel dafür ist die Förderklasseninitiative, wo die verschiedenen Verbände eine gemeinsame Pressemitteilung verfasst haben und damit zeigten, dass wir an einem Strick ziehen.
Gibt es dann nie Differenzen?
Knüsel: Da wir unterschiedliche Berufsgruppen vertreten, haben wir inhaltlich nicht immer die gleiche Position. Dann gibt es eine inhaltliche Diskussion. Aber wir haben alle das gleiche Ziel: Gute Schulen im Kanton Zürich.
Gerber: Das ist heute wirklich deutlich anders. Zu Beginn mussten wir für alles kämpfen und vieles allein machen. Beispielsweise haben wir vom Volksschulamt keine Adressen aller Schulleitungen erhalten. So mussten wir in Handarbeit die Adressen heraussuchen.
Knüsel: Heute haben wir zum Glück eine Geschäftsstelle, welche viele Arbeiten abnimmt.
Gerber: Die erste Telefonnummer des Verbandes war meine private Festnetznummer, sodass meine Frau viele Telefonate für den Verband entgegennehmen musste.
Das waren noch richtige Pionierzeiten.
Gerber: Ja. Und gleichwohl braucht es auch heute noch ein sehr grosses Engagement von Sarah als Präsidentin und der ganzen Geschäftsleitung. Wie bei uns damals fliesst auch heute viel Freizeit und Engagement ins Amt.
Knüsel: Ja, das ist heute auch noch so. Vieles, was wir in der Geschäftsleitung tun, ist ehrenamtlich. Als Berufsverband der Schulleitenden haben wir die Schwierigkeit, dass es sehr viel weniger Schulleiter:innen als Lehrer:innen gibt. Aus diesem Grund haben wir auch sehr viel weniger Mitglieder und dadurch nur bescheidene finanzielle Mittel für administrative Unterstützung.
Gab es einen Tipp, den du Sarah beim Wechsel des Präsidiums von Peter bekommen hast?
Knüsel: Ich hatte das Glück von Peter einen sehr gut organisierten und positionierten Verband übernehmen zu können. Ich konnte dort weitermachen, wo Peter aufgehört hatte, ohne dass ich ihn kopieren musste.
Gerber: Das war mir sehr wichtig, als ich das Präsidium abgab. Ich war weiterhin als Mitglied aktiv dabei, habe aber versucht, der Geschäftsleitung nicht reinzureden. Sonst hätte ich Präsident bleiben können.
Also gab es keinen Tipp?
Knüsel: Doch an einen Tipp kann ich mich noch erinnern. Du hast mir gesagt, dass wenn die Medien anrufen, ich sofort zurückrufen muss. Also das Handy immer dabeihaben.
Gerber: Das war in der Anfangszeit sehr wichtig. Wenn eine Anfrage von den Medien kam, musste ich sofort reagieren. Sonst wurde jemand anders gefragt und der Verband hatte eine Chance verpasst. Ich kann mich erinnern, dass ich einmal im Skilager auf dem Sessellift angerufen wurde. Ich nahm das Telefon entgegen und sagte der Journalistin, dass ich auf dem Skilift bin und sobald ich oben angekommen bin, zurückrufe. Das habe ich dann gemacht.
Knüsel: Das hat sich nach Corona deutlich verändert. Ich muss nicht immer gleich sofort reagieren. Als Schulleitungsverband sind wir etabliert und es ist klar, dass es auch unsere Stimme in den Medien braucht.
Gerber: Das ist wirklich anders. Früher mussten wir um alles kämpfen.
Ich weiss von dir, dass du sehr hartnäckig sein kannst. Zum Beispiel als es darum ging einen Termin beim damaligen Bildungsdirektor Ernst Buschor zu erhalten.
Gerber: Ja, das mussten wir sein. Wir versuchten auf allen möglichen Wegen einen Termin mit Regierungsrat Buschor zu erhalten. Aber die Assistentin von Ernst Buschor wollte uns partout keinen Termin geben. So sind wir halt zu zweit an einem Nachmittag in die Bildungsdirektion gegangen und haben uns ins Vorzimmer gesetzt. Die Assistentin wollte uns auch dann keinen Termin geben und so blieben wir einfach sitzen. Wir sagten ihr, dass wir so lange sitzen bleiben, bis wir einen Termin haben. Sie liess uns sitzen.
Nach einer halben Stunde kam Ernst Buschor aus seinem Büro, schaute uns freundlich an und ging an eine Sitzung. Nach einer Stunde kam er zurück und lächelte uns wieder zu. Nach der dritten oder vierten Begegnung fragte er uns, warum wir hier sitzen. Wir sagten ihm, dass wir vom VSLZH sind und gerne einen Termin mit ihm hätten. Er wies seine Assistentin an, uns einen Termin zu geben und so konnten wir mit einem Erfolg nach Hause gehen.
Knüsel: Seither haben wir regelmässige Treffen mit der Bildungsdirektorin und können unsere Anliegen einbringen.
Was fällt euch besonders auf, wenn ihr auf die letzten 25 Jahre zurückschaut?
Knüsel: In den letzten 25 Jahren hat sich das Jobprofil von Schulleiter:innen stark verändert.
Gerber: Ein schönes Beispiel dafür ist die Personalverantwortung. Die ersten Schulleitungen wollten auf keinen Fall die Personalführung übernehmen. Das ist heute unvorstellbar: Wie will ich eine Schule leiten, ohne die Personalführung zu haben?
Knüsel: Heute kämpfen wir dafür mit der grossen Führungsspanne, welche Schulleitungen haben. Eine Schulleitung führt häufig 30 bis 40 Mitarbeitende.
Gerber: Das ist eine Führungsspanne, welche in der Wirtschaft niemand hat. Als Schulleiter:in ist es hier schwierig, immer allen gerecht zu werden.
Knüsel: Zugenommen hat in den letzten Jahren die administrative Belastung. So gibt es beispielsweise kaum ein Tool, mit dem alles gemacht werden kann. Sondern für jede Aufgabe gibt es ein anderes. Und dann kommt es immer wieder dazu, dass dies zu Beginn nicht richtig funktioniert. Das macht unsere Arbeit manchmal sehr mühsam und frisst enorm viel Zeit.
Gerber: Hier gibt es ein grosses Ungleichgewicht zwischen den Schulen. An meiner Schule hatten wir sehr früh eine Person, welche uns Schulleitungen in der Administration unterstützt und entlastet hat. Das war für uns sehr hilfreich und entlastend.
Knüsel: Bei mir an der Schule gibt es dies nur marginal. Ich muss Vieles selbst machen. Wichtig ist mir, dass ich die administrativen Aufgaben nicht an die Lehrer:innen abschiebe.
Welche Herausforderungen stellen sich heute dem Verband?
Knüsel: Eine wichtige Aufgabe des Verbandes ist zu schauen, welche Geschäfte in den Kantonsrat gehen und so Einfluss zu nehmen, dass gute Lösungen entstehen. Viele Geschäfte werden bis ins kleinste Detail geregelt und man geht immer vom schlechtesten Fall aus. Also wie muss etwas geregelt sein, dass im schlimmsten Fall nichts passiert? Das verhindert immer wieder, dass Schulleitungen gute Lösungen finden können.
Hast du ein Beispiel dafür?
Gerber: Früher konnte man einen Schüler zwei Tage in ein Time-out schicken, wenn die Situation in der Schule schwierig war. Dann konnte sich die Situation abkühlen und danach wieder neu gestartet werden. Heute geht das nicht mehr. Man muss die Eltern informieren, den Schüler in der Schule betreuen und vieles mehr.
Knüsel: Vieles ist so ins Detail geregelt, dass man gar nicht mehr nach kreativen Lösungen suchen kann. Und dies nur aus der Angst heraus, dass es allenfalls eine Schulleitung geben könnte, welche nicht professionell mit der Situation umgeht, und eine gute Lösung ermöglicht. Ich wünsche mir, dass Schulleitungen mit mehr Kreativität führen können.
Gerber: Das Jubiläum zeigt auch, dass die Schulleitung als Beruf unterdessen erwachsen geworden ist. Ich wünsche mir, dass nicht mehr nur darüber gesprochen wird, dass Schulleitungen mehr Verantwortung haben sollen, sondern dass man ihnen diese gibt.
Knüsel: Ausserhalb der Schule werden wir häufig noch als Verwaltungsangestellte und nicht als Führungspersonen wahrgenommen. Verwaltungsangestellte führen aus, was die Verwaltung ihnen vorgibt, Führungspersonen gestalten im Rahmen der politischen Vorgaben.
Gerber: Wichtig ist, dass die Verwaltung und Politik die Schulleitungen gestalten lässt und akzeptiert, wenn sie mal Dinge anders machen, als dies die Verwaltung machen würde. Selbstverständlich muss das Handeln der Schulleitung innerhalb des gesetzlichen Rahmens sein. Wenn dieser aber den Schulleitungen mehr Raum gibt, dann können sie Schule gestalten und nicht nur verwalten.
Knüsel: Schulleitungen sind für die Schulqualität verantwortlich. Also soll man ihnen auch die Möglichkeiten geben, diese Verantwortung zu übernehmen.
Zu den Personen
Peter Gerber arbeitete 15 Jahre als Sekundarlehrer phil II und danach 26 Jahre als Schulleiter einer grossen Sekundarschule. Ab der Gründung war er 15 Jahre Präsident des Schulleiter- und Schulleiterinnenverbandes des Kantons Zürich (VSLZH).
Sarah Knüsel arbeitet seit bald 20 Jahren als Schulleiterin im zürcherischen Weinland und in Winterthur. Sie war vorher und daneben auch als Lehrerin auf der Unter- und Mittelstufe tätig. Nach der Ausbildung als Primarlehrerin und Schulleiterin hat sie berufsbegleitend eine Coaching-Ausbildung an der ZHAW absolviert und den CAS Grundlagen der Unternehmensführung an der Universität Zürich besucht. Aktuell liegt ihr – neben dem Präsidium des Schulleitungsverbandes in Zürich, welches sie vor 10 Jahren übernommen hat – BGM an Schulen sehr am Herzen und sie bildet sich in diesem Bereich laufend weiter.
Zum Autor
Niels Anderegg leitet das Zentrum Management und Leadership an der Pädagogischen Hochschule Zürich. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Leadership for Learning, Teacher Leadership und Professionalisierung von Führungspersonen von und in Bildungsorganisationen.
Redaktion: Melina Maerten
Fotos: zVg