
Die Hitze war fast schon erdrückend. Dreiunddreissig Grad auf dem Planetenweg. Die Luft zitterte sichtbar, als fürchtete sie sich vor der eigenen Glut. Katjas Wasser war fast aufgebraucht. Seit einer halben Stunde hoffte sie auf einen Brunnen. Auf einem oft begangenen Wanderweg wie diesem sollten doch welche stehen. Oder war die Abzweigung vor einer Viertelstunde doch falsch gewesen? Vielleicht war sie gar nicht mehr auf dem offiziellen Weg. Das würde erklären, warum keine Menschenseele zu sehen war.
Eine weitere halbe Stunde verging. Jedes Rascheln klang für Katja inzwischen wie Wasserrauschen. Sie hätte umkehren können. Aber es war zu spät. Sie war zu weit gegangen. Noch immer redete sie sich ein, bald käme ein Brunnen. Schritt für Schritt schwand diese Hoffnung, doch weiter geradeaus zu gehen, erschien ihr als einzige sinnvolle Option. Dann entdeckte sie einen schmalen Trampelpfad. Von dort erklang leise etwas: ein Rascheln oder Rauschen. Bei der Hitze konnte sie es nicht einordnen. Kurzerhand bog sie ab. Der Pfad führte in den Wald, weg vom brennenden Himmel. Endlich Schatten.
Der Weg war schmal, aber nicht wild. Er wirkte wie nur von wenigen Menschen betreten. Dort musste ein Brunnen sein. Es klang danach. Nach einigen hundert Metern öffnete sich eine Lichtung. In ihrer Mitte stand eine Holzhütte. Umgeben von dichtem Wald. Nur dieser Pfad führte dorthin. Unglaublich. Vielleicht konnte sie dort nach Wasser fragen. Normalerweise bat sie keine Fremden um Hilfe, aber heute blieb ihr nichts anderes übrig. Sie klopfte. Keine Antwort. Auch beim zweiten und dritten Mal blieb es still. Zögerlich drückte sie die Klinke. Die Tür liess sich öffnen.
Ihr Blick fiel auf eine winzige Küche. Ein tropfender Wasserhahn über einer Schale mit Birchermüesli-Resten. Wer wohnte hier? Doch für Fragen war keine Zeit. Katja drehte den Hahn auf. Kaltes, klares Wasser strömte heraus. Ihre Rettung. Sie trank, atmete auf, wusch sich das Gesicht. Für einen Moment war alles ruhig. Der Raum wirkte bewohnt und doch verlassen. Neben der Tür lehnte ein Wanderstock. Auf dem Tisch lag ein aufgeschlagener Notizblock. Nur ein Satz war zu lesen: „Manche Umwege führen heimlicher zum Ziel.“
Nachdem sie ihre Flasche gefüllt hatte, verliess sie die Hütte. Nicht, dass noch jemand zurückkam und sie dort erwischte. Der Pfad lag ruhig vor ihr. Die Luft war still, die Hitze vom Wald gedämpft. Katja ging auf dem Trampelpfad zurück. Und tatsächlich, wie es der Satz im Notizbuch angedeutet hatte, erreichte sie nach etwa zehn Minuten bei der vorherigen Abzweigungsweg eine Gabelung. Dort stand ein Wegweiser: „Planetenweg“. Katja blieb stehen. Stimmen von anderen Wandernden waren zu hören. Schritte. Lachen. Sie war zurück. Instinktiv drehte sie sich noch einmal um. Die Hütte war im Wald zwischen den Bäumen kaum zu erkennen. Nur der Schatten eines Daches schimmerte leicht durch das Blattwerk. Oder bildete sie sich das nur ein?
Katja fasste den Rucksack fester und ging weiter. Sie war unendlich froh, wieder auf den Planetenweg zurückgefunden zu haben.
J.S. studiert an der PH Zürich.