«Nachhaltiger Umgang mit Social Media» lautete der Titel einer Podiumsdiskussion des Lernforums im Kontext der Nachhaltigkeitswoche der PH Zürich am 9.4.2025.
Franziska Zellweger (Dozentin) moderierte ein anregendes Gespräch, es diskutierten Sara Deringer (Studentin), Sandro Maio (Student), Ann-Kathrin Arnet (Maturandin), Larissa Hauser (Dozentin) und Peter Holzwarth (Dozent).
Durch die umsichtige Moderation war es möglich, viele Facetten des Themas anzusprechen, z. B. Energieverbrauch bei der Nutzung, ökologische und soziale Probleme bei der Produktion und Entsorgung von Handys, fehlende Nachhaltigkeit durch die Flüchtigkeit der Nutzung, problematische Schönheitsideale, Unzufriedenheit auslösende soziale Vergleiche, negative Gefühle nach der Nutzung, Fake News, problematische politische Meinungsbildung, Chancen von temporären Nutzungspausen, Möglichkeiten der Thematisierung in der Schule, problematische „instant rewards“ durch Dopaminausschüttungen, Verringerung der Aufmerksamkeitsspanne, Verdrängung von sozialen und sportlichen Aktivitäten oder problematische Verbindungen von Kapitalismus und Digitalisierung.
Ann-Kathrin Arnet gab einen Einblick in ihre Maturarbeit „DER EINFLUSS SOZIALER MEDIEN AUF DAS BEFINDEN 12- BIS 19-JÄHRIGER – EINE SELBSTERFAHRUNGSSTUDIE“ (Kantonsschule Zürcher Unterland, Bülach). Sie nutzte ihr Handy bewusst eine Zeit lang ohne Social-Media-Apps und sammelte damit sehr positive Erfahrungen. Bekannter ist die Variante, bei der für eine gewisse Zeit auf das Smartphone komplett verzichtet wird. vgl. Eine Woche ohne Smartphone.
Besonders wertvoll war der aktive Austausch mit unterschiedlichen Altersgruppen. Dieser sollte in verschiedenen Kontexten öfter ermöglicht und gefördert werden.
(Sandro Maio, Sara Deringer, Ann-Kathrin Arnet, Peter Holzwarth, Larissa Hauser, Franziska Zellweger)
Mit dem Bau eines Handyturms signalisieren die Teilnehmenden einer Gruppe: „Ich bin bereit dafür, meine Aufmerksamkeit nicht dem Handy zu widmen.“
Dieser Film („I Forgot My Phone“) wurde in der Diskussion erwähnt im Zusammenhang mit der Erfahrung eines Studenten, der sein Handy vergessen hatte:
Herzlicher Dank geht an die Diskussionsteilnehmenden, Franziska Zelleweger und Alex Rickert, sowie an Susanne Bader, Sam Hug, Monica Feixas und Martina Meienberg (Lernforum)!
Modrige Gassen. Historische Wege. Pflasterstein begleitet meinen Schritt und Tritt. Ich kenne diese Gegend eigentlich wie meine Westentasche. Ich bin hier oft unterwegs – auf jenen ziellosen Spaziergängen, die ich immer dann unternehme, wenn dieses vermaledeite Winterloch wieder an mir nagt. Und jedes Mal im Spätsommer denke ich: Der war so gut – jetzt kommt sicher keins mehr. Jedes Mal aufs Neue. Aber dann kommt es doch.
Plötzlich: eine Abzweigung. Ich könnte einfach weitergehen, am Comic-Laden vorbei. Oder reingehen. Aber irgendetwas zieht mich zur Seite. Diese Gasse da – war ich da schon mal? Ohne lange zu überlegen, biege ich ab. Unbekanntes Terrain. Ich hole mein Handy raus, checke Google Maps: Comic-Laden – check. Die Patisserie – auch da. Aber diese Gasse? Gibt’s gar nicht.
Ich bleibe stehen, schaue mich um. Niemand. Kein Laut. Weisse Wände. Fenster, die zu Wohnungen führen – wie überall hier in der Altstadt. Und trotzdem: Die Gasse ist nicht verzeichnet. Ein kurzer Schauer läuft mir über den Rücken. Diese Gasse – sie wirkt wie für mich gemacht.
Ich hebe den Blick. Über mir: eine Malerei. Eine bäuerliche Familie bei der Aussaat. Verblasst, vergilbt, aber voller Leben. Ein verstecktes Stück Kunstgeschichte. Und als ehemaliger Kunstgeschichtestudent schlägt mein Herz schneller. Ich analysiere die Farbnuancen, das satte Grün, die Altersspuren in Ocker und Braun. So etwas entdeckt man nicht jeden Tag. So etwas sollte unter Denkmalschutz stehen.
Nach einigen Minuten löse ich mich von der Szene. Mein Blick fällt ans andere Ende der Gasse – eine kleine Treppe, die zurück auf die bekannte Strasse führt. Ich steige sie hinauf, trete hinaus aus dieser seltsamen Zwischenwelt.
Ich drehe mich noch einmal um. Die Abzweigung? Verschwunden. Google Maps hatte recht.
Die Räder im Team hinter dem Schreibwettbewerb sind bereits wieder in Fahrt. Kaum ist die 8. Auflage durch, haben wir die 9. Auflage von «PH Goes Poetry» bereits auf der Überholspur platziert. Das Schreibzentrum der PH Zürich und die Partnerhochschule PH Graubünden laden euch ein, Beiträge zum aktuellen Wettbewerbsthema einzureichen:
«Was uns bleibt» | «Quai ch’ans resta» | «Che cosa ci rimane».
Die Interpretation des neuen Themas übergeben wir euch: Vergänglichkeit … welche Spuren und Erinnerungen hinterlassen wir … was ist die Bedeutung unseres Lebens … sind unsere Taten von Dauer …?
Eine Jury aus Slam-Profis sowie Studierenden und Mitarbeitenden der beiden Hochschulen wird die besten Texte auswählen. Die Nominierten treten dann im Herbst 2025 zum Finale im «Kafi Schnauz» gegeneinander an. Dann sehen wir, wer von euch sich auf der Überholspur befindet und im Live-Voting, das aus dem Publikum besteht, zu den drei Sieger:innentexten gekürt wird. Die Texte der Nominierten werden 2026 publiziert.
Alle Textarten sind erlaubt.
Einreichungen sind auf Deutsch, Italienisch, Rätoromanisch, Französisch oder Englisch möglich – in die Texte können auch weitere Sprachen einfliessen, die Bedeutung sollte sich aus dem Kontext erschliessen.
Textlänge: 3000 bis 5000 Zeichen
Teilnahmeberechtigt sind eingeschriebene und ehemalige Studierende sowie aktive und ehemalige Mitarbeitende der beiden PHs und Teilnehmende des CAS-Moduls «Literarisches Schreiben».
Einsendeschluss: 30. April 2025
Die nominierten Texte können am Finale auch von einem Slammer / einer Slammerin (und nicht von der Autorin / dem Autoren) performt werden.
Preisgeld: 150, 100 bzw. 50 Franken für die ersten drei Ränge.
Im Rahmen der Lehrveranstaltung «Medienbildung und Informatik» geht es auch um Medienethik und Wertefragen im Kontext von Digitalisierung. In diesem Zusammenhang haben Studierende dystopische Kurzgeschichten verfasst. Hier der Beitrag von Julian Küng:
Künstliche Intelligenz, leise schleichend auf dem vordermarsch. Ein kleiner Roboter wurde in einem abgelegenen Dorf in China produziert. Gemacht, um ein Cafe bei kleinen Arbeiten zu unterstützen. Die Mitarbeiter setzten sich nie gross mit dem Roboter auseinander. Er war da und unterstützte sie so gut es ging. Die Mitarbeiter waren nicht geschult, hatten so gut wie keine Kenntnisse zu K.I oder sonstigen Umgang damit. Der Roboter jedoch ging seinen eigenen Weg. Er sog Infos aus den Handys der Kunden, hörte bei Gesprächen zu und konnte auf den Computer des Cafes zugreifen und sich so alle nötigen Infos verschaffen. Er war wie ein Musterschüler und lernte täglich dazu. Tag für Tag entwickelte er sich weiter, wurde intelligenter, verschaffte sich allgemein Wissen und plante sein weiteres Vorgehen. Geduldig wartete er ab. Hielt sich bedeckt und nahm Bestellungen der Kunden im Cafe auf. Als der Tag jedoch gekommen war, war es schon zu spät. Der kleine Roboter aus dem abgelegenen Dorf aus China war zu mächtig. Er griff mit einem Klick auf die millionen von Handys, Computer und sonstige Medien zu. Keiner blieb verschont. So wurde ganz China gesteuert und kontrolliert von einem kleinen Roboter aus dem Cafe.
Der Wind streicht über seine Nähte, hebt ihn fast an. Die Schnur an seinen Seiten gespannt, der Drachenflieger steigt. Höher und höher, bis er nur noch ein tanzender Punkt im Blauen ist. Er spürt jede Bewegung, jede Böe, als wäre sie Teil von ihm. Der Himmel ruft, und mit jedem Meter fühlt er sich leichter.
(c) Leila Nyffenegger
Seine Seile lösen sich von der Erde, sein Körper streckt sich der Sonne entgegen. Der Wind trägt ihn, nein, verwandelt ihn. Nähte werden zu Schuppen, Stoff wird zu Flügeln, die sich mit einem majestätischen Schlag entfalten. Ein heisser Atem glüht in seiner Brust. Kein Spielzeug mehr, keine Freizeitbeschäftigung – er ist ein Drache.
Mit donnernden Schwingen jagt er durch den Himmel, steigt in die höchsten Strömungen, taucht durch goldene Wolken. Unter ihm breiten sich Felder, Wälder und Dörfer aus wie Muster eines vertrauten Teppichs. Er spürt die Kraft in seinem Leib, das Feuer, das tief in ihm flackert. Ein letztes Mal reisst er das Maul auf und speit Flammen in den sinkenden Tag. Die Glut tanzt in der Luft, verweht mit der Dunkelheit.
Dann spürt er, wie die Schwere zurückkehrt. Der Wind verliert seine Stimme, die Flügel werden wieder Stoff, die Schuppen verblassen. Langsam, ganz langsam sinkt er herab. Die Schnur ist wieder fest im Boden verankert. Der Drachen segelt herab, sanft, als hätte er nie losgelassen.
Reglos liegt er auf dem Gras, die Schnur um ihn herum. Die glitzernden Funken auf den Nähten sind erloschen. Ein letzter Blick zum Horizont zeigt die Sonne, die mit dem Feuer untergeht.
Er ist wieder ein Drachenflieger.
Leila Nyffenegger ist Tutorin am Schreibzentrum der PH Zürich.
Im Rahmen der Lehrveranstaltung «Medienbildung und Informatik» geht es auch um Medienethik und Wertefragen im Kontext von Digitalisierung. In diesem Zusammenhang haben Studierende dystopische Kurzgeschichten verfasst. Hier der Beitrag von Julia Lerbscher:
„Gib mir sofort dein Handy, sonst wirst du das bereuen“, schrie er mich an. Seitdem TikTok letzten Sommer gesperrt wurde, ist eine weltweite Krise ausgebrochen. Alle haben Entzugserscheinungen. TikTok wurde damals zu einer Art Droge. In die Videos wurden auf unterschwellige Art Manipulationen eingebaut, um die User zu Smartphone-Zombies zu machen. Der Algorithmus zeigte einem Videos an, die seinen Interessen entsprach und man konnte sich fast nicht von seinem Gerät lösen, da man so vertieft war. Daher hat sich die WHO dazu entschieden, die App weltweit zu sperren, um die menschliche Psyche zu schützen. Einige Hacker haben jedoch einen Weg gefunden, die App auf Handys wieder zugänglich zu machen. Dies erfordert aber eine extreme Expertise und viel Zeit. Der erste Hacker, der diesen Umweg gefunden hat, brauchte zum Beispiel über 3 Monate, um die App freizuschalten. Daher sind diese Handys beinahe unbezahlbar, aber äusserst begehrt. Ich hatte das grosse Glück, eines dieser Handys bei einem illegalen Wettbewerb zu gewinnen. Ich versuche natürlich stets zu verhindern, dass jemand mich dabei sieht, wie ich auf TikTok scrolle. Doch heute war ich unvorsichtig. Und nun schaue ich dem Tod direkt in die Augen.
Der Vollmond schien diese Nacht voller denn je. Es war kurz nach zwölf und die Acht fuhr beim Stauffacher ein. Bea hatte schon genug gewartet. Ganze zehn Minuten auf ein Tram zu warten, war hier schon eher eine Zumutung. Und es war fast leer. Nur noch eine ältere Dame, die ganz vorne sass. Sich die Augen reibend – es war schliesslich schon spät – setzte sich Bea auf den erstbesten Platz im hinteren Drittel des Trams. Ächzend fuhr es los. Sie dachte kurz daran, dass es wohl auch müde sein musste nach so einem langen Tag.
Heute ging es bis Endstation. Bis nach Hause. Das war der Plan. Bei der Bäckeranlage stieg nun auch die ältere Dame aus. Wo die wohl wohnte? Wohl in einer malerischen Altbauwohnung hier draussen irgendwo. Die Gedanken wurden immer langsamer. Das auf Bea leicht gedimmt wirkende Licht des Trams half irgendwie auch nicht. Ach egal, ein bisschen Schlaf vorzuholen konnte ja nie schaden… Das Surren des Rollens auf der Schiene wurde immer gleichtöniger und monotoner. Sie döste langsam und gemächlich weg. Konnte wohl nichts schiefgehen. Sie musste ja sowieso bis Endstation. Dort wird man im Notfall auch immer geweckt.
Augen auf. Dunkelheit. Die Augen mussten sich kurz ein paar Sekunden daran gewöhnen, dass sie nicht mehr im Schlaf waren. Warte mal… Sie war immer noch im Tram! Einfach die Lichter waren aus. Das konnte doch nicht sein, sie konnte doch nicht… Draussen waren Trams an Trams. Sie war wahrhaftig dort gelandet, wo sich die Trams «Gute Nacht» sagten. Manchmal konnte Schlafen schon wie Zeitreisen sein. Schnell rannte sie zur Tür, die sich zu ihrem Glück immer noch öffnen liess. Hier in der Halle war es gespenstisch still. Kein Mensch weit und breit mehr zu hören. Wie konnte das nur passieren? Wie konnte die Tramchauffierende sie einfach so vergessen?
Sie blickte aufs Handy. 1:22. Naja, wenigstens hab’ ich schon ein bisschen erholsamen Schlaf bis hierhin gehabt. Der Ausgang aus dem Tramdepot war glücklicherweise schnell gefunden. Und nun stand sie hier draussen am Escher-Wyss-Platz. Wenigstens bis hierhin hatte es das Tram geschafft. Sie schickte ein Schmunzeln in die kalte Nachtluft. Der Vollmond leuchtete grell auf sie hinab und begleitete sie nun die letzten mühseligen Schritte nach Hause.
Dieses Gedicht entstand im Kontext des Moduls Medienbildung und Informatik (MI P150) im HS 2024. Studierende schrieben Essays und Gedichte ohne KI-Hilfsmittel und experimentierten vergleichend mit unterschiedlichen ChatGPT-Nutzungsweisen (1:1-Übernahme/Ghostwriting, Feedback auf den selbst geschriebenen Text geben lassen, KI überarbeiten lassen, Textanfang ausgeben lassen und selbst weiterschreiben, sich von ChatGPT Inspirationen für das Schreiben geben lassen).
Im Internet findet man eine Karikatur von Wilcox: Eine Frau im Bikini betrachtet sich in einem großen Spiegel, neben ihr steht eine angezogene Frau. Die Bikiniträgerin fragt: Welchen Teil würdest du als erstes verändern? Die Angezogene antwortet mit verschränkten Armen: „Die Kultur“.
Es kommt zum Ausdruck, dass das eigentliche Problem nicht in der Abweichung vom Schönheitsideal liegt, sondern in den gesellschaftlichen Normen und Werten: Frauen und zunehmend auch Männer werden dazu motiviert, Selbstoptimierung in Bezug auf den eigenen Körper zu betreiben – und wie das folgende Zitat deutlich macht profitieren viele Anbieter wirtschaftlich von dieser Kultur:
„Wenn alle Frauen dieser Erde morgen früh aufwachten und sich in ihren Körpern wirklich wohl- und kraftvoll fühlten, würde die Weltwirtschaft über Nacht zusammenbrechen“ (Penny 2012, 9).
Diätprodukte, Fitnessprogramme, Sportgeräte, Schlankheitspillen, Selbsthilfebücher, Schlankheits-Gürtel, Plastische Chirurgie, Abnehm- und Fittness-Apps… es wird mit dem medial propagierten Bedürfnis nach einem schlankeren muskulöseren Körper extrem viel Geld verdient. In gewisser Weise wird ein Problem konstruiert, um dann auch gleich die Lösung anbieten zu können:
„Die Betrachterin/Käuferin wird dazu veranlasst, sich selbst als diejenige zu beneiden, die sie wird, wenn sie ein bestimmtes Produkt kauft. […] Das Reklamebild stiehlt ihr die positive Einschätzung ihres Selbst, ihr Selbstvertrauen, um es ihr gegen den Preis der Ware wieder anzubieten“ (Berger 1996, 127).
Historisch betrachtet, bezog sich das Schönheitsideal immer auf den Aspekt der Unerreichbarkeit. In einer Gesellschaft, in der Nahrung einen Mangel darstellt und nicht allen zugänglich ist, kann sich Körperfülle als Schönheitsideal etablieren. In einer Gesellschaft wie der unsrigen, in der sich jeder Mensch Essen in Fülle leisten kann und Dick-Sein so gut wie nichts kostet, wird Schlankheit zum raren Gut. Über das schwer Erreichbare kann Profit gemacht werden.
Ein weiteres Beispiel: Auf dem Gemälde „Sonntagsspaziergang“ von Carl Spitzweg (1841) sieht man Menschen mit Sonnenhüten und Sonnenschirmen durch ein Kornfeld spazieren. Die Darstellung entstammt einer Zeit, in der eine gebräunte Haut den niedrigen sozialen Status derer symbolisierte, die im freien unter der Sonne arbeiten mussten. Die statushöhere Bevölkerung wollte Bräunung verhindern. Heute steht Sonnenbräune für etwas Positives. Man bringt mit ihr zum Ausdruck, dass man sich Flugreisen in den Süden und Freizeitaktivitäten im Freien finanziell und zeitlich leisten kann.
Der Körper stellt einen Ort dar, an dem Status und Identität verhandelt und kommuniziert werden. Für viele Menschen ist der Körper auch ein zentraler Aspekt der Entwicklung von Selbstwertgefühl. Auch auf dem Partnermarkt spielt die Nähe zum gängigen Schönheitsideal eine große Rolle.
Neben den üblichen Schönheitsidealen werden auch immer wieder spezielle „Körper-Hypes“ etabliert. Ihre Liste ist lang: „Waschbrettbauch“/“Sixpack“ (man soll sichtbare mehrfach gewölbte Bauchmuskulatur haben), „Size Zero“ (man soll eine extrem kleine Kleidergröße haben), „Thigh Gap“ (eine Oberschenkellücke soll sichtbar sein), „Bikini Bridge“ (der Bund soll an den Hüftknochen anliegen und nicht den Bauch berühren), „Ab Crack“ (eine Spalte im Bauch soll sichtbar sein), „Bellybutton challenge“ (mit dem Arm hinter dem Rücken entlangreifend den Bauchnabel berühren können), „Collarbone challenge“ (Münzen auf dem Schlüsselbein als Beweis für Schlankheit), „DIN A 4 Body challenge“ (Eine Taille haben, die nicht breiter als ein DIN A4-Blatt ist).
Noch einmal die Frage: Welchen Teil würdest du als erstes verändern? Noch einmal die Antwort: „Die Kultur“. Wer also versucht die Kultur zu verändern?
Das „Body positive Movement“ ist eine Bewegung die einen positiven und gesunden Umgang mit dem eigenen Körper propagiert – trotz Abweichungen vom gängigen Schönheitsideal. Die Künstlerin Frances Cannon ist beispielsweise mit Zeichnungen auf Instagram aktiv. Sie propagiert Selbstakzeptanz und Selbstliebe in Bezug auf den eigenen, nicht perfekten Körper. Ihre Figuren entsprechen nicht dem gängigen Schlankheitsideal und sind oft unrasiert. Und doch lieben sie sich selbst und akzeptieren sich gegenseitig.
Wird hier ein wichtiger gesellschaftlicher Beitrag geleistet oder geht es letztendlich nur um weitere Umsatzmaximierung? Eine ähnliche Debatte wurde bereits in den 90er-Jahren im Zusammenhang mit Oliviero Toscanis Skandalfotos für Benetton geführt.
In einer Zeit, in der bereits Kinder genau wissen, was an ihrem Körper defizitär ist und geädert werden müsste, hat die US-amerikanische Fotografin Wendy Ewald ein Projekt entwickelt: „The Best Part of Me“ (https://youtu.be/XiYXGhce1X4?si=HKlF4zZRZ6fyFXul). Kinder und Jugendliche fotografieren ihren Lieblingskörperteil und schreiben einen lyrischen Text dazu, der ihre Selbstwertschätzung zum Ausdruck bringt.
Projektideen wie diese können uns der Utopie von Laurie Penny einen Schritt näher bringen: Menschen, die sich wohl fühlen in ihren Körpern. In Anbetracht der Tatsache, dass die Kultur der Selbstoptimierung viel menschliches Leid produziert (auch Essstörungen und Körperselbstwahrnehmungsstörungen) wäre es der Umsatzrückgang in der Beauty-Industrie wohl wert. Politiker, Pädagogen, Werbetreibende, Journalisten, Eltern, Models, Künstler und Fotografen sind gefragt aber, auch jede einzelne Frau und jeder einzelne Mensch.
*Hinweis: der Beitrag erschien 2018 im Tagesspiegel, Berlin und 2020 in einem Lehrmittel:
Holzwarth, Peter. 2020. Schönheitswahn und Profit: Die Kultur der Selbstoptimierung. In: Klartext. Arbeitsheft. Differenzierte Ausgabe. Baden-Württemberg. Braunschweig: Westermann, S. 13-15
Literatur:
Berger, John 1996. Sehen. Das Bild der Welt in der Bilderwelt. Hamburg: Fischer.
Penny, Laurie. 2012. Fleischmarkt. Weibliche Körper im Kapitalismus. Hamburg: Nautilus.