Lokale Lokale

von Anonymous

Livemusik gibt der Stadt bitter nötige Lebendigkeit.
Kunst lokaler Musizierenden lässt Lokale beben.
Töne, Klänge, Gesänge, Harmonien.
Eins, zwei, drei, vier und los.
Und ab dem Los ist alles anders. Ab dem Los ist alles freier. Alles so viel angenehmer.
Emotionen fliessen durch den Körper aufs Instrument und die Stimme.
Tanzende Menschenmengen geben den Musizierenden Ansporn noch mehr zu geben.
Noch mehr Emotion.
Noch mehr Passion.
Bis zum letzten Stück.
Zu-ga-be.
Zu-ga-be.
Und die Band kommt wieder zurück auf die Bühne.
Auf ein letztes Mal.
Danke für alles. Bis zum nächsten Mal
Das Licht geht aus und alles ist wieder normal. So wie vorher.

Anonymous studiert an der PH Zürich.

Hürdelauf

Ich ghöre s Auf-die-Plätze durch d Lutsprecher hinter mim Startblock. Mini Bei fühled sich glähmt ah und s Herz schlaht rasant. Ich lauf 2 Schritt und gahn in Startblock. «10 Hürde, zersch 17 Schritt, denn de Schritt lang bhalte und denn 18 Schritt, maximal 19, ja nöd meh, susch verlüri alles Tempo, denn ischs eh gsi.» Mini Händ zittered wo ich sie an Bode tuen. D Haar hanged links und rechts vom Gsicht abe und lenked mich vode Nervosität ab. «Etz gahts denn gad los», denki mer. «Ich wird so sterbe, wieso mach ich das?».
Fertig ertönt  dur  d Lutsprecher. Ich streck mini Hüft id Höchi – «chli wiiter füre mitem Oberkörper» – alles zitteret und min Chopf dreht dure. Ich ghör de Schuss. «Los, etz Bei usstosse, beschleunige, damit a die erst Hürde anechunsch.» Ich sprinte los. «Chnü höch, schnell über d Hürde, Nachziehbei füreneh. – Shit, die uf de Innebahn lauft scho uf! Egal, ich lauf mis Renne.» Scho überqueri die dritt Hürde. De Rhythmus stimmt immerno, d Bei fühled sich guet ah. D Chnü sind höch, d Ärm schwinged. «Okay, uf die foifti Hürde nomal en 17er, susch stimmts nüm».

Zuelaufe!, ghöri mini Trainerin vom Rand schreie. Das machi. 17 Schritt und scho bini bi 200 Meter anglangt, d Hälfti isch gschafft. Langsam wirdi müed. «Shit, etz mussi Bei wechsle. Aber ja nöd zviel Schwung verlüre, susch bisch gsi. Fuck, es hett mi verdreht.» Ich renne wiiter, de Rhythmus isch nüm nach Plan. Ich han en Schritt z viel gmacht, aber ändere chanis etz nüm. «Defür mussi etz umso meh pushe», denki. Scho bini uf de Zielgerade. «Nur no drü Hürde!» D Bei schmerzed, d Ärm schmerzed. Ich gspür nüm viel, de Chopf macht weh. « Zuelaufe, ja kein 20er! Denn chasch d Ziit gad vergesse.»

«Okay ich bin glich uf wie die andere, es isch nöd so schlecht.» Die Letzti Hürde chunnt. «Nur nöd umgheie, lupf s Nachziehbei! – Und etz renne, eifach renne, gad hesches gschafft, riss di zeme!» Alles macht weh. Ich setze für die letzte paar Schritt s einte Bei vor s andere, d Vorlag wird immer meh. Als wüssti nüm, wie laufe. Ich büge mich vor und schmeiss mich is Ziel. «Gschafft, es wiiters Mal». Ich liide sicher 30 Minute, aber s Guete isch: Morn hanis scho wieder vergesse und nöchst Wuche wiedeholt sich das Ganze.

Bild: Simona Tschumper

Dieser Text ist im Rahmen des Musik-/Theaterprojekts “OlymPiano – ein musikalischer Zehnkampf” von und mit Sek-Studierenden entstanden.

Dein Benz glänzt

von Kim Moser

(c) Kim Moser

Wie ein Licht,
in der dunklen Sicht,

erstrahlt dein Antlitz,
mich wie ein Blitz,

du erhellst meine Existenz,
wie ein Benz,

der in der Sonne glänzt,
denn dein Sein ist nicht begrenzt,

und jeder Tag mit dir ist ein Strahlenmeer,
deswegen fühle ich mich nie leer.

Kim Moser studiert an der PHZH und ist Tutorin im Schreibzentrum.

Medienwirkung: Die Überforderung der Medien bei Kindern

Im Rahmen der Lehrveranstaltung «Medienbildung und Informatik» geht es auch um das Thema Medienwirkung. In diesem Zusammenhang haben Studierende Kurzgeschichten verfasst (vgl. Holzwarth 2022, S. 160-161). Hier der Beitrag einer Studentin.


Till war erst neun Jahre alt, als er sein erstes Smartphone bekam. Er war unglaublich aufgeregt und konnte es kaum erwarten, es auszuprobieren. Doch schon bald merkte er, dass das Smartphone nicht nur ein Spielzeug war. Er verbrachte immer mehr Zeit auf seinem Handy und vernachlässigte seine Schularbeiten und seine Freunde. Seine Eltern bemerkten, dass etwas nicht stimmte und sprachen mit ihm darüber. Till blockte jedoch ab und reagierte gereizt.
Die Eltern waren überfordert. Sie wussten nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollten. Sie hatten keine Erfahrung mit Smartphones und Social Media. Sie versuchten zwar, mit Till zu reden, aber es schien nicht zu helfen. Die Überforderung der Medien bei Kindern ist ein ernstes Problem. Viele Kinder und Jugendliche werden süchtig nach ihrem Smartphone und den sozialen Medien. Sie vernachlässigen ihr Leben und ihre Verantwortung.
Es gibt jedoch auch Lösungen. Die Eltern von Till informierten sich und nannten klare Regeln und setzen Grenzen. Sie konnten mit ihm reden und ihm Alternativen aufzeigen. Tills Eltern entschieden sich dazu, seine Smartphone-Zeit einzuschränken und ihm somit nur noch begrenzte Zeit am Tag für das Smartphone zu geben. Es war nicht einfach, aber es half. Till konnte sich wieder auf seine Schularbeiten und seine Freunde konzentrieren und die Eltern konnten aufatmen.

Medienwirkung

Im Rahmen der Lehrveranstaltung «Medienbildung und Informatik» geht es auch um das Thema Medienwirkung. In diesem Zusammenhang haben Studierende Kurzgeschichten verfasst (vgl. Holzwarth 2022, 160–161). Hier der Beitrag von Laura Cassal.

Der Mann lag auf seinem Bett und starrte auf das Display seines Handys. Es war ein sonniger Tag draußen, aber er kümmerte sich nicht darum. Seine Augen waren fest auf das kleine Gerät gerichtet, während er durch soziale Medien scrollte und sich mit der digitalen Welt verband.

Seit Stunden hatte er nichts anderes getan, als auf das Handy zu starren. Er war zu faul, um aufzustehen und das Haus zu verlassen. Stattdessen verbrachte er seine Tage damit, auf dem Bett zu liegen und in sein Handy vertieft zu sein.

Seine Freunde hatten ihn seit Wochen nicht mehr gesehen. Er hatte Verabredungen abgesagt und auf Nachrichten nicht geantwortet. Seine Eltern waren besorgt und fragten sich, was mit ihrem Sohn los war.

Doch der Mann hatte keine Zeit für sie. Er hatte allein Augen für sein Handy und die unendlichen Möglichkeiten, die es ihm bot. Er konnte mit Freunden in Kontakt bleiben, die Tausende von Kilometern entfernt waren, er konnte Musik hören, Filme und Serien schauen, E-Mails lesen und sogar Essen bestellen – alles mit einem Klick auf das kleine Display.

Aber je länger er auf das Handy starrte, desto mehr fühlte er sich leer und einsam. Er wusste, dass er etwas ändern musste. Er stand auf und ging nach draußen, um die Sonne auf seinem Gesicht zu spüren. Es war ungewohnt, aber er merkte schnell, wie gut es ihm tat, einen Schritt weg von der digitalen Welt zu machen.

Medienwirkung

Im Rahmen der Lehrveranstaltung «Medienbildung und Informatik» geht es auch um das Thema Medienwirkung. In diesem Zusammenhang haben Studierende Kurzgeschichten verfasst (vgl. Holzwarth 2022, S. 160-161). Hier der Beitrag eines Studenten.

Was schikt mir dTanja wieder sonen Artikel vo de WOZ? «Wem gehört das Stadtbild», aber buah han doch ghat kei bock zum lese. Aber suscht denkt tanja wieder ich interessier mich ned für politik und bezieh kei stellig, aber sie schickts mer ja au numme zum zeige dass sie list, isch jetzte ja ned so, dass das thema «Stadtbild» mega zu mine interesse ghört. Jä wobie verpassi ja eppis wennis ned lise und vlt hett sis mer ja scho usemene grund gschickt denn luegi doch mal um was es ghat…. Hä was kei werbig ide urbane Öffentlichkeit? Und was isch mitem ganze Geld wo vo de Werbig produziert wird? Und was isch mitem Roger und de Carol wo die Werbe branche schaffet? Aber wie würd denn dStadt usgseh? Wer ja schono cooli vorstellig, irgendwie no schwirig sich zvorstelle. Aber werbig ghat ja ned verlore eh etze wo soviel werbig online isch. Ich han zgfühl ich gseh gar ned so viel werbig, aber vlt fallts mer gar ned uf. Hmm was selli etze de Tanja schicke? Ganz hanni de Artikel ja ned glese? Sie findets sicher voll cool, dass das diskutiert wird aber glaube gitt ja scho au negativi aspekt devo aber wüsst etze au ned ghat welli. Aber wenni etze da degege bin hett sie sgfühl ich bin wieder so antiprogressiv. Aber dWOZ het ja scho reccht. Chan sie mer ned eifach mal es scheiss meme oder es reel schicke, wott doch ned ghat mal kei verwantwortig überneh. Egal etze hett sie eh scho gseh, dassi de link ufgmacht han und wenni ned zruggschriebe denkt sie ich bin voll langsam im lese. Ich schriebe ihre eifach «mega spannend» .

Medienwirkung

Im Rahmen der Lehrveranstaltung «Medienbildung und Informatik» geht es auch um das Thema Medienwirkung. In diesem Zusammenhang haben Studierende Kurzgeschichten verfasst (vgl. Holzwarth 2022, S. 160-161). Hier der Beitrag von Lea Widmer.

«Mama, Mama guck mal!», kreischt Charlotte und Mama Nina schaut – durch die Kamera. Die Bilder– mal mit Quatsch im Kopf, mal frustriert, wie ein Kind eben ist, im Schwimmbad, zuhause, im Spiel, im Alltag. Die Bilder auf Insta – gelikt und kommentiert von Opa der nun endlich einen Grund hat, sich ‘das mit dem Handy’ beizubringen, von Götti und Gotte, die sich freuen über ihr liebstes Charlottelinchen. Von den Nachbarn, und deren Freunde, deren Arbeitskollegen und denen, das werden wohl Bekannte von jenen sein, oder einfach Menschen, denen der Algorithmus halt die Bilder vorschlägt. Menschen die Kinder mögen, es lieben, die süssen Bilder der Kleinen zu sehen. Und die, die kleine Kinder lieben.
30% der Bilder auf einer der grössten Kindsmissbrauchsdarstellungs-seiten stammen von Insta und Facebook. Charlotte weiss davon noch nichts. Nina auch nicht, nicht, naja, nicht wirklich. Und hey, es ist 2023 und wir betreiben kein Opferblaming mehr. Wir nehmen die Täter in die Verantwortung und die Opfer brauchen sich nicht zu schämen.
Nicht schämen. Nicht schämen. Denkt Charlotte später. Jahre später. In der Oberstufe und tut ihr Bestes, in ihrem Kopf das Kichern und Flüstern auszublenden. Das ist noch bevor Charlotte zum ersten Mal auf diese Seiten geraten wird, diese Seiten wo die Fotos kommentiert sind, mit genauen Beschreibungen, was die lieben Onkel mit der kleinen Maus zu tun gedenken.

Dieser eine Schritt

von Jonas Maurer

Was mache ich hier? Nur ein Schritt, eine Tür öffnen und mein Leben wird sich für immer verändern. Eben freute ich mich noch auf diesen Moment und jetzt? Wer ist diese Frau im Spiegelbild? Will sie das wirklich? Ist sie schon bereit diesen Schritt zu gehen? Dieses wunderschöne Kleid in diesem fast schon unwirklichen Entrée. Diese Ohrringe, so schöne hatte ich noch nie und doch ziehen sie mich nach unten, als wären es Bleigewichte, welche mich in die Tiefe eines Sees ziehen und mich ertrinken lassen. Ich, der Gang und diese Tür. Die Tür, die, wenn ich sie öffne, alles verändert. Falls ich sie öffne. Mein Spiegelbild schaut mich unwirklich an. Ein kurzer Moment der Entschlossenheit und dann? Schon wieder passé. Unsicherheit. Meine Hände zittern. Vor Angst, vor Aufregung oder von beidem? Ich weiss es nicht. Das kann doch nicht sein! Ich habe so lange auf diesen Moment gewartet, habe mich gefreut, fast schon in etwas reingesteigert. Ja, vielleicht ist es das. Ja, genau das muss es sein. Ich habe mich zu sehr gefreut. So einfach, und nun habe ich kalte Füsse bekommen. Ich fürchte mich davor, dass die, in jedem Augenblick gefühlte Freude, der Vorfreude nicht genügen kann. Ja, das muss es sein. Und nun nehme ich diesen Knauf in die Hand und… oder ist das nicht eine Türklinke? Ganz klar, eine Türklinke, aber das ist doch sans importance. Wichtig ist nur, dass ich jetzt die Türklinke in die Hand nehme und endlich diese Tür öffne. Diese Tür, die alles verändert. Diese Tür, die das Tor zu einer langersehnten Zukunft bedeutet. Zu meiner Zukunft! Meine Hände sind schwitzig. Ich beginne noch heftiger zu atmen als schon zuvor. Mein Herz pocht, es droht zu zerspringen. Adeline verliere die Contenance nicht! Atme tief ein, schau dir in die Augen, du kannst das. Das ist dein langersehnter Moment. Doch jetzt, sowie ich in meine Augen blicke, sehe ich Angst. Panik! Ich kann nicht! Das ist zu viel für mich! Ich kann immer noch zurück ich… kann ich das noch? Kann ich wirklich noch zurück? So weit habe ich es gebracht, so weit bin ich gekommen, so viel habe ich investiert und nun zurück? Nein ich kann nicht mehr. Ich stecke viel zu weit drin. Ich kann nicht. Ich ging zu weit. Ich kann unmöglich zurück, was würden sich die anderen denken? Adeline nimm dich zusammen und hab ein wenig Courage. Es ist nur eine Türe, nur ein Knauf, nur ein Schritt. Eigentlich nur ein kleiner Schritt, aber ein grosser Schritt für mich. Alles wird sich ändern. Meine Knie zittern. Mein Herz pocht. Mein schönes Kleid, dessen sanfter Samt mich umgibt. Ich habe schon viele schöne Kleider getragen, aber dieses übertrifft alle und genauso wird dieser Moment sein, in dem ich endlich diese Türe öffne. Das Tor zu einer neuen Welt. Zu einer Besseren. Mein Spiegelbild blickt mir in die Augen. Dieser Blick, diese Augen, ce visage. Es sieht mich entschlossen an. Diese Entschlossenheit in meinem Gegenüber. Und doch, tief in mir, spüre ich noch einmal die Unsicherheit aufkommen. Wäre ich doch nur so entschlossen, wie mein Spiegelbild. Wäre ich doch diese entschlossene Frau. In mir kämen keine Zweifel auf. Ich stünde nicht so lange vor dieser Türe. Ich ginge, ohne zu zögern durch dieses Tor. Aber vielleicht brauche ich diese Unsicherheit. Vielleicht brauche ich diese Zweifel. Vielleicht brauche ich noch diesen einen letzten Kampf gegen mich selbst. Doch wer gewinnt? Mein Spiegelbild! Dieses Spiegelbild, das mich ohne Zweifel ohne jegliche Unsicherheit ansieht. Liebend, dass ich gleich diesen Schritt gehen werde. In Erwartung, dass ich gleich dieses Tor öffne und sich mir eine neue Welt bietet. Voller Freude, dass ich diesen Schritt nun gehe. Noch immer habe ich schwitzige Hände, noch immer pocht mein Herz, noch immer zittern meine Knie. Aber nichts kann mir diese Gewissheit nehmen! Hinter dieser Türe befindet sich mein neues Leben. Ein besseres, eines, dass ich wirklich will. Noch einmal sehe ich in meine Augen. Mein Spiegelbild geht voraus, macht den ersten Schritt. Und dann, kurz vor dem Ergreifen des Knaufs, der Türklinke, drehe ich mich noch einmal um.

Jonas Maurer studiert auf der Sekundarstufe 1.

Werbepause

Im Rahmen der Lehrveranstaltung «Medienbildung und Informatik» geht es auch um Medienethik und Wertefragen im Kontext von Digitalisierung. In diesem Zusammenhang haben Studierende dystopische Kurzgeschichten verfasst. Hier der Beitrag von Deborah Suter:

Ruhe ist etwas kostbares. Angeblich konnte man sich früher unbegrenzt und ungestört an einem ruhigen Ort aufhalten und geniessen. Kaum vorstellbar für die heutige Zeit. Ruhe wird hart erkämpft, eingelöst an den wichtigen Stellen.

Als es das erste Mal ruhig war fiel Adrian fast von seinem Stuhl. Mitten im Tag von keinen Werbungen berieselt zu werden war nicht nur ungewohnt, sondern gleichzeitig auch erschreckend und komisch. Es wurde ihm bewusst, wie sehr er sich das ständige Hintergrundgeräusch von auf ihn abgestimmten Werbungen gewohnt war.

Es stimmt, dass dies eigentlich das zu erwartende Ergebnis gewesen wäre, aber der Erfolg erschien ihm während seiner Nachforschungen und Versuchen trotzdem weit hergeholt. Seit mehreren Jahren hatte Adrian an einem Softwareprogramm, welches die Werbung in seinem Implantat blocken kann, gearbeitet. Sein plötzliches Gelingen zog verschiedene Konsequenzen mit sich, einige waren zu erwarten, andere kamen plötzlich aber ergaben bei genauerem Hinsehen Sinn.

Dies war auch der Grund für Adrians heutige Abendbeschäftigung. Nervös blickte er hin und her und zog seinen Hut tiefer über sein Gesicht. Ein lächerlicher Versuch unbemerkt zu bleiben, seine Daten waren schliesslich mit seinem Implantat für jeden erhältlich. So auch sein Aufenthaltsort, sollte jemand wirklich nach ihm suchen. Trotzdem war er so unauffällig wie nur irgend möglich gekleidet, wenn auch nur um ihm ein Gefühl von Sicherheit zu geben.

«Hast du die Kopien?»

Adrian zuckte zusammen. Die raue Stimme gehörte zu Nummer 86. Ein Offizieller. Seine eigentliche Aufgabe wäre es die Werbeeinstrahlung von verschiedensten Personen zu überwachen und wo nötig Anpassungen vorzunehmen. Bei einem Überzug der zur Verfügung stehenden 8 Stunden Werbepause pro Tag müsste Nummer 86 Nachforschungen anstellen und die Person wenn nötig in Gewahrsam nehmen.

Adrians erster Erfolg die Werbeeinstrahlung in seinem Implantat zu blocken war mit vielen Fehlern verbunden, für die er sich bis jetzt noch verfluchte. So hatte er vergessen in seinem Programm einen Sender einzusetzen, welcher eine Werbeeinstrahlung an die Zentrale weiterleitet.

Seine neu gewonnene Ruhe konnte Adrian nicht lange geniessen und bekam Angstzustände als Nummer 86 einen Tag später Kontakt zu ihm aufnahm. Bis Heute ist sich Adrian nicht sicher, ob er es als Glück oder Unglück bezeichnen soll, dass gerade Nummer 86 sein Überwacher war.

Als Antwort auf die Frage zog Adrian einen USB-Stick aus seiner Jacke hervor und nickte. Nummer 86 schnaubte auf und murmelte vor sich hin, während er Adrian in eine Nebengasse zog: «Ich verstehe wirklich nicht, warum du die Files auf so einem altmodischen Speichergerät mit dir herumträgst.» Dass sie auf allen aktuellen Speichergeräten sofort aufgefallen wären schien er dabei völlig zu vergessen.

Mittlerweile war sich Adrian an die Reihenfolge eines solchen Abends gewöhnt. Heimlich auf der Strasse treffen, Kopien machen, unauffällig wieder nach Hause laufen. Dieser Ablauf war üblich bei jedem Mal, wenn Nummer 86 einen oder eine Interessente/n fand und in das Schwarzmarktgeschäft hineinzog.

In der Nebengasse wartete auch schon der heutige Kunde auf sie. Nervös umherblickend wuschelte er sich durch die Haare. Der Anblick von Nummer 86 und Adrian schien noch mehr aus der Fassung zu werfen, er fing sich jedoch schnell wieder und schenkte den Beiden ein unsicheres Lächeln.

Adrian fiel in seine Routine zurück und zusammen mit Nummer 86 installierte er das Programm im Implantat des Kunden. Die Reaktion auf die Ruhe war das Einzige, was Adrian nicht von den illegalen Machenschaften abhielt. Überraschung, Unsicherheit und schliesslich Entspannung.

Entspannung war das, was Adrian sich am meisten durch das Softwareprogramm gewünscht hat. Geniessen konnte er sie nur für die Zeit bis Nummer 86 ihn gefunden hat.

Seine Arbeit hatte ebenfalls mit Softwareprogrammen zu tun. Die Fähigkeiten, die er für die Arbeit brauchte, befähigten ihn auch das eigene Programm zu entwickeln. Während der Arbeit hat er heimlich an seinem Programm gearbeitet. Still und leise, darauf bedacht nicht aufzufallen.

Gelungen ist es ihm nicht, seine Mitarbeiterin entlarvte ihn nach etwa einem Jahr. Sie war eine seiner ersten Kunden. Hannah entwickelte das Programm so weiter, dass es noch weniger auffällt, seither konnten Adrian und Nummer 86 bedeutend mehr Kunden dafür gewinnen.

Der Kunde verabschiedete sich schnell. Wenn Adrian mehr darauf geachtet hätte, wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass die Nervösheit des Kunden nicht nachgelassen hat, sondern sich eher noch vergrösserte.

So schloss Adrian aber einfach die Augen und wartete bis Nummer 86 das Geschäftliche erledigte. Als er von einigen Geldscheinen auf die Hand geschlagen wurde, öffnete er die Augen wieder und seufzte laut auf. Er schnappte sich seinen Anteil und versorgte ihn schnell in seiner Brieftasche.

«Wenn das so weitergeht, kann ich mir bald die neue Version leisten.»

Nummer 86 lachte dreckig und fächerte sich mit seinen eigenen, deutlich mehr, Geldscheinen Luft zu. Wahrscheinlich redete er wieder von einem neuen Auto. Adrian verdrehte die Augen und drehte sich zum Gehen um.

«Du könntest mir ruhig mehr vertrauen, wir arbeiten schon über sieben Monate miteinander.»

«Du hast das Implantat doch bereits umprogrammiert, wozu brauchst du das Programm?»

«Ganz einfach, falls dir was zustösst. Und wir sind Partner, hast du jemals davon gehört, dass ein Partner eines Projektes kein Zugriff darauf hat?»

«Mir geschieht nichts, Nummer 86 hat mich ja damals erwischt, er untersucht meine Spuren und verwischt sie.»

«Mach nicht auf blöd, gib mir einfach eine Kopie.»

Bevor Adrian noch die Seitengasse verlassen konnte, hörte er Sirenen und wurde von mehreren Offiziellen umzingelt. In der Mitte stand sein heutiger Kunde, der Zeigefinger auf Adrian und Nummer 86 gerichtet und die Augen weit aufgerissen.

Es war zwecklos wegzurennen. Hinter ihm befand sich eine Sackgasse, Beweise lagen in seiner Jackentasche und im Implantat des Kunden.

Nummer 86 ruf aus, fluchte, schob die ganze Schuld auf Adrian, aber es war zwecklos. Auch er wurde von den Offiziellen festgenommen. Die Blicke die er zugeworfen bekam fast noch böswilliger als die auf Adrian. Er hatte das Vertrauen seiner Mitarbeitenden missbraucht.

Adrians letzter Gedanke galt Hannah und der Kopie, welche er ihr eine Woche zuvor doch noch zukommen hatte lassen. Was sie damit anstellen würde konnte er nicht ahnen, genauso wie Hannah niemals wissen würde, was mit ihm passiert ist.

Deborah Suter, 2021

Mein Spiegelbild

Im Rahmen der Lehrveranstaltung «Medienbildung und Informatik» geht es auch um Medienethik und Wertefragen im Kontext von Digitalisierung. In diesem Zusammenhang haben Studierende dystopische Kurzgeschichten verfasst. Hier der Beitrag von Sharon Alfred:

Heute lag ich gemütlich und gelangweilt auf meinem Bett und scrollte durch Instagram. Auf meiner Instagram Explorer-Seite fand ich hauptsächlich Mädchen, die über ihre «Fitness-Reisen» berichteten, Frauen, die lächelnd, über «Body Positivity» posierten, während sie Ratschläge zur Gewichtsabnahme gaben. Dann gab es noch die dünnen Influencer, die sich verrenkten, um zu zeigen, dass sie auch Bauchfett haben. Aber durch diese Aktion liessen sie bewusst ihren beneidenswerten Körper noch beneidenswerter erscheinen.

Ich sah kurz von meinem Handy weg und erblickte mein Spiegelbild vor mir.

Mein Spiegelbild, das mich immer versucht zu würgen.

Mein Spiegelbild, das mich zum Weinen bringt.

Mein Spiegelbild, das mir die unverblümte Wahrheit offenlegt.

Mein Spiegelbild und ich.

Aus Gewohnheit schloss ich meine Augen. Natürlich war ich mir bewusst, dass ich nicht von meinem Spiegelbild wegrennen konnte, aber jedes Mal, wenn ich meinem Spiegelbild gegenüberstehe, habe ich das Gefühl, es wolle mich zu Tode würgen.

Langsam öffnete ich meine Augen und sah mich von oben bis unten an. Auf den ersten Blick vielen mir sofort meine Imperfektionen auf. Besonders störend fand ich meinen dicken Bauch. Ich bin nicht in der Lage einen flachen Bauch zubekommen, wie diese Influencer von vorhin. Meine Mutter sagt immer, dass die äusseren Merkmale nicht die Schönheit definieren. Was für ein Nonsens. Sie würde mich besser verstehen, wenn sie auch diese Influencer sehen würde, die immer ihren perfekten Körper posten. Unsere Gesellschaft liebt nun mal diesen Körperbau und da fragt sich meine Mutter, wieso ich mich nicht selbst liebe.

Um mich besser im Spiegel zu betrachten, band ich mir meine Haare zu einem Pferdeschwanz. Ich liess einen lauten Seufzer von mir. Ich mache so viel Sport und esse kaum etwas, aber trotzdem sieht mein Körper genauso hässlich aus wie vorher. Wieso fallen mir immer die negativen Dinge an mir auf?

Ich verdrehte genervt meine Augen und wollte mich wieder in mein Bett einkuscheln, um meine Zeit auf Instagram zu vergeuden, als plötzlich mein Spiegelbild mich frech angrinste.

Erschrocken fuhr ich hoch. Mir lief der Schweiss den Rücken hinunter. Zu meiner Erleichterung stellte ich fest, dass mein Spiegelbild nur eine Einbildung war.

Etwas unruhig schaute ich wieder auf mein Handy. Natürlich mussten mir genau jetzt schöne Gesichter und perfekte Körper vorgeschlagen werden. Es ist, als ob die schlauen Algorithmen sich über mich lustig machen würden, dass ich so aussehe, wie ich bin.

Auf einmal wurde mir eine Werbung angezeigt, welche eine definitive Gewichtsabnahme verspricht.

Ich überlegte kurz, ob ich nicht vielleicht doch Medikamente nehmen sollte, um perfekt auszusehen. Nein, das brauche ich nicht. Ich muss nicht so perfekt aussehen, um von anderen gemocht zu werden.

Meine Emotionen waren auf einmal unkontrollierbar und ich fing an zu weinen. Voller Wucht warf ich mein Handy gegen den Spiegel. Im Hintergrund konnte ich noch das Klirren der Scherben hören.

Mit Tränen in den Augen versuchte ich von meinem Bett aufzustehen, als mich plötzlich etwas zurückstiess.

«Vielleicht solltest du diese Medikamente nehmen?» Als ich diese Stimme hörte, weiteten sich meine Augen. Vor mir stand mein Spiegelbild. «Was willst du von mir?», fragte ich.

Mein Spiegelbild grinste mich frech an und sagte: «Ich bin du und du bist ich. Solange du unglücklich bist, kann ich auch nicht glücklich sein. Dein Gefühlschaos kommt daher, dass wir beide nicht mehr ein und dasselbe sind. Du willst etwas werden, dass ich einfach nicht bin.»

«Hör auf mich zu manipulieren!», schrie ich voller Verzweiflung. Mein Spiegelbild setze sich neben mir hin und hielt das Medikament, dass ich mir besorgen wollte, in der Hand.

«Wenn das das Einzige ist, dass dich glücklich macht, dann nehme dieses Medikament. Falls du dich aber selbst liebst, so wie du bist, dann nehme es nicht.»

Ohne zu Überlegen nahm ich das Medikament und schluckte es hinunter. Es war sehr hart und schwer zu verdauen. Plötzlich drehte sich der ganze Raum um mich herum. Mein Spiegelbild sah mich zornig an und begann eine andere Gestalt anzunehmen. Vor mir stand plötzlich eine abgemagerte Version von mir. Ich sah schrecklich aus. Bevor ich mein Bewusstsein verlor, flüsterte mir mein Spiegelbild ins Ohr: «In Wirklichkeit sahst du immer so aus.»

Sharon Alfred