Zusammenzeit

von Kim Moser

Jetzt und dann,
vorausgesetzt es gibt ein wann,

werden wir zu zweit,
bis ans Ende der Unendlichkeit,
gemeinsam schreiten
und hierbei Wege bereiten,

uns ins Glücke reiten,
aber auch vor Aufgaben scheitern,
um uns anschliessend aufzuheitern,
weil wir die Gabe haben uns zu begeistern,

zu begeistern für das, was niemand sieht,
für das, was vor den meisten Augen flieht,
für das, was uns beide in den Bann zieht,
das ist uns lieb,

und genau das ist, was uns blieb,
das, was uns zusammenhielt,
während all diesen Jahren,
ist das nicht abgefahren?

Jeder weitere Stein während unserem Sein,
werden wir nicht bestreiten allein,
denn du und ich, wir wissen, du bist mein und ich bin dein,
und das finden wir ganz fein,
denn am Schluss werden wir Berge versetzen,
und uns weiterhin gemeinsam vernetzen. 

(c) Kim Moser

Medienwirkung

Im Rahmen der Lehrveranstaltung «Medienbildung und Informatik» geht es auch um das Thema Medienwirkung. In diesem Zusammenhang haben Studierende Kurzgeschichten verfasst (vgl. Holzwarth 2022, S. 160-161). Hier der Beitrag eines Studenten.

Was schikt mir dTanja wieder sonen Artikel vo de WOZ? «Wem gehört das Stadtbild», aber buah han doch ghat kei bock zum lese. Aber suscht denkt tanja wieder ich interessier mich ned für politik und bezieh kei stellig, aber sie schickts mer ja au numme zum zeige dass sie list, isch jetzte ja ned so, dass das thema «Stadtbild» mega zu mine interesse ghört. Jä wobie verpassi ja eppis wennis ned lise und vlt hett sis mer ja scho usemene grund gschickt denn luegi doch mal um was es ghat…. Hä was kei werbig ide urbane Öffentlichkeit? Und was isch mitem ganze Geld wo vo de Werbig produziert wird? Und was isch mitem Roger und de Carol wo die Werbe branche schaffet? Aber wie würd denn dStadt usgseh? Wer ja schono cooli vorstellig, irgendwie no schwirig sich zvorstelle. Aber werbig ghat ja ned verlore eh etze wo soviel werbig online isch. Ich han zgfühl ich gseh gar ned so viel werbig, aber vlt fallts mer gar ned uf. Hmm was selli etze de Tanja schicke? Ganz hanni de Artikel ja ned glese? Sie findets sicher voll cool, dass das diskutiert wird aber glaube gitt ja scho au negativi aspekt devo aber wüsst etze au ned ghat welli. Aber wenni etze da degege bin hett sie sgfühl ich bin wieder so antiprogressiv. Aber dWOZ het ja scho reccht. Chan sie mer ned eifach mal es scheiss meme oder es reel schicke, wott doch ned ghat mal kei verwantwortig überneh. Egal etze hett sie eh scho gseh, dassi de link ufgmacht han und wenni ned zruggschriebe denkt sie ich bin voll langsam im lese. Ich schriebe ihre eifach «mega spannend» .

Die Krönung

Nadia Gsell

Der Stab erhebt sich, das letzte Gemurmel verstummt, und für eine Millisekunde ist es mucksmäuschenstill. Nach dem hörbaren Einatmen der Musiker erklingt eine Fanfare, die meine Augen schliessen lässt. Die ersten Klänge ziehen mich sofort mit in ihre Traumwelt, die sich fern von meiner Wirklichkeit befindet. Plötzlich sehe ich mich inmitten eines Schlosses, bei dem die Krönung der angehenden Königin im Gange ist. Alle Bürger strahlen vor Freude, jubelnd und gratulierend stehen sie in den Mengen. Die Trompeten oben auf den Rängen spielen die majestätischen Töne, welche abgestimmt mit den Schritten der Königin sind. Doch schlagartig ändert sich die Szenerie und drei maskierte Männer kommen anzurennen. Die Musik wird schneller, mein Puls rast. Es herrscht Panik, Chaos und alle Bürger fürchten um ihr Leben. Ein lauter Schrei hallt durch den Raum und ich sehe, wie die Königin zusammenbricht. Ihr Gesicht schmerzverzehrt, aber nicht durch einen körperlichen Angriff. Vielmehr fällt ihr Blick auf die Diebe, die mit ihrem über Generationen weitergegebenen Mantel verschwinden. Mit einem Mal wird es ruhiger, die Menschen schauen auf und aus dem Tor kommt ein Ritter. Ein Ritter in strahlender Rüstung und einem Pferd, welches das beeindruckendste Fell hat, das ich je gesehen habe. Hörbar wird die Musik wieder friedlicher, majestätischer und hoffnungsvoller. Der Ritter geht in moderatem Tempo, hilft der zusammengebrochenen Königin und gibt ihr das Versprechen, die Diebe zu finden.
Jubeln der Bürger ertönt, Hoffnung blüht auf und der Ritter reitet im Galopp aus dem Schloss hinaus. Die Musik wird angenehm, ich fühle mich, als wäre ich der Ritter. Reitend durch die schönsten Landschaften, über Felder, Berge und endlose Weiten. Hie und da höre und sehe ich unterschiedliche Tiere. Doch plötzlich verstummt die Musik, meine innere Traumwelt verdunkelt sich und ich höre nur noch das erleichterte Atmen der Musiker. Ich schlage die Lider auf, sehe wie der Dirigierstab sich senkt. Tosender Applaus füllt meine Ohren und ein kleiner Tropfen schwappt aus meinem Auge über die Wange. Danke Musik.

Nadia Gsell ist Studentin der Sekundarstufe I.

Medienwirkung

Im Rahmen der Lehrveranstaltung «Medienbildung und Informatik» geht es auch um das Thema Medienwirkung. In diesem Zusammenhang haben Studierende Kurzgeschichten verfasst (vgl. Holzwarth 2022, S. 160-161). Hier der Beitrag von Lea Widmer.

«Mama, Mama guck mal!», kreischt Charlotte und Mama Nina schaut – durch die Kamera. Die Bilder– mal mit Quatsch im Kopf, mal frustriert, wie ein Kind eben ist, im Schwimmbad, zuhause, im Spiel, im Alltag. Die Bilder auf Insta – gelikt und kommentiert von Opa der nun endlich einen Grund hat, sich ‘das mit dem Handy’ beizubringen, von Götti und Gotte, die sich freuen über ihr liebstes Charlottelinchen. Von den Nachbarn, und deren Freunde, deren Arbeitskollegen und denen, das werden wohl Bekannte von jenen sein, oder einfach Menschen, denen der Algorithmus halt die Bilder vorschlägt. Menschen die Kinder mögen, es lieben, die süssen Bilder der Kleinen zu sehen. Und die, die kleine Kinder lieben.
30% der Bilder auf einer der grössten Kindsmissbrauchsdarstellungs-seiten stammen von Insta und Facebook. Charlotte weiss davon noch nichts. Nina auch nicht, nicht, naja, nicht wirklich. Und hey, es ist 2023 und wir betreiben kein Opferblaming mehr. Wir nehmen die Täter in die Verantwortung und die Opfer brauchen sich nicht zu schämen.
Nicht schämen. Nicht schämen. Denkt Charlotte später. Jahre später. In der Oberstufe und tut ihr Bestes, in ihrem Kopf das Kichern und Flüstern auszublenden. Das ist noch bevor Charlotte zum ersten Mal auf diese Seiten geraten wird, diese Seiten wo die Fotos kommentiert sind, mit genauen Beschreibungen, was die lieben Onkel mit der kleinen Maus zu tun gedenken.

Vergnügungen

Celina Sulger (Remake zu Bertholt Brecht)

der erste Blick aus dem Fenster am Morgen

müde Gesichter, aus der Traumwelt erwachen

Vogelgezwitscher, Energie versprühen

erhellend, kraftvoll

fröhlich, federleicht

Kontrast, Abwechslung

Neustart, doch wann

lebendig, real

eintönig, doch bequem

den grauen Alltag einfärben

Wärme, Vertrautheit

flauschiges,

liebenswertes Tier

klägliches Miauen

Gebrauchtwerden

sinnstiftend, den Traum leben

dankbar sein.

Das Gedicht entstand im Rahmen des Workshops “Kreatives Schreiben leicht gemacht: Das motivierende Prinzip «Remake»” (FS 2023)

Vgl. Blogbeitrag “Kreatives Schreiben und Life Skills” (Holzwarth 2023)

bygone

Kim A. Moser

Is there anything as sweet to remember as a bygone holiday? And I mean really remember, with all its vivid details. The delightful local food you ate, the chilly water embracing your sun-kissed body, heated up by the gentle rays of sunshine. Floating as the waves carry you, far away into the vast ocean. Carried away by the waves of the salty water, which form a smile at the corners of your mouth. That feeling of lightness and sense of pleasure carries you further. Far, far away into the wild, wide, expansive ocean. More water than your eyes can gather, neither your brain can process, nor your lungs can’t fathom the infinity. Way too much, way too big. That feeling of weightlessness is following you into your dreams. You’ll never forget the delicious local food you nourished your belly with and all the sweets that delighted your heart, with your eyes closed and taste buds dancing in delight. The memories of meandering through foreign streets, the scent of freshly washed laundry, drying and flying in the breezy, salty wind underneath the searing heat of the divine sun and still protected by the paradisical trees from the divinity. The laundry is surrounded by pure heavenliness. This feeling stays with you even in your deepest dreams, as you lie in your bed, wrapped in freshly laundered sheets carrying the aroma of the sea of flowers, while you are being carried off into the dreamland of your treasured bygone holiday. Whether it was a holiday from last week, last month, last year, or a lifetime ago. You’ll always hold those memories close to your heart. The bygone time is inconsequential; every bit of those cherished moments will remain etched in your mind forever and you will always remember at least a fragment of your bygone holidays as if you’re reliving them all over again. As if you were forever on holiday.

Kim A. Moser ist Tutorin im Schreibzentrum und Studentin Sekundarstufe

Werbepause

Im Rahmen der Lehrveranstaltung «Medienbildung und Informatik» geht es auch um Medienethik und Wertefragen im Kontext von Digitalisierung. In diesem Zusammenhang haben Studierende dystopische Kurzgeschichten verfasst. Hier der Beitrag von Deborah Suter:

Ruhe ist etwas kostbares. Angeblich konnte man sich früher unbegrenzt und ungestört an einem ruhigen Ort aufhalten und geniessen. Kaum vorstellbar für die heutige Zeit. Ruhe wird hart erkämpft, eingelöst an den wichtigen Stellen.

Als es das erste Mal ruhig war fiel Adrian fast von seinem Stuhl. Mitten im Tag von keinen Werbungen berieselt zu werden war nicht nur ungewohnt, sondern gleichzeitig auch erschreckend und komisch. Es wurde ihm bewusst, wie sehr er sich das ständige Hintergrundgeräusch von auf ihn abgestimmten Werbungen gewohnt war.

Es stimmt, dass dies eigentlich das zu erwartende Ergebnis gewesen wäre, aber der Erfolg erschien ihm während seiner Nachforschungen und Versuchen trotzdem weit hergeholt. Seit mehreren Jahren hatte Adrian an einem Softwareprogramm, welches die Werbung in seinem Implantat blocken kann, gearbeitet. Sein plötzliches Gelingen zog verschiedene Konsequenzen mit sich, einige waren zu erwarten, andere kamen plötzlich aber ergaben bei genauerem Hinsehen Sinn.

Dies war auch der Grund für Adrians heutige Abendbeschäftigung. Nervös blickte er hin und her und zog seinen Hut tiefer über sein Gesicht. Ein lächerlicher Versuch unbemerkt zu bleiben, seine Daten waren schliesslich mit seinem Implantat für jeden erhältlich. So auch sein Aufenthaltsort, sollte jemand wirklich nach ihm suchen. Trotzdem war er so unauffällig wie nur irgend möglich gekleidet, wenn auch nur um ihm ein Gefühl von Sicherheit zu geben.

«Hast du die Kopien?»

Adrian zuckte zusammen. Die raue Stimme gehörte zu Nummer 86. Ein Offizieller. Seine eigentliche Aufgabe wäre es die Werbeeinstrahlung von verschiedensten Personen zu überwachen und wo nötig Anpassungen vorzunehmen. Bei einem Überzug der zur Verfügung stehenden 8 Stunden Werbepause pro Tag müsste Nummer 86 Nachforschungen anstellen und die Person wenn nötig in Gewahrsam nehmen.

Adrians erster Erfolg die Werbeeinstrahlung in seinem Implantat zu blocken war mit vielen Fehlern verbunden, für die er sich bis jetzt noch verfluchte. So hatte er vergessen in seinem Programm einen Sender einzusetzen, welcher eine Werbeeinstrahlung an die Zentrale weiterleitet.

Seine neu gewonnene Ruhe konnte Adrian nicht lange geniessen und bekam Angstzustände als Nummer 86 einen Tag später Kontakt zu ihm aufnahm. Bis Heute ist sich Adrian nicht sicher, ob er es als Glück oder Unglück bezeichnen soll, dass gerade Nummer 86 sein Überwacher war.

Als Antwort auf die Frage zog Adrian einen USB-Stick aus seiner Jacke hervor und nickte. Nummer 86 schnaubte auf und murmelte vor sich hin, während er Adrian in eine Nebengasse zog: «Ich verstehe wirklich nicht, warum du die Files auf so einem altmodischen Speichergerät mit dir herumträgst.» Dass sie auf allen aktuellen Speichergeräten sofort aufgefallen wären schien er dabei völlig zu vergessen.

Mittlerweile war sich Adrian an die Reihenfolge eines solchen Abends gewöhnt. Heimlich auf der Strasse treffen, Kopien machen, unauffällig wieder nach Hause laufen. Dieser Ablauf war üblich bei jedem Mal, wenn Nummer 86 einen oder eine Interessente/n fand und in das Schwarzmarktgeschäft hineinzog.

In der Nebengasse wartete auch schon der heutige Kunde auf sie. Nervös umherblickend wuschelte er sich durch die Haare. Der Anblick von Nummer 86 und Adrian schien noch mehr aus der Fassung zu werfen, er fing sich jedoch schnell wieder und schenkte den Beiden ein unsicheres Lächeln.

Adrian fiel in seine Routine zurück und zusammen mit Nummer 86 installierte er das Programm im Implantat des Kunden. Die Reaktion auf die Ruhe war das Einzige, was Adrian nicht von den illegalen Machenschaften abhielt. Überraschung, Unsicherheit und schliesslich Entspannung.

Entspannung war das, was Adrian sich am meisten durch das Softwareprogramm gewünscht hat. Geniessen konnte er sie nur für die Zeit bis Nummer 86 ihn gefunden hat.

Seine Arbeit hatte ebenfalls mit Softwareprogrammen zu tun. Die Fähigkeiten, die er für die Arbeit brauchte, befähigten ihn auch das eigene Programm zu entwickeln. Während der Arbeit hat er heimlich an seinem Programm gearbeitet. Still und leise, darauf bedacht nicht aufzufallen.

Gelungen ist es ihm nicht, seine Mitarbeiterin entlarvte ihn nach etwa einem Jahr. Sie war eine seiner ersten Kunden. Hannah entwickelte das Programm so weiter, dass es noch weniger auffällt, seither konnten Adrian und Nummer 86 bedeutend mehr Kunden dafür gewinnen.

Der Kunde verabschiedete sich schnell. Wenn Adrian mehr darauf geachtet hätte, wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass die Nervösheit des Kunden nicht nachgelassen hat, sondern sich eher noch vergrösserte.

So schloss Adrian aber einfach die Augen und wartete bis Nummer 86 das Geschäftliche erledigte. Als er von einigen Geldscheinen auf die Hand geschlagen wurde, öffnete er die Augen wieder und seufzte laut auf. Er schnappte sich seinen Anteil und versorgte ihn schnell in seiner Brieftasche.

«Wenn das so weitergeht, kann ich mir bald die neue Version leisten.»

Nummer 86 lachte dreckig und fächerte sich mit seinen eigenen, deutlich mehr, Geldscheinen Luft zu. Wahrscheinlich redete er wieder von einem neuen Auto. Adrian verdrehte die Augen und drehte sich zum Gehen um.

«Du könntest mir ruhig mehr vertrauen, wir arbeiten schon über sieben Monate miteinander.»

«Du hast das Implantat doch bereits umprogrammiert, wozu brauchst du das Programm?»

«Ganz einfach, falls dir was zustösst. Und wir sind Partner, hast du jemals davon gehört, dass ein Partner eines Projektes kein Zugriff darauf hat?»

«Mir geschieht nichts, Nummer 86 hat mich ja damals erwischt, er untersucht meine Spuren und verwischt sie.»

«Mach nicht auf blöd, gib mir einfach eine Kopie.»

Bevor Adrian noch die Seitengasse verlassen konnte, hörte er Sirenen und wurde von mehreren Offiziellen umzingelt. In der Mitte stand sein heutiger Kunde, der Zeigefinger auf Adrian und Nummer 86 gerichtet und die Augen weit aufgerissen.

Es war zwecklos wegzurennen. Hinter ihm befand sich eine Sackgasse, Beweise lagen in seiner Jackentasche und im Implantat des Kunden.

Nummer 86 ruf aus, fluchte, schob die ganze Schuld auf Adrian, aber es war zwecklos. Auch er wurde von den Offiziellen festgenommen. Die Blicke die er zugeworfen bekam fast noch böswilliger als die auf Adrian. Er hatte das Vertrauen seiner Mitarbeitenden missbraucht.

Adrians letzter Gedanke galt Hannah und der Kopie, welche er ihr eine Woche zuvor doch noch zukommen hatte lassen. Was sie damit anstellen würde konnte er nicht ahnen, genauso wie Hannah niemals wissen würde, was mit ihm passiert ist.

Deborah Suter, 2021

Mein Spiegelbild

Im Rahmen der Lehrveranstaltung «Medienbildung und Informatik» geht es auch um Medienethik und Wertefragen im Kontext von Digitalisierung. In diesem Zusammenhang haben Studierende dystopische Kurzgeschichten verfasst. Hier der Beitrag von Sharon Alfred:

Heute lag ich gemütlich und gelangweilt auf meinem Bett und scrollte durch Instagram. Auf meiner Instagram Explorer-Seite fand ich hauptsächlich Mädchen, die über ihre «Fitness-Reisen» berichteten, Frauen, die lächelnd, über «Body Positivity» posierten, während sie Ratschläge zur Gewichtsabnahme gaben. Dann gab es noch die dünnen Influencer, die sich verrenkten, um zu zeigen, dass sie auch Bauchfett haben. Aber durch diese Aktion liessen sie bewusst ihren beneidenswerten Körper noch beneidenswerter erscheinen.

Ich sah kurz von meinem Handy weg und erblickte mein Spiegelbild vor mir.

Mein Spiegelbild, das mich immer versucht zu würgen.

Mein Spiegelbild, das mich zum Weinen bringt.

Mein Spiegelbild, das mir die unverblümte Wahrheit offenlegt.

Mein Spiegelbild und ich.

Aus Gewohnheit schloss ich meine Augen. Natürlich war ich mir bewusst, dass ich nicht von meinem Spiegelbild wegrennen konnte, aber jedes Mal, wenn ich meinem Spiegelbild gegenüberstehe, habe ich das Gefühl, es wolle mich zu Tode würgen.

Langsam öffnete ich meine Augen und sah mich von oben bis unten an. Auf den ersten Blick vielen mir sofort meine Imperfektionen auf. Besonders störend fand ich meinen dicken Bauch. Ich bin nicht in der Lage einen flachen Bauch zubekommen, wie diese Influencer von vorhin. Meine Mutter sagt immer, dass die äusseren Merkmale nicht die Schönheit definieren. Was für ein Nonsens. Sie würde mich besser verstehen, wenn sie auch diese Influencer sehen würde, die immer ihren perfekten Körper posten. Unsere Gesellschaft liebt nun mal diesen Körperbau und da fragt sich meine Mutter, wieso ich mich nicht selbst liebe.

Um mich besser im Spiegel zu betrachten, band ich mir meine Haare zu einem Pferdeschwanz. Ich liess einen lauten Seufzer von mir. Ich mache so viel Sport und esse kaum etwas, aber trotzdem sieht mein Körper genauso hässlich aus wie vorher. Wieso fallen mir immer die negativen Dinge an mir auf?

Ich verdrehte genervt meine Augen und wollte mich wieder in mein Bett einkuscheln, um meine Zeit auf Instagram zu vergeuden, als plötzlich mein Spiegelbild mich frech angrinste.

Erschrocken fuhr ich hoch. Mir lief der Schweiss den Rücken hinunter. Zu meiner Erleichterung stellte ich fest, dass mein Spiegelbild nur eine Einbildung war.

Etwas unruhig schaute ich wieder auf mein Handy. Natürlich mussten mir genau jetzt schöne Gesichter und perfekte Körper vorgeschlagen werden. Es ist, als ob die schlauen Algorithmen sich über mich lustig machen würden, dass ich so aussehe, wie ich bin.

Auf einmal wurde mir eine Werbung angezeigt, welche eine definitive Gewichtsabnahme verspricht.

Ich überlegte kurz, ob ich nicht vielleicht doch Medikamente nehmen sollte, um perfekt auszusehen. Nein, das brauche ich nicht. Ich muss nicht so perfekt aussehen, um von anderen gemocht zu werden.

Meine Emotionen waren auf einmal unkontrollierbar und ich fing an zu weinen. Voller Wucht warf ich mein Handy gegen den Spiegel. Im Hintergrund konnte ich noch das Klirren der Scherben hören.

Mit Tränen in den Augen versuchte ich von meinem Bett aufzustehen, als mich plötzlich etwas zurückstiess.

«Vielleicht solltest du diese Medikamente nehmen?» Als ich diese Stimme hörte, weiteten sich meine Augen. Vor mir stand mein Spiegelbild. «Was willst du von mir?», fragte ich.

Mein Spiegelbild grinste mich frech an und sagte: «Ich bin du und du bist ich. Solange du unglücklich bist, kann ich auch nicht glücklich sein. Dein Gefühlschaos kommt daher, dass wir beide nicht mehr ein und dasselbe sind. Du willst etwas werden, dass ich einfach nicht bin.»

«Hör auf mich zu manipulieren!», schrie ich voller Verzweiflung. Mein Spiegelbild setze sich neben mir hin und hielt das Medikament, dass ich mir besorgen wollte, in der Hand.

«Wenn das das Einzige ist, dass dich glücklich macht, dann nehme dieses Medikament. Falls du dich aber selbst liebst, so wie du bist, dann nehme es nicht.»

Ohne zu Überlegen nahm ich das Medikament und schluckte es hinunter. Es war sehr hart und schwer zu verdauen. Plötzlich drehte sich der ganze Raum um mich herum. Mein Spiegelbild sah mich zornig an und begann eine andere Gestalt anzunehmen. Vor mir stand plötzlich eine abgemagerte Version von mir. Ich sah schrecklich aus. Bevor ich mein Bewusstsein verlor, flüsterte mir mein Spiegelbild ins Ohr: «In Wirklichkeit sahst du immer so aus.»

Sharon Alfred

Es wird sowieso alles überbewertet

Im Rahmen der Lehrveranstaltung «Medienbildung und Informatik» geht es auch um Medienethik und Wertefragen im Kontext von Digitalisierung. In diesem Zusammenhang haben Studierende dystopische Kurzgeschichten verfasst. Hier der Beitrag von Flavia Manser:

Ein neuer Arbeitstag, heute steht das Testen des neues „Superwing 400“-Mascaras an, auf dessen Video meine Follower schon so lange warten. Geld als Influencerin zu verdienen ist ein Traum, für den ich mich schon früh entschieden habe, rückblickend war es die beste Entscheidung meines Lebens. Es ist einer der wenigen Jobs, die es noch gibt, nachdem das Robotergesetz in Kraft getreten ist. Dieses besagt, dass man nur noch Arbeiten erledigen darf, die Roboter noch nicht erledigen können. Andernfalls wird man gebüsst. So möchte man die Wirtschaft stärken und den Handel beständig machen. Menschen sind nun mal einfach zu unzuverlässig und ich kann gut verstehen, warum man lieber auf Roboter setzt. Aber solange ich weiter mit meinen Beautyblogs weitermachen kann, ist mir das sowieso alles egal. „Pling“, endlich eine Antwort von Danilo, auf die habe ich schon lange gewartet. Er möchte sich heute mit mir treffen, das passt mir perfekt. Wir haben uns gestern über eine Datingplattform kennengelernt. Das Gute an dieser Plattform ist, dass man ein Bild von einer Person sieht und wenn sie einem gefällt, sofort alle Informationen über sie abrufen kann. Ich weiss schon alles über ihn, seine Schuhgrösse, wie viel er verdient und wie oft er mit seinem Hund joggen geht. Ich kenne ihn schon so gut, dass ich weiss, das ich ihm heute Abend sein Lieblingsessen, eine gluten- und laktosefreie Trüffellasagne, kochen werde. Ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis er mir einen Heiratsantrag macht. Das letzte Mal waren es knapp vier Wochen, aber ich musste mich leider gegen eine Hochzeit entscheiden, weil mir der Typ einfach zu wenig Ahnung von Mode hatte. Aber heutzutage findet man schnell jemand neues und heiraten ist auch nur eine Frage von Wochen, also mache ich mir da überhaupt keine Sorgen. Und für alle die sagen „deine biologische Uhr tickt“, im schlimmsten Fall lasse ich mich halt künstlich befruchten, das machen alle meine Freundinnen so.

Flavia Manser, 2021