Der Vollmond schien diese Nacht voller denn je. Es war kurz nach zwölf und die Acht fuhr beim Stauffacher ein. Bea hatte schon genug gewartet. Ganze zehn Minuten auf ein Tram zu warten, war hier schon eher eine Zumutung. Und es war fast leer. Nur noch eine ältere Dame, die ganz vorne sass. Sich die Augen reibend – es war schliesslich schon spät – setzte sich Bea auf den erstbesten Platz im hinteren Drittel des Trams. Ächzend fuhr es los. Sie dachte kurz daran, dass es wohl auch müde sein musste nach so einem langen Tag.
Heute ging es bis Endstation. Bis nach Hause. Das war der Plan. Bei der Bäckeranlage stieg nun auch die ältere Dame aus. Wo die wohl wohnte? Wohl in einer malerischen Altbauwohnung hier draussen irgendwo. Die Gedanken wurden immer langsamer. Das auf Bea leicht gedimmt wirkende Licht des Trams half irgendwie auch nicht. Ach egal, ein bisschen Schlaf vorzuholen konnte ja nie schaden… Das Surren des Rollens auf der Schiene wurde immer gleichtöniger und monotoner. Sie döste langsam und gemächlich weg. Konnte wohl nichts schiefgehen. Sie musste ja sowieso bis Endstation. Dort wird man im Notfall auch immer geweckt.
Augen auf. Dunkelheit. Die Augen mussten sich kurz ein paar Sekunden daran gewöhnen, dass sie nicht mehr im Schlaf waren. Warte mal… Sie war immer noch im Tram! Einfach die Lichter waren aus. Das konnte doch nicht sein, sie konnte doch nicht… Draussen waren Trams an Trams. Sie war wahrhaftig dort gelandet, wo sich die Trams «Gute Nacht» sagten. Manchmal konnte Schlafen schon wie Zeitreisen sein. Schnell rannte sie zur Tür, die sich zu ihrem Glück immer noch öffnen liess. Hier in der Halle war es gespenstisch still. Kein Mensch weit und breit mehr zu hören. Wie konnte das nur passieren? Wie konnte die Tramchauffierende sie einfach so vergessen?
Sie blickte aufs Handy. 1:22. Naja, wenigstens hab’ ich schon ein bisschen erholsamen Schlaf bis hierhin gehabt. Der Ausgang aus dem Tramdepot war glücklicherweise schnell gefunden. Und nun stand sie hier draussen am Escher-Wyss-Platz. Wenigstens bis hierhin hatte es das Tram geschafft. Sie schickte ein Schmunzeln in die kalte Nachtluft. Der Vollmond leuchtete grell auf sie hinab und begleitete sie nun die letzten mühseligen Schritte nach Hause.

Anonymous studiert an der PH Zürich.