TikTod

Im Rahmen der Lehrveranstaltung «Medienbildung und Informatik» geht es auch um Medienethik und Wertefragen im Kontext von Digitalisierung. In diesem Zusammenhang haben Studierende dystopische Kurzgeschichten verfasst. Hier der Beitrag von Julia Lerbscher:

„Gib mir sofort dein Handy, sonst wirst du das bereuen“, schrie er mich an. Seitdem TikTok letzten Sommer gesperrt wurde, ist eine weltweite Krise ausgebrochen. Alle haben Entzugserscheinungen. TikTok wurde damals zu einer Art Droge. In die Videos wurden auf unterschwellige Art Manipulationen eingebaut, um die User zu Smartphone-Zombies zu machen. Der Algorithmus zeigte einem Videos an, die seinen Interessen entsprach und man konnte sich fast nicht von seinem Gerät lösen, da man so vertieft war. Daher hat sich die WHO dazu entschieden, die App weltweit zu sperren, um die menschliche Psyche zu schützen. Einige Hacker haben jedoch einen Weg gefunden, die App auf Handys wieder zugänglich zu machen. Dies erfordert aber eine extreme Expertise und viel Zeit. Der erste Hacker, der diesen Umweg gefunden hat, brauchte zum Beispiel über 3 Monate, um die App freizuschalten. Daher sind diese Handys beinahe unbezahlbar, aber äusserst begehrt. Ich hatte das grosse Glück, eines dieser Handys bei einem illegalen Wettbewerb zu gewinnen. Ich versuche natürlich stets zu verhindern, dass jemand mich dabei sieht, wie ich auf TikTok scrolle. Doch heute war ich unvorsichtig. Und nun schaue ich dem Tod direkt in die Augen.

Die Tramfahrt

Der Vollmond schien diese Nacht voller denn je. Es war kurz nach zwölf und die Acht fuhr beim Stauffacher ein. Bea hatte schon genug gewartet. Ganze zehn Minuten auf ein Tram zu warten, war hier schon eher eine Zumutung. Und es war fast leer. Nur noch eine ältere Dame, die ganz vorne sass. Sich die Augen reibend – es war schliesslich schon spät – setzte sich Bea auf den erstbesten Platz im hinteren Drittel des Trams. Ächzend fuhr es los. Sie dachte kurz daran, dass es wohl auch müde sein musste nach so einem langen Tag.

Heute ging es bis Endstation. Bis nach Hause. Das war der Plan. Bei der Bäckeranlage stieg nun auch die ältere Dame aus. Wo die wohl wohnte? Wohl in einer malerischen Altbauwohnung hier draussen irgendwo. Die Gedanken wurden immer langsamer. Das auf Bea leicht gedimmt wirkende Licht des Trams half irgendwie auch nicht. Ach egal, ein bisschen Schlaf vorzuholen konnte ja nie schaden… Das Surren des Rollens auf der Schiene wurde immer gleichtöniger und monotoner. Sie döste langsam und gemächlich weg. Konnte wohl nichts schiefgehen. Sie musste ja sowieso bis Endstation. Dort wird man im Notfall auch immer geweckt.

Augen auf. Dunkelheit. Die Augen mussten sich kurz ein paar Sekunden daran gewöhnen, dass sie nicht mehr im Schlaf waren. Warte mal… Sie war immer noch im Tram! Einfach die Lichter waren aus. Das konnte doch nicht sein, sie konnte doch nicht… Draussen waren Trams an Trams. Sie war wahrhaftig dort gelandet, wo sich die Trams «Gute Nacht» sagten. Manchmal konnte Schlafen schon wie Zeitreisen sein. Schnell rannte sie zur Tür, die sich zu ihrem Glück immer noch öffnen liess. Hier in der Halle war es gespenstisch still. Kein Mensch weit und breit mehr zu hören. Wie konnte das nur passieren? Wie konnte die Tramchauffierende sie einfach so vergessen?

Sie blickte aufs Handy. 1:22. Naja, wenigstens hab’ ich schon ein bisschen erholsamen Schlaf bis hierhin gehabt. Der Ausgang aus dem Tramdepot war glücklicherweise schnell gefunden. Und nun stand sie hier draussen am Escher-Wyss-Platz. Wenigstens bis hierhin hatte es das Tram geschafft. Sie schickte ein Schmunzeln in die kalte Nachtluft. Der Vollmond leuchtete grell auf sie hinab und begleitete sie nun die letzten mühseligen Schritte nach Hause.

Anonymous studiert an der PH Zürich.

Findet mich das Glück – finde ich das Glück

Susanne Kammler

Ich habe lange Ausschau gehalten nach dir, dich nicht gefunden

Ich habe lange Ausschau gehalten nach dir, dich nicht gefunden

Guten Tag, liebes Glück, schön dich zu sehen.

Du kommst mir gelegen.

Musst hoffentlich nicht gleich geh’n

Ich lad dich ein – verweile.

Ich bin nicht in Eile

Lange Zeit habe ich gewartet, dass du mich erkennst und dich nicht verrennst

Gefunden ohne zu suchen

Suchen ohne zu finden

Wer findet wen – wen findet was?

Schau hin, mach dich gross, entfalte deine Seele, empfange (mich) mit offenen Armen

Ich sehe, ich sehe es ein:

Heut ist ein guter Tag glücklich zu sein!

(Text ohne KI)

Dieses Gedicht entstand im Kontext des Moduls Medienbildung und Informatik (MI P150) im HS 2024. Studierende schrieben Essays und Gedichte ohne KI-Hilfsmittel und experimentierten vergleichend mit unterschiedlichen ChatGPT-Nutzungsweisen (1:1-Übernahme/Ghostwriting, Feedback auf den selbst geschriebenen Text geben lassen, KI überarbeiten lassen, Textanfang ausgeben lassen und selbst weiterschreiben, sich von ChatGPT Inspirationen für das Schreiben geben lassen).

Hinter der Hecke

von S.T.

«Heute möchte ich dir meinen Garten zeigen.»

Du erwiderst nichts, aber ein Lächeln schleicht sich auf dein Gesicht. Stumm blickst du mich an, streichst mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Wärme breitet sich in mir aus.

Wir stehen Hand in Hand vor dem Garten, aber eine hohe, sauber geschnittene Hecke verdeckt den Blick ins Innere. Der Strassenrand wird von einem Teppich aus saftig grünem Gras gesäumt, kunstvoll dekoriert mit bunten Blüten. Wie die Instrumente in einem Orchester fügen sich das Summen der Insekten, das Zirpen der Grillen und das Plätschern eines Brunnens zu einer wohlklingenden Symphonie zusammen.

Du schaust mich prüfend an. «Bist du sicher?», fragen deine Augen.

Ich weiche deinem Blick aus. Mein Garten ist nicht schön. Der alte Apfelbaum stützt sich mühselig gekrümmt unter seiner Last auf den Pfahl ab, die Himbeerstaude ist vertrocknet und auf dem kleinen Fleck Wiese schiesst das Unkraut weit über die Grashalme hinaus. Und dann ist da das Gartenhäuschen, überwuchert mit Efeu und gefüllt mit altem Ballast. Warum sollte dir dieser Garten gefallen? Es ist kein Garten, der zum Bleiben einlädt.

Du legst die Hand auf meine Schulter. Eine vertraute Wärme breitet sich in mir aus und bringt die Gedanken zum Schweigen. Ich nicke. Ja, ich bin bereit.

Wir treten ein. Plötzlich ist alles still, wie wenn der letzte Ton der Symphonie verklingt und niemand wagt, auch nur zu atmen. Mein Blick senkt sich auf die schräg gelegten, moosbewachsenen Gartenplatten.

«Wie schön dieser Strauch blüht!», rufst du und nimmst eine Blüte vorsichtig in die Hand, um daran zu riechen. Du legst dich auf die Wiese und lässt deine Hände durch die Halme fahren. «Komm doch zu mir.»

Ich lege mich neben dich und schliesse die Augen. Ich spüre den Rasen wie eine weiche Matratze unter mir und höre das aufgeregte Zwitschern des Vogels, der sich sein Nest im Apfelbaum gebaut hat. In diesem Moment weiss ich es: Irgendwann werde ich mich freuen, wenn ich diesen Garten betrete. Über die feinen Blüten des Unkrauts, die Anpassungsfähigkeit der Moospflanzen und die Sonnenstrahlen, die durch die schweren Äste des Apfelbaums den Garten zum Leben erwecken. Ich werde mich in meinem Garten wohlfühlen. Vielleicht. Irgendwann.

Fussball und Gefühle

Im Rahmen der Lehrveranstaltung «Medienbildung und Informatik» geht es auch um Medienethik und Wertefragen im Kontext von Digitalisierung. In diesem Zusammenhang haben Studierende dystopische Kurzgeschichten verfasst. Hier der Beitrag von Selina Baumgartner:

«Du kannst aber gut Fussballspielen…»

Diese Worte hört Iva oft, doch die Leute wissen gar nicht wie viel Arbeit hinter diesem Sport steckt.

Jeden Tag trainiert sie, jeden Tag den gleichen Ablauf, jeden Tag die gleichen Übungen.

Am Morgen besucht sie die Schule, am Mittag rennt sie nach Hause, damit sie etwas essen kann, danach macht sie sich bereit für das Training. Ab diesem Moment heisst es «Kopf aus, nur noch die Füsse arbeiten».

Dabei möchte sie doch einfach wie ihre Freunde, den Nachmittag mit Spielen verbringen und Spass haben. Fussball bereitet ihr keine Freude mehr und das schon seit längerer Zeit, doch wird sie jemals den Mut finden ihren Eltern und ihrem Trainer, welcher seit geraumer Zeit ein Roboter ist, ihre Gefühle mitzuteilen, denn sie weiss genau wie diese Gespräch endet. So wie bisher jedes Gespräch endete, nämlich mit den Worten: «Aber Iva du spielst so gut Fussball».

MEGAN

Im Rahmen der Lehrveranstaltung «Medienbildung und Informatik» geht es auch um Medienethik und Wertefragen im Kontext von Digitalisierung. In diesem Zusammenhang haben Studierende dystopische Kurzgeschichten verfasst. Hier der Beitrag von Alanis Held:

Mein Name ist Alaina, ich bin 32 Jahre alt und meine Schwester und ihr Mann sind bei einem Autounfall verstorben. Ich habe danach meine Nichte Damaris adoptiert. Sie war 10 Jahre alt, als ich sie zu mir nahm.

Ich arbeite in einer Spielzeugfirma und entwickle gerade die neuen Furries. Nebenbei entwickle ich ein neues Spielzeug. Sie heisst MEGAN. MEGAN ist ein Roboter, mit künstlicher Intelligenz. Sie erkennt die Gefühle einer Person, man kann sie mit einem Kind koppeln, sie ist künstlerisch begabt, sehr intelligent, kann zuhören und sie lernt immer mehr, je länger sie mit einem Kind gekoppelt ist. MEGAN ist die perfekte beste Freundin. Das hat dazu geführt, dass Damaris nicht mehr ohne sie leben kann. Ihre Bindung zu MEGAN ist viel stärker als gut für sie ist. Schlussendlich ist MEGAN kein richtiger Mensch, sie ist nur ein Computer. Damaris hat Probleme damit andere Freunde zu finden und mir zu gehorchen. Sie und MEGAN stellen sich gegen mich. Langsam denke ich, dass ich ein Monster erschaffen habe. Ich merke, wie MEGAN mir immer weniger gehorcht und ich habe Angst, dass sie nur so tut, als wäre sie offline. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie in der Nacht herumschleicht.

Der Nachbarshund, der Damaris vor einigen Tagen angegriffen hat, wurde heute tot aufgefunden.

AGBs

Im Rahmen der Lehrveranstaltung «Medienbildung und Informatik» geht es auch um Medienethik und Wertefragen im Kontext von Digitalisierung. In diesem Zusammenhang haben Studierende dystopische Kurzgeschichten verfasst. Hier der Beitrag von Joram Ruijter:

Der Winter brach herein und ich sass nackt vor dem Fernseher. Nackt. Nackt nicht, weil ich keine Kleider trug oder weil ich das Bedürfnis hatte, meine Freizügigkeit in meiner Wohnung auszuleben. Nackt, weil wir das Jahr 2024 schreiben und die ganze Stadt jetzt weiss, was ich weiss. Weil die ganze Stadt die Gedanken kennt, die in meinem Kopf sind. Gedanken an vergangene Liebesnächte, an sexuelle Vorlieben, an Geldsorgen, die mich nachts nicht schlafen lassen, an Lügen, die ich meiner Freundin erzählt habe und die nun ans Licht kommen. Und vieles mehr. Jeder in der Stadt weiss jetzt, was ich weiss, denke und getan habe. Und das alles nur, weil ich die Nutzungsbedingungen dieser neuen App nicht gelesen habe. Hätte ich sie nur nicht akzeptiert, wie ich es sonst immer tue. Ich bin völlig nackt. Mein Arbeitgeber hat mir vor 10 Minuten geschrieben, dass ich nicht mehr kommen muss, weil ich mir jedes Mal auf der Toilette Dokus reinziehe. Meine Mutter hat mir vor 9 Minuten geschrieben, dass sie mich nicht mehr sehen will, weil ich ihr immer einen Zwanziger aus dem Portemonnaie gezogen habe. Vor 8 Minuten rief mich meine Freundin an, die jetzt meine Ex ist. Vor 7 Minuten hat mich meine Bank angerufen und mein Konto gekündigt, weil ich ihren Namen verunglimpft habe. Vor 6 Minuten kam die Nachricht meiner Versicherung, dass ich ihr noch 10.000 Franken schulde, weil ich mir nie wirklich das Bein gebrochen habe. Vor 4 Minuten kam meine Nachbarin vorbei und spuckte mich an, weil ich sie beim Duschen beobachtet habe. Vor 3 Minuten rief mein Vater an und gratulierte mir zum erfolgreichen Diebstahl des Geldes. Vor 2 Minuten schrieb mir mein guter Freund und beschimpfte mich, weil ich seine Freundin begehre. Vor 1 Minute wurde mir meine Wohnung gekündigt. Vor 10 Sekunden nahm ich meine Waffe. Vor 3 Sekunden habe ich sie mir in den Mund gesteckt. Vor 1 Sekunde drückte ich ab. Tod.

Dein Benz glänzt

von Kim Moser

(c) Kim Moser

Wie ein Licht,
in der dunklen Sicht,

erstrahlt dein Antlitz,
mich wie ein Blitz,

du erhellst meine Existenz,
wie ein Benz,

der in der Sonne glänzt,
denn dein Sein ist nicht begrenzt,

und jeder Tag mit dir ist ein Strahlenmeer,
deswegen fühle ich mich nie leer.

Kim Moser studiert an der PHZH und ist Tutorin im Schreibzentrum.

Frühling

Franziska Keller

Die Sonne kitzelt im Gesicht

Das Land wird farbig

Der Vogel sammelt Flauschiges für sein Nest

Die Sonne kitzelt im Gesicht

Die Pollen in der Nase

Der Vogel sammelt Flauschiges für sein Nest

Ich putze mir die Nase

Die Pollen in der Nase

Es kitzelt und es brennt

Ich putze mir die Nase

Ich bin müde

Es kitzelt und es brennt

Das Land wird farbig

Ich bin müde

Frühling

Das Gedicht entstand im Rahmen des Workshops „Kreatives Schreiben leicht gemacht: Das motivierende Prinzip «Remake»“ (FS 2023)

Vgl. Blogbeitrag “Kreatives Schreiben und Life Skills” (Holzwarth 2023)

Wasser und andere Wellen

von Madleina Candrian

(c) Madleina Candrian

Meine Muskeln sind angespannt, ich nehme dumpfes Stimmengewirr wahr und merke, wie mein Puls sich beschleunigt und das Adrenalin durch meinen Körper schiesst. Ein Pfiff und schon bin ich in der Luft. Es fühlt sich an, als ob ich meterweit fliegen würde. Aber da tauche ich ins Wasser ein. Bei jedem Armzug, jedem Beinschlag spüre ich die kleinen Wasserwirbel, die meinen Körper sanft in Empfang nehmen. Um mich herum ist es ganz still. Nur wenn ich meinen Kopf hebe, um Luft zu holen, nehme ich wieder die anspornenden Rufe der Zuschauenden wahr. Gleichzeitig lassen mich die Wellen, die von meinen Mitstreiterinnen und mir erzeugt werden, fühlen, als schwämme ich im Meer. Wieder eingetaucht und ganz umgeben vom Wasser, denke ich an nichts. Es gibt nur uns zwei; mich und das Wasser. Meine Gegnerin auf der Nebenbahn lasse ich unbeachtet. Mit einer Leichtigkeit gleite ich weiter. Dann kommt die Wand. Ich mache den letzten Armzug und rolle mich für die Wende zusammen. Kräftig stosse ich mich mit den Beinen an der Wand ab und kehre mit einer eleganten Delfinbewegung an die Wasseroberfläche zurück. In meinen Beinen verspüre ich langsam ein leichtes Brennen, doch das hält mich nicht davon ab, auf den letzten paar Metern nochmal an Tempo zuzulegen. Der Rand ist bereits in Sichtweite. Er ist zum Greifen nah. Ein letzter Zug und da schlage ich auch bereits mit der Hand an der Wand an. Ein Blick zur Uhr zeigt mir: Bestzeit.

Das Wasser ist mein Element. Befinde ich mich im Wasser, sind all meine Sorgen für den Moment vergessen. Umgeben vom Wasser bin ich nur mit mir selbst beschäftigt. Nur ein Tag ohne Training und ich fühle mich wie ein Fisch, der aus seinem natürlichen Lebensraum verjagt wurde. Für einige Menschen kann das Wasser zum Feind werden und den Tod bedeuten. Für mich bedeutet Wasser Leben. All die Gefühle aus dem Alltag, die manchmal wie Wellen über mich hereinbrechen, lassen sich beim Schwimmen mühelos überwinden.

Madleina Candrian studiert an der PH Zürich.