Lokale Lokale

von Anonymous

Livemusik gibt der Stadt bitter nötige Lebendigkeit.
Kunst lokaler Musizierenden lässt Lokale beben.
Töne, Klänge, Gesänge, Harmonien.
Eins, zwei, drei, vier und los.
Und ab dem Los ist alles anders. Ab dem Los ist alles freier. Alles so viel angenehmer.
Emotionen fliessen durch den Körper aufs Instrument und die Stimme.
Tanzende Menschenmengen geben den Musizierenden Ansporn noch mehr zu geben.
Noch mehr Emotion.
Noch mehr Passion.
Bis zum letzten Stück.
Zu-ga-be.
Zu-ga-be.
Und die Band kommt wieder zurück auf die Bühne.
Auf ein letztes Mal.
Danke für alles. Bis zum nächsten Mal
Das Licht geht aus und alles ist wieder normal. So wie vorher.

Anonymous studiert an der PH Zürich.

Hürdelauf

Ich ghöre s Auf-die-Plätze durch d Lutsprecher hinter mim Startblock. Mini Bei fühled sich glähmt ah und s Herz schlaht rasant. Ich lauf 2 Schritt und gahn in Startblock. «10 Hürde, zersch 17 Schritt, denn de Schritt lang bhalte und denn 18 Schritt, maximal 19, ja nöd meh, susch verlüri alles Tempo, denn ischs eh gsi.» Mini Händ zittered wo ich sie an Bode tuen. D Haar hanged links und rechts vom Gsicht abe und lenked mich vode Nervosität ab. «Etz gahts denn gad los», denki mer. «Ich wird so sterbe, wieso mach ich das?».
Fertig ertönt  dur  d Lutsprecher. Ich streck mini Hüft id Höchi – «chli wiiter füre mitem Oberkörper» – alles zitteret und min Chopf dreht dure. Ich ghör de Schuss. «Los, etz Bei usstosse, beschleunige, damit a die erst Hürde anechunsch.» Ich sprinte los. «Chnü höch, schnell über d Hürde, Nachziehbei füreneh. – Shit, die uf de Innebahn lauft scho uf! Egal, ich lauf mis Renne.» Scho überqueri die dritt Hürde. De Rhythmus stimmt immerno, d Bei fühled sich guet ah. D Chnü sind höch, d Ärm schwinged. «Okay, uf die foifti Hürde nomal en 17er, susch stimmts nüm».

Zuelaufe!, ghöri mini Trainerin vom Rand schreie. Das machi. 17 Schritt und scho bini bi 200 Meter anglangt, d Hälfti isch gschafft. Langsam wirdi müed. «Shit, etz mussi Bei wechsle. Aber ja nöd zviel Schwung verlüre, susch bisch gsi. Fuck, es hett mi verdreht.» Ich renne wiiter, de Rhythmus isch nüm nach Plan. Ich han en Schritt z viel gmacht, aber ändere chanis etz nüm. «Defür mussi etz umso meh pushe», denki. Scho bini uf de Zielgerade. «Nur no drü Hürde!» D Bei schmerzed, d Ärm schmerzed. Ich gspür nüm viel, de Chopf macht weh. « Zuelaufe, ja kein 20er! Denn chasch d Ziit gad vergesse.»

«Okay ich bin glich uf wie die andere, es isch nöd so schlecht.» Die Letzti Hürde chunnt. «Nur nöd umgheie, lupf s Nachziehbei! – Und etz renne, eifach renne, gad hesches gschafft, riss di zeme!» Alles macht weh. Ich setze für die letzte paar Schritt s einte Bei vor s andere, d Vorlag wird immer meh. Als wüssti nüm, wie laufe. Ich büge mich vor und schmeiss mich is Ziel. «Gschafft, es wiiters Mal». Ich liide sicher 30 Minute, aber s Guete isch: Morn hanis scho wieder vergesse und nöchst Wuche wiedeholt sich das Ganze.

Bild: Simona Tschumper

Dieser Text ist im Rahmen des Musik-/Theaterprojekts “OlymPiano – ein musikalischer Zehnkampf” von und mit Sek-Studierenden entstanden.

My Muse

von Patrick Huwyler

I rush down into the depths and visit places and people and faces fresh in my mind — moments vivid and always speaking, always moving — them and me and how we used to be.

Earth colours, sunshine and poverty.

I rush down into the past and into the arms of loved ones — running in the grass and wildflowers.

Familiar voices and the sound of Swahili — I’m holding hands, ice cream and Nairobi.

Akuaba — sun god of fertility © Patrick Huwyler

Rosarote Rosen

von Lawrence Beriger

Ich wusste nicht, wie man Rosen schneidet. Ja, da gibt es tatsächlich eine, wenn nicht mehrere Techniken dazu! Irgendwo ist bestimmt auch ein YouTube-Tutorial aufzufinden, da lege ich meine Hand ins Feuer. Wie dem auch sei, mein Kriterium war nur der Störfaktor.

Anfangs kitzelte, dann schnitt und letztlich schlitze mich der aufdringliche, ja eindringliche Zweig der Lieblingsrose meiner Grosstante (welcher meiner hellköpfigen Vorfahren kam eigentlich auf die grossartige Idee, diesen feindseligen Busch neben den Haupteingang zu pflanzen?), sodass ich kurzen Prozess ansagte. Ich knackte den Störenfried bis zur Hauptabzweigung ab, versuchte ihn abzudrehen, musste jedoch dann zur gewalttätigeren Variante des Abwürgens hinübergehen und rupfte den Zweig schlussendlich hasserfüllt vom Rest der knochigen Pflanze ab. Dabei fing sich mein Wollpullover etliche Laschen ein, mein Handrücken sah aus wie nach einer Partie „Füüfliiberle“ und irgendwie hatten sich auch ein paar Stacheln in meine Wade und Kniebeuge eingefressen. Handschuhe und Schere? Wozu? Na, um dem eingetroffenen Fall vorzubeugen; aber Nachsicht ist bekanntlich auch eine Tugend. Item, dieses komödiantische Schauspiel blieb nicht unbeobachtet, es resultierte in zweierlei Klopfen: das meiner Nachbarin ans Küchenfenster und gleich darauf, als mein Blick Frau E. hinter dem staubigen Glas erhaschte, das ihres Zeigefingers auf ihre faltige Stirn.

Verzwirbelt wie ein Kiwibaum stand ich da und liess meinen Blick die Hinterseite meiner Beine entlang herabwandern, um mich vom Nichtvorhandensein weiterer potenzieller Blutvergiftungserreger, wie ein Hypochonder sagen würde, zu vergewissern und als ich mich wieder entwirrte und den Pullover zurechtzupfte, hörte ich: „Buab, was tuasch?“ Eine rhetorische Frage, wie nur Elvira sie stellen kann, ohne dass ich vor Wut zu kochen beginne. Sie schleuderte mir zwei ihrer Gartenhandschuhe, die ledernen, nicht diejenigen mit den grünen Noppen, an die Brust und kniete sich auf die steinige Kante des Rosenbeets. Mit aller Geduld und mit grösstem Verständnis für meine Emotionalität zeigte sie mir, wie man Rosen, ich zitiere sie, „fachmännisch“ schneidet.

(c) Lawrence Beriger

Lawrence Beriger studiert an der PHZH und ist Tutor im Schreibzentrum.

Die Krönung

Nadia Gsell

Der Stab erhebt sich, das letzte Gemurmel verstummt, und für eine Millisekunde ist es mucksmäuschenstill. Nach dem hörbaren Einatmen der Musiker erklingt eine Fanfare, die meine Augen schliessen lässt. Die ersten Klänge ziehen mich sofort mit in ihre Traumwelt, die sich fern von meiner Wirklichkeit befindet. Plötzlich sehe ich mich inmitten eines Schlosses, bei dem die Krönung der angehenden Königin im Gange ist. Alle Bürger strahlen vor Freude, jubelnd und gratulierend stehen sie in den Mengen. Die Trompeten oben auf den Rängen spielen die majestätischen Töne, welche abgestimmt mit den Schritten der Königin sind. Doch schlagartig ändert sich die Szenerie und drei maskierte Männer kommen anzurennen. Die Musik wird schneller, mein Puls rast. Es herrscht Panik, Chaos und alle Bürger fürchten um ihr Leben. Ein lauter Schrei hallt durch den Raum und ich sehe, wie die Königin zusammenbricht. Ihr Gesicht schmerzverzehrt, aber nicht durch einen körperlichen Angriff. Vielmehr fällt ihr Blick auf die Diebe, die mit ihrem über Generationen weitergegebenen Mantel verschwinden. Mit einem Mal wird es ruhiger, die Menschen schauen auf und aus dem Tor kommt ein Ritter. Ein Ritter in strahlender Rüstung und einem Pferd, welches das beeindruckendste Fell hat, das ich je gesehen habe. Hörbar wird die Musik wieder friedlicher, majestätischer und hoffnungsvoller. Der Ritter geht in moderatem Tempo, hilft der zusammengebrochenen Königin und gibt ihr das Versprechen, die Diebe zu finden.
Jubeln der Bürger ertönt, Hoffnung blüht auf und der Ritter reitet im Galopp aus dem Schloss hinaus. Die Musik wird angenehm, ich fühle mich, als wäre ich der Ritter. Reitend durch die schönsten Landschaften, über Felder, Berge und endlose Weiten. Hie und da höre und sehe ich unterschiedliche Tiere. Doch plötzlich verstummt die Musik, meine innere Traumwelt verdunkelt sich und ich höre nur noch das erleichterte Atmen der Musiker. Ich schlage die Lider auf, sehe wie der Dirigierstab sich senkt. Tosender Applaus füllt meine Ohren und ein kleiner Tropfen schwappt aus meinem Auge über die Wange. Danke Musik.

Nadia Gsell ist Studentin der Sekundarstufe I.

Vergnügungen

Celina Sulger (Remake zu Bertholt Brecht)

der erste Blick aus dem Fenster am Morgen

müde Gesichter, aus der Traumwelt erwachen

Vogelgezwitscher, Energie versprühen

erhellend, kraftvoll

fröhlich, federleicht

Kontrast, Abwechslung

Neustart, doch wann

lebendig, real

eintönig, doch bequem

den grauen Alltag einfärben

Wärme, Vertrautheit

flauschiges,

liebenswertes Tier

klägliches Miauen

Gebrauchtwerden

sinnstiftend, den Traum leben

dankbar sein.

Das Gedicht entstand im Rahmen des Workshops “Kreatives Schreiben leicht gemacht: Das motivierende Prinzip «Remake»” (FS 2023)

Vgl. Blogbeitrag “Kreatives Schreiben und Life Skills” (Holzwarth 2023)

Furiosa

Von Lisa Thwaini

Furiosa wartet. An ihrer Pose erkennt man, dass sie noch lebt (wäre sie tot, läge sie auf dem Rücken, ihre acht Beine sauber über der Brust verschränkt). Ihr Pseudofell schimmert bläulich. Auf ihrem Hinterleib hat sie eine kahle Stelle, die sich langsam, aber stetig ausdehnt – ein Zeichen, dass sie sich bald häuten könnte.

Furiosa ist nicht meine erste Spinne, aber bisher die Einzige, die ich hinter Glas halte. Meine früheren Spinnen sind immer von selbst zu mir gekommen, meistens im Herbst, wenn es draussen kühl wurde. Manche haben jahrelang in meinem Kinderzimmer gelebt, sie zu töten war verboten.

Furiosa ist um einiges grösser als die Zimmermänner, Winkel- und Kreuzspinnen aus dem Garten, sie gehört zur Familie der Vogelspinnen. Sie ist gross genug, damit ich jedes ihrer äusseren Körperteile mit meinen Primatenaugen erkennen kann: die Giftklauen, die kleinen Füsschen, die Spinnwarze, die acht winzigen, fast blinden Äuglein.

Furiosa und ich sind beide kohlenstoffbasierte Lebewesen, Zentren des Erlebens. Wir müssen essen und trinken und wir sterben irgendwann. Damit enden jedoch unsere Gemeinsamkeiten. Was uns vor allem unterscheidet: Vogelspinnen sind zutiefst solitär. Während Äffchen wie ich die Welt als soziales Gefüge erfahren, unterscheidet Furiosa nicht zwischen einer Heuschrecke und einer Artgenossin. Sie tastet sich durch ihr Terrarium und schlägt ihre Klauen in alles, was sich zu abrupt bewegt.

Furiosa «wartet» nicht, sie dämmert. Sie braucht fast nichts, jede Woche eine Grille und ein bisschen Wasser. Sie ist nie einsam, sie langweilt sich nicht, sie lernt nicht, sie kennt kein Ich und Du. Sie dämmert und lauert und harrt aus – und das seit 350 Millionen Jahren (ihre Art natürlich, nicht sie selbst).

Sie hätte wohl nichts dagegen, dass ich sie Freundin nenne, es wäre ihr komplett egal.

Furiosa (c) Lisa Thwaini

Lisa Thwaini ist Tutorin am Schreibzentrum.

Lebelein

von Kim Moser

Wenn ich vor dir steh,
sind meine Beine wie Püree.

Unfähig, sich in Bewegung zu setzen,
denn sie lassen sich einfach nicht hetzen.

Doch wenn ich mich nun doch muss fortbewegen,
dann nur um dich hineinzulegen.

Hineinzulegen in das warme, weiche Bett,
welches viel mehr ist als ein Lazarett.

Kissen und Decken schmiegen sich um deine Gestalt,
bevor ich mich zu dir leg und deinen Inhalt pfleg.

Ich flüstere dir warme Worte zu,
um dein Seelenheil zu horten,

um es zu umsorgen
und lieb zu kosen.

Dies, um deinen Schmerz abzureissen
und ihn ins Jenseits zu verweisen,

um dir aufzuzeigen, dass du deine Seele herzen sollst,
da du viel mehr bist als eine Art Frist.

Nämlich hier, um die Welt zu bereichern
und nicht hier, um sie zu bedauern.

Denn alles, das du nicht umformen kannst,
ist nichts im Vergleich zu all dem,
das du ändern kannst,
allem, das du verlangen kannst,
allem, das du verbannen kannst.

Deswegen tanze um dein Seelenheil
und fülle im Leid lieber dein Lebelein,

denn du bereicherst die Welt,
vielleicht viel mehr als es dir gefällt.

@Kim Moser

Kim Moser ist Tutorin am Schreibzentrum der PH Zürich.

Dreihundertsiebenundneunzig Tabs offen

von Angelica Bühler

Mac n cheese Pizza war am Wochenende vor dem Fat Tony Thema. Gespräche über CA$h- und Moneyflow. „angelaworks.ch“ online Vikariatsportal. In Erinnerung an die Italien Ferien schwelgend, suche ich im Internet „songs a piscina italiana sommer 2022“. Artikel gelesen, was ist „zilch execution“ ?
Morgendliches Kaffeetrinken im Campo, zehn Männer in schwarzer Kleidung betreten das Lokal. In schwarzer Kleidung mit Aufschrift „Eindhoven“. Eine Gegend in der Niederlande. Saufen Bier. Klicke weiter. „Ultra-Bewegung“ bezeichnet eine Organisationsform von fanatischen Anhänger:innen eines Fussballteams. Zurück an der Hochschule: „Lerntypen bei Kindern“. Wann hast du Geburtstag? Um welche Zeit? Gib mir noch den Ort an!humandesign.ch“. Liegen auf der Fritschiwiese in der Sonne auf dem etwas feuchten Untergrund. Schau mal Wurmkacke! Niemals?!. Das Wunder Wurm“. Es gibt grundsätzlich drei Gruppen von Regenwürmern. Die eine Regenwurmart gräbt sich vertikal durch die Erde und bildet so stabile Röhren, welche sie ein Leben lang behausen. Die Horizontalgrabenden füllen ihre Röhren direkt wieder mit ihrem Kot auf. Die kleingewachsenen und agilen Regenwürmer bilden die dritte Gruppe und leben im Wald, im Kompost oder auf Misthaufen.
[Drei TikTok Tabs offen
Dienstagmorgen, Vertiefungsfach Geografie, begebe mich auf eine virtual Tour of Cape Town auf „airpano.com“. Kennst duNoah die Bettschen“? Ne, keine Ahnung. Zürcher Jungkünstler, selbstüberzogen sagen welche, Genie sagen andere.
Gustavo Petro, presidente electo de Colombia“, „la vicepresidenta Francia Marquez en los diálogos regionales vinculantes“ y mucho más.
Im Treffpunkt Kiosk lesend. Junot Díaz ein aus der Dominikanischen Republik stammender Schriftsteller und in New York aufgewachsen. Dies, das, fúku. Dies, das, fúku. „Nzz.ch“, fúku: ein vielseitig verwendbarer Fluch oder auch das Grosse Amerikanische Unheil.
[pornographische Inhalte]

© Künstliche Intelligenz «VQGAN+CLIP», November 2022

Ehemalige Tutorin Antonia Rakita im inside 2/2022

Unsere ehemalige Tutorin schreibt im aktuellen Heft auf S. 21 über ihr erstes Jahr im Schuldienst.

Hier ein Ausschnitt:

«Ich suche aktiv nach drei Dingen, die gut liefen. Diese kurze Übung findet bereits Anklang bei einigen aus dem Kollegium; wir erinnern uns gegenseitig daran, sie durchzuführen. Es ist eine Überlegung wert, diese Strategie auch den Lernenden zur Bewältigung des Alltags mit auf den Weg zu geben.» Antonia Rakita (inside 2/2022, S. 21, Pädagogische Hochschule Zürich)