Es war einmal und wird noch lange sein. (Hanser 2021)
Das diesjährige Gewinnerbuch des Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreises «Es war einmal und wird noch lange sein» beschäftigt sich mit dem Thema Zeit. Johanna Schaible gelingt es, dieses höchst komplexe Phänomen als objektiv messbare Grösse und gleichzeitig auch in seiner subjektiven Bedeutsamkeit für den einzelnen Menschen bestechend einfach darzustellen.
«Steinalt» heisst der Stein, der auf einer Waldwiese herumliegt und nichts tut. Das finden die Kiefer, der Marienkäfer und der Kolibri so langweilig, dass Steinalt eines Tages aus seinem Leben zu erzählen beginnt: Wie er von einem Vulkan fortgeschleudert wurde, wie er jungen Dinos als Versteck diente, von einem Gletscher in Eis verpackt wurde und schliesslich nach einem Erdbeben dort zu liegen kam, wo er nun liegt.
Herr Bert und Alfonso jagen einen Dieb. (Atlantis, 2021)
Niemand zieht vor ihm den Hut zum Gruss. Niemand nimmt seine Bestellung im Restaurant auf. Alle übersehen den unscheinbaren Herrn Bert mit seinem Dackel Alfonso – obwohl der «sich doch extra einen bunten Anzug gekauft» hat. Das ändert sich schlagartig, als die beiden plötzlich wegen mehreren Diebstählen unter falschem Verdacht stehen.
Unserem Planeten geht es nicht gut. Wir müssen etwas ändern. Wenn es darum geht, dies unseren Kindern zu erklären, fehlen uns die Worte. Wir wollen nicht verwirren oder verängstigen. Das fundierte Jugendsachbuch wagt den Versuch, das Schweigen zu durchbrechen und jungen Menschen einen «klaren» und zugleich hoffnungsvollen Blick auf die Welt zu ermöglichen.
Amerikanische Soldaten hämmern an die Tür. Die Familie muss ihr Zuhause sofort verlassen. Als Letzte kommt die Mutter mit dem Baby. Ihre Verzweiflung spiegelt sich im Blick des Sohnes, der nicht versteht, was hier passiert. Mit dieser traumatischen Kindheitserinnerung beginnt die Graphic Novel.
Esther und Salomon der österreichischen Autorin Elisabeth Steinkellner ist ein Buch über die Liebe. Es erzählt zum einen die zärtliche, fürsorgliche Geschwisterliebe zwischen der 14-jährigen Esther und der fünfjährigen Flippa, die einander umsorgen, als wären sie jeweils die Mutter der anderen; auf der anderen Seite die genauso aufmerksame, behutsame Geschwisterliebe des 14-jährigen Salomon zur fünfjährigen Aischa, die mit ihm und seiner Mutter als Familie zusammenwohnt.
Heute kommt Lille zu spät zur Schule: Ihr Fahrrad liegt begraben unter einem grauen Ungeheuer, das sich über Nacht in ihren Garten verirrt hat. Als hätte sie auf seine Ankunft gewartet, geht sie offen und neugierig auf den Riesen zu. Der Pottwal antwortet launisch, doch Schritt für Schritt beginnt er von seinem reichen Leben im Meer zu erzählen.
Bestiaire Helvétique von Marcel Barelli entfaltet einen eigenwilligen Katalog in der Schweiz lebender, zum Teil bedrohter oder bereits ausgestorbener Tierarten. Das erste Buch des in Genf lebenden Zeichners und Trickfilmers versteht sich als vehementes Plädoyer für die Erhaltung von Lebensräumen und Biodiversität. So endet der grafische Bilderbogen denn auch pointiert mit der Abbildung eines menschlichen Schädels und erinnert daran, dass der Überflieger der Evolution für das Verschwinden zahlreicher Arten und Ökosysteme mitverantwortlich ist.
Simon Hope, ein übergewichtiger Junge aus prekären Familienverhältnissen, wird von seinen Peers drangsaliert und zu allerlei Unfug angestiftet. Das grosse Los zieht er, als er die geheimen Ersparnisse seines spielsüchtigen Vaters auf ein Rennpferd setzt. Ohne Unterschrift eines Erwachsenen kommt der 14-Jährige allerdings nicht an seinem Gewinn. Jetzt sind erst recht alle hinter ihm her. Autor und Comiczeichner Martin Panchaud stellt mit seiner actionreichen Roadnovel alle Lesegewohnheiten auf den Kopf, denn er inszeniert die Coming-of-Age-Geschichte wie ein Videospiel aus Drohnenperspektive und rollt die aberwitzige Handlung in Form von Piktogrammen, stilisierten Aufsichten und eingestreuten Infografiken ab. Dass dies funktioniert und die Leserinnen und Leser emotional mitreisst, verdankt die virtuose Graphic Novel nicht zuletzt den filmreifen Dialogen in der Übersetzung von Christoph Schuler. Die Farbe der Dinge ist ein schwindelerregender Parforce-Ritt, der nicht nur unter die Netzhaut geht.