
Dieses SJW-Heft präsentiert 21 meist einseitige Texte rund um kindlichen Alltag, starke Gefühle, Tagträume und die Kraft der Sprache.
Es geht um leidige Finken, die auch nützlich sein können, zum Beispiel als Depot für gefälschte Freundschaftsanfragen. Ein rosa Plüschpferd namens Vogelschiss muss fürs Cowboyspiel hinhalten. Und Urs, der nur «W-urs-cht» genannt wird, weil sein Name in diesem Wort drinsteckt, sieht sich auch sonst in der Mitte: als Mittelstürmer, mittelmässiger Schüler der Mittelstufe und «mittelfristig» als Freund von Hanna. Auch eine waschechte Romanze zwischen zwei Tieren wird geschildert, dem furchterregenden mexikanischen Hirtenhund Ronaldo Diego Conzales und der Schweizer Katze Lieselott, die ihren Freund triezt, weil er, kaum hat er sein Zuhause verlassen, dem Heimweh verfällt: «Aber nei au, was bisch du für en Brüellätsch.»
Die Spoken Word-Künstlerin Andrea Gerster erzählt witzig, schräg, mal poetisch, dann wieder ganz realistisch. Für die Miniatur über den Jungen, der mitbekommt, wie sein Vater die eigene Lehrerin küsst, der Mama aber nichts erzählen wird, braucht sie nur wenige Zeilen. Sie klopft die Sprache ab nach Stabreimen und Palindromen, zerlegt Wörter, nimmt Klänge auf, philosophiert. Zum Beispiel über die Konjunktur von Begriffen wie «fetzig», die heute «am Stock» gehen und von ihren Enkelkindern «cool» und «geil» gestützt werden müssen. Und sie stellt die Disziplin der Wortmathematik vor: «Dicke Waden plus kurze Hose plus absolute Treffsicherheit gleich bester Fussballer der Welt, nämlich ich.» Geschichten wie die vom kleinen Herrn Gerd, der alles immer zweimal sagt, erinnern an den russischen Nonsens-Poeten Daniil Charms.
Lika Nüsslis Schwarz-Weiss-Zeichnungen, die das Erzählte illustrieren, werden von luftigen Aquarell-Tupfern umspielt wie die Gedankenwolken, die wir Lesenden uns zu den Texten machen. Diese eignen sich zum Vorlesen und Vortragen auf der Mittelstufe und bieten viele Steilvorlagen zum eigenständigen Jonglieren mit der Sprache.
