Peter Holzwarth
Immer häufiger verbinden Lehrpersonen ihre Arbeit mit Social-Media-Aktivitäten. Auf Instagram oder TikTok geben sie Einblick in ihre Arbeit und sprechen beispielsweise über Lehr-Lernmethoden, Lehrmittel, Arbeitsblätter, Klassenraumgestaltung, Umgang mit Unterrichtsstörungen oder Spiele im Klassenzimmer. Dies kann für die Produzierenden eine wichtige Reflexion darstellen, aber vor allem auch wertvolle Inspiration für andere Lehrpersonen.
Sobald Schülerinnen und Schüler ohne Einverständnis gefilmt werden oder die gefilmte Klassenzimmersituation für Werbung missbraucht wird, kann es heikel werden, wie der NDR-Dokfim «Content aus dem Klassenraum – Dürfen Lehrer Influencer sein?» zeigt.
Zielgruppe von Werbung in Social-Media-Beiträgen können andere Lehrpersonen sein, aber auch Schülerinnen und Schüler. Generell müssen Beiträge mit und ohne Schülerinnen und Schüler unterschieden werden – ebenso gefilmte Schülerinnen und Schüler mit und ohne Einverständniserklärungen.
Oft greifen die Filme auch humorvoll den Alltag von Lerhpersonen auf, in diesem Kontext kann die Produktion und Rezeption von Beiträgen auch als Coping-Strategie verstanden werden.
Kritische Stimmen könnten auf riskante bzw. ambivalente Chancen hinweisen. Auf der einen Seite Inspiration für die eigene Berufspraxis, auf der anderen Selbstoptimierungsdruck und potenziell problematische soziale Vergleiche auch im beruflichen Kontext.
Wünschenswert wäre, dass in Zukunft alle beteiligten Akteursgruppen über mehr ethisches und juristisches Bewusstsein verfügen würden (Lehrpersonen, Eltern, Schülerinnen und Schüler, Schulleitungen, Politiker:innen). Es müssen auch rechlichte Regelungen und Reglemente entwickelt und angepasst werden.
Fallbeispiele
Fallbeispiel 1: Diskurse um KI-Fotos von zukünftigen Traumberufen der Schülerinnen und Schüler
Eine Beitrag «momos.usa» auf Instagram zeigt Reaktionen von Kindern, deren Lehrerin sie mit Hilfe von KI als Erwachsenen in ihren Wunschberufen zeigt: «A teacher is inspiring the internet by using AI to transform her students into the professionals they dream of becoming. From doctors to astronauts, each image reflects their future hopes and has moved viewers with its message of support, encouragement, and belief in every child’s potential.»
https://www.instagram.com/reel/DK3n0h_sI5f/?igsh=MThkbHlzbXE4bnRoYg%3D%3D
Ein weiterer Beitrag von «fraurhiza» (Instagram) reflektiert und kritisiert diese Form von Datennutzung:
«ChatGPT verwenden, um Fotos der Schüler/-innen hochzuladen und aus diesen neue Portraits von ihnen zu generieren?
Jede Woche zeigt es mir ein neues Reel an, in dem KI für (Unterrichts-???)Zwecke genutzt wird, die ich extrem fragwürdig finde.
Bisher sehe ich diese „Trends“ vor allem in den USA, aber ich habe echte Bedenken, dass sie irgendwann auch zu uns überschwappen. Gerade weil sie auf Social Media so verbreitet werden.
Wie steht ihr dazu?»
https://www.instagram.com/reel/DLCdcwXITXm/?igsh=MWhwY3k4YjRnNW96cg%3D%3D
Fallbeispiel 2: Diskurse um die Ursache von problematischem Verhalten im Klassenzimmer
In einem Instagram-Filmbeitrag (us.teachers.trendz) kritisiert eine Protagonistin, dass viele Schülerinnen und Schüler aufgrund von Gewöhnung an medial vermittelte kurze Dopaminintervalle eine extrem kurze Aufmerksamkeitsspanne haben und apathisch und unerreichbar sind: «And they have a level of apathy that I have never seen before in my whole career.» Sie stellt auch die Frage, wer dies zu verschuldet haben könnte (Eltern, Lehrpersonen, kapitalistische Gesellschaft).
https://www.instagram.com/p/DJZELIOPFFZ
In einem weiteren Instagram-Video (lehrplan22, Original: mami.hat.recht) ist eine Mutterfigur zu sehen, die zu einem (imaginären) Kind spricht. Dem Kind wird ein Joghurt angeboten und jeder einzelne Schritt wird zur Wahl gestellt (z.B. Farbe des Joghurts, Deckel ganz aufmachen oder nur zum Teil, Farbe des Löffels, Grösse des Löffels etc.). Das Video ist mit über die ganze Laufzeit hinweg mit einem Textbalken versehen, der die Handlung in einen bestimmen Kontext stellt: «der Grund, warum die Kinder dann im Klassenzimmer spinnen»:
https://www.instagram.com/reel/DDNBIE0qt1C/?igsh=ZnIzaG44b282ejlx
Es wird die Deutung nahegelegt, dass zu umfassende Wahlmöglichkeiten im Elternhaus zu problematischem Sozialverhalten im Schulkontext führen können, wo die Wahlmöglichkeiten eingeschränkt sind.
Beispiele aus der Schweiz:
https://www.ateacherslifestyle.ch
http://www.philippe-wampfler.ch/
Andere Länder:
Saskia Rhiza «fraurhiza» (Instagram)
«45minuten» (Instagram)
«Herr Schmelzer | Lehrer» (TikTok)
«Momos.usa» (Instagram)
«lehrplan22» (Instagram)
«subjektiv.sinnvoll» (Instagram)