Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Rene_Schneebeli_swBeitrag von René Schneebeli, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Weiterbildung Berufsfachschulen und Verantwortlicher IWB Sek II

 

Eine Weile nichts tun, Distanz vom Alltag gewinnen, den eigenen Ideen nachgehen, sich in etwas vertiefen, sich weiterbilden und erholen – wer möchte das nicht! Das Bedürfnis nach einer Leerstelle, einer Pause im Berufsleben, die länger dauert als der Feierabend, das Wochenende oder Ferien, steckt uns allen in den Knochen. Und doch; eine Weile nichts zu tun fällt uns schwer. Ich selber könnte eher auf Fleisch, Fernsehen oder Wein verzichten als auf die Möglichkeit, meine Mails zu checken und mich meiner Arbeit zu widmen, wenn mir danach ist. Arbeit ist eben nicht nur Last, sondern auch Lust am Tätigsein. Wer Selbstbestimmung in der Arbeit erlebt, erhält dafür gute Gefühle. Wer nicht genug davon bekommt, unterschätzt die damit verbundenen Risiken. Nur ein funktionierender Ausgleich von An- und Entspannung kann langfristig vor der Selbstgefährdung retten. Dazu braucht es Selbstreflexion und … Pausen.

Kultur der Lücke

Eine eigentliche Kultur der Auszeit kennt das Judentum mit dem Sabbat, dem noch heute heiligen Ruhetag in der jüdischen Kultur. In den zehn Geboten wird dem Volk Israel alle sieben Jahre ein Ruhejahr verordnet, in dem alle Äcker, Weiden und Weinberge brach liegen sollen, damit sich der Boden erholen kann.

Die Grundidee der Pause zur Erholung oder Neuorientierung findet sich in anderen Kontexten wieder. So gehört das Sabbatical seit Ende des 19. Jahrhunderts zum kulturellen Selbstverständnis der amerikanischen und später europäischen Hochschulen. Die Lehrpersonen werden typischerweise für ein Semester von ihren Lehrverpflichtungen entbunden, um sich in Forschungsprojekte vertiefen zu können.

Sabbatical: Erholungs- und Weiterbildungszeit
Ein Sabbatical bedeutet oft nicht nur Erholungs- sondern auch Weiterbildungszeit

In Deutschland waren es aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit zunächst beschäftigungspolitische Effekte, die sich der Staat vom Ausstieg auf Zeit mit Arbeitsplatzgarantie versprach. Daraus entwickelte sich Mitte der 1980er Jahre ein Rechtsanspruch von Angestellten auf eine Auszeit.

Auch die Privatwirtschaft setzt auf die Freistellungszeit. In den 1990er Jahren wurde sie als personalpolitisches Steuerungsinstrument eingesetzt, um konjunkturelle Schwankungen auszugleichen. Möchten moderne Unternehmen heute im globalen Wettbewerb als attraktiver Arbeitgeber gelten, kommen sie nicht mehr darum herum, eine Auszeit als Gestaltungselement individueller und flexibler Arbeitsbeziehungen anzubieten.

So sind in der Schweiz Sabbaticals in grossen Unternehmen unterdessen verbreitet. Kader der Swisscom können alle 5 Jahre 2-3 Monate bei etwa halbem Lohn in das Sabbatical; ähnliches gilt für Grossbanken. Beim Bund ist der Zugang an die Lohnklasse geknüpft (Langer, 2013). Die Auszeit spielt in der freien Wirtschaft, gerade in KMU, aber immer noch eine untergeordnete Rolle und steht in Konkurrenz zu anderen Flexibilisierungsformen.

Sabbatical im schulischen Umfeld und die Intensivweiterbildung

Im Schulfeld verliefen die Erwartungen an das Sabbatical entlang dem bildungspolitischen Diskurs. Standen zunächst beschäftigungspolitische Ziele im Vordergrund, folgte in den 1970er Jahren die Vorstellung von der Lehrerbildung als einem lebenslangen Prozess. Die Freistellung bot sich dabei als Weiterbildungszeit an. Im Zuge der aufkommenden Belastungsforschung in den 1980er Jahren (Rothland, 2013) etablierte es sich dann als Strategie zur Gesundheitsprävention. Das Sabbatical wurde nun mit Begriffen wie Regenerierung, Persönlichkeitsstärkung und Motivation verknüpft (z.B. Enzmann & Kleiber, 1989).

Graphik Arbeitsflexibilisierung
Angebote Schweizer Firmen zur Arbeitsflexibilisierung (aus Feierabend, Tschopp & Arnold)

In der Schweiz bestehen in vielen Kantonen gesetzliche Regelungen zu Auszeiten für Lehrpersonen. Im Grundsatz handelt es sich um staatlich finanzierte Weiterbildungsangebote, die mit der Idee der Auszeit verknüpft werden. Ziel einer Intensivweiterbildung (IWB) ist es, sowohl einen individuellen als auch einen institutionellen Nutzen zu generieren. «Intensivfortbildungen müssen relevant sein für den Unterricht», betont auch Beat W. Zemp, der Präsident des Lehrerdachverbands in einem Interview mit der NZZ. Damit grenzt sich die Intensivweiterbildung ab vom eher kurativen Verständnis von Sabbaticals wie auch vom Flexibilisierungsgedanken aus der Privatwirtschaft. Die IWB wird als Privileg und als Verpflichtung für die Lehrperson verstanden und soll dem Bedürfnis nach vertiefter fachlicher, methodischer, aber auch persönlicher Weiterbildung Rechnung tragen.

Wunsch und Wirklichkeit

An den Möglichkeiten sich eine Auszeit zu verschaffen, scheint es also nicht zu mangeln. Insbesondere für Lehrkräfte vereinfachen gesetzliche Regelungen den Zugang. Bei der Nachfrage zeigt sich aber, wie weit Rhetorik und Wirklichkeit auseinander klaffen. 57% der Europäer können sich ein Sabbatical grundsätzlich vorstellen, aber nur 7% halten eine Durchführung für realistisch (Zimmermann, 1999). Enge Rahmenbedingungen, finanzielle Tragbarkeit, Ängste um Arbeitsplatz- und Imageverlust sowie Karriereknick sind die Gründe, warum ein Sabbatical nicht gemacht wird.

Von den deutschen Lehrpersonen nutzen nur etwa knapp 1% das Angebot (Miethe, 2000). Bei den Zürcher Berufsfachschullehrkräften waren es in einer Befragung aus dem Jahr 2015 etwa 50 Lehrpersonen, die zulassungsberechtigt gewesen wären, aber trotzdem keine IWB in Anspruch nahmen. Sie gaben an, dass sie im Moment keine Zeit dafür hätten.

Biographische Zäsur

Wie erklärt sich diese Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit? Scheuen wir am Ende die arbeitsfreie Zeit, weil wir nicht wissen, was wir damit anfangen sollen? Oder graut uns einfach vor der Gewissheit, dass sich die Arbeit während Abwesenheiten nicht selbst erledigt, sondern sich an deren Rändern bloss verdichtet? Oder wissen wir einfach zu gut, dass positive Ferieneffekte nie lange anhalten? Es scheint, dass viele lieber tun, was sie müssen, um nicht zu tun, was sie wollen.

Wer schliesslich in eine IWB kommt, weiss meistens, dass es Zeit dafür ist. Zeit für eine Zäsur im Berufsleben, die oft gekoppelt ist mit privaten Veränderungen. Die Bedürfnisse, die die Lehrpersonen umtreiben, sind anfänglich häufig noch diffus. In unseren Standortbestimmungsseminaren werden diese thematisiert. Oft geht es dabei darum, wieder die Balance zu finden zwischen An- und Entspannung, zwischen Wissen vermitteln und aufnehmen, zwischen Geist und Körper, Fremdem und Eigenem, Loslassen und Neuem anpacken. Hilfreich dafür ist es, Abstand zu nehmen vom Alltag, Gewohnheiten in Frage zu stellen, Erfahrungen zu reflektieren, sich Freiräume zu gönnen und auf Menschen einzulassen, die in berufsbiographisch vergleichbarer Situation sind.

Kaum jemand der vielen hundert Lehrpersonen, die wir bisher erlebt haben, suchen nur die Regeneration und das kultivierte Nichtstun in der IWB. Sie wollen vielmehr persönliche oder berufsbezogene Themen angehen, die über die Freistellungszeit hinaus wirksam sind. Sie wollen Neues erleben, wollen lernen und sich entwickeln – für sich und damit auch für die Schule.

Abraham Joshua Heschel, ein jüdischer Theologe des letzten Jahrhunderts, nannte den Sabbat eine Kathedrale in der Zeit: Unter der Woche sind wir beherrscht von der Arbeit. Die arbeitsfreie Zeit aber bezeichnete er als die Kunst sich selbst zu beherrschen und dabei über sich und das Alltägliche hinaus zu wachsen. Viele IWB-Teilnehmer würden dem wohl zustimmen.

Die IWB ist ein begleiteter Weiterbildungsurlaub, ausgerichtet an individuellen Lernbedürfnissen der Teilnehmenden und gleichzeitig dem Leistungsauftrag der Schule verpflichtet. 
Der nächste öffentliche Infoanlass zur IWB findet am 23. November von 16:00 bis 18:00 an der PHZH statt. 

René Schneebeli bloggte schon mehrfach im Lifelong Learning Blog:
Blogbeitrag zur IWB: Motivation tanken und neue Ziele setzen
Blogbeitrag zur Standortbestimmung: Roger Federer und die Pubertät 2.0

Redaktion: ZBU

Selbstmanagement – Wie schätzen Sie sich ein?

Beitrag von Anita Graf, Professorin für Human Resource Management an der Fachhochschule Nordwestschweiz und selbstständige Beraterin für ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung.


Wie schätzen Sie sich ein: Können Sie sich gut selbst managen und führen oder bereitet Ihnen das regelmässig Kopfzerbrechen? Wissen Sie, wie Sie sich entlasten können – und setzen Sie dieses Wissen auch um?

Sich selbst wirkungsvoll zu führen ist in der heutigen Zeit essenziell – und anspruchsvoll. In vielen Bereichen der Arbeitswelt sind die Anforderungen an Mitarbeitende und Führungskräfte stark angestiegen, der Druck hat zugenommen. Das gilt auch für Hochschulen und andere Bildungseinrichtungen. Zahlreiche Studien zeigen die Auswirkungen von Überforderung und Überlastung im Job: z.B. Demotivation, Erschöpfungszustände, psychosomatische Beschwerden. Ein gutes Selbstmanagement hilft, die Erwartungen aus Lebens- und Arbeitswelt zu bewältigen.

Wie schätzen Sie Ihre Selbstkompetenz ein?

Selbstmanagement-Kompetenz umfasst die Bereitschaft und die Fähigkeit, das eigene Leben selbstverantwortlich zu steuern. Selbstmanagement ist gelebte Selbstverantwortung.

Zurück zur Ausgangsfrage: Wie schätzen Sie Ihr eigenes Selbstmanagement ein? Die folgende Übung hilft Ihnen, Ihre Selbstmanagement-Kompetenz zu reflektieren. Die Grundlage bilden die vier Wirkungsbereiche Leistungsfähigkeit, Leistungsbereitschaft, Wohlbefinden und Balance – sie sind weiter unten kurz beschrieben.


Reflexionssequenz Teil 1

Beantworten Sie die folgenden Fragen und halten Sie Ihre Ergebnisse schriftlich fest:

  1. Leistungsfähigkeit
    Wie zeigt sich Ihre Leistungsfähigkeit im beruflichen und privaten Alltag?
    Worauf beruht Ihre Leistungsfähigkeit? Welche Massnahmen/Aktivitäten gehören hierzu? Welche Einstellungen?
  2. Leistungsbereitschaft
    Wie zeigt sich Ihre Leistungsbereitschaft im beruflichen und privaten Alltag? Wie ist diese erkennbar oder sichtbar?
    Worauf beruht Ihre Leistungsbereitschaft? Was motiviert Sie besonders – bei der Arbeit und im Privatleben?
  3. Wohlbefinden
    Was beeinflusst Ihr Wohlbefinden im Berufs- und Privatleben?
    Hinweis: In der positiven Psychologie beruht Wohlbefinden auf 5 Faktoren: positive Gefühle, Erfolg bzw. erreichte Ziele, Engagement/Flow, Sinn, positive Beziehungen.
  4. Balance
    Was brauchen Sie, um im Alltag Balance zu leben (auf körperlicher, emotionaler, geistiger Ebene, bezogen auf die Balance der Lebensbereiche oder auf die Balance zwischen Aktivierung und Entspannung)?
    Wie erkennen Sie im Alltag, dass Sie in Balance sind?
    Was geschieht, wenn Sie es nicht sind?

Reflexionssequenz Teil 2

Beantworten Sie die folgenden Fragen und schätzen Sie sich auf den Skalen ein (zum späteren Überprüfen schriftlich festhalten).

  1. Wie hoch war in den letzten 6 Monaten im Durchschnitt Ihre Leistungsfähigkeit (10 = sehr hoch, 0 = sehr tief)? Was sind die Gründe, dass der Wert so ist wie er ist?
  2. Wie verläuft der Trend, wenn Sie weiter so leben, wie Sie in den letzten 6 Monaten gelebt haben – nach oben, gleichbleibend oder nach unten?
  3. Beantworten Sie diese beiden Fragen auch für die restlichen drei Parameter.

Wenn Sie alle vier Parameter beurteilt haben:

  1. Was müssten Sie konkret tun, um jeden der vier Parameter auf einem möglichst hohen Niveau zu halten bzw. diesen dahin zu bewegen?
  2. Welchen Gewinn/Nutzen könnten Sie dadurch für sich und Ihr Leben generieren?
  3. Was könnte Sie daran hindern, es nicht zu tun? Was wäre der Preis hierfür? Welchen Preis bezahlen Sie bereits heute?
  4. Welche Ressourcen könnten Sie aktivieren, die Sie in diesem Prozess unterstützen?

Wirkungsbereiche von Selbstmanagement

Selbstmanagement bedeutet, das eigene Leben selbstverantwortlich zu steuern, damit Leistungsfähigkeit, Leistungsbereitschaft, Wohlbefinden und Balance gefördert werden und langfristig erhalten bleiben:

  • Leistungsfähigkeit wird ermöglicht, wenn Menschen über die Kompetenzen verfügen, um sowohl die Herausforderungen und Ansprüche des Berufs- als auch des Privatlebens zu erfüllen. Dies setzt einerseits lebenslanges Lernen voraus (sich weiterbilden, neue Herausforderungen suchen, die Komfortzone verlassen, Neues ausprobieren, Risiken eingehen) und andererseits die Bereitschaft, der eigenen Gesundheit Sorge zu tragen (Belastungen erkennen und abbauen, Ressourcen aktivieren und im Alltag nutzen).
  • Leistungsbereitschaft zeigt sich darin, dass Menschen sich für etwas engagieren – für ein Ziel, eine Sache, eine Person, ein Anliegen, eine Organisation. Sie identifizieren sich mit der Tätigkeit, die sie ausüben oder mit dem Unternehmen, für das sie arbeiten. Identifikation geschieht da, wo die Lebensgestaltung mit den eigenen Bedürfnissen und Werten übereinstimmt, sie ist die Basis für Begeisterung und Passion. Eine sehr hohe Leistungsbereitschaft kann allerdings zu Selbstausbeutung führen.
  • Wohlbefinden wird durch fünf Faktoren beeinflusst, die sich gegenseitig ergänzen und bedingen. Wohlbefinden entsteht, wenn Menschen ein positives Gefühl haben (z. B. Freude, Inspiration, Stolz, Ausgeglichenheit), Ziele erreichen konnten bzw. Erfolg haben, Engagement im Sinne von Flow-Erlebnissen verspüren, Sinn erfahren (z. B. einen Beitrag leisten können, der als sinnvoll erachtet wird) und positive Beziehungen leben.
  • Balance zeigt sich darin, dass Menschen in folgenden Bereichen für Ausgewogenheit sorgen: Balance zwischen Aktivierung/Anspannung und Entspannung/Regeneration, Balance auf körperlicher Ebene (z.B. ausreichend Schlaf, regelmässig Bewegung), auf emotionaler Ebene (z.B. innere Gelassenheit entwickeln) und auf geistiger Ebene (z.B. ausgewogener Wechsel zwischen Konzentration/Fokus und mentaler Entspannung/Loslassen) sowie Balance der verschiedenen Lebensbereiche (Life Domain Balance).
Selbstmanagement stärken
Die Selbstmanagement-Kompetenz zu stärken ist entscheidend, um die Anforderungen der Arbeitswelt zu bewältigen.

Ein lebenslanger und dynamischer Prozess

Ich setze die Reflexionsübung häufig in Selbstmanagement-Seminaren und Coachings ein, wo sie als Orientierungsrahmen dient. Je nach Ergebnis rüttelt diese kleine Übung auf oder kann unangenehme Gefühle hervorrufen, z.B. wenn sich vorhandene «Baustellen» zeigen. Dabei ist Selbstmanagement ein lebenslanger und vor allem dynamischer Prozess, der immer wieder Phasen der Selbstreflektion und der Selbstentwicklung erfordert. Die Grundlage bildet die Bereitschaft, das eigene Leben selbstverantwortlich zu steuern und zu gestalten. Selbstmanagement hat mit klaren Entscheidungen zu tun, auch mit Verzichten-Können oder Verzichten-Müssen. Letzteres fällt besonders Fachleuten wie Hochschuldozierenden und -forschenden oft schwer, was zum Phänomen der interessierten Selbstgefährdung führen kann.

Es zeigt sich in Seminaren und Coachings immer wieder, dass Menschen eigentlich genau wissen, welche Bereiche es zu verändern gilt: Die eigentliche Hürde liegt im Schritt vom Wissen zum Tun. Denn oft entscheidet man nicht alleine – wie bei der Frage, als Familienvater Teilzeit zu arbeiten. Oder die Entscheidungen führen zu Konflikten, beispielsweise wenn Mitarbeitende keine zusätzlichen Aufgaben übernehmen möchten. Manchmal erzeugen Entscheidungen Ängste, zum Beispiel den Arbeitsplatz zu verlieren. Und vielleicht bestehen Konflikte zwischen Bedürfnissen und Zielen, die abzuwägen sind – wie finanzielle Sicherheit versus mehr Freiraum. Häufig ist es notwendig, auf der neurobiologischen Ebene die entsprechenden neuronalen Vernetzungen erst zu bilden, etwa beim Schaffen neuer Automatismen (der Schritt vom Wissen zur Handlungsroutine). Coachings und Beratungen zum Selbstmanagement können beim Umsetzen und Angehen helfen.

Packen Sie es an!

Anita Graf leitet Anfang Mai einen Kurs zum Thema Selbstmanagement für Hochschuldozierende am ZHE. Anmeldungen sind noch bis am 04.April möglich. 

Lesetipp: 
Anita Graf (2017): Sich selbst wirkungsvoll führen. Kernkompetenz der Zukunft. Zeitschrift für Führung + Organisation, 02/2017 (86. Jg.), Seite 68–75. 

Anita Graf (2012): Selbstmanagement-Kompetenz in Unternehmen nachhaltig sichern: Leistung, Wohlbefinden und Balance als Herausforderung.

Redaktion: ZBU

Roger Federer und die Pubertät 2.0

 

Rene_Schneebeli_sw

Beitrag von René Schneebeli, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Weiterbildung Berufsfachschulen und Verantwortlicher IWB Sek II

 

Roger Federer versetzte die Sportwelt kürzlich in Staunen und Begeisterung. Er gewann den Grand-Slam-Final der Australian Open in Melbourne und holte sich seinen 18. Major-Titel. Dass er sich damit als erfolgreichsten Tennisspieler der Geschichte bestätigte, ist dabei nicht alleine ausschlaggebend für die Begeisterungsstürme auf sozialen und anderen Medien. Roger Federer gelang dieser Major-Sieg nach fast fünf Jahren Durststrecke, kaum zurück aus seiner längsten Verletzungspause. Mit 35 ist er zudem der zweitälteste Grand-Slam-Gewinner der Profiära. Wie schafft er das bloss, so nahe dem Rentenalter im Spitzentennis noch so motiviert zu sein? Woher holt er sich die Kraft, um sich nochmals zurück zu kämpfen? Wie schaffen das Menschen überhaupt, bis zum Ende der Berufskarriere motiviert und engagiert zu bleiben?

Goldener Käfig

Routine und Erfahrung sind bei Roger Federer sicher entscheidende Faktoren für seinen erneuten Erfolg. Nach seiner Verletzungspause waren es aber vor allem Motivation und Leidenschaft für den Sport, die ihn dazu antrieben weiterzumachen. Zuvor hat er sich zurückgezogen, seinen Aufbau sorgfältig geplant, sich die Zeit genommen, die er brauchte. Er kam fit, mental frisch und mit weniger Druck denn je aus seiner Auszeit zurück. Sich eine Auszeit nehmen, auftanken und neu ausrichten sind bewährte Strategien, die auch im stressigen Berufsalltag neuen Aufwind schenken. Denn obwohl sich Routine und Erfahrung mit den Jahren mehren, scheint sich die Motivation manchmal zu verabschieden.

Roger Federer
Roger Federer ist mental und körperlich frisch aus der Auszeit zurück.

Insbesondere gegen Ende der Berufstätigkeit können sich Ermüdungserscheinungen einstellen. Der berufliche Alltag ist anstrengend, bis zum Ende absehbar und bietet kaum Perspektiven. Dies obwohl die Arbeit vielleicht grundsätzlich zufrieden stellt, sinnvoll ist und Gestaltungsfreiheit gibt. Es gebe einem das Gefühl, in einem goldenen Käfig zu sitzen, sagte mir kürzlich ein befreundeter Berufsfachschullehrer.

Er spricht damit die Ambivalenz zwischen Arbeitsüberforderung und Arbeitszufriedenheit an. Zwei Dinge die sich eben nicht zwingend ausschliessen. Dabei geht es bei ihm als Lehrer in der sogenannten Lebensmitte (40-60 Jahre) weniger um die allgemeinen berufs­spezifischen Belastungen von Lehrpersonen. Mit dem Übergang in die zweite Lebenshälfte wird man sich der Grenzen der zeitlichen, körperlichen und kognitiven Ressourcen erstmals bewusst.

Damit ändert sich die Pasqualina Perrig-ChielloZeitorientierung: Man denkt nicht mehr in Jahren nach der Geburt, sondern überlegt, wie viele Jahren noch bleiben. Die Wissenschaft spricht von einer eigenständigen, herausfordernden Lebensphase (siehe dazu z.B. Interviews mit der Entwicklungspsychologin Pasqualina Perrig-Chiello).

Pubertät 2.0

In keiner anderen Lebensphase ist man so stark eingespannt und trägt in unterschiedlichen gesellschaftlichen Rollen so viel Verantwortung für andere wie in diesen Jahren. Dadurch fühlt man sich oft fremdgesteuert und die knappe Zeit reicht nicht mehr für sich selber. Eine Studie in über 80 Ländern zeigte auf, dass die Lebenszufriedenheitskurve für dieses Alter sogar die tiefsten Werte ausweist. Gewisse Fragen rücken in den Vordergrund: „Was mache ich noch mit dem Rest meines Lebens? War es das jetzt wirklich? Kommt noch was?“

Sich mit der eigenen Situation auseinander zu setzen und Erreichtes zu bilanzieren, drängt sich an diesem Punkt fast auf. Dabei geht es letztendlich um eine Justierung der Identität, bei der die bisherigen Bemühungen wieder mit den eigenen Bedürfnissen und ursprünglichen Lebensplänen in Relation gesetzt werden müssen. Selbstverantwortlich und proaktiv diese Lebensphase zu bewältigen hat sich dabei als erfolgversprechend erwiesen:

  • Den Prozess aktiv steuern statt Opfer der Umstände zu werden und
  • sich eigene Vorstellungen von der Zukunft schmieden und Strategien zur Umsetzung entwickeln.

Auch die Professionalitätsforschung geht davon aus, dass wichtige Kompetenzen des Lehrberufs erst im Verlauf der Berufskarriere entwickelt werden: in der aktiven Auseinandersetzung mit den eigenen Erfahrungen.

Standortbestimmung 2.0

Sich eine Auszeit nehmen, aus dem Alltag heraustreten, die eigene Situation hinterfragen, eigene Bedürfnisse erkennen, sich neue Ziele setzen und nächste Entwicklungsschritte planen. Man kann sich gut vorstellen, dass sich dies auch Roger Federer während seiner Verletzungspause zum Ziel gemacht hat. Kurz innehalten für eine Standortbestimmung lohnt sich allerdings schon vor einer Verletzung, bevor einen das Burnout dazu zwingt. Zur Regeneration und Neuausrichtung.

Standortbestimmung: Wo stehe ich? Wo will ich hin?
In der Lebensmitte können Herausforderungen in Beruf, Beziehung, Familie und die schwindenden körperlichen Ressourcen auslaugen.

Die dreitägige Standortbestimmung im Rahmen des Begleitprogramms zur Intensivweiterbildung (IWB) bietet eine Möglichkeit dazu. Etwa zehn bis zwanzig Lehrpersonen gehen auf Distanz zu Schule und Alltag und setzen sich mit der persönlichen Situation auseinander. Die Themen und Motive sind dabei so verschieden wie die Teilnehmenden selbst:

  • Gesundheitsprävention
  • Berufliche Weiterentwicklung oder Weiterbildungen
  • Verwirklichung von persönlichen Projekten
  • Anregungen und Impulse für die Zukunft

Meist sehen die Teilnehmenden dies als Chance für eine Entwicklung, von der sie in den kommenden Berufsjahren profitieren können.

Endlichkeit geniessen

In der Standortbestimmung werden wissenschaftliche Erkenntnisse und die Erfahrungen der PHZH mit bald 800 IWB-Absolventen diskutiert. Es wird Rückschau gehalten auf das bisherige Berufsleben, Einzelgespräche mit Laufbahnberatern geführt, die Gruppe vielfältig als Ressource genutzt, Einzel- und Gruppenarbeiten präsentiert und sich immer wieder auch informell ausgetauscht. Methodisch ist es am Zürcher Ressourcen Modell (ZRM) angelehnt, das zum Beispiel effektiv hilft mit Stress umzugehen oder unangenehme Pflichten leichter anzugehen, seinen wirklichen Bedürfnissen näher zu kommen oder ein gesünderes Leben zu führen (Überblick Wirkungsstudien hier).

Federer sagte im Interview nach seinem Sieg, dass ihm die Auszeit nicht nur geholfen habe zu regenerieren, sie habe auch seine Sicht der Dinge beeinflusst. Nach der Rückkehr sei er motivierter und spielfreudiger denn je gewesen. Je mehr der Endlichkeit der Karriere bewusst, desto mehr geniesst er sie. Wie wärs wenn wir das auch tun würden?

Die dreitägige Standortbestimmung im Toggenburg bildet den ersten Teil des Begleitprogramms der PHZH zur Intensivweiterbildung IWB. Sie ist auch für interessierte Lehrpersonen offen, die keine IWB absolvieren.

Der öffentliche Infoanlass zur IWB findet am 16. März von 17:30 bis 19:00 an der PHZH statt. 
  
Die IWB ist ein begleiteter Weiterbildungsurlaub, ausgerichtet an ihren individuellen Lernbedürfnissen und gleichzeitig dem Leistungsauftrag der Schule verpflichtet. 
>>Blogbeitrag zur IWB von René Schneebeli

Redaktion: ZBU

IWB: Motivation tanken und neue Ziele setzen

Rene_Schneebeli_sw

Beitrag von René Schneebeli, Dozent im Zentrum Berufs- und Erwachsenenbildung der PH Zürich.


«Sag mal, kannst du eigentlich auch etwas anderes als Führen?» Der Satz kam unverhofft aus der Runde der IWB-Seminarteilnehmenden und löste wohl deshalb bei Reto mehr Betroffenheit aus, als allen lieb war. Reto hat viele Jahre als Vorgesetzter, Projektleiter und Geschäftsführer gearbeitet. In der Rolle als Lehrperson kam ihm deshalb das herkömmliche Bild des lehrerzentrierten Lernens entgegen.

Seit aber die Kompetenzorientierung und vor allem das selbstorganisierte Lernen an seiner Schule Einzug gehalten haben, ist Reto gefordert. Nicht nur führen soll er, sondern auch begleiten und coachen. Das genaue Beobachten, die Reflexion von Ergebnissen und das Verhalten gegenüber den Lernenden rücken in den Vordergrund.

Feedback auf Augenhöhe

Was Schulleitung und sein Berufsstand seit Längerem forderten, und was Reto kognitiv gut einordnen konnte, kam an diesem Seminartag durch die Provokation seines Kollegen auch emotional bei ihm an. Der Spruch hätte ebenso gut im Lehrerzimmer oder in der Familie fallen können. Aber erst durch die bewusste Auseinandersetzung mit seinen Handlungsroutinen und Wahrnehmungsschemata in einem strukturierten Prozess, erst durch das Feedback auf Augenhöhe schlug, eine neue Erkenntnis durch.

Retos Widerwillen, sich einer weiteren Mode der Pädagogik beugen zu müssen, wandelte sich in ein persönliches Bedürfnis. Dieses wurde zum Ausgangspunkt seines Projekts – so verwarf er seine anfängliche Idee, die theoretischen Hintergründe von Führung aufzuarbeiten. Jetzt wollte er sich auf ein fremdes Land, eine fremde Kultur und eine fremde Sprache einlassen. In der reflektierten Auseinandersetzung mit dem Unbekannten sollte das gestärkt werden, was dem neuen Rollenverständnis geschuldet ist.

IWB-Teilnehmende berichten
IWB-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer berichten von ihren Projekten

Selbstreflexion – Chance zum Setzen neuer Ziele

Bei Reto lässt sich nachvollziehen, dass in der beruflichen Entwicklung die persönlichen und fachlichen Entwicklungsprozesse miteinander verwoben sind. Insbesondere bei Berufserfahrenen, die über ein trägeres Selbstbild verfügen, braucht es oft mehr Aufwand und eine höhere Reaktionsenergie um Betroffenheit und letztendlich Lernprozesse auslösen zu können.
Um solche Entwicklungsprozesse zu initiieren, braucht es Raum, Zeit, Zuwendung und Distanz zum Berufsalltag. Was sich wie der Luxus unserer Tage anhört, ist aber eigentlich ein effektives Mittel zum langfristigen Erhalt der Arbeitsproduktivität.

Die Intensivweiterbildung (IWB) des Kantons Zürich für Berufsfachschullehrpersonen (BFSL) ist ein solches Angebot. Sie ermöglicht langjährigen Lehrpersonen eine zehnwöchige Freistellung von der Unterrichtstätigkeit. Dabei ist der Name des Angebots Programm: Zielsetzung ist gemäss dem Regierungsratsbeschluss des Kantons Zürich von 1986 die vertiefte fachliche, methodische und persönliche Weiterbildung. Die IWB positioniert sich nach heutiger Lesart als überfachliches Angebot und wird als berufsbiographische Zäsur verstanden, die der Standortbestimmung, der Reflexion und der Weiterentwicklung der Lehrpersonen dienen soll.

Gelockerte Teilnahmebedingungen noch wenig bekannt

Die Rahmenbedingungen des Angebots haben sich seit seiner Einführung stark gelockert. Der kursorische Anteil der IWB sank stetig und die individuellen Freiheiten in der Ausgestaltung nahmen kontinuierlich zu. Heute beträgt der Umfang des notabene freiwilligen Begleitprogramms der PHZH noch sieben Tage der insgesamt 10 Schulwochen der IWB.
So sind die eher bescheidenen IWB-Teilnehmendenzahlen nicht leicht zu erklären. Das war der Grund für eine Studie, die im Frühjahr 2015 der Frage nachging, welches die Gründe für die Nicht-Teilnahme an der IWB sind. Die Online-Befragung bei allen BFSL des Kantons Zürich (n=2’226) hatte einen Rücklauf von 13.1% (n=291).

>>Link zum Abstract der Masterarbeit «Keine Zeit für Auszeit» von René Schneebeli

IWB – attraktiv und doch (noch) nicht von vielen Lehrpersonen besucht

Im Ergebnis zeigte sich zunächst, dass die Zahl der jährlichen Teilnehmenden seit 1987 zwar stark schwankte, aber im langjährigen Schnitt vergleichbar bleibt.
Der Hauptgrund für die Nicht-Teilnahme sind vor allem die Zulassungskriterien, die nur gerade 14.8% (n=43) der Umfrageteilnehmenden erfüllten. Es wird gefordert, dass man 12 unbefristete Dienstjahre beim Kanton vorweisen kann, noch nicht 58 Jahre alt ist und noch keine IWB absolviert hat. Mit diesen Kriterien ist niemand so richtig zufrieden. Sie laufen sich teilweise zuwider und werden modernen Lehrerbiographien nicht mehr gerecht.

Von den 43 Personen, die von den Zulassungskriterien nicht aussortiert wurden, wusste ein Drittel nicht, dass sie zu den Anspruchsberechtigten gehörten. Das wiederum weist auf ganz andere Probleme hin. Geradezu paradox war, dass viele Lehrpersonen keine Zeit hatten für eine Auszeit. Über ein Drittel gab familiäre Gründe an und über die Hälfte hatte andere Beweggründe. Dahinter verbergen sich z.B. Anstellungen an Zweitschulen, Selbstständigkeit oder die Anstellung in einem Betrieb.

Ob die IWB «aufgespart» wird oder ob sie sich schlicht als unvereinbar mit anderen Verpflichtungen erweist, lässt sich abschliessend nicht sagen. Aus der Sicht der Anspruchsberechtigten würde die Schule ihrer Teilnahme an der IWB, trotz Spardruck, jedenfalls nicht im Weg stehen. Auch dem Begleitprogramm der PHZH attestierten fast alle Anspruchsberechtigten einen Mehrwert. Darin spiegelt sich das Verständnis der IWB nicht nur als Massnahme zur Entlastung vom Berufsalltag, sondern auch als Möglichkeit zur aktiven Auseinandersetzung mit der eigenen Berufsbiographie und der persönlichen und fachlichen Weiterbildung.

Distanz zu den eigenen Wahrnehmungsmustern entwickeln

Reto entwickelte seine Idee im dreitägigen Modul Standortbestimmung, mit dem die IWB beginnt. Auch das Seminarhotel in der fernen Ostschweiz erleichterte es ihm, Distanz zur Schule und zum Schulalltag zu gewinnen. Vielleicht fiel ihm die Überprüfung der Tauglichkeit seiner Verhaltensmuster auch leichter, weil er die Möglichkeit zum Austausch mit Lehrpersonen in berufsbiographisch vergleichbaren Situationen hatte. Jedenfalls gefiel es ihm dort. Beim Abschied meinte er dann auch, das Hotel sei toll geführt…

Die IWB ist ein begleiteter Weiterbildungsurlaub, der sich an Ihren individuellen Lernbedürfnissen ausrichtet und gleichzeitig
dem Leistungsauftrag der Schule verpflichtet ist. Sie können Abstand vom Schulalltag gewinnen und sich zehn Schulwochen lang in selbstgewählte Projekte und Weiterbildungen vertiefen.
>>mehr über die IWB und das Begleitprogramm der PHZH
Neu kann die dreitägige Standortbestimmung auch von Lehrpersonen besucht werden, die keine IWB absolvieren, sich aber mit ihrer persönlichen und beruflichen Situation auseinandersetzen wollen.
>> René Schneebeli gibt Ihnen gerne näher Auskunft.
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