Kompetenzentwicklung in Beruf + Schule

Porträt Andreas SägesserBeitrag von Andreas Sägesser, Dozent für Fachdidaktik in der Ausbildung Berufsfachschulen/Sekundarstufe II an der PH Zürich und selbständiger Berater für die Förderung von Kompetenzentwicklungen an Schulen und in Firmen.


Fortsetzung zum Beitrag Selbstorganisiert lernen mit ePortfolio

Ein ePortfolio kann als Werkzeug für das eigene Lernen beschrieben werden. Es hilft sich zu motivieren und zu organisieren, macht Lernprozesse sichtbar, verknüpft Ressourcen und lässt andere am Lernen teilhaben – es unterstützt das selbstorganisierte Lernen. In einem ersten Blogbeitrag zum ePortfolio habe ich an einem praktischen Beispiel gezeigt, wie ich mit meinem ePortfolio Kompetenzen, Ressourcen und Lernprozesse sammle, dokumentiere und verknüpfe. Ein ePortfolio lässt sich aber nicht nur für das persönliche Lernen einsetzen, es ist auch in der beruflichen Entwicklung und für das schulische Lernen wertvoll und vielseitig einsetzbar. Welche Rolle Kompetenzen spielen und wie ePortfolios im Beruf und an Schulen und Hochschulen eingesetzt werden, macht dieser Beitrag deutlich.

e-Portfolio unterstützt die berufliche Entwicklung

Die Personalentwicklung in Unternehmen richtet sich heute vermehrt nach Kompetenzen aus. Diese Entwicklung beruht auf der Erkenntnis, dass fachliches Wissen an Bedeutung verliert. Erfolgreiche Unternehmen beschäftigen sich deshalb mit der Frage, wie eigenverantwortliche Mitarbeitende im Netzwerk ihr volles Potential ausschöpfen und Innovation vorantreiben können. Dafür braucht es primär überfachliche Kompetenzen, welche sich im Dialog mit sich selbst und anderen entwickeln lassen. Das ePortfolio eignet sich perfekt dafür, eher theoretische Wissensressourcen (zum Beispiel aus externen Weiterbildungen) mit den praktischen Ressourcen und Erfahrungen im Berufsalltag zu vernetzen (siehe Bild) und so überfachliche Kompetenzen zu fördern.

ePortfolio vernetzt
Mit dem ePortfolio können Arbeits- und Lebensbereiche vernetzt werden.

Das ePortfolio kann so als Basis für förderorientierte Gespräche mit Vorgesetzten dienen. Bei diesen Gesprächen wird beispielsweise gemeinsam vereinbart, welche Kompetenzen als Entwicklungsziele für die nächste Zeit ins ePortfolio integriert und dort aktiv bearbeitet werden. Dabei ist es mir ein Anliegen, dass wir den Bereich Kompetenzen möglichst «breit» denken. Auch für Führungspersonen kann es wertvoll sein, ihre Führungskompetenzen im ePortfolio bewusst weiterzuentwickeln. Ein mögliches Ziel könnte lauten:

Ich kann im Mitarbeitendengespräch weniger als 20% Gesprächszeit in Anspruch nehmen. Ansonsten höre ich aktiv zu!

Die Entwicklung solcher Kompetenzen ist allerdings eine grosse Herausforderung: Sie sind fest in der Person verankert. So sind wir «gefährdet», dass vor allem unter Druck alte Muster wieder zum Vorschein kommen. Mit dem ePortfolio haben wir die Chance, diese Muster im Notizbuch Prozesse zu erkennen und aktiv anzugehen.

ePortfolio an Schulen und Hochschulen nutzen

An Schulen und Hochschulen werden in den Lehrplänen vermehrt Kompetenzen formuliert (Grundbildung, Lehrplan21; Berufsbildung, Handlungskompetenzorientierung). An diesen Vorgaben der Bildungspläne orientieren sich die Lern- und Entwicklungsprozesse der Lernenden. Solche Kompetenzziele lassen sich mittels ePortfolio im Unterricht integrieren, wie ich an einem Beispiel zeige:

Wir orientieren uns in den Studiengängen der Sekun­dar­stufe II/Be­rufs­bildung an Kompetenzen, die 10 Handlungsfeldern zugeordnet sind. Diese Kompetenzen lassen sich als zentraler Bestandteil ins ePortfolio integrieren. Dieser Bereich steht den Studierenden ab Studienstart zur Verfügung (siehe Bild).

Vorlagen Kompetenz ePortfolio
Bildungsziele lassen sich im Bereich Kompetenzen integrieren und bearbeiten.

Die Studierenden können sich daran orientieren und sogleich mit der Bearbeitung ihres Kompetenzprofils beginnen. Sie sammeln Ressourcen und verknüpfen diese mit den entsprechenden Kompetenzen – in formalen Lernsettings oder ausserhalb davon. Erfahrungen aus der beruflichen Praxis dokumentieren und reflektieren sie beispielsweise im Bereich Prozesse. Und die ePortfolios werden schliesslich im Lerntandem oder in Lerngruppen geteilt. Somit wird kooperatives und kollaboratives Lernen und Entwickeln unabhängig von Ort und Zeit ermöglicht und gefördert.

Als Dozierende mit ePortfolios unterstützen und lernen

Als Dozent lade ich die Studierenden ein, ihre ePortfolios zudem mit mir zu teilen. Die Notizbücher Kompetenzen, Ressourcen und Prozesse staple ich pro Student/in. Es ist mir dabei sehr wichtig, dass die Studierenden mich einladen und nicht umgekehrt. Studierende können somit ihre ePortfolios vollständig selber verwalten und bestimmen, welche Teile, zu welchem Zeitpunkt und mit wem geteilt werden. Dieser Grundsatz hat sich auch in Unternehmen (z.B. bei TBF) bewährt, die ihre Mitarbeitenden bei der Entwicklung des individuellen ePortfolios unterstützen.

Die Möglichkeiten des ePortfolios sind für mich als Dozenten einzigartig: Ich kann Lernaktivitäten in den ePortfolios beobachten und optimal unterstützen. Über das ePortfolio gewinne ich rasch den Überblick und sehe, wo eine förderorientierte Rückmeldung hilfreich sein kann – vielleicht gelingt es mir dann sogar, die eine oder andere Ressource in den Prozessen der Studierenden zu vernetzen. Ich schätze es sehr, dass ich als Dozent dabei  immer «mitlernen» darf. Plötzlich entdecke ich für mich unbekannte Ressourcen in ePortfolios von Studierenden, welche mir selbst eine Weiterentwicklung möglich machen oder eine neue Lösung aufzeigen. Somit werde ich als Dozent ebenfalls Teil des lernenden Systems (siehe dazu auch das Personal Learning Network). Ähnlich verstehe ich meine Rolle auch in Unternehmen – vielleicht passt da die Bezeichnung Facilitator.

Mehr zu ePortfolios und wie sie genutzt werden können, gibt es im ersten Teil dieses Blogbeitrages zu lesen: Selbstorganisiert lernen mit ePortfolio.

Andreas Sägesser hat an der PH Zürich die Veranstaltungsreihe SOL Live ins Leben gerufen, wo es um den Austausch zum Selbstorganisierten Lernen geht. Dabei ist das ePortfolio ein zentrales Werkzeug.

Lesetipps: 
Interview mit Andreas Sägesser: Die Chancen von ePortfolios nutzen. 
Miller & Volk (2013): E-Portfolio an der Schnittstelle von Studium und Beruf. 

Videotipp: Kurzvideo mit Andreas Sägesser über ePortfolios

Redaktion: ZBU

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