Gelassen und mutig entscheiden

Text: Dagmar Engfer

Der Blogbeitrag «Entscheidungsprozesse an Hochschulen: Entscheiden lassen – Entscheide steuern – Entscheide bewirken» thematisierte die Beratungstätigkeit mit lateral Führenden. Diese Führungspersonen stellten u.a. in Landkarten der Macht dar, wie Entscheidungsprozesse funktionieren. Jetzt wenden wir uns der Frage zu, wie Führungspersonen Entscheidungsprozesse erleben. Wir ergründen diese mit Prof. Dr. Christine Böckelmann, Direktorin der Hochschule Luzern – Wirtschaft und Prof. Dr. Matthias Briner, Leiter Zentrum für Ausbildung und Studiengangleiter MSc Angewandte Psychologie, FHNW.

Kein Tag ohne Entscheiden

Führungspersonen an Hochschulen fällen täglich Entscheide auf verschiedenen Ebenen, mit kurz- bis langfristiger Tragweite und auf unterschiedlichen Flughöhen. Die Folgen von Entscheidungen lassen sich, so Böckelmann, oft nur schwer abschätzen, da die Sachlage oft mehrdeutig und die Prognosen entsprechend unsicher sind. Das Risiko von Fehlentscheidungen ist gross und Entscheidungsprozesse können sich hinziehen; Betroffene müssen Unsicherheiten oft lange aushalten.

Entscheidungen sind oft schwierig, jedoch notwendig. (Bildquelle: Adobe Stock)

Sollen Mitarbeitende in Entscheidungsprozesse einbezogen werden? 

Führungspersonen in Expert:innenorganisationen sind oft mit der Erwartung der Mitarbeitenden konfrontiert, ihre Expertise einzubringen. Darin sieht Briner sowohl eine Herausforderung als auch eine attraktive Chance.

Böckelmann regt an, zwischen der Partizipation am Entscheidungsprozess selbst und dem Fällen des Entscheides zu unterscheiden. Diese Differenzierung kann helfen, die Frage des Einbezugs von Mitarbeitenden sinnvoll zu klären.

Entscheide an Hochschulen gestalten sich dann besonders anspruchsvoll, wenn divergierende Erwartungen berücksichtigt werden müssen und verschiedene Organisationseinheiten oder gar die gesamte Organisation betroffen ist, wie etwa bei strategischen oder strukturellen Weiterentwicklungen einer Hochschule.

Böckelmann betont: «Kollektive Entscheidungen sehe ich vor allem in überschaubaren Arbeitsteams und Gremien. Betrifft die Entscheidung eine grössere bzw. komplexe Organisation als Ganzes, kann es bei kollektiver Beschlussfassung zu einer Mehrheitsentscheidung kommen, welche die Anliegen und Bedürfnisse kleinerer Einheiten kaum berücksichtigt und möglicherweise auch den strategischen Zielen der Organisation widerspricht.»

Vom Unterwegs in Partizipation bis zum Mitdenken von Risiko

Briner unterstreicht ebenfalls die Relevanz der Gesamtorganisation. Die Breite der Abstützung ist je nach Grösse der Tragweite einer Entscheidung unterschiedlich. Es bereichere Entscheide, wenn die Perspektivenvielfalt verschiedener Involvierter berücksichtigt werde. Nötig dafür sei, eine gemeinsame Sprache zu entwickeln. Gleichzeitig erhöht sich dadurch die Komplexität, Prozesse werden schwerfälliger und es wird anspruchsvoller, die gewünschten gemeinsamen Ziele zu verfolgen. Ein mögliches Vorgehen in solchen Situationen ist, in grösseren Gremien Stimmungsbilder abzuholen, nach Mehrheitsbildern zu suchen, Interessen zu erfragen und daraus eine Auslegeordnung als Entscheidungsgrundlage zu erstellen. Es lohnt sich, die Opportunitätskosten abzuwägen und sich zum Beispiel zu fragen: «Was passiert, wenn…?», «Wie sieht es mit der Balance zwischen Aufwand und Ertrag aus?». Entsprechend gehört zu Entscheiden grösserer Tragweite ein Abwägen von Chancen und Risiken.

Betreffen Entscheidungen die Arbeitssituation Mitarbeitender substanziell, sollte Partizipation am Prozess der Entscheidungsfindung eine Selbstverständlichkeit sein, so Böckelmann. Voraussetzung dafür ist, zu Beginn zu definieren, welche Fragen partizipativ bearbeitet werden und was aufgrund von Vorgaben oder Zielen der Gesamtorganisation nicht verhandelbar ist. Pseudopartizipation frustriert alle Beteiligten.

Entscheiden unter Zeitdruck

Noch ein Blick auf Nicht-Entscheide und Entscheide, die in Eile gefällt werden (müssen).

In Expert:innenorganisationen gehört der wissenschaftliche Diskurs zum Alltag. Das damit verbundene Vorgehen wirkt mitunter in Entscheidungsprozessen jedoch hemmend. So wäre es manchmal besser abzuwarten und noch nicht zu entscheiden, merkt Briner an. Doch geht dies nicht in jedem Fall. Im Nachhinein hätten es wohl alle besser gewusst. Beide Vorgehensweisen – Abwarten oder schnell Entscheiden und allenfalls einen Fehlentscheid in Kauf nehmen – haben ihren Preis. Ein Entscheid ist selten 100% richtig. Er lässt sich nur fällen aus der aktuellen Situation und mit Blick auf die bekannten und antizipierten Bedingungen. Zentral ist darum eine offene Fehlerkultur: allfällige Fehler offenlegen, daraus lernen und weitergehen. Deshalb ist Vertrauen für Briner eine relevante Basis, um tragfähige Entscheide zu fällen.

Zum Umgang mit schnellen Entscheiden meint Böckelmann: «Müssen Entscheidungen von grösserer Reichweite in Eile getroffen werden, dann ist in der Organisationsentwicklung vermutlich etwas schiefgelaufen oder wir haben es mit einer akuten Krisensituation zu tun.
In Krisensituationen müssen Führungspersonen unter Umständen schnell entscheiden können. Je nachdem ist dann eine Partizipation nicht möglich, oder sie muss sich z.B. auf eine kleine Gruppe beschränken, die stellvertretend für verschiedene Gruppen von Fachpersonen als «Sounding-Board» zur Verfügung steht. Liegt keine Krisensituation vor, dann dürfte es sich lohnen, darüber nachzudenken, warum man in eine Situation geraten ist, in der eine Entscheidung von grosser Reichweite eilt. Möglicherweise lassen sich Prozesse so verändern, damit dies – hoffentlich – ein Ausnahmefall bleibt.»

Briner teilt Böckelmanns Ansicht, dass Entscheide in Eile eher direktiver werden. Dennoch sei es zentral, mit jemandem zu reflektieren und einen Schritt zurückzutreten. Wenn ein Entscheid noch nicht reif ist, könne es wichtig sein, Zeit zu gewinnen.

Es hilft zudem, einen Entscheid in sinnvolle, bewältigbare Portionen zu segmentieren und damit eine zeitliche Staffelung herbeizuführen. Eine weitere Strategie ist, den Entscheid in einem grösseren Ganzen zu verorten und vielleicht zu relativieren – dies ermöglicht eine einigermassen zuversichtliche Gelassenheit.

Gelungene Entscheidungsprozesse sind nicht immer logisch 

Abschliessend wenden wir uns der Frage zu, was für Entscheidungsprozesse typisch ist und wie sie gelingen können.  

Böckelmann meint dazu: «Charakteristisch scheint mir, dass Entscheidungsprozesse in der Regel nicht so ‹wohl-sortiert› und in logisch strukturierten Schritten ablaufen, wie man sich das zu Beginn vorgestellt oder geplant hat. Dies liegt unter anderem daran, dass Organisationen von unterschiedlichen Rationalitäten geprägt sind. Je nach Rolle und Funktion, die jemand hat, werden Dinge unterschiedlich gewichtet und bewertet. Man hat je eigene Interessen, Denk- und Sichtweisen sowie entsprechend unterschiedliche Problemwahrnehmungen. Damit wird der Prozess selbst durch verschiedene Perspektiven mitgesteuert.» Auch Briner erlebt sich oftmals in einer Vermittlungsposition. Für ihn ist zudem charakteristisch, dass Entscheide einen «vorbereiteten Acker» benötigen.

Konkrete Tipps für Projektleitende und Studiengangleitende

Welche Haltung und Handlungskompetenzen brauchen Projektleitende und Studiengangleitende, um Entscheidungsprozesse mitzugestalten, vorwärtszubringen oder zielführend zu unterstützen?

  • Prozesse vorausschauend planen mittels einem ausgereiften Projektmanagement.
  • Offenheit und Toleranz für unterschiedliche Positionen; diese wahrnehmen und würdigen, selbst wenn nicht alles berücksichtigt werden kann. Somit auch über den eigenen Schatten springen können und Ideen anderer annehmen.
  • Kommunikatives und diplomatisches Geschick sowie strategische Zusammenhänge verstehen, um mit unterschiedlichsten Stakeholdern zu verhandeln.
  • Ein gutes Mass an Frustrationstoleranz, um Zusatzschlaufen und ungeplante Interventionen von Vorgesetzten «auszuhalten», und sich davon verabschieden, es allen recht machen zu wollen.
  • Geduld, Bescheidenheit und Gelassenheit.
  • Mut, mit bedachtem Risiko etwas wagen.

«Entscheide erfordern auch Mut; Mut, etwas zu tun.», bilanziert Briner: «Begeisterte Gelassenheit – gelassene Begeisterung»

INFOBOX

Der CAS Führen in Projekten und Studiengängen an Hochschulen ermöglicht massgeschneidert und laufbahnbezogen rollenspezifische Kompetenzen in Führung, Management und Planung zu entwickeln. Er richtet sich an Verantwortliche in Projekten, Studiengängen und Querschnittsfunktionen in Aus- und Weiterbildung an Fachhochschulen, Universitäten, Pädagogischen Hochschulen, höheren Fachschulen sowie weiteren Bildungsinstitutionen. Die nächste Durchführung startet am 28. März 2023. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung!

Zur Autorin

Dagmar Engfer ist Coach, Organisations-beraterin, Teamentwicklerin und Führungs- und Laufbahnberaterin BSO, stellvertretende Leiterin sowie Verantwortliche Beratung und Dozentin am Zentrum Hochschuldidaktik und -entwicklung der PH Zürich. Zudem ist sie Co-Leiterin des Lehrgangs CAS Führen in Projekten und Studiengängen an Hochschulen.

Disrupt your ideas about Hochschule(n)*

Beitrag von Ulrike Hanke

Wie würde sich ein Bildungssystem auf Hochschulstufe heute entwickeln, wenn es kein tradiertes gäbe? Angestossen durch das Buch «Disrupt yourself» von Christoph Keese, einen Artikel «Disrupt HR» von Christian Böhler und auch durch viele interessante Persönlichkeiten, denen ich in den sozialen Medien folge, beschäftige ich mich derzeit mit dieser Frage. Auch wenn ich unsicher bin, wage ich es, meine Ideen hierzu mit Ihnen zu teilen. Ein Disclaimer vorab: Meine Überlegungen, die ich hier zur Diskussion stelle, möchte ich nicht als richtig oder unumstösslich verstanden sehen. Sie sind eine Diskussionsgrundlage.

Hochschule neu denken
Gäbe es einen Treffpunkt wie den Lichthof der Universität Zürich auch in einem neu entstandenen Bildungssystem?

Gewohntes wird nicht über Bord geworfen

Unser derzeitiges Bildungssystem ist gewachsen und trägt offensichtlich starke Züge vergangener Zeiten mit anderen Voraussetzungen. Für viele scheint klar, dass dieses System in diversen Punkten nicht mehr zeitgemäss ist. Aber wie es mit gewachsenen Dingen immer ist: Sie werden selten komplett verworfen, sondern immer nur schrittweise und mit viel Mühe an neue Gegebenheiten angepasst. Denn Menschen fällt es schwer, gewachsene Dinge ganz über Bord zu werfen und sich von ihnen vollständig zu lösen.

Deshalb möchte ich mit meinem Gedankenexperiment auf der «grünen Wiese» beginnen.

Ein Gedankenexperiment

Ich gehe dabei von folgenden Rahmenbedingungen aus:

  • Es gibt kein Bildungssystem auf Hochschulstufe.
  • Es gibt keine Institutionen wie Hochschulen und Universitäten, die Lehre anbieten, Prüfungen abnehmen und Zertifikate verteilen.
  • Folglich sind auch Zugänge zu Positionen und Berufen nicht geregelt.

Auch unter diesen Voraussetzungen müssten junge Menschen Wege und Möglichkeiten finden, ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenleben zu leisten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie müssten also Tätigkeiten nachgehen, bei denen sie Geld verdienen. Wie würden sie Zugang zu diesen Tätigkeiten erhalten?

Ich gehe bei meinem Gedankenexperiment davon aus, dass – wie heute schon –

  • Informationen und Informationsquellen überall und für alle leicht zugänglich sind,
  • die Welt sich rasch verändert,
  • die Halbwertszeit von Wissen sehr kurz ist.

Menschen müssen sich folglich ständig weiterentwickeln, um in komplexen Situationen handlungsfähig zu bleiben.

Um in der dieser Welt einen (Arbeits-)Platz zu finden, müssen junge Menschen zu Expertinnen und Experten in einem Feld werden und müssen diesen Expert*innen-Status nachweisen. Die Aufgaben, vor der die jungen Menschen stehen, sind also folgende:

  1. Wissen im eigenen Feld erwerben
  2. Erfahrungen sammeln
  3. Expert*innen-Status nachweisen

Wie liessen sich diese Aufgaben ohne bestehendes Hochschulsystem leisten?

Aufgabe 1 : Wissen erwerben – wie geht das unter diesen Voraussetzungen?

Auf den ersten Blick scheint es unter diesen Voraussetzungen für junge Menschen leicht, neues Wissen zu bekommen: Das Internet ist voller Informationen. Doch welchen können sie trauen? Wie finden sie die «richtigen» Informationen?

Hier sehe ich einen ersten Bedarf: Die jungen Menschen werden Unterstützung darin suchen, wie sie möglichst schnell und effizient zu den richtigen Informationen kommen.

Und wie finden sie diese Unterstützung?

Vermutlich werden sie sich in der heutigen vernetzten Welt, mit vermeintlichen Expert*innen in ihrem Feld vernetzen, ihnen in den sozialen Medien etc. folgen. Auch Institutionen, die vermeintlich verlässliche Informationen zur Verfügung stellen, werden sie nutzen.

Aufgabe 2: Erfahrungen sammeln – wie geht das unter diesen Voraussetzungen?

Um Erfahrungen zu sammeln, um in einem Feld wirklich kompetent zu werden, müssen junge Menschen Expert*innen über die Schulter schauen, selbst unter Anleitung handeln und Feedback bekommen.

Es wird also einen Bedarf an praktischer Anleitung und individueller Unterstützung in Praxissituationen geben.

Die jungen Menschen müssen sich also Expert*innen suchen, die sie dabei unterstützen, erste Schritte in der Praxis zu gehen.

Aufgabe 3: Expert*innen-Status nachweisen – wie geht das unter diesen Voraussetzungen?

Um ihren eigenen Status als Expertin oder Experte nachzuweisen, werden jungen Menschen in die Öffentlichkeit gehen und eigene Arbeitsproben veröffentlichen, ihr Können darstellen müssen.

Es wird deshalb einen Bedarf an (virtuellen) «Orten» geben, wo junge Menschen sich und ihre Arbeit präsentieren können, wo sie von potenziellen Arbeit- oder Auftraggeber*innen wahrgenommen werden. Damit jedoch potenzielle Arbeit- oder Auftraggeber auch von der Qualität der Arbeitsproben überzeugt werden können, benötigen alle Menschen Unterstützung aus einer Community/einem Expert*innen-Netzwerk, die bzw. das sich selbst Qualitätskriterien setzt, diese veröffentlicht und auf deren Einhaltung achtet.

Vermutlich werden sich also in verschiedenen Feldern Communities und Netzwerke etablieren, die nach aussen glaubhaft vertreten, dass ihre Mitglieder Qualität gewährleisten.

Hochschule Studierende
Junge Menschen müssten in einem neuen Bildungssystem Möglichkeiten finden, etwas zum gesellschaftlichen Zusammenleben beizutragen.

Wo besteht also ein Bedarf?

Aus den obigen Annahmen und Überlegungen ergibt sich ein Bedarf an

  • verlässlichen Informationen,
  • persönlicher Unterstützung beim Sammeln von Erfahrungen, und
  • Communities, die den Status von Expert*innen bescheinigen.

Bildungsinstitutionen der Zukunft

Ausgehend von diesen Überlegungen, nehme ich an, dass Plattformen und Portale entstehen würden, die gegen ein Entgelt, vermutlich über eine Mitgliedschaft, Informationen verschiedener Felder systematisch und verlässlich, sowie ständig aktualisiert zur Verfügung stellen. Dies deckt den Bedarf, dass Informationen jederzeit und überall schnell abrufbar, verlässlich und aktuell sein sollen.

Des Weiteren wird es Unternehmen und Expert*innen geben, die jungen Menschen Einblicke in konkrete Praxisfelder geben und ihnen Personen an die Seite stellen, die sie beim ersten Agieren in der Praxis unterstützen. Stellt sich hier die Frage, die ich derzeit überhaupt nicht beantworten kann, wie dies finanziert wird. Werden gar die Menschen, die diese Unterstützung und diese Einblicke in die Praxis möchten, selbst bezahlen müssen? Oder übernehmen Unternehmen diese Aufgabe, um sich ihren eigenen Nachwuchs zu sichern?

Und als drittens werden sich aus meiner Sicht Communities/Netzwerke etablieren (diese gibt es mehr oder weniger stark institutionalisiert bereits heute), die in ihrer Funktion mittelalterlichen Zünften ähneln und deren Mitglieder sich gegenseitig die Qualität ihrer Arbeit bescheinigen.

Ausblick: Und die Hochschuldidaktik?

Auch die Hochschuldidaktik muss sich anpassen. Gerade in diesem Bereich ist der Bedarf an verlässlichen Informationen gross. Es werden Netzwerke aufgebaut, deren Mitglieder voneinander profitieren und sich gegenseitig ihre Qualität garantieren. Ohne komplett disruptiv zu sein, gibt es bereits Schritte in diese Richtung.

  • Ein Blog wie dieser des ZHE der PH Zürich möchte verlässliche Informationen bieten (weitere Hochschuldidaktik-Blogs betreiben z.B. die Universität Kiel, die PH Luzern oder Personen wie Gabi Reinmann oder Martin Lehner).
  • Auch die Seite www.hochschuldidaktik-online.de, deren Verantwortliche die Autorin dieses Beitrags ist, hat den Anspruch, gebündelt verlässliche Informationen rund um die Hochschullehre zur Verfügung zu stellen. Dort gibt es auch einen Newsletter und einen Blog.
  • Ein weiteres Portal für Hochschuldidaktik betreiben die TU Darmstadt und e-teaching.org.
  • Zu erwähnen sind natürlich auch klassische Communities wie z.B. DGHD (Deutsche Gesellschaft für Hochschuldidkaktik) im deutschsprachigen Raum, EARLI SIG 04 (Higher Education im europäischen Raum) oder ICED.

Communities von Menschen mit einem Interesse an der Hochschullehre und Hochschuldidaktik gibt es ebenfalls bereits, z.B:

Ein spannendes Beispiel ist der Mitgliederbereich von Connie Malamed, die Unterstützung im Bereich des Lehrens und Lernens (Instructional Design) bietet.

Expertinnen und Experten der Hochschuldidaktik tauschen sich ausserdem über Twitter aus und sind auch über LinkedIn vielfach vernetzt.

Diese Beispiele dienen mir als erste Evidenzen dafür, dass die Entwicklung tatsächlich in diese Richtung gehen könnte. Sehen wir mal, wie schnell. Und nun bin ich gespannt auf Ihre Reaktionen.

*Dieser Beitrag repräsentiert die persönliche Meinung der Autorin.

Zur Autorin

Ulrike Hanke ist Dozentin und Beraterin für Hochschuldidaktik und als Kurs- und Modulleiterin für das ZHE tätig. Weitere Informationen zu Ulrike Hankes Tätigkeit finden Sie hier: www.hanke-teachertraining.de

Weiterbildung managen: Wie viel ist genug?

Daniel BrodmannBeitrag von Daniel Brodmann, Dozent für Rechnungswesen und Betriebswirtschaftslehre; Modulleiter im Lehrgang CAS Führen in Projekten und Studiengängen an Hochschulen.

 

Zu wenig Anmeldungen – und jetzt?

Verärgert nimmt Lehrgangsleiterin Petra Schuler zur Kenntnis, dass ihr Zertifikatslehrgang nicht durchgeführt wird – zu wenig Teilnehmende. Nun muss sie die zehn angemeldeten Personen über die Absage des Lehrgangs informieren. Dabei hatte sie bis zuletzt gehofft, die Abteilungsleitung würde für die Durchführung des Lehrgangs grünes Licht geben, auch wenn diese stets betont hatte, dass es für die Durchführung mindestens 14 Teilnehmende brauche. Obwohl Petra Schuler nicht nachvollziehen kann, wie diese Zahl zustande kommt, findet sie, dass der Lehrgang auch mit zehn Teilnehmenden hätte durchgeführt werden müssen. Liegt sie damit aus betriebswirtschaftlicher Sicht richtig?

Nicht-Durchführungsentscheide hinterlassen Spuren

Die Absage von Bildungsangeboten ist heikel: Kunden, die eine Absage erhalten, berücksichtigen das nächste Mal vielleicht einen anderen Anbieter. Auch für das Image und die Mund-zu-Mund-Propaganda sind nicht durchgeführte Angebote ungünstig. Dennoch müssen sich Verantwortliche von Bildungsangeboten die Frage stellen, welche Mindestzahl an Teilnehmenden für eine Durchführung notwendig ist. Es scheint offensichtlich: Sind zu wenige Anmeldungen eingegangen, so ist eine wirtschaftlich erfolgreiche Durchführung nicht möglich. Es bleibt nur, den angemeldeten Personen den Entscheid der Nicht-Durchführung mitzuteilen und zu hoffen, dass diese Kunden der Bildungsinstitution trotzdem treu bleiben. Doch wie wird die Mindestteilnehmerzahl ermittelt?

Anmeldungen: Entscheiden sie alleine über die Durchführung?
Im Schraubstock des Budgets?

Ein Budget ist unerlässlich

Jedes Bildungsangebot muss kalkuliert werden: Die durch das Angebot verursachten Kosten und die wahrscheinlichen Erlöse sind festzuhalten. Lassen sich die Kosten gewöhnlich ohne grössere Schwierigkeiten ermitteln, so basieren die Erlöse meist auf einer Schätzung. Dabei wird die Teilnahmegebühr mit der Anzahl erwarteter Teilnehmender multipliziert. Resultiert aufgrund der Kalkulation ein negatives Ergebnis, ist zu prüfen, ob man Kosten senken oder die Teilnahmegebühr erhöhen kann. Oft haben sich die Angebotspreise nach dem Markt zu richten und lassen sich nicht beliebig erhöhen. Liegt die Kursgebühr deutlich über dem Marktpreis, so ist es wahrscheinlich, dass sich potentielle Kunden bei Mitbewerbern anmelden oder aber auf die Aus- bzw. Weiterbildung verzichten.

Kosten sind nicht gleich Kosten

Grundsätzlich gilt: Sind die Erlöse aus Teilnahmegebühren höher als die Kosten des Angebots, so kann dieses gewinnbringend durchgeführt werden. Resultiert aber aus der Kalkulation mit Vollkosten für das Bildungsangebot ein Verlust, so votieren viele für eine Absage des Kursangebots.

Doch liegen sie damit richtig? Nicht unbedingt. Aus finanzieller Sicht muss ein Verlust auf Ebene der Vollkosten nicht zwingend eine Absage des Angebotes bewirken. Vielmehr gilt es die Kosten genau zu betrachten und zwischen fixen und variablen Kosten zu unterscheiden.

Variable Kosten entstehen direkt durch die Angebotsdurchführung (z.B. Fotokopien für die Teilnehmenden, Honorare für externe Dozierende). Fixe Kosten dagegen fallen unabhängig von der Durchführung an. Kann eine Bildungsinstitution z.B. ihre Räumlichkeiten nicht auslasten, so muss sie die Raumkosten tragen, auch wenn in den Räumen keine Kurse stattfinden.

Der Deckungsbeitrag gibt Auskunft

Die Unterscheidung der Kosten macht deutlich, dass aus betriebswirtschaftlicher Optik die variablen Kosten auf jeden Fall gedeckt sein müssen; d.h. die Erlöse müssen mindestens gleich hoch wie die direkt durch das Angebot verursachten Kosten sein.

Und die fixen Kosten? Die Gesamtheit der Bildungsangebote muss auch die Fixkosten der Bildungsinstitution decken; ansonsten resultiert für die Bildungsinstitution ein Verlust. Für die Fixkostendeckung werden die Deckungsbeiträge der Angebote verwendet. Als Deckungsbeitrag bezeichnet man den Überschuss, der nach Abzug der variablen Kosten von den Erlösen verbleibt.

Grossgruppe
Nicht nur grosse Gruppen rechtfertigen die Durchführung einer Weiterbildung

Der Deckungsbeitrag aller Angebote muss mindestens gleich gross sein wie die fixen Kosten der Bildungsinstitution. Daraus wird ersichtlich, dass die einzelnen Angebote unterschiedlich hohe Beiträge an die fixen Kosten beisteuern können. Erwirtschaftet ein Angebot nur einen geringen oder keinen Deckungsbeitrag, so kann dies durch die Deckungsbeiträge der anderen Angebote kompensiert werden. Aus unternehmerischer Sicht kann man folglich – unter der Annahme genügend freier Ressourcen – auch ein Angebot durchführen, dessen Erlöse nur die variablen Kosten decken bzw. die dem Angebot zugerechneten fixen Kosten nicht decken. Die ungedeckten fixen Kosten muss die Bildungsorganisation in diesem Fall durch andere Angebote erwirtschaften.

Fazit

Auch eine tiefe Teilnehmerzahl kann die Durchführung des Bildungsangebots rechtfertigen, sofern dessen Erlöse mindestens die variablen Kosten decken oder gar einen Deckungsbeitrag erzielen! Die Zahl der Anmeldungen rechtfertigt für sich genommen weder die Durchführung noch die Absage eines Angebots.

Ob im Fall von Petra Schuler eine Durchführung wirtschaftlich vertretbar gewesen wäre, lässt sich ohne die Daten der Kalkulation nicht beurteilen. Doch zeigt das Beispiel, dass die Kalkulation eines Bildungsangebots zum Aufgabengebiet der Lehrgangsleitenden gehört und nicht delegiert werden sollte. Nur so können Angebotsverantwortliche Entscheide nachvollziehen und selbst vorbereiten.

Das Modul «Planen, Positionieren und Kalkulieren von Bildungsangeboten» von Daniel Brodmann findet am 9. + 10. März 2018 zum nächsten Mal statt.

Es kann als einzelner Kurs besucht werden, ist aber auch Teil des Lehrgangs CAS Führen in Projekten und Studiengängen an Hochschulen.

Redaktion: TZM

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