Die Begleitung des Berufswahlprozesses wird anspruchsvoller

Folgen Sie der PH Zürich auf Social Media

Text: René Schneebeli

Die Zeitspanne zwischen dem Abschluss der Schulzeit und dem Eintritt in eine nachobligatorische Ausbildung ist ein kritischer Moment in der Biografie. Längst nicht alle finden zeitverzugslos ihre gewünschte Anschlusslösung. Konkret treten etwa 80% der Schulabgänger:innen direkt in eine zertifizierende Ausbildung ein; 90% sind es nach drei Jahren (BfS, 2023).

Ein Lehrer und mehrere Schüler im Handarbeitsunterricht.
Zu den Brückenangeboten gehören auch praktisch orientierte Ausbildungen.

Die Wahrscheinlichkeit ein Brückenangebot (auch Berufsvorbereitungsjahr oder 10. Schuljahr genannt) zu wählen, ist bei Personengruppen, die auf der Sekundarstufe I das Anforderungsprofil mit Grundansprüchen besucht haben, deutlich höher (SKBF, 2024). Die fehlende Lehrstelle ist seit Jahren der meistgenannte Grund (14%) für den Nichteintritt in eine zertifizierende Ausbildung. Ansonsten sind die Gründe sehr individuell, wie die Sammelkategorie «andere Gründe» (22%) des Nahtstellenbarometers zeigt. Auch die Vorstellungen, wie es nach dem Brückenangebot weitergehen soll, sind sehr unterschiedlich. Über die Hälfte wollen eine Lehre machen, jede:r Achte den allgemeinbildenden Weg einschlagen und etwa jede:r Fünfte ist noch unentschlossen. In diesem Zusammenhang ist es erfreulich zu erfahren, dass schweizweit die Vermittlungsquote in den Brückenangeboten über 90% liegt.

Langfristig rechnet das Bundesamt für Statistik (2021) mit einem steigenden Trend zu Zwischenlösungen. Dieser Trend wird weiter befeuert durch die Demografie (SKBF, 2024), steigende Anforderungen auf dem Lehrstellenmarkt (EHB, 2022) und die Integrationsbemühungen von Bund und Kantonen (SEM, 2018). Qualitativ ist mit einer steigenden Zahl von psychisch Beeinträchtigten (Sabatella & Von Wyl, 2014), und von Personen mit Mehrfachproblematiken (Schaffner et al., 2022) zu rechnen. All dies wird die Schülerschaft in den Übergangsangeboten noch heterogener und ihre Begleitung anspruchsvoller machen.

Quelle: Bundesamt für Statistik

Damit steigen auch die Anforderungen an die Personen, die sich mit Jugendlichen im Berufswahlprozess auseinandersetzen. Dies betrifft alle Akteure im Übergangssystem, das verschiedene Angebote wie Berufsorientierung in der Volksschule, Berufsberatung, Brückenangebote, Case Management, Mentoring, Lehrstellenvermittlung, Motivationssemester sowie eine unübersichtliche Anzahl von Einzelprojekten staatlicher und privater Herkunft umfasst.

Auf systemischer Ebene zeugt die Vielzahl der Unterstützungsangebote bestimmt von gutem Willen. Sie lässt aber auch Zweifel an der Effektivität und Effizienz eines so fragmentierten Systems aufkommen. Auf der individuellen Ebene der unmittelbaren Bezugspersonen der Jugendlichen sind die Entwicklungspotenziale einfacher erkennbar.

In den Volksschulen geht es um die Weiterentwicklung eines modernen, wissenschaftlich fundierten und anschlussfähigen Berufswahlunterrichts. Die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt und der fehlende Arbeitsmarktbezug machen es notwendig, dass sich Volksschullehrpersonen vermehrt Impulse von aussen holen.

In den Brückenangeboten werden sich die Lehrpersonen mit einer noch heterogeneren Klientel auseinandersetzen müssen. Überfachliche Themen werden, neben fachlichen und sprachlichen Defiziten, im Vordergrund stehen. Coaching wird dabei zu einem wichtigen pädagogischen Mittel in der individuellen Lernbegleitung; ähnliches gilt für Sozialarbeitende in diesem Berufsfeld. Im Kanton Zürich kommt dazu, dass die konsequente Umstellung auf die Handlungskompetenzorientierung die Lehrpersonen dazu zwingt, ihren Unterricht grundsätzlich zu überdenken.

Zwei neue CAS zur Begleitung von Jugendlichen

Die erste Durchführung unseres neuen CAS Berufswahl-Coach scheint Antworten auf diese Realitäten zu bieten. Das Modul Coaching erhält darin viel Platz, fokussiert auf das konkrete Erlernen eines Handwerks und weniger auf die theoretischen Konzepte. Das kommt gut an und scheint praxistauglich zu sein. In den anderen Modulen geht es um Schnittstellen zur Sozialversicherungsanstalt (SVA), spezialisierte Regionale Arbeitsvermittlungszentren (RAV), Berufsberatung, Vertretungen von KMU und von ausgewählten Projekten. Grosszügig bemessene Zeitgefässe ermöglichen es Zuständigkeiten zu klären, sich über Best Practice und Einzelfälle auszutauschen sowie Netzwerke aufzubauen. All das macht das System effektiver, klärt Rollen und vermeidet Doppelspurigkeiten. Das Abschlussmodul ist ein Praktikum, in dem sich die Teilnehmenden einen vertieften Einblick in den betrieblichen und beruflichen Alltag ihrer Schüler:innen und deren Arbeitgeber:innen verschaffen. Auch das schafft Netzwerke.

Der CAS Fachlehrer:in Berufswahlunterricht adressiert hingegen ganz generell Personen, die sich mit ihrem Berufswahlunterricht vertieft auseinandersetzen wollen. Geeignet ist er nicht nur für Volksschullehrpersonen, die das Fach Berufliche Orientierung noch nicht in der Ausbildung hatten, sondern auch für jene, die sich eine Expertise aufbauen wollen, die deutlich über ihre Grundbildung hinausgeht. Sie werden damit zu fachlichen Ansprechpersonen in der Schule und können beratende Funktionen übernehmen.

Um den verschiedenen Interessengruppen gerecht zu werden, kann das Modul «Fachdidaktik Berufswahlunterricht» auch separat besucht werden. Das gleiche gilt für das Modul «Berufliche Inklusion,» bei dem der besondere Förderbedarf von Jugendlichen zentral ist. Stichworte sind hier die Gestaltung des inklusiven Unterrichts, Teamteaching, Heilpädagogik, Nachteilsausgleich, Früherfassung, Job-Coaching, Supported Education und Supported Employment. Mit beiden CAS zusammen können Lehrpersonen der Sekundarstufe I und II eine zusätzliche Anerkennung der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren (EDK) mit dem Titel «Fachlehrer:in Berufswahlunterricht» erhalten.

Am 16. April um 18:30 Uhr findet online der nächste Informationsanlass zu den beiden Studiengängen und den einzelnen Modulen statt. Sie sind herzlich willkommen!

INFOBOX

CAS Berufswahl-Coach
Fachpersonen begleiten und fördern Jugendliche auf dem Weg in die Arbeitswelt. Sie unterstützen sie Berufsinteressen, Kompetenzen und das Angebot an Lehrstellen miteinander abzugleichen und geeignete Lösungen für sie zu finden.
Weitere Informationen zum CAS Berufswahl-Coach

CAS Fachlehrer:in Berufswahlunterricht
Die Absolvent:innen zeichnen sich über vertiefte Kenntnisse in der Berufswahl, der Inklusion und insbesondere der Fachdidaktik aus. Sie entwickeln Berufswahlkonzepte, beraten die Schulleitung und bilden die Lehrpersonen weiter. 
Weitere Informationen zum CAS Fachlehrer:in Berufswahlunterricht

Zum Autor

René Schneebeli ist Dozent und Leiter der Berufsbildungsprojekte an der PH Zürich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Folgen über E-Mail
LINKEDIN
Share