«Nur ein partizipativer Führungsstil ist langfristig erfolgreich»

Anna-Valentina Cenariu arbeitet seit August als Co-Schulleiterin an der Gesamtschule Hellwies in Volketswil und hat gerade ihre Probezeit absolviert. In einem Pensum von 50 Prozent ist sie für den Zyklus 2 zuständig und führt 16 Lehrpersonen. Ivo Kamm hat sie zu ihrem Alltag als quereinsteigende Schulleiterin interviewt.

Anna-Valentina Cenariu, wie haben Sie die Akzeptanz als quereinsteigende Schulleiterin bei den Lehrpersonen, Eltern und anderen Schulleitenden erlebt, und welche Strategien haben Ihnen geholfen, Vertrauen und Respekt in Ihrer neuen Rolle aufzubauen?

Ich bin in Volketswil sehr herzlich und wohlwollend empfangen worden. Mein Eindruck ist, dass meine Führungserfahrung in der Wirtschaft und die damit verbunden Kompetenzen und Sichtweisen für den Schulbetrieb als sehr förderlich angesehen werden.

Unterstützend war zudem, dass ich mich an den Elternabenden, bei den anderen Schulleitenden in der Gemeinde, in der Schulverwaltung und vor allem bei jeder Lehrperson aus meinem Zyklus persönlich vorgestellt habe. Wichtig war mir, meinen Werdegang als Quereinsteigerin aufzuzeigen, warum ich heute als Schulleiterin in Volketswil arbeite, was meine Motivation ist, eine Schule zu führen und was ich dafür mitbringe. All diese Gespräche empfand ich als sehr wertschätzend.

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Welche Informationsrechte Eltern gegenüber Schulen haben

Eine Lehrperson lud die getrenntlebenden Eltern einer Schülerin zu einem gemeinsamen Elterngespräch ein. Rund eine Woche später teilte der Schulleiter dem Vater mit, dass mit jedem Elternteil ein separates Gespräch geführt werde. Gleichentags schrieb der Vater dem Schulleiter per E-Mail zurück, er wolle wissen, ob auf Wunsch der Schule oder der Mutter getrennte Gespräche vorgesehen seien, weshalb er um Einsicht in die entsprechenden E-Mails der Mutter ersuche. Reto Allenspach zeigt anhand dieses Fallbeispiels auf, was die Schulverantwortlichen bei der Zusammenarbeit mit getrennt lebenden Eltern mit gemeinsamem Sorgerecht zu beachten haben.

Mit dem oben beschriebenen Fall hatte sich das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich in seinem Entscheid VB.2019.00153 vom 12. September 2019 zu befassen. An das Verwaltungsgericht gelangte der Vater, nachdem die Kreisschulpräsidentin sein Einsichtsgesuch abgewiesen hatte und danach der Bezirksrat seinen Rekurs teilweise gutgeheissen und ihm zudem zwei Drittel der Rekurskosten auferlegt hatte. Auch wenn dies im Verwaltungsgerichtsurteil nicht ausdrücklich erwähnt wird, lässt sich schliessen, dass die Eltern die gemeinsame elterliche Sorge innehatten.

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Theorie U – schöpferische Annäherung an das noch Unbekannte

Schule ist einerseits ein Ort der Kontinuität und des Bewahrens, andererseits muss sie den gesellschaftlichen Wandel aufnehmen und sich entsprechend verändern. In diesem Spannungsfeld sind Führungskräfte gefordert, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die Theorie U ist ein praxisorientiertes Modell, um aus einer entstehenden Zukunft heraus zu führen und Veränderungen dort zu initiieren, wo sie sinnvoll und notwendig sind. Samuel Hug war am Seminar «Theorie U: Von der Selbstführung zur Systemführung» der PH Zürich dabei und teilt mit uns seine Erkenntnisse.

«Ich glaube, Noten abschaffen, ist keine gute Idee, und ich glaube, Noten sind höchst problematisch, beides», sagt der Bildungsexperte Roland Reichenbach in der Sternstunde Philosophie vom 2. Juni 2024. Wie gehen wir mit solchen Paradoxien um?

Der deutsche MIT-Forscher (Massachusetts Institute of Technology) und Berater Otto Scharmer beschreibt drei Entwicklungsstufen in der Bildung, die er in den letzten Jahrzehnten beobachtet hat. Diese Entwicklung geht vom «Teaching for Testing» über das «Student-Centric Learning» hin zum «Whole Person/Whole System Learning» (oder auch Flourishing Head, Heart, Hand).[1] Am Beispiel «Schule ohne Noten» werden die unterschiedlichen Haltungen der drei Stufen im Bildungsumfeld sichtbar, die derzeit kontrovers diskutiert werden. Insbesondere beim Übergang in ein «Whole Person/Whole System Learning» wird deutlich, dass neue Formen des Denkens und Handelns zu etablieren sind, die sich nicht einfach aus bestehenden Narrativen und Mustern ableiten lassen.

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Geordnetes Schulsystem und Lernspass – darum braucht es beides

Im dritten Beitrag über das erste Jahr als Schulpräsidentin in Uitikon, stellt sich Caroline Čada Fragen zur Rolle der Schule als Lern- und Lebensort.

Vor ein paar Tagen stand ich auf dem Pausenplatz unseres Schulhauses. Lässige Musik ertönte aus dem Radio,  die Schüler:innen tanzten, unterhielten sich und spielten. Es war gleichzeitig Besuchsmorgen, viele Eltern waren anwesend. Erwachsene und Kinder genossen entspannt die Frühlingssonne. In diesem Moment dachte ich an die Rolle der Schule als Lern- und Lebensort.

Die Schüler:innen, die Lehrpersonen und die Schulleitung verbringen meistens mehr Zeit in der Schule als zu Hause. Man kennt sich. In der Schule als Lebensort werden Werte und Haltungen vermittelt, gewisse Verhaltensweisen gefordert und andere abgelehnt, Kinder unterschiedlicher Herkunft zusammengebracht und Toleranz gelehrt. Die Schule bringt Stabilität und Struktur. Im Auftrag unserer Gesellschaft verfolgt sie höhere Ziele: die Vermittlung von Bildung im umfassenden Sinne, die Förderung der Kreativität und des kritischen Geistes, das Schaffen von künftigen mündigen Bürgern, die für sich selbst und ihre Umwelt Verantwortung übernehmen.

Auf dem Pausenplatz stehend, erinnerte ich mich an dieses Gedicht von Khalil Gibran:

«Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken,
Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen,
Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.»

Gemäss Gibran sollten wir die Köpfe unserer Kinder nicht mit starren Vorstellungen füllen, «…denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern…».

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Kompetenzorientierte Beurteilungspraxis – Wie Sie Erziehungsberechtigte mit ins Boot holen

Das Vertrauen von Erziehungsberechtigten in die Lehrperson hängt stark davon ab, ob ihre Prüfungs- und Beurteilungspraxis nachvollzogen werden kann. Viele Erziehungsberechtigte haben jedoch eine andere Beurteilungspraxis erlebt, als sie aktuell nach Vorgaben des Lehrplans 21 umgesetzt wird. Welche Informationen sind für Eltern in Zusammenhang mit kompetenzorientierter Beurteilung bedeutsam? Christine Eckhardt geht der Frage nach.

Schulen sind aus verschiedenen Perspektiven aufgefordert, Erziehungsberechtigte bei der Thematik kompetenzorientiertes Beurteilen ins Boot zu holen. Einerseits fordern die kantonalen Rahmenbedingungen, dass Eltern informiert werden, was die Kinder und Jugendlichen wissen und können, wie diese lernen und wie man sie dabei wirksam unterstützen kann. Transparenz ist gefordert und entspricht auch einem Bedürfnis der Erziehungsberechtigten, wie Umfrageergebnisse der kantonalen Elternmitwirkungs-Organisation aufzeigen. Andererseits ist es bedeutsam, die Eltern im Boot zu haben, da die Leistungsbeurteilung in Anlehnung an Studienergebnisse in einem engen Zusammenhang steht, wie viel Vertrauen die Eltern in die Lehrpersonen haben, was wiederum Auswirkungen auf den Lernerfolg der Kinder hat.

Kompetenzorientierte Beurteilung steht im Kontrast zu den persönlichen Schulerfahrungen der Erziehungsberechtigten

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5 Fragen an Philippe Villiger, Schulleiter der Gesamtschule Schüpberg

In unserer Rubrik «5 Fragen an…» interviewt Gesamtleiterin Florence Bernhard den Schulleiter Philippe Villiger zu seiner Tätigkeit. Der Stafetten-Stab wird damit weitergereicht.

1. Philippe, du leitest seit bald drei Jahren die kleine Gesamtschule Schüpberg (BE). Vorher hat Beatrice Friedli-Deuter die Schule über mehrere Jahrzehnte geführt und geprägt. Was nimmst du von ihren Ideen und Überzeugungen mit?

Vor der Übernahme der Leitung der Gesamtschule Schüpberg hatte ich das Privileg, mehrere Jahre mit Beatrice Friedli zusammenzuarbeiten und viel von ihr zu lernen. Sie hat eine Schule geprägt, in der immer die Schüler:innen im Zentrum stehen. Auch in schwierigen Situationen hat sie vor allem die Stärken der Kinder gesehen. Aufgrund dieser Haltung konnten an der Gesamtschule Schüpberg viele Kinder die Freude an der Schule zurückerlangen und gestärkt ins Berufsleben einsteigen.

Beatrice hinterliess eine Schule mit einer gewachsenen Schulhauskultur und vielen Ritualen. Die Schule wird getragen von einer starken Gemeinschaft aus ehemaligen Schüler:innen, Eltern, Lehrer:innen und anderen der Schule verbundenen Personen. Dadurch ergeben sich viele Ressourcen wie zum Beispiel für Projekte oder um Herausforderungen zu bewältigen. Beatrice hat die Lehrkräfte in ihrer Arbeit gestärkt und ihnen viel Gestaltungsfreiheit gelassen. Sie hat Rahmenbedingungen für Kreativität geschaffen und hatte den Mut, auch unkonventionelle Lösungen umzusetzen.

2. In eurer Schule werden seit über 200 Jahren Kinder von der 1. bis 9. Klasse unterrichtet. Für viele Aussenstehende ist ein Schulalltag mit so unterschiedlichen Alters- und Lernunterschiede unvorstellbar. Wie würdest du einen «normalen» Schulalltag beschreiben?

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«Sie sind mir Proviant, Kompass und Gesellschaft zugleich»

Es handelt sich um einen der abwechslungsreichsten und vielschichtigsten Jobs. Er ist nur zu bewältigen mit einem guten Team, einem kompetenten Vis-à-vis und einer Verwaltung, die einen tatkräftig beim «Kraxeln» unterstützt. Für Martina Arpagaus ist das erste Jahr in der Schulleitung um. Sie zieht Bilanz.

Im ersten Blog «Vom Schulzimmer ins Schulleitungsbüro» schrieb ich, dass ich mich unausgerüstet und barfuss unterwegs fühle beim Weg zur Schulleitung. Ich bin es heute noch. Tagtäglich bin ich unsicher und begegne Situationen, die ich zum ersten Mal managen muss – Frust und Freude inklusive. Aber ich bin nicht allein. Es gibt ein Team, es gibt eine Schulleitungskollegin und eine Verwaltung. Unterdessen ist für mich das Allerwichtigste im Job: Netzwerken, austauschen, Hilfe holen, delegieren.

Das Team als Stütze im Sturm

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Die doppelte pädagogische Verantwortung

Die Zukunft kann niemand voraussehen. Die Corona-Krise hat dies verdeutlicht. Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir Erwachsenen jetzt Verantwortung übernehmen und den jungen Menschen etwas zeigen. Auf dem Weg in eine neue konstruktive Zone gilt deshalb, die ergänzende Hälfte der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) zu etablieren. Thomas Marti mit dem 2. Beitrag.

Teil 2: Mit der Karte unterwegs

Rückblickend auf den ersten Teil meines Beitrages und der Beschreibung der drei Hauptpunkte der «Krise der Erziehung» von Hannah Arendt, sind wir bei der aktuellen Diskussion über die Schule und deren Zukunft angelangt: bei den Bildern von spielenden Kindern in der Schule und einer gewissen Verzerrung des Diskurses über Bildung. Verantwortung zu übernehmen heisst nach Arendt, das Kind vor der Welt zu schützen und gleichzeitig die Welt vor dem Kind zu schützen.

Diese doppelte pädagogische Verantwortung beschreibt Arendt folgendermassen: «Das Kind bedarf einer besonderen Hütung und Pflege, damit ihm nichts von der Welt her geschieht, was es zerstören könnte. Aber auch die Welt bedarf eines Schutzes, damit sie von dem Ansturm des Neuen, das auf sie mit jeder neuen Generation einstürmt, nicht überrannt und zerstört werde.»

Jungen Menschen etwas zeigen

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Warum wir in der digitalen Gesellschaft die «Gemeinsame Schule» brauchen

Die Diversität gehört neben der Digitalisierung zu den wichtigsten Themen von Schule. Niels Anderegg versteht unter Diversität nicht «nur» sonderpädagogische Fragen, sondern auch Fragen der Gesellschaft und des Zusammenlebens.

Wir leben in einer globalen Gesellschaft, in der die einzelne Person mit ihren Wünschen und Bedürfnissen wichtig ist. Der deutsche Soziologe Andreas Reckwitz spricht von der Gesellschaft der Singularitäten. Der Widerspruch zwischen «Ich bin wichtig» und der «Welt als Dorf» gilt es heute und noch sehr viel stärker in Zukunft zu gestalten. Dass die Schule der Ort ist, wo dies gelernt und gelebt werden kann, gehört nicht zu den sonst so beliebten Abschiebungen von gesellschaftlichen Problemen an die Schule. Sehr viel mehr ist es einer der Grundaufträge von Schule.

Die Bedeutung der Schule nach Gert Biesta und Hartmut von Hentig

Der Pädagoge Gert Biesta definiert für die Schule einen dreifachen Auftrag. Neben der Qualifizierung hat die Schule nach Biesta den Auftrag der Subjektwerdung und der Sozialisation. Unsere Gesellschaft braucht starke Persönlichkeiten, die miteinander kooperieren und die anstehenden Probleme gemeinsam lösen. Die Schule ist der Ort, wo dies gelernt, geübt und gelebt wird. Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, Erfahrungen in der Gemeinschaft zu machen und gleichzeitig sich selbst zu akzeptieren und sich einzubringen.

Der Pädagoge Hartmut von Hentig hat jeweils von der Schule als Polis gesprochen. Wenn man die Schule als Polis beobachten möchte, dann geht man heute wahrscheinlich am besten in den Kindergarten. Hier trifft man auf eine höchst diverse Kindergruppe, die gemeinsam spielt, lebt und lernt. Häufig machen die Kinder Unterschiedliches, gehen ihren Ideen und Neigungen nach. Sie wenden das an, was sie bereits können und bestaunen diejenigen, die anderes können, um es dann auszuprobieren. Die Kinder gehen ihren individuellen Weg und agieren doch als Gemeinschaft: Subjektwerdung und Sozialisation.

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Digitaler Wandel in der Schule

Viele Schulen führen momentan in der Mittelstufe die 1:1-Ausstattung ein (ein digitales Gerät pro Kind). Im Matheprogramm erhalten die Kinder ein unmittelbares Feedback, im Englisch werden die Wörter korrekt vorgelesen. Neu wird zudem das Fach Medien und Informatik unterrichtet. Die Struktur des bisherigen Unterrichts, der in Lektionen getaktet ist, ändert sich nur gering. Diese Integration von digitalen Medien in den Unterricht ist hoch anspruchsvoll für alle Beteiligten.

Digitaler Wandel geht allerdings noch weiter. Er fokussiert unter anderem die ganzheitliche Unterrichtsentwicklung und Fragen wie: Was verstehen wir heute unter Lernen und Lehren? Was verstehen wir unter Bildung? Die ehrliche Beantwortung stellt viele traditionelle Werte und Haltungen infrage und löst Folgefragen aus. Brauchen wir noch fixe Schulklassen, die aufgrund des Stichtages festgelegt sind? Sind Stundenpläne, welche den Schultag in einzelne, zusammenhangslose Elemente aufteilen, noch sinnvoll? Wie weit ist die Lehrperson Wissensvermittlerin, wie weit unterstützt und begleitet sie die Kinder auf ihrem eigenen Lernweg? Welchen Stellenwert haben soziale Kompetenzen, die ein kooperatives und konstruktives Miteinander ermöglichen?

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