Die Schäli-Elf – Teil 3/4

In unserer vierteiligen Serie zur Fussball-WM gibt Beat Schäli, Rektor der Schule Walchwil Einblick in seine Führungsphilosophie. In den ersten beiden Teilen wurde die Fehlerkultur im Tor und die Verteidigungspositionen «Vorbild – Ziele – Expertenrat – Regeln» vorgestellt. Hier folgen Akteure im Mittelfeld:

Sie haben einen Teil verpasst? Lesen Sie gleich hier nach und erfahren Sie mehr über die Parallelen von Fussballtrainern und Schulleitern. Die Schäli-Elf – Teil 1/4 und 2/4

Mittelfeld: Enthusiasmus – Mensch – Teamgeist – Timing

„Ich esse Fussball, ich schlafe Fussball, ich atme Fussball. Ich bin nicht verrückt, nur leidenschaftlich.“

Thierry Henry

Man kann sowohl Einfluss in die Offensive, wie auch in die Defensive ausüben. Enthusiasmus, Mensch, Teamgeist und Timing bilden in der Schäli-Elf diese Schaltzentrale.

 Enthusiasmus: Es sind doch genau die Dinge, welche ich mit Begeisterung ausübe, welche schlussendlich zu Fortschritten führen. Schon von Kindesbeinen an begegnet man dieser untrüglichen Regel. Sei es beim Erlernen einer Sportart oder der ersten Fremdsprache in der Schule.

Und deswegen ist es eminent wichtig, dass die Führungsperson mit diesem Feuer in sich voranschreitet und andere mitziehen und motivieren kann. Klopp und Guardiola leben von diesen Emotionen, wo sie bei Löw und vor allem Hitzfeld eher versteckt zur Geltung kommen. Wenn man Jürgen Klopp während eines Spiels an der Aussenlinie beobachtet, sein Haareraufen bei einer missglückten Aktion, die gelösten Luftsprünge bei einem Tor, merkt man, dass das System von Klopp Hand in Hand mit Enthusiasmus geht.

Ich muss vom Sinn meiner Arbeit überzeugt sein, sonst kann ich nicht motivieren. Wenn ich das nicht mehr kann, muss ich einen Ort, eine Beschäftigung finden, wo ich das wieder kann. Oder in den Worten von Guardiola: „Wenn ich sehe, dass die Augen meiner Spieler nicht mehr glänzen, ist es Zeit für mich, zu gehen.“

 Mensch: Er steht im Mittelpunkt. Immer und überall. Führungskräfte benötigen Menschen. Denn erfolgreiche Chefs verbindet sicher eines: Es gab Menschen, die ihnen folgten. Es gab Menschen, die hinter ihnen standen und somit „Ja“ zu ihnen sagten und sich eine Verbesserung ihrer Leistungen und somit ihrer Lebensqualität versprachen. Deshalb anerkannte man sie als Führungskräfte.

Was mir an der Pädagogik gefällt, ist, dass man es immer mit Menschen zu tun hat. Sei es mit den Kindern, den Lehrpersonen, den Eltern oder auch mit beratenden und bestimmenden Gremien. Was alle vier Trainer erwähnen ist die Zeit. Die Zeit für Herzlichkeit und echtes Interesse. Kontakt, Herzlichkeit und Wärme sind im Umgang mit Menschen unverzichtbar.

Die Aufgabe der Führung ist es Menschen zu befähigen, gemeinsam Leistungen zu erbringen, ihre Stärken wirkungsvoll und ihre Schwächen unwesentlich zu machen. Jeder Mensch hat seine einzigartigen Eigenschaften, die ihn von anderen unterscheiden. Als Schulleiter kann ich, wenn ich mir den jeweiligen Stärken der einzelnen Lehrpersonen bewusst bin, ungeahnte Leistungen freisetzen.

Gerade in der Führung ist es wichtig, dass man sich der menschlichen Wechselwirkung bewusst ist. Guardiola betont, dass wir in unserem Job, und das gilt sowohl für die Trainergilde, als auch für Schulleitungen, einerseits über den Spielern bzw. Lehrpersonen stehen, andererseits auch unter ihnen, weil wir von ihnen abhängig sind.

 Teamgeist: Im Zentrum jedes Trainers bzw. Schulleiters Tätigkeit steht das Team. Die Zusammensetzung der Mannschaft bzw. des Lehrer/innenteams, ihre Leistungsbereitschaft und die Stimmung sind die entscheidenden Faktoren, welche über Niederlage oder hoffentlich eben Sieg bzw. Schulqualität entscheiden.  Wer als Trainer oder Schulleiter sein Team nicht hinter sich hat, ist verloren.

Guardiola, Hitzfeld, Klopp und Löw verbindet, dass es ihnen immer wieder gelungen ist, das Team hinter sich zu bringen. Ihnen ist bewusst, dass man Grosses nur gemeinsam erreichen kann. Dieses Gefühl des gemeinsamen Erfolges ist unbezahlbar. Deswegen dürfen oder sogar besser gesagt sollen solche Momente auch gefeiert werden. In der Schule gibt es immer wieder Anlässe, welche sich dazu eignen.

Timing: Es gilt einen wohlüberlegten Start und dann auch den richtigen Abgang zu finden. Hier gibt es keine Zeitvorgaben.

Pep Guardiola war immer der Ansicht, dass alles damit beginnt, dass man nach dem Ausschau hält, was man wirklich mag. So etwas zu finden ist das Wesentliche, das allem anderen zugrunde liegt. So wurde er von Spaniens Torhüterlegende Zubizaretta  nach seiner ersten, erfolgreichen Trainersaison bei Barcelona bei einem Abendessen daran erinnert, dass sein Job mit einem Verfallsdatum versehen war.

Der Bestseller-Autor Bernhard Moestl zitiert in einem Buch einen unbekannten Verfasser: „Es ist besser, als stur kritisiert zu werden und seine Vorstellungen verwirklicht zu haben, als von anderen für Rücksicht und Einsicht gelobt zu werden, aber auf halbem Wege einen bequemen Kompromiss eingegangen zu sein.“

Beat Schäli, Rektor Schule Walchwil ZG

Im nächsten und letzten Teil werden die beiden Sturmspitzen vorgestellt. Verpassen Sie nichts und folgen Sie dem Blog Schulführung!

Und hier gehts zur kompletten Forschungsarbeit: Die Schäli-Elf

Schulführung – ein Sonderfall

Die besondere Organisation Schule

Um sich über Führungsthemen auszutauschen ist es unabdingbar, dass der Schule als soziale Organisation eine besondere Rolle zukommt. Schulen sind nicht nur Lernorganisationen, sie sind als Organisation auch selbst zu Lernprozessen fähig und auch dazu aufgerufen. Eine kluge Bildungspolitik bezieht diese Bedingungen in ihr Kalkül ein. Doch worin unterscheidet sich eigentlich die besondere soziale Organisation Schule von anderen Unternehmen?

Auf den ersten Blick mag die Schule als eine formale soziale Organisation wie andere auch erscheinen. Die Schule ist jedoch gleichzeitig eine Bildungs- und Erziehungseinrichtung, die mehr und anders sein muss als eine Bürokratie, wenn sie ihren Auftrag erfüllen will. Denn die Arbeit in Bildungseinrichtungen ist sehr stark von den dort arbeitenden Personen abhängig. Der Faktor Personal spielt deshalb eine so grosse Rolle, weil nicht einfach nur Technologien eingesetzt und die bereitgestellten Instrumente bedient werden, sondern weil die Personen selbst das zentrale Instrument solcher Einrichtungen sind.

Beispiele dafür sind:

  1. Der Bildungsauftrag unterscheidet sich durch die Vermittlung von Inhalt vom erzieherischen Auftrag des Elternhauses.
  2. Das pädagogische Handeln beruht auf persönlichen Begegnungen, welche nicht technologisierbar sind.
  3. Lehrpersonen haben es grundsätzlich mit einer Klasse und nicht mit einer Person zu tun. Um richtig interagieren zu können, wird Diagnosekompetenz vorausgesetzt sowie wissenschaftliches Wissen, welches immer wieder aufgefrischt werden muss.
  4. Die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer unterliegt der politischen Kontrolle. Auf der anderen Seite verweist die professionelle Tätigkeit auf Autonomie. Dieser Widerspruch führt zu einer immanenten Kontrollunsicherheit. Es kommt hinzu, dass sich die Erfolge der Lehrerinnen und Lehrer und damit auch der Schule nur sehr schwer feststellen lassen. Die eigentliche Arbeit vollziehen Lehrer im Klassenzimmer, und sie ist dort weder vollständig reglementierbar noch annähernd standardisierbar.
  5. Pädagogische Ziele lassen sich nicht operationalisieren. Die pädadgogischen Ziele sind reflexiv, unbegrenzbar und in sich widersprüchlich, da die Lernenden einerseits gefördert und andererseits selektioniert werden sollen.

In der besonderen sozialen Organisation Schule wirken die Menschen stärker aufeinander ein, als beispielsweise in Unternehmen in einem technischen Umfeld. Wie sich die Lehrerinnen und Lehrer die positiven Aspekte dieses Einwirkens zunutze machen, ergibt sich aus ihren individuellen Wahrnehmungen und Fähigkeiten sowie aus ihren Motivationen und Kompetenzen im eigenen Handeln.

Ich sehe meine Aufgabe als Schulleiter insbesondere darin, den Lehrpersonen ein Umfeld zur Verfügung zu stellen, in dem sie sich entfalten können. Dies bedingt, dass wir immer wieder gemeinsam über unsere Vorstellungen einer guten Schule und über mögliche Entwicklungen sprechen. Relevante Themen für die Unterrichtsentwicklung besprechen wir mit den Stufenvertretungen in der Kommission Schulentwicklung, gemeinsam an Pädagogischen Konferenzen und in der verbindlichen Zusammenarbeit aller Stufenteams. Die darin beschlossenen Ziele dürfen ambitioniert, jedoch nicht zu hoch angesetzt sein. Ich brauche ein gutes Gespür, was zeitlich möglich ist. Eine ebenfalls wichtige Voraussetzung ist Vertrauen – sowohl in sich selbst als auch in das Team.

Jörg Berger, Schulleiter und Wissenschaftlicher Mitarbeiter PH Zürich

 

Quellen:

Rolff, Hans-Günter. 1993. «Die Schule als besondere soziale Organisation.» In Wandel durch Selbstorganisation. Theoretische Grundlagen und praktische Hinweise für eine bessere Schule, 121–145. Weinheim: Juventa.

Terhart, Ewald. 2010. «Personalauswahl, Personaleinsatz und Personalentwicklung an Schulen.» In Handbuch Neue Steuerung im Schulsystem, hrsg. v. Herbert Altrichter und Katharina Maag Merki, 255–275. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Terhart, Ewald. 2013. «Widerstand von Lehrkräften in Schulreformprozessen. Zwischen Kooperation und Obstruktion.» In Empirische Bildungsforschung Theorien, Methoden, Befunde und Perspektiven: Festschrift für Wilfreid Bos, hrsg. v. Nele McElvany, & Heinz Günter Holtappels, 75–92. Münster: Waxmann.

Fend, Helmut. 2008. Schule gestalten. Systemsteuerung, Schulentwicklung und Unterrichtsqualität. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.