Darum braucht es Schulleitungen!? (2)

Zusammen mit einem Schulpräsidenten und einer Schulleiterin hatten wir eine Informationsveranstaltung zum Lehrplan 21 für Eltern. Während ihrem Referat berichtete die Schulleiterin von ihren Lehrpersonen im Team. Dabei unterschied sie zwischen drei Typologien von Lehrpersonen, welche sie in ihrem Schulhaus hat:

Die ersten sind die motiviert Davonschreitenden. Sie freuen sich auf den Lehrplan und sind bereits intensiv am Planen und Umsetzen.

Die zweiten sind eher vorsichtig. Sie gehen schrittweise voran und das, was sie tun, ist wohlüberlegt und von hoher Qualität.

Die dritte Kategorie sind diejenigen, welche gar nichts machen. Sie haben den Lehrplan bereits umgesetzt, weil sie zum Beispiel an der PH bereits nach Lehrplan 21 ausgebildet wurden oder schon viele individuelle Weiterbildungen besucht haben.

Beim Zuhören habe ich gestaunt, denn mir fehlte mindestens noch die Kategorie von Lehrpersonen, welche sich für den Lehrplan 21 gar nicht interessiert. Schliesslich waren sie schon vor dem Lehrplan an der Schule und geniessen Aciennität.

Fehlt diese Kategorie, weil die Schulleitung gute Personalentwicklung macht und diese Lehrpersonen nicht mehr an der Schule sind? Oder weil sich die Schule schon lange stetig weiterentwickelt und die Umsetzung des Lehrplans keine Hexerei, sondern Schulalltag ist? Oder weil die Schulleiterin gutes Marketing betreibt? Ich muss sie das nächste Mal fragen. Auf jeden Fall hat es mit der Schulleiterin zu tun.

Niels Anderegg, Zentrumsleiter Management und Leadership, PH Zürich

Vor einem Jahr ist Niels Andereggs erster Blogbeitrag «Darum braucht es Schulleitungen!?» mit dem wanderlustigen Lehrer und der fahrradfreudigen Schulleiterin erschienen. Hier geht es zum Blogbeitrag «Darum braucht es Schulleitungen!?»)

Fallstudien: Schule der Zukunft und Ressourcenverteilung Sonderpädagogik

Ausgerüstet mit einer Toolbox, die Basis für die Analyse und Erarbeitung von Problemstellungen bietet, lösen Teilnehmende des Lehrgangs «Führen einer Bildungsorganisation» an rund fünf verschiedenen Schulen die damit verbundenen Fragestellungen. Sie erarbeiten kriteriengeleitet Klärungsversuche und Lösungen, die dann der Schulleitung vor Ort präsentiert und diskutiert werden. Dabei geht es um Thematiken wie prozedurale Architektur, Prozessdesign, systemische Sichtweise, Partizipation, Gerechtigkeit, Rolle der Schulleitung, Schule der Zukunft, neue Formen der Unterrichtsgestaltung und vieles mehr.

Die dreiteilige Serie gibt Einblick in die Lösungsansätze. Lesen Sie heute den zweiten Teil:

Die Schule der Zukunft – in Dietlikon!

Als Träger des Schulpreises 2017 wird die Schule Dietlikon für ihre stimmige, hochentwickelte und umfassende Schulorganisation gelobt. Diese Entwicklung zum heutigen Ist-Zustand wurde laut Schulleiter der Sekundarschule, Reto Valsecchi, vor neun Jahren mit einem Visionstag angestossen – mit dem Ziel, dass sich schliesslich schulinterne Veränderung und Entwicklung auf den Unterricht auswirken und für die Lernenden spürbar werden.

Wie wird eine solche Entwicklung möglich? Fallstudien: Schule der Zukunft und Ressourcenverteilung Sonderpädagogik weiterlesen

Die Schulleitung hat keinen Einfluss auf strategische Ziele – oder vielleicht doch?

Unterschiedliche Settings im Rahmen der Schulleitungsausbildung unterstützen den Kompetenzerwerb um eine Bildungsorganisation führen zu können. Praxisorientierte Ansätze sind dabei u.a. Internship, Coaching, kollegiale Beratung, Good-Practice-Foren, Standortbestimmungen, Peer-Feedback, Learning Journeys, Fallstudien aus der Praxis. Die zuletzt erwähnte Methode hat seine Anfänge in der Hochschuldidaktik der Harvard Business School. Sie ist eine bewährte Methode im Bereich der Führungskräfte-Entwicklung und wird auch im Lehrgang «Führen einer Bildungsorganisation» angewandt.

In einer dreiteiligen Serie illustrieren die Teilnehmenden des CAS «Führen einer Bildungsorganisation» ihre Fallstudie und geben so Einblick in ihre Lösungsansätze. Lesen Sie heute den ersten Teil:

Die Schulleitung hat keinen Einfluss auf strategische Ziele – oder vielleicht doch? Die Schulleitung hat keinen Einfluss auf strategische Ziele – oder vielleicht doch? weiterlesen

Verantwortung über die Unterrichtsentwicklung tragen die Lehrpersonen – oder am Ende doch die Schulleitungen?

Reto Valsecchi, Schulleiter Dietlikon, und Sandra Aebersold, Schulleiterin Volketswil geben kurz und bündig Antwort, wie sie den kompetenzorientierten Unterricht an ihrer Schule stärken. Hier gehts zum Audiomitschnitt von Christine Weilenmann:

Interview: Was können Schulleitungen tun um den kompetenzorientierten Unterricht an der eigenen Schule zu stärken

Hier gehts zum Tagungs-Bericht

Darum braucht es Schulleitungen!?

Der reisserische Titel könnte suggerieren, dass nun ein normatives, vielleicht auch gewerkschaftliches Pamphlet für Schulleitungen kommt. Wer dies erwartet, wird enttäuscht sein. Ich habe nur eine kleine Geschichte zu bieten.

Früher war alles anders
An einem Elternabend erzählt ein Vater einer Schulleiterin, dass auch er schon in diese Schule ging. Er erzählt ihr von seinem Klassenlehrer, welcher während 30 Jahren an dieser Schule wirkte – gefürchtet und geachtet gleichermassen. Von vielen Schülerinnen und Schüler wurde er wegen seinen legendären Wanderungen gehasst. Jeden Monat mussten sie unabhängig von Wetter, Jahreszeit und Kondition eine Wanderung machen. In der 4. Klasse waren es immer 10 Kilometer, in der 5. Klasse 15 Kilometer und in der 6. Klasse sogar 20 Kilometer. Jeden Monat 20 Kilometer! Der Lehrer kannte kein Pardon und jede und jeder musste da durch. Der Vater selber war jedoch froh bei diesem Lehrer gewesen zu sein. «Wir haben viel gelernt bei ihm und das Wandern … er war halt ein Wanderfan». Er erzählte auch vom Lehrer im Zimmer nebenan. Diesen hätte man meistens besser verstanden als den eigenen Lehrer. «Wenn der wütend war – der konnte schreien. Ein herzensguter Mensch war er. Aber manchmal rastete er einfach aus und dann war ‘fertig lustig’». Am Ende meinte der Vater, dass er eine gute Zeit an dieser Schule hatte. Aber früher war es anders und er ist froh, dass sein Sohn nicht mehr in die alte, sondern in die neue Schule gehen kann.

Wir und die Schule

Als die Schulleiterin nach dem Elternabend auf dem Fahrrad nach Hause fährt, kommt ihr der Gedanke, dass es vielleicht gerade deshalb Schulleitungen braucht. Die Lehrerinnen und Lehrer sind nicht mehr allmächtig und die Schülerinnen und Schüler den einzelnen Personen ausgesetzt. Der Schulleiterin ist es wichtig, dass sie gemeinsam mit den Lehrerinnen und Lehrer die Verantwortung tragen, dass sie sich austauschen und von und miteinander lernen. Nicht mehr ‘ich und die Klasse’, sondern ‘wir und die Schule’. «Aber tun wir dies auch wirklich?» Die Schulleiterin stutzt einen kurzen Moment. Es könnte ja auch sein, dass Schulleitungen bewirken, dass Lehrerinnen und Lehrer zu gesichtslosen Unterrichtsbeamten verkommen, welche nur noch konsensorientierten Einheitsbrei produzieren. «Ich will keine Lehrerinnen und Lehrer, welche beim Eingang zum Schulhaus ihre Persönlichkeit und ihre Leidenschaft an die Garderobe hängen», resümiert die Schulleiterin für sich. «Und gleichzeitig will ich auch nicht, dass alle einfach machen können, was sie wollen». Zu Hause angekommen beschliesst die Schulleiterin sich und ihre Lehrerinnen und Lehrer in den nächsten Tagen und Wochen einmal zu beobachten.

Vielleicht fragen Sie sich nun, was ich Ihnen mit dieser Geschichte sagen will. Meine Antwort wäre: «Ich weiss es nicht». Deshalb liebe ich Geschichten. Ich kann aus Geschichten Dinge für mich herauslesen und diese mit anderen diskutieren. Andere Personen mit anderen Perspektiven werden anderes herauslesen. Die Frage, ob oder wozu es Schulleitungen braucht, kann die Geschichte nicht beantworten. Ich lese einiges heraus, was für Schulleitungen spricht. Ich sehe in der Geschichte Chancen und Risiken. So ambivalent wie die Geschichte ist, so ambivalent ist wahrscheinlich auch die Frage.

Welche Geschichten, Erfahrungen haben Sie? Ich bin ein neugieriger Mensch. Veröffentlichen Sie Ihre Geschichte hier auf dem Blog oder schicken Sie mir diese zu. Ich würde mich freuen.

Niels Anderegg, Zentrumsleiter Management und Leadership, PHZH

Schulführung – ein Sonderfall

Die besondere Organisation Schule

Um sich über Führungsthemen auszutauschen ist es unabdingbar, dass der Schule als soziale Organisation eine besondere Rolle zukommt. Schulen sind nicht nur Lernorganisationen, sie sind als Organisation auch selbst zu Lernprozessen fähig und auch dazu aufgerufen. Eine kluge Bildungspolitik bezieht diese Bedingungen in ihr Kalkül ein. Doch worin unterscheidet sich eigentlich die besondere soziale Organisation Schule von anderen Unternehmen?

Auf den ersten Blick mag die Schule als eine formale soziale Organisation wie andere auch erscheinen. Die Schule ist jedoch gleichzeitig eine Bildungs- und Erziehungseinrichtung, die mehr und anders sein muss als eine Bürokratie, wenn sie ihren Auftrag erfüllen will. Denn die Arbeit in Bildungseinrichtungen ist sehr stark von den dort arbeitenden Personen abhängig. Der Faktor Personal spielt deshalb eine so grosse Rolle, weil nicht einfach nur Technologien eingesetzt und die bereitgestellten Instrumente bedient werden, sondern weil die Personen selbst das zentrale Instrument solcher Einrichtungen sind.

Beispiele dafür sind:

  1. Der Bildungsauftrag unterscheidet sich durch die Vermittlung von Inhalt vom erzieherischen Auftrag des Elternhauses.
  2. Das pädagogische Handeln beruht auf persönlichen Begegnungen, welche nicht technologisierbar sind.
  3. Lehrpersonen haben es grundsätzlich mit einer Klasse und nicht mit einer Person zu tun. Um richtig interagieren zu können, wird Diagnosekompetenz vorausgesetzt sowie wissenschaftliches Wissen, welches immer wieder aufgefrischt werden muss.
  4. Die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer unterliegt der politischen Kontrolle. Auf der anderen Seite verweist die professionelle Tätigkeit auf Autonomie. Dieser Widerspruch führt zu einer immanenten Kontrollunsicherheit. Es kommt hinzu, dass sich die Erfolge der Lehrerinnen und Lehrer und damit auch der Schule nur sehr schwer feststellen lassen. Die eigentliche Arbeit vollziehen Lehrer im Klassenzimmer, und sie ist dort weder vollständig reglementierbar noch annähernd standardisierbar.
  5. Pädagogische Ziele lassen sich nicht operationalisieren. Die pädadgogischen Ziele sind reflexiv, unbegrenzbar und in sich widersprüchlich, da die Lernenden einerseits gefördert und andererseits selektioniert werden sollen.

In der besonderen sozialen Organisation Schule wirken die Menschen stärker aufeinander ein, als beispielsweise in Unternehmen in einem technischen Umfeld. Wie sich die Lehrerinnen und Lehrer die positiven Aspekte dieses Einwirkens zunutze machen, ergibt sich aus ihren individuellen Wahrnehmungen und Fähigkeiten sowie aus ihren Motivationen und Kompetenzen im eigenen Handeln.

Ich sehe meine Aufgabe als Schulleiter insbesondere darin, den Lehrpersonen ein Umfeld zur Verfügung zu stellen, in dem sie sich entfalten können. Dies bedingt, dass wir immer wieder gemeinsam über unsere Vorstellungen einer guten Schule und über mögliche Entwicklungen sprechen. Relevante Themen für die Unterrichtsentwicklung besprechen wir mit den Stufenvertretungen in der Kommission Schulentwicklung, gemeinsam an Pädagogischen Konferenzen und in der verbindlichen Zusammenarbeit aller Stufenteams. Die darin beschlossenen Ziele dürfen ambitioniert, jedoch nicht zu hoch angesetzt sein. Ich brauche ein gutes Gespür, was zeitlich möglich ist. Eine ebenfalls wichtige Voraussetzung ist Vertrauen – sowohl in sich selbst als auch in das Team.

Jörg Berger, Schulleiter und Wissenschaftlicher Mitarbeiter PH Zürich

 

Quellen:

Rolff, Hans-Günter. 1993. «Die Schule als besondere soziale Organisation.» In Wandel durch Selbstorganisation. Theoretische Grundlagen und praktische Hinweise für eine bessere Schule, 121–145. Weinheim: Juventa.

Terhart, Ewald. 2010. «Personalauswahl, Personaleinsatz und Personalentwicklung an Schulen.» In Handbuch Neue Steuerung im Schulsystem, hrsg. v. Herbert Altrichter und Katharina Maag Merki, 255–275. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Terhart, Ewald. 2013. «Widerstand von Lehrkräften in Schulreformprozessen. Zwischen Kooperation und Obstruktion.» In Empirische Bildungsforschung Theorien, Methoden, Befunde und Perspektiven: Festschrift für Wilfreid Bos, hrsg. v. Nele McElvany, & Heinz Günter Holtappels, 75–92. Münster: Waxmann.

Fend, Helmut. 2008. Schule gestalten. Systemsteuerung, Schulentwicklung und Unterrichtsqualität. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.