Forschung geht auch anders: Design-Based-Research ist Forschung (nicht über, sondern) mit Schulen

Forschung zu Schule und Unterricht ist meist Forschung über Schule und Unterricht, selten mit Schule und ihren Beteiligten. Geht man jedoch davon aus, dass Schulforschung einen direkten Bezug und Nutzen für die Schulpraxis haben soll, braucht es ein anderes Vorgehen: Wie Forschung gestaltet sein muss, damit die beteiligten Schulen direkt und schon während des Forschungsprozesses von den neuen Erkenntnissen profitieren, erklärt Enikö Zala-Mezö.

Dieses Ziel hat sich die Design-Based-Research (im Weiteren: DBR) oder auf Deutsch die designbasierte Forschung gesetzt. Design entspricht dem deutschen Wort Gestaltung und meint die Gestaltung von Lösungen für Probleme, die in der Schule als solche definiert werden. Forschung und Anwendung werden nicht getrennt voneinander gedacht, sondern parallel entwickelt. Dieses Vorgehen steht im Kontrast zur «klassischen Schulforschung». In dieser wird zuerst geforscht und die Praxis kommt erst bei der Anwendung der Ergebnisse ins Spiel. Dass diese Übertragung, der sogenannte Transfer, oft schwierig ist, zeigen zahlreiche Beispiele.  

Das Verständnis der designbasierten Forschung

Im DBR wird davon ausgegangen, dass das Verstehen von Problemen parallel mit der Entwicklung von Lösungen erfolgt. Erst durch die fortlaufende Erprobung von verschiedenen Lösungen wird das Problem verständlich. Analyse und Entwicklung verlaufen somit ineinander verschränkt, wobei schulische Mitarbeitende und Forschende das Design partizipativ entwickeln.  Es ist ein Prozess des fragenden Voranschreitens (Allert & Richter, 2011). Die Ziele bleiben dabei dennoch kompromisslos. Es sollen Wissen und Problemlösungen generiert werden.

Dieses Vorgehen impliziert eine enge, von Beginn an bestehende Zusammenarbeit zwischen Personen aus der Schulpraxis und -forschung. Erfahrungswissen der Praktikerinnen und Praktiker und theoretisches, empirisches Wissen der Forschenden sind gleichermassen relevant. Die Expertise beider Gruppen kommt in der Entwicklung fortwährend zum Einsatz.

DBR ist in deutschsprachigen Ländern weniger verbreitet als in angelsächsischen. Dennoch gibt es immer mehr Beispiele aus der Medienpädagogik oder aus der Fachdidaktik. Bei einem Projekt (Lambert & Jacobsen, 2019) bestand das Ziel zum Beispiel darin, Videospiele zu entwickeln, die zu tiefer gehenden Lernprozessen anregen. Oder ein anderes Projekt widmet sich dem Thema Mathematikunterricht (Herkenhoff, 2020) und entwickelt hilfreiche Planungsinstrumente für den inklusiven Mathematikunterricht.

Gemein ist in den DBR-Projekten, dass sie einen bestimmten Kreislauf verfolgen, wie das Titelbild (nach Euler, 2014) zeigt.

INFOBOX

Das Zentrum für Schulentwicklung startet mit dem Design-Based-Research Projekt «Partizipative Schulentwicklung – Unterricht mit Schülerinnen und Schülern gestalten», das zum Ziel hat, Unterricht und Lernen partizipativ weiterzuentwickeln. Was bei diesem Projekt speziell ist: Es wird nicht nur die Expertise von schulischen Mitarbeitenden und Forschenden berücksichtigt, sondern auch die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler. Für die dreijährige Laufzeit ab Schuljahr 2021/22 werden noch Sekundarschulen gesucht, die an einer Teilnahme interessiert sind. Kontakt: info.zse@phzh.ch

Zur Autorin

Enikö Zala-Mezö

Prof. Dr. Enikö Zala-Mezö ist Leiterin des Zentrums für Schulentwicklung an der Pädagogischen Hochschule Zürich. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind datenbasierte Schulentwicklung und Zusammenarbeit von Praxis und Forschung.

Redaktion: Melina Maerten

Titelbild: Euler 2014

Quellen:

Allert, H., & Richter, C. (2011). Designentwicklung. Anregungen aus Designtheorie und Designforschung. In M. Ebner & S. Schön (Hrsg.), Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T) (S. 14 S.). BIMS e.V.

Euler, D. (2014). Design-Research – a paradigm under development. In D. Euler & P. F. E. Sloane (Hrsg.), Design-Based Research (S. 15–44). Franz Steiner.

Herkenhoff, J. (2020). Inklusiver Mathematikunterricht: Entwicklung eines Instruments zur Planung von Mathematikunterricht in einem inklusiven Setting. Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-29902-6

Lambert, D., & Jacobsen, M. (2019). Implementing an Intervention into a Grade Six Learning Environment: A Design-Based Research Framework. EDeR. Educational Design Research, 3(1), Article 1. https://doi.org/10.15460/eder.3.1.1388

Was hat Innovation mit sozialen Netzwerken zu tun?

Damit eine Innovation verbreitet wird, muss sie einfach nur gut sein – das habe ich lange gedacht. Als ich mehr darüber gelesen und nachgedacht habe, kamen viele Fragen auf.

Was ist eigentlich eine gute Innovation oder Neuerung? Was ist überhaupt gut? Schneller, mehr, effizienter? Ab welchem Zeitpunkt ist sie gut?

Wenn ich eine Innovation erwerbe, zum Beispiel in Form eines neuen Handys, dauert es Wochen, bis ich mich darüber freuen kann. Woran erkennen wir, dass durch die Innovation etwas besser wird? Oder für wen die Innovation gut ist? Für das Unternehmen oder für die Mitarbeitenden?

Kategorien wie «gut» und «besser» haben mit unseren Normen und Werten zu tun, die sozial konstruiert sind. Wie Haruki Murakami im Roman «Die Ermordung des Commendatore» so schön verspielt schreibt: «Die Welt ist Vorstellung, das ist die Wahrheit. Vorstellung ist Wahrheit und Wahrheit ist Vorstellung.»

Die gute Idee gibt es also gar nicht und so bleibt die Frage offen: Wovon hängt es ab, ob sich eine Innovation verbreitet? Eine mögliche Antwort darauf gibt die soziale Netzwerktheorie. Die Qualität des sozialen Netzes, in dem sich die Innovation befindet, beeinflusst die Verbreitung.

«Auch technische oder technologische Neuerungen bleiben auf ihre soziale Anwendung und Durchsetzung angewiesen, um schließlich real zu werden». Dieser Satz von Inka Bormann im Buch «Innovationen im Bildungswesen» hat bei mir einen Aha-Effekt ausgelöst. Ist das soziale Netz eng, interagieren viele Mitglieder regelmässig miteinander, verbreitet sich die Idee schnell – die Innovation hat eine Chance. Sind die Betroffenen Einzelgänger, ohne regelmässigen Austausch, kommt die Innovation vielleicht nie bei ihnen an.

Dies gilt auch für Weiterbildungen in Schulen, wie Alan Daly von der University of California, San Diego, argumentiert. Schulteams, in denen viele Personen isoliert sind oder die aus kleinen, nicht miteinander verbunden Gruppen bestehen, profitieren von Weiterbildungen weniger als Teams mit einer hohen Dichte an professionellen Beziehungen.

Wie Daly sagt, ist jede Innovation, jede Veränderung, die wir durchführen wollen, immer auf der bestehenden Basis von Beziehungen aufgebaut. Diese Basis bestimmt dann die Aufnahme, die Geschwindigkeit und die Tiefe der Veränderung.

Wie genau? Darüber wird Prof. Dr. Alan Daly am 18.09.2019 17:15 Uhr an der PH Zürich referieren. Der Vortrag ist auf Englisch, die PowerPoint-Präsentation ist auf Deutsch übersetzt.

Weitere Informationen zum Referat finden Sie im Flyer:

Flyer Referat Professor Alan J. Daly

Enikö Zala-Mezö, Leiterin des Zentrums für Schulentwicklung, PH Zürich

Dank ICSEI über den Zaun blicken

ICSEI [ixi] tönt einfach und sympathisch. Es könnte ein Wort auf Schweizerdeutsch sein, wie z.B. [hixgi] oder [häxli]. Ist es aber nicht, sondern die Abkürzung eines Kongresses, der dann gar nicht mehr einfach tönt: «International Congress for School Effectiveness and School Improvement». Wir bleiben lieber beim [ixi], oder?

Im Januar 2018 war ich zum zweiten Mal dabei und nun bin ich süchtig nach ICSEI. Nicht nur deshalb, weil der Kongress an wunderbaren Orten stattfindet wie in diesem Jahr – in Singapur. Letztes Jahr fand er übrigens im eiskalten Ottawa statt, bei minus 20 Grad – ein echtes Erlebnis.

 

 

 

 

 

Es hat mehrere Gründe, warum ich ICSEI mag:

* ICSEI ist ein Kongress, der Interprofessionalität und -nationalität lebt: Wissenschaftler/innen, Schulleitungen, Politiker/innen, Lehrpersonen, Privatanbieter, Weiterbildner/innen aus allen Ecken der Welt bilden eine bunte Gesellschaft, die von Toleranz und gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist.

* Es gibt ganz viele neugierige Teilnehmende und es entstehen echte Diskussionen nach den Symposien, Referaten und Workshops über die Höflichkeitsfragerunde hinaus.

* Mein Thema, Schulentwicklung, steht im Zentrum des Kongresses. Er hiess dieses Jahr: „Deepening School Change for Scaling: Principles, Pathways & Partnerships“.

* Dieses Jahr waren meine Highlights die Paneldiskussionen, in denen zentrale Themen kontrovers diskutiert wurden: Improving and leading schools for the future economy and society; Educational innovations must be disruptive to be effective; School improvement for equity and excellence: rhetoric, possibility or reality?

Am letzten Konferenztag werden jeweils Schulbesuche angeboten. Das ist auch ganz interessant; mal eine Schule in Kanada oder Singapur von drinnen gesehen zu haben. Alles in allem ist es eine tolle Möglichkeit zu lernen und sich zu vernetzen. Auch die ganz grossen Namen wie Michael Fullan, Andy Hargraeves, Alma Harris, Dennis Shirley, Caren Seashore und Luisa Stoll sind am Kongress mit dabei und es gibt die Gelegenheit sich mit ihnen auszutauschen. Nächstes Jahr findet der Kongress gar nicht so weit weg, nämlich in Norwegen, statt. Falls Sie Lust haben mal über den Zaun zu blicken finden Sie weitere Informationen hier: https://www.icsei.net/

Enikö Zala-Mezö, Leiterin Zentrum für Schulentwicklung PH Zürich