«Nur wer aufgibt, hat verloren»

Der zweite Tag des Deutschen Schulleiterkongresses startete mit einem bekannten Namen «Henry Maske». Der ehemalige Profiboxer erzählte Geschichten aus seiner Karriere, seinem Leben in der DDR und der Zeit der Wende. Das Motto des Vortrags lautete: «Nur wer aufgibt, hat verloren»

Was kann ich als Schulleitung nun von den sportlichen Erfahrungen Henry Maskes mitnehmen? Folgende Aussagen von ihm haben mich angesprochen oder zum Nachdenken angeregt:

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Einer für alle und alle für einen – Multiprofessionalität auf Augenhöhe

Vom 21. bis 23. März 2019 zog es wieder über 2’500 Schulleitungen aus dem deutschsprachigen Raum nach Düsseldorf an den 8. Deutschen Schulleiterkongress.

Aus einer Fülle von über 100 Vorträgen und Workshops galt es eine Auswahl für zweieinhalb Tage zu treffen. Es finden sich wie jedes Jahr für fast alle Aktualitäten an der eigenen Schule passende Angebote.

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Mit Belastungen umgehen können

Simone Augustin, Schulleiterin der Schule Aeugst am Albis berichtet ein letztes Mal vom Schulleiterkongress in Düsseldorf. Zum Abschluss besucht sie das Praxisforum von Ada-Sophia Luthe, Pädagogin und Supervisorin, die das Thema «Einstecken können will gelernt sein! So gehen Sie mit Belastungen im Schulalltag um» erläutert.

Schulleitungen sind vielseitigen Belastungen ausgesetzt. Sie sind in der Sandwichposition zwischen Behörden und Lehrpersonen, fungieren manchmal als Puffer zwischen Eltern, Schülerinnen und Schülern und Lehrpersonen und sind für die Umsetzung vieler pädagogischer Projekte, wie dem Lehrplan 21, verantwortlich.

Eine weitere wichtige Aufgabe der Schulleitung ist die Personalführung und damit verbunden auch die Personalpflege. Doch wer «pflegt» die Schulleitungen? Wie gehen Schulleitungen mit Stress und Belastungen um?

Es gibt zwei Arten von Stress, positiven Stress, auch Eustress genannt und negativen Stress, Disstress genannt. Stress ist demnach nicht zwingend belastend. Doch wie können wir im Alltag mit negativem Stress, also Disstress umgehen und gesund bleiben?

Im Zusammenhang mit positiver Stressbewältigung steht der Begriff «Resilienz». Ein Phänomen, das in den letzten Jahren, vor allem nach 9/11, auch in der Forschung an Bedeutung zugenommen hat.

Nach Rosmarie Welter-Enderlin ist Resilienz die «Fähigkeit von Menschen Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf persönliche und sozialvermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für persönlich Entwicklung zu nutzen». Ada-Sophia Luthe zeigte uns mit einer einfachen Methode des Selbstcoachings, wie wir mit Hilfe von acht Resilienzschlüsseln Belastungen bessern meistern können und achtsam mit uns selber umgehen können.

Das Selbstcoaching besteht aus vier Schritten:

  1. Welches Thema/Problem bereitet mir zurzeit am meisten Stress
  2. Ein Ziel setzen
  3. Sich vorstellen, wie es ist, wenn das Ziel erreicht ist
  4. Welche Strategien der Resilienz nutze ich (Auswahl von zwei bis drei Strategien)

 

 

 

 

Und hier die acht Resilienzschlüssel nach Luthe:

  • Akzeptanz – es ist wie es ist, ein realistisches, objektives Bild von der Situation haben
  • Optimismus – darauf vertrauen, dass es gut kommt
  • Lösungsorientierung – in Möglichkeiten denken, Alternativen finden
  • Eigenverantwortung – Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen und die Opferrolle verlassen
  • Selbstwirksamkeit – Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten
  • Zukunftsorientierung – Mut für neue Konzepte haben
  • Achtsamkeit – sich und die Umwelt wahrnehmen und wertschätzen
  • Netzwerkorientierung – das innere Team aktivieren und Beziehungen pflegen

Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass sich Schulleiterinnen und Schulleiter Sorge tragen und sich im Alltag immer wieder Zeit nehmen, um sich selber zu schauen. Denn nur wenn wir gesund sind, nützen wir unserer Schule, unserem Team. In solchen Momenten kann ein Selbstcoaching, wie sie Ada-Sophia Luthe vorgestellt hat, eine hilfreiche Methode sein.

Simone Augustin, Schulleiterin Schule Aeugst am Albis ZH und Co-Leiterin Bezirksschulleiterkonferenz Affoltern

Bei 9 von 10 Flugzeugcrashs ist das Team schuld

Von Philip Keil, einem Lufthansa-Pilot, der einen Beinahecrash verhindert hat, erfährt Johannes Breitschaft, Dozent an der PH Zürich,  wie wichtig immer wieder Absprachen im Team und Standardroutinen sind.

Der Pilot Philip Keil schildert eindrücklich wie bei 9 von 10 Abstürzen die Ursache nicht fliegerisches Versagen, sondern das Versagen des Teams war: Entscheidungsschwäche, schlechte Kommunikation und mangelnde Prioritätensetzung. In 80% aller Abstürze und Unfällen sass der erfahrene Kapitän am Steuer und nicht der Co-Pilot. Fehlerketten bringen Flugzeuge zum Absturz, meist in Verbindung mit folgenden Verhaltensweisen: Sorglosigkeit, Selbstüberschätzung, Tunnelblick, Indirektheit in der Kommunikation («this seems a little high»), übertriebene Toleranz. Mir kommen dabei auch diverse Skandale in der Wirtschaft in den Sinn, wo ich merke, dass Machtdistanz und fehlendes Feedback zu solchen Verhaltensweisen führen. Fehlleistungen im Leadership und Management sind die Folge.

Zum Schluss des Vortrages sind die Zuhörerinnen und Zuhörer auf eine Checkliste gespannt, die Philip Keil schon zu Beginn angekündigt hat: FORDEC

F FACTS Was sind die Facts / einen Moment inne halten / habe ich alle Fakten auf dem Schirm / würde ein Aussenstehender die Situation gleich sehen

O OPTIONS Welche Optionen ergeben sich aus dieser Faktenlage / alle Optionen notieren

R RISKS & BENEFITS Jede einzelne der Optionen wird bewertet

D DECISION Treffen einer Entscheidung und dazu stehen

E EXECUTION Ausführung, konkrete planvolle Umsetzung der Entscheidung

C CHECK Evaluieren, was passiert bei der Umsetzung, was passiert darum herum

Diese Vorgehensweise wurde von der NASA entwickelt und kann bei Entscheidungen eine Unterstützung bieten. Das Verschriftlichen des Prozesses wird empfohlen, um uns kognitiv zu entlasten.

Bei Prof. Dr. Olaf-Alex Burow, mit dem Thema «wertschätzende Schulleitung», nehme ich ein paar Aussagen mit. Das von ihm vorgestellte Buch «Wertschätzende Schulleitung – der Weg zu Engagement, Wohlbefinden und Spitzenleistung» gehört meiner Ansicht nach in jede Schulleitungsbibliothek. Das Buch ist sehr gut lesbar, praxisbezogen und bietet zahlreiche Impulse für Umsetzung und Reflexion.

Schulentwicklung ist ein komplexes Gebiet mit unzähligen Definitionen und Modellen. Betrachtet man das Thema aus Sicht der Komplexitätsreduktion, so geht es letztlich um drei übergreifende Kernziele:

1. Equity (Chancengleichheit)

2. Excellence (Anspruchsvolle Leistungen)

3. Well-being (Wohlbefinden).

Gute Schulen zeichnen sich dadurch aus, dass sie zu Chancengleichheit beitragen, möglichst viele Schülerinnen und Schüler zu guten Leistungen führen und ein Lehr-Lern- und Schulklima schaffen, das Wohlbefinden ermöglicht. Für Burow ist Schulleitungshandeln zentral. Er zeigt in seinem Vortrag den Leadership-Kompass auf mit den «magischen 3×3»:

1. Wertschätzende Schul- und Organisationsentwicklung (wertschätzende Diagnose, Vision, Umsetzung)

2. Selbstbestimmung (Sinn/Zugehörigkeit, Kompetenzerleben, Wohlbefinden)

3. Salutogenese (Bedeutsamkeit, Verstehbarkeit, Handhabbarkeit).

Spannend wäre ein Austausch von Schulleitungen mit genau diesem Fokus: Was mache ich konkret (normativ, strategisch und im Alltag) um diese potenzialfördernden Prinzipien lebendig werden zu lassen? Vielleicht bei einem gemeinsamen Kaffee?

 

 

 

 

 

 

Johannes Breitschaft, Dozent PH Zürich

Es lohnt sich, sich zu engagieren!

Am Deutschen Schulleiterkongress lernt Johannes Breitschaft, Dozent an der PH Zürich, interessante Abenteurer kennen, die von ihren Pioniertaten erzählen. Das sind der Lifestyle-Unternehmer Jochen Schweizer, der Polarforscher Arved Fuchs und der Dschungelbezwinger Rüdiger Nehberg.

Die Faszination ist beim Publikum nicht zu verbergen. Mit Leidenschaft und Humor erzählen sie von ihrem erfüllten und abenteuerlichen Leben. Keine 08/15-Biografien. Leider sind alles Männer, etwas mehr «starke Frauen» würden dem Kongress gutstehen. Dennoch: das Publikum hängt diesen Persönlichkeiten an den Lippen. Was man daraus ziehen kann? Das Erlebnis, bei den Wagnissen wenigsten ein bisschen dabei gewesen zu sein. Was ich daraus nehme: «Es lohnt sich, sich zu engagieren».

Bei Prof. Rolf Arnold geht es wieder etwas wissenschaftlicher zu und her. Er zeigt nachvollziehbare Verbindungen von Neurobiologie, Lernen und Erwachsenenbildung. Lernen ist für ihn ein selbstgesteuerter Aneignungsprozess. Didaktik sollte keine Lehr-, sondern eine Lernwissenschaft sein. Auch in meiner Ausbildung in Hochschuldidaktik ging es um den «shift from teaching to learning». Das Motto lautet: vom Lernenden her denken, was mich an die Bedingungen zu Kompetenzorientierung erinnert. Lehrpersonen müssen Bedingungen schaffen, damit etwas (Neues) entstehen kann! Die Lehrperson bietet den Kompetenzrahmen, den Kompetenznachweis muss der Lernende selber geben. Die Beziehung und die Resonanz ist der Boden. Schon Rolff hat den Satz geprägt: «wer den Unterricht verändern will, muss mehr als den Unterricht verändern». Veränderungen geschehen meist sehr langsam. Die Problematik ist dabei, dass das Überlieferte und die Erfahrung zunächst immer für richtig erachtet werden. Eine weiterführende Anregung zum Weiterdenken können einige gesammelte Zitate zum Lernen sein, die ich von Rolf Arnold gefunden habe.

Prof. Dr. Harald Görlich zeigt mir, dass wir im Modul «Selbst-, Zeit-, Gesundheitsmanagement» im Rahmen des Lehrgangs «Führen einer Bildungsorganisation» die richtigen Schwerpunkte setzen. Sein Thema ist «Stark durch Resilienz!». Was mir besonders in Erinnerung bleibt, ist die konsequente Haltung des Vertrauensvorschusses gegenüber Mitarbeitenden und die bedingungslose Einstellung, dass man als Führungsperson in jedem Menschen einen wertvollen Kern erkennen muss. Schon Anselm Grün meint «wenn ich den Menschen mag, ist er nicht so schnell zu viel für mich» oder Thomas von Aquin «ich freue mich, dass du da bist, und nicht weil du so bist».

Schulleitungen müssen neben vielem Anderen auch Meisterinnen und Meister der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen sein! Was ich wieder mitnehme: Die Befriedigung von vier Grundbedürfnissen, welche die Basis psychischer Gesundheit, unabhängig von der Quantität der Arbeit sind, nämlich:

1. Orientierung und Wirkungsmöglichkeit (Sinnerfahrung). «Wer ein Warum zu leben weiss, erträgt fast jedes Wie» (Nietzsche)

2. Anerkennung und Wertschätzung (Selbstwertbezug)

3. Soziale Bindung / Zugehörigkeit

4. Lust erleben / Unlust vermeiden.

Zwei Fragen werden mich noch weiter begleiten: Was heisst für mich gelingendes Leben? Wann mache ich einen Termin mit mir selbst, um den wirklich wichtigen Fragen nachzugehen?

Johannes Breitschaft, Dozent PH Zürich

Hat die Schule ein Umsetzungsdefizit?

Nach dem Referat von Prof. Dr. Andreas Helmke am Deutschen Schulleiterkongress stellt sich für Simone Augustin, Schulleiterin in Aeugst am Albis die Frage: Hat die Schule ein Umsetzungsdefizit? Hier beschreibt sie den weiten Weg vom Wissen zum Tun.

Nach einer kurzen Stärkung am Buffet und einem erfrischenden Spaziergang entlang des Rheins, freue ich mich auf den Nachmittag mit Prof. Dr. Andreas Helmke, Autor diverser Fachliteratur – darunter «Kernpunkte guten Unterrichts – ein summarischer Überblick» oder «Unterrichtsdiagnostik als Ausgangspunkt für Unterrichtsentwicklung» und Mitentwickler der evidenzbasierten Methode der Unterrichtsdiagnostik und -entwicklung EMU.

Gleich zu Beginn des Referats zeigt Helmke an einem anschaulichen Beispiel auf, weshalb Unterrichtsdiagnostik und Feedback so zentral für Schulentwicklung ist.

Beispiel: Lehrpersonen wurden während einer Lektion gefilmt. Danach wurden sie gefragt, wie hoch sie ihren Sprechanteil in der gefilmten Lektion einschätzen. Danach wurden die gefilmten Lektionen, mit der Stoppuhr in der Hand, betrachtet und der effektive Sprechanteil ermittelt. Der Unterschied in der untenstehenden Grafik spricht für sich.

 

 

 

 

 

«Es besteht oftmals eine Kluft zwischen dem, was Lehrpersonen glauben zu tun und dem, was sie wirklich tun.» Das heisst jetzt aber nicht, dass alle Lehrpersonen unfähig sind. Es ist ein Zeichen dafür, dass das Lehr- und Lerngeschehen

· hoch komplex

· multidimensional

· gleichzeitig

· unvorhersehbar

· sowie unaufschiebbar ist.

Um dem hochkomplexen Geschehen gerecht zu werden, braucht es eine evidenzbasierte Bestandsaufnahme. Dazu eignen sich folgende Methoden:

· Schülerfeedback

· Kollegiales Feedback

· kollegiale Hospitation

· virtuelles Feedback (Videoaufnahmen des Unterrichts)

· Feedback durch Dritte

Viele dieser Feedbackmethoden sind bekannt und teils auch seit Jahren in vielen Schulen fest verankert. Doch was geschieht nach dem Feedback? Was passiert in der Unterrichtstunde nach dem kollegialen Feedback, nach dem Betrachten der auf Video festgehaltenen Lektion?

Nach Helmke wäre der folgende Vierschritt optimal:

1. Diagnose

2. evidenzbasiert, kriteriengeleitete Reflexion

3. Durchführung von Massnahmen

4. Analyse der Wirksamkeit

Meist hapert es ab Punkt 3. Es gibt im Alltag so viele kleine Hinderungsgründe; keine Zeit Unterricht neu zu planen, es hat ja bis jetzt auch ganz gut funktioniert, das Neue kenne ich zu wenig, der Kollege macht es ja auch so…

Ich habe mir während dem Vortrag immer wieder die Frage gestellt: «Was kann ich als Schulleitung dazu beitragen, dass Unterrichtsentwicklung stattfindet und Feedback nicht als l’art pour l’art betrieben wird?» Aus meiner Sicht gibt es einen wichtigen Punkt, denn ich zukünftig beherzigen werde. Nach einer Weiterbildung oder einem Feedback die Frage an mich und mein Team stellen: «Was probiere ich morgen konkret aus und mit wem bespreche ich meine gemachte Erfahrung.»

Simone Augustin, Schulleiterin Schule Aeugst am Albis ZH und Co-Leiter der Bezirksschulleiterkonferenz Affoltern

Begegnungen bereichern das Leben

Johannes Breitschaft, Dozent an der PH Zürich, schildert in drei Tagebucheinträgen vom Deutschen Schulleitungskongress.

Begegnungen bereichern das Leben. Meine erste (zufällige) Begegnung in Düsseldorf ist der rappende und malende Taxifahrer, der auch in der lokalen Presse portraitiert wurde. Der Rap «Mein Taxi ist mein Flow / Mein Taxi ist meine Show» zeigt mir deutlich auf, dass Leidenschaft ansteckend ist. Ich erfahre viel Lebensweisheiten, die die Biografie des Lebens von Seddik Gasmi bereichert haben. Ich erfahre, dass Flexibilität lebendig hält und nichts als selbstverständlich betrachtet werden darf – faszinierend! Bin gespannt, ob die eingeladenen Keynote-Speaker auch so viel zu bieten haben.

 

 

 

 

 

Meinen ersten Workshop leitet Michael Brandt, Regisseur, Autor und Schauspiellehrer. Es geht um Führung von Nicht-Führbaren. Von Schulleitungen höre ich ab und zu, dass die so genannten Nicht-Führbaren Leidensdruck generieren. Ich mache mir meine Gedanken dazu: was heisst das eigentlich? Gibt es auch eine Art von Führung, die Nicht-Führbarkeit mit sich bringt? Auf welche Weise äussern sich die beiden Akteure, Vorgesetzter und Mitarbeitende?

Im Seminar sind wir dauernd aktiv am Kommunizieren in szenischen Darstellungen. Wir lassen zwei Personen, unabhängig von ihrer formalen Hierarchie, im sogenannten Hochstatus und Tiefstatus miteinander sprechen, immer und immer wieder, auch vor dem Plenum. Die These, die dahinter liegt, heisst: Konflikte sind keine Sach-, sondern eine Statusfrage. Und diese lässt sich ändern.

Das Modell des Statusmodells wurde in der Theaterpädagogik entwickelt und stammt von Keith Johnstone. Auf den schulischen Unterricht wurde dieses Konzept von Maike Plath übertragen. Bei der Recherche ist mir ein hilfreicher Link für den Unterricht aufgefallen:

https://www.smore.com/t0bgb-status-im-unterricht

 

 

 

 

 

 

Johannes Breitschaft, Dozent PH Zürich

Vom Chefsessel brüllen kann jeder

Simone Augustin, Schulleiterin der Schule Aeugst am Albis berichtet über spannende Impulse und Innovationen in ihrem Tagebuch über den Deutschen Schulleiterkongress in Düsseldorf.

Frisch gestärkt von einem reichhaltigen Frühstück rufen wir ein Taxi und bitten zum Messegelände gefahren zu werden.  Der Taxifahrer dreht sich zu uns um und meint: «Ah, sie gehen zur Beautymesse?» Ja, jetzt kann man sich hintersinnen, ob man dies als erste morgendliche Stärkung des Egos betrachten soll oder doch eher als Beleidigung? Wir entscheiden uns für Ersteres!

Der erste Hauptvortrag des Tages «Vom Chefsessel brüllen kann jeder! Bringen Sie Ihre Mannschaft durch faire Führung zum Sieg» gehalten von Urs Meier, dem Schweizer Weltfussballschiedsrichter, hat die anwesenden Schulleiterinnen und Schulleiter in ihren Bann gezogen. In rasantem Tempo, begleitet von spontanem Applaus und herzlichen Lachern aus dem Publikum, erläuterte Urs Meier den Zuhörern, was eine faire Führungspersönlichkeit in seinem Sport, dem des Schiedsrichters, ausmacht.

  • Es braucht eine überzeugende Persönlichkeit
  • mit einer überdurchschnittlichen Kompetenz im sozialen Bereich
  • sie muss belastbar sein und einstecken können
  • braucht eine mentale Kraft, um zu motivieren
  • braucht Durchsetzungsvermögen und soll klar im Ausdruck sein
  • muss Beziehungsfähig sein und Menschen mögen
  • und als letztes aber nicht minder wichtig: soll dialogfähig und entwicklungsbereit sein.

Wenn ich die obige Beschreibung lese, könnte die aber genauso gut aus einem Inserat für eine Schulleitungsstelle stammen. Brauchen also alle Führungspersönlichkeiten ähnliche Fähigkeiten?

Und was hat «Fairplay» mit Führung in der Schule zu tun? Fairplay heisst: Vom anderen her denken und wer vom anderen her denkt, ist längerfristig erfolgreich. Auch diese Aussage passt wunderbar zu unserem Job. Doch Entscheidungen treffen – und das müssen Schulleitungen täglich – ist immer ein Risiko. Es birgt das Risiko, Fehler zu machen.

Hier hat Urs Meier eine klare Haltung. Menschen machen Fehler! Führungspersönlichkeiten sind Menschen. Im Sport besteht immer die Gefahr, dass ein Schiedsrichter nach einem Fehlentscheid zu einem späteren Zeitpunkt einen sogenannten Kompensationsentscheid fällt, in der Meinung, den begangenen Fehler wieder gut zu machen. Doch ist das korrekt? Urs Meier verneint das explizit.

1 Fehler + 1 Fehler = 2 Fehler und ist nicht null.

Diese Aussage hat mich zum Nachdenken gebracht. Fällen wir in der Schule als Schulleitungen auch Kompensationsentscheide? Machen das unsere Lehrpersonen?

Diese Frage nehme ich nach Hause mit und werde sie sicher mit meinem Team diskutieren. Denn ja, 1 + 1 = 2. Das lernen bereits unsere jüngsten Schülerinnen und Schüler.

Simone Augustin, Schulleiterin der Schule Aeugst am Albis ZH und Co-Leiterin Bezirksschulleiterkonferenz Affoltern

Konflikte sind eine Statusfrage

Mehr als 2’500 Schulleitungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz reisten an den Deutschen Schulleiterkongress nach Düsseldorf, welcher in dieser Form bereits zum 7. Mal stattfindet. Simone Augustin, Schulleiterin in Aeugst am Albis ZH berichtet jeden Tag über die spannendsten Impulse und Innovationen für den Schulführungsalltag.

Mit viel Vorfreude auf drei spannende Tage voller Workshops, Praxisforen und Vorträgen checken wir in der Düsseldorfer Messe Süd ein.

Aus dem grossen Angebot habe ich mir für den ersten Nachmittag den Workshop «Führen von Nichtführbaren», geleitet von Micheal Brandt, dem künstlerischen Leiter des Scharlatan Theaters für Veränderung, ausgesucht. Ein künstlerischer Leiter an einem Schulleiterkongress? Was kann ich da für meinen Alltag mitnehmen? Das haben sich vielleicht einige vor diesem Nachmittag gefragt. Wer aber nicht das erste Mal mit von der Partie ist, weiss, dass solche, in erster Linie «fachfremden» Vorträge oft einen neuen, spannenden Blick auf unseren Schulführungsalltag werfen.

Herr Brandt stellt gleich zu Beginn des Workshops eine Hypothese in den Raum:

«Konflikte sind keine Sachfrage sondere eine Statusfrage»

Doch was bedeutet Status?

Status ist der Unterschied zwischen formeller und informeller Hierarchie, wird jede Minute unbewusst neu verhandelt und findet immer statt.

Wie kann ich Status festmachen, an welchen Kriterien zeigt sich Status? Dazu ein paar Stichworte:

  • Stimmsitz
  • Blick
  • Lautstärke
  • Atmung
  • Muskeltonus
  • Raumnutzung
  • Zeit

Als Schulleitung sollte man im Status beweglich sein, nicht immer ist es sinnvoll und gewinnbringend im hohen, formellen Status zu verharren.

Nach einigen spannenden, szenischen Übungen führte uns Michael Brandt in die Rolle des A-part (franz. à part = abseits) ein. Der A-part, ein Stilmittel aus der Theaterwelt, vielen vielleicht besser bekannt aus House of Cards, gespielt von Kevin Spacey. Als Frank Underwood bedient er sich dieses Stilmittels erstmals im Fernsehen, um die Zuschauer damit an seinen Gedanken teilhaben zu lassen, während die Szene einfriert.

Der A-part im Alltag ist die Möglichkeit auf die Metaebene zu gehen, hilft eine schwierige Situation zu kontrollieren, indem Zeit gewonnen wird und dient als «Folie» zwischen Gefühl und Sache. Wenn auch noch der Humor ins Spiel kommt, kann das Leiden deutlich reduziert werden.

Ein Beispiel?

Situation: Dieter Bohlen steht ein Meter vor mir und schreit mich lauthals an. Der gedankliche A-part: «er schreit, er ist mir zu nahe, hat er Spinat gegessen?» Wenn ich die Idee des gedanklichen A-Part auf schwierige Situationen in meinen Alltag als Schulleiterin übertragen kann, winkt mir mehr Gelassenheit, Sicherheit und ein angepasster Status.

Simone Augustin, Schulleiterin Schule Aeugst am Albis ZH und Co-Leiterin Bezirksschulleiterkonferenz Affoltern