Sich wirksam weiterbilden – Aktionsforschung für individuelle Fragen und Ziele

Für die Aus- und Weiterbildung von Schulleitungen gibt es einerseits den Ruf nach Praxisnähe und Anwendbarkeit, aber auch das Thema Zeitmangel, wie der Schulleitungsmonitor gezeigt hat. Es stellt sich die Frage, wann Weiterbildungen wirksam sind. Ein Element zur Kompetenzentwicklung ist die Aktionsforschung, deklariert Nina-Cathrin Strauss in ihrem Blogbeitrag.

Die Wirksamkeit von Weiterbildungen ist mittlerweile besonders für Lehrpersonen recht stabil erforscht (unter anderem Rzejak und Lipowski 2020; Rank 2022). Zusammengefasst ist Fort- und Weiterbildung im Beruf wirksam beziehungsweise stärkt sie die Entwicklung professioneller Kompetenzen von Teilnehmenden,…

  • wenn sie eine gewisse Zeit andauert (mehr als einen Nachmittag Wissensvermittlung);
  • wenn der wichtige Praxisbezug nicht aus Rezepten, sondern aus Gelegenheiten zur Aneignung, Umsetzung und Reflexion von beruflicher Praxis besteht;
  • wenn die Teilnehmenden in intensiv kooperierenden Teams (prof. Lerngemeinschaften) zusammenkommen und ihre individuellen Lernprozesse reflektieren;
  • wenn sie die Wirkung ihres eigenen – veränderten – Handelns erfahren und zum Beispiel berufliche Situationen in der Praxis kompetenter bewältigen.

Diese Auswahl erfordert Settings, die über eine gewisse Zeit hinweg die fachliche und praxisrelevante Auseinandersetzung mit Problemstellungen ermöglichen.

Eigenen Fragen nachgehen – eigene Ziele verfolgen

Dafür steht die Aktionsforschung als ein «Werkzeug», das nun verbreitet auch in Weiterbildungen zum Einsatz kommt. Die Aktionsforschung hat ihre Wurzeln in den Arbeiten von Kurt Lewin, einem deutsch-amerikanischen Psychologen, der in den 1940er-Jahren Pionierarbeit auf diesem Gebiet leistete. Lewin entwickelte die Idee der Aktionsforschung als eine Methode, die es ermöglicht, soziale Probleme durch eine Kombination von Forschung und Handlung zu verstehen und anzugehen.

Im Laufe der Zeit hat sich die Aktionsforschung zu einer vielseitigen Methodik entwickelt, die in verschiedenen Bereichen wie Bildung, Sozialarbeit, Gesundheitswesen und Organisationsentwicklung angewendet wird. In der Lehrer:innenbildung ist Aktionsforschung weit verbreitet und findet auch an der PH Zürich Anwendung. Hier gilt «Lehrer:innen  erforschen ihren Unterricht» (Altrichter, Posch und Spann 2018) als wichtiger Beitrag.

In der Schulleitungsausbildung und anderen Weiterbildungen bietet das Element der Aktionsforschung Raum, um zu Beginn einen Ausgangspunkt zu bestimmen: ein persönliches Thema, bedeutsam für die eigene Praxis, bearbeitbar mit den vorhandenen Ressourcen und verträglich mit schulischen Vorhaben.

Die Themen sind sehr vielfältig:

  • Wie gelingt mir der Rollenwechsel von der Teamkollegin zur Vorgesetzten?
  • Wie gehe ich in Personalgesprächen souverän mit den verschiedenen «Hüten» als Berater, Seelsorger und Vorgesetzter um?
  • Wie kann ich mich bei Konflikten im Team oder Anliegen von Einzelnen besser abgrenzen und die Eigenverantwortung stärken?
  • Wie kann ich die unterrichtsbezogene Zusammenarbeit in den Stufen stärken?

Die Besonderheit der Aktionsforschung ist es, dass sie zwei Logiken verfolgt: Verstehen und Entwickeln, die in einen Kreislauf von Reflexion und Aktion eingebettet ist (Abbildung 1). Ausgehend von dem Ausgangspunkt, der die eigene Sicht der Situation darstellt, nutzen die Teilnehmenden Daten und Feedback aus anderen Perspektiven, um ihre Vorstellung zu prüfen, zu erweitern und zu vertiefen. Auch theoretische Bezüge aus den Weiterbildungsmodulen sind an dieser Stelle hilfreich.

Kreislauf Reflexion und Aktion

Abb. 1: Der Kreislauf von Reflexion und Aktion (Altrichter, Posch und Spann, 2018, S. 14)

Die Auseinandersetzung mit den anderen Perspektiven, den Informationen, Daten und Theorien führt dazu, dass die Teilnehmenden ihre Sicht weiterentwickeln zu einer praktischen Theorie, aus der dann Aktionsideen und Handlungsoptionen entstehen. Anschliessend folgt die Aktion, also die Umsetzung einer Idee, und neue Erfahrungen ergeben sich, die den Ausgangspunkt für einen neuen Kreislauf aus Reflexion und Aktion bilden.

Unterrichtsbezogene Zusammenarbeit in den Stufen stärken

Ein Beispiel: Eine Schulleiterin nimmt wahr, dass die Zusammenarbeit zwischen den Lehrkräften in Bezug auf Beurteilungsformen sehr unterschiedlich ist und verbessert werden sollte, das hatte sich auch im Rahmen der externen Schulevaluation gezeigt. In den Stufen nimmt sie grosse Unterschiede wahr und will die Stufenleitungen hier auch stärker in die Verantwortung nehmen. Sie wählt dies als Ausgangspunkt für ihre Aktionsforschung.

Sie führt Einzelgespräche mit den Stufenleitungen über ihre Wahrnehmung und ihre Vorstellungen, wie die Zusammenarbeit zur Beurteilung weiterentwickelt werden könnte. Gerne hätte sie die Perspektive der Schüler:innen einbezogen, ist hier jedoch zunächst zurückhaltend, um die Lehrpersonen nicht zu irritieren. Sie hört in einem Modul von dem Konzept der «Professionellen Lerngemeinschaften» und greift dies für ihren Aktionsplan auf.

Dort fliessen die Anregungen durch die Stufenleitungen und die Impulse aus der Weiterbildung zusammen. In dem Aktionsplan formuliert sie, wie sie als Schulleiterin die Stufenleitungen einbezieht und ihnen die Verantwortung für den Aufbau kollegialer Hospitation übergibt. Dabei hält sie fest, was der verbindliche Rahmen ist, welche Unterstützung sie bieten kann und welche Freiheiten die Stufenleitungen in der Umsetzung auf der Stufe haben. Für den Kick-off plant sie eine schulinterne Weiterbildung zum Thema Beurteilung, an dem die Stufenleitungen Zeit haben, in den Stufen nächste Schritte zu definieren.

Die Schulleiterin thematisiert an einer Steuergruppensitzung mit den Stufenleitungen die geplanten Massnahmen mit Blick auf die Beurteilungspraxis und die Rolle der Stufenleitungen. Sie arbeitet eng mit den Stufenleitungen zusammen, um sicherzustellen, dass sie das Verständnis und die Unterstützung für die neuen Ansätze haben. Sie bietet Unterstützung bei der Planung und Umsetzung der kollegialen Hospitation in den Stufen an und übernimmt die erste Information an die Schulkonferenz. Sie begleitet den Prozess an dem Kick-off, ist im Weiteren regelmässig im Gespräch mit den Stufenleitungen und plant nach einem halben Jahr eine Evaluation der Umsetzung, für welche die Lehrpersonen und auch die Schüler:innen befragt werden.

Die Erkenntnisse daraus dienen der Steuergruppe für eine Weiterentwicklung. Zugleich evaluiert die Schulleiterin in der Steuergruppe, wie es ihnen mit ihrer Rolle im Prozess geht. Daraus leiten sie neue Massnahmen mit Blick auf die Beurteilungspraxis und die Rollen der Beteiligten ab.

Einsatzfelder

In verschiedenen Weiterbildungen an der PH Zürich wird die Professionalisierung der Teilnehmenden durch die Gelegenheit gestärkt, individuellen Fragen nachzugehen – im Rahmen einer Aktionsforschung. Teacher Leader befassen sich mit ihren Führungskompetenzen oder unklaren Rollen und Aufgaben oder Schulleitungen, Evaluationsfachpersonen und Qualitätsgruppenleitungen mit der Frage, wie sie aus ihrer Position heraus die Qualität in Schulen stärken können – anwendungsorientiert, datenbasiert und angereichert durch die Impulse aus den Weiterbildungsmodulen.

Damit diese Entwicklung wirksam ist, bleibt die Einbindung in die Lerngruppe und die Begleitung durch die Studien- oder Lehrgangsleitung unerlässlich, wo Erfahrungen und Herausforderungen ausgetauscht und reflektiert werden können.

INFOBOX

Im DAS Schulleitung ist die Aktionsforschung neben den Weiterbildungsmodulen und Lerngruppen ein Element, in dem die Teilnehmenden eigenen Fragen nachgehen. Die Aktionsforschung ist eine der vier Kompetenzprüfungen und wird nach einer Präsentation im Rahmen eines Abschlusskolloquiums kriterienbasiert beurteilt. Auch in den Angeboten CAS Schulqualität und Grundlagen Teacher Leadership ist die Aktionsforschung ein wesentliches Element, um die Kompetenz der Teilnehmenden zu stärken.

Zur Autorin

Nina-Cathrin Strauss ist Dozentin im Zentrum Management und Leadership und promovierte Pädagogin. In Ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit der Professionalisierung von Schulführung, insbesondere von Teacher Leadern und Schulleitungen. Sie ist Studiengangsleiterin im DAS Schulleitung und Themenverantwortliche für Teacher Leadership.

Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: adobe stock SurfupVector

Literaturnachweise

Altrichter, Herbert, Peter Posch, und Harald Spann. Lehrerinnen und Lehrer erforschen ihren Unterricht: Unterrichtsentwicklung und Unterrichtsevaluation durch Aktionsforschung. UTB, 2018.

Lipowsky, Frank, Daniela Rzejak, und Victoria Bleck. „Lehrpersonen zur gemeinsamen Reflexion über Unterricht anregen“. Pädagogik, Nr. 12 (2020): 18–23.

Rank, Astrid. „Professionalisierung von Grundschullehrkräften durch Fortbildung“. In Professionalisierung von Grundschullehrkräften. Kontext, Bedingungen und Herausforderungen, herausgegeben von Ingelore Mammes und Carolin Rotter. Verlag Julius Klinkhardt, 2022.

Im Kick-off durch den «DAS Schulleitung»-Kosmos

Am 6. September 2023 fand zum zweiten Mal die Kick-off-Veranstaltung der neu entwickelten Schulleitungsausbildung «DAS Schulleitung» an der PH Zürich statt. Olaf Köster-Ehling stellt das Weiterbildungsprogramm vor.

Die EDK-anerkannte Schulleitungsausbildung der PH Zürich wird seit Oktober 2022 als DAS-Studiengang (Diploma of Advanced Studies) durchgeführt und zielt auf die Professionalisierung der Schulleitenden in deren verantwortungsvoller Aufgabe. Die Ausbildung dauert mindestens zwei Jahre und schliesst mit der Zertifizierung «Diploma of Advanced Studies» der PH Zürich ab.

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Professionalisierung vorantreiben – Führungskompetenz upgraden

Gesellschaftsrelevante Berufe wie die Schulleitung erfordern eine kontinuierliche Weiterentwicklung der eigenen Profession. Schulleitungen müssen ihre Kompetenzen aktualisieren und in ihrem Führungshandeln anwenden. Eine Verbindung zur Wissenschaft ist wichtig, um eine evidenzbasierte Professionalisierung zu gewährleisten. Obwohl Schulleitungen im Rahmen ihrer Ausbildung notwendige Voraussetzungen erwerben, ist die Professionalisierung ein lebenslanger Prozess. Davon ist Irene Lampert überzeugt.

Schulleitungen haben heutzutage eine erweiterte Rolle, die Führung in der Organisationsgestaltung, im Personalmanagement und in der Qualitätsentwicklung erfordert. Sie spielen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung der Schule und haben damit einen Einfluss auf die Leistungen der Schüler:innen.

Empirische Belege aus der Schulwirksamkeitsforschung zeigen, dass die Qualität von Schulen indirekt durch Schulleitungshandeln bestimmt wird. Die Schulleitung zählt neben Curricula und Unterricht zu den drei wichtigsten Einflussfaktoren für die Verbesserung der Leistungen von Schüler:innen. Damit steigen die Anforderungen an die Schulleitungen selbst und sie müssen erweiterte Kompetenzen in ihrem Führungshandeln vorweisen, welche im Rahmen von Weiterbildungen erworben werden können.

Mehr Entscheidungskompetenzen und Gestaltungsmöglichkeiten für Schulleitungen

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Die neue Schulleitungsausbildung an der PH Zürich

Vor einem knappen Jahr hat Niels Anderegg  in einem Blogbeitrag die ersten Ideen für die neue Schulleitungsausbildung an der PH Zürich vorgestellt. Heute freut er sich, die neugestaltete Schulleitungsausbildung – den DAS Schulleitung – vorstellen zu können. Die Ausbildung ist personalisierter, flexibler, kompetenzorientiert und ein wesentlicher Schritt, um die Professionalisierung von Schulleitungen weiter zu stärken.

Mit der neuen Schulleitungsausbildung wird sich auch der Name des Studiengangs ändern. Aus dem ‘CAS Führen einer Bildungsorganisation’ wird, nach über vierzig Durchführungen, ‘DAS Schulleitung’. Der Studiengang umfasst 30 ECTS-Punkte und setzt sich wie folgt zusammen: 10 ECTS-Punkte Studiengangsgruppe, 17 ECTS-Punkte Wahlpflichtmodule und 3 ECTS-Punkte Leistungsnachweise. Die Dauer der Ausbildung kann flexibel gestaltet werden, wobei sie mindestens 2 Jahre dauert.

Ein wichtiges Element des DAS Schulleitung ist der flexible Zugang und die Personalisierung durch die Wahlpflichtmodule.

Im Durschnitt 7 Jahre Schulleiter:in

Die durchschnittliche Verweildauer von Schulleiter:innen im Kanton Zürich beträgt ungefähr 7 Jahre. Diese Zahl überrascht häufig, da deutlich tiefere Zahlen kursieren. Der Grund dafür sind einzelne Schulen, wo die Schulleitung in kürzester Zeit wieder wechseln. Teilweise mehrmals nacheinander. Wir alle kennen aber sicher auch Schulen, welche seit 10 und mehr Jahren von der gleichen Schulleitung geführt werden. Dieser Durchschnitt beträgt 7 Jahre.

Ich gehe davon aus, dass es drei Kategorien von Schulleitungen gibt:

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