Rassismus ist kein Rechtsaussenphänomen

Verstehen Führende und Lehrende, wie im Bildungswesen über alltägliches Handeln Diskriminierungen (Beispiel Rassismus) erfolgen, Zugehörigkeiten und Lernerfolge verhindert werden? Beschäftigt Sie dies angesichts all der Herausforderungen, die an Sie gerichtet werden? Eher Nein – sicher? Seit je werden defizitär angesehene gesellschaftliche Entwicklungen wie beispielsweise Umgang mit Genussmitteln oder Verkehrserziehung in pädagogische Probleme umcodiert. Solche sind in jeder Schule zu bearbeiten: so auch Diskriminierung und Rassismus. Petra Hild und Regina Scherrer Käslin regen zur Diskussion an.

Warum positionieren und äussern wir uns so, wie wir es tun und was könnte das mit Diskriminierung zu tun haben? Weder die PH Zürich noch andere Bildungsorte, das heisst, auch Ihre Schule stellen einen Lernraum, frei von Diskriminierungen und rassistischen Tendenzen dar. Neben institutioneller Diskriminierung (fehlende Barrierefreiheit, mangelnder Nachteilsausgleich) verweist der strukturelle Rassismus (Alltagsrassismus) auf die Privilegierten: «Ich weiss, ich säg, ich (c)han, …». Wer hat in Bildungssettings das Sagen, was meint da Augenhöhe und welche Rolle spielt die (An-)Sprache, spielen SprachEN? Sprache ist das zentrale Instrument zur Verständigung – egal ob gesprochen, geschrieben oder als Emoji. Jede Äusserung hat das Potenzial, das Gegenüber zu integrieren oder auszugrenzen und kann rassistisch wirken – auch unbeabsichtigt.

Diskriminierung
Quelle: Instagram, antidis_phfreiburg

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Blickwinkel Schulpräsidium

Fränzi Heusser ist Schulpräsidentin in Wald. Sie kam mitten in der Legislatur in ihr Amt, war jedoch schon aus früheren Tätigkeiten vertraut mit Gemeindestrukturen und der Situation von Milizbehörden. Sie ist zu 20 Prozent im Gemeinderat engagiert und zu 30 Prozent als Schulpräsidentin tätig. Andrea Hugelshofer befragt Heusser, wie sie ihre Aufgabe als Schulpräsidentin versteht.

Fränzi Heusser, du bist Schulpräsidentin in einer Einheitsgemeinde. Was kennzeichnet deine Aufgabe in diesem Kontext?

In Wald ist das Schulpräsidium von Amtes wegen Mitglied des Gemeinderates und zuständig für die Führung des Schulressorts. Eine Herausforderung besteht in der formalen Führungsstruktur von Schulen, da verschiedene Führungsgremien wie Schulleitung, Schulpflege, Gemeinderat und Kanton bei der Schulsteuerung beteiligt sind. So werden schulische Entscheidungen verzögert, weil sie über mehrere Stufen hinweg zu erfolgen haben.

Auch die Zuständigkeiten in der Zusammenarbeit sind unkonkret. Die strategische Planung und Führung der Schule und die finanziellen Entscheidungskompetenzen in schulischen Angelegenheiten beispielsweise liegen im Endeffekt nicht bei der gleichen Behörde. Diese Ausgangslage macht eine gelingende Zusammenarbeit stark von den beteiligten Personen abhängig und führt dazu, dass die erfolgreiche Ausführung eines Schulpräsidiums im Wesentlichen darauf basiert, wie gut es gelingt, in allen beteiligten Gremien für gegenseitiges Verständnis zu sorgen und damit Mehrheiten zu schaffen. Strukturelle Konfliktsituationen bergen somit ein grosses Risiko.

Schulpräsidium, Schulführung
Bild: integratedconsulting.eu

Was ist dir wichtig bei der Führung der Schulbehördenmitglieder?

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Schulentwicklung: In grossen Schritten vorangehen und Schülerinnen und Schüler einbeziehen

Im Bildungswesen stehen laut Dani Burg tief greifende Veränderungen an. Es gehe nicht darum, da und dort etwas zu optimieren, sondern es gehe darum, die Schule neu zu denken. Wie breit, tief und schnell Veränderungen angepackt werden sollen, beantwortet Burg.

«Ein bisschen rechts abbiegen geht nicht.»

Fritz Zaugg, Experte für Schulung, Beratung, Projektbegleitung, spricht es mit diesem Zitat an. Eine tief greifende Veränderung in einem Bereich kann nicht isoliert angegangen werden. Sie ruft nach weiteren Veränderungen in anderen Bereichen. Zum Beispiel: Wenn es eine Schule ernst meint, dass sie selbstorganisiertes Lernen entwickeln, ruft dies selbstverständlich nach Veränderungen bezüglich Rollenverständnis der Lehrpersonen, Dokumentieren des Lernens, Stundenplanung, Einrichten der Schulräume, Elternarbeit, Definieren von Lehrerinnen- und Lehrerpensen oder Beurteilen.

Im Idealfall trifft eine mutige Führung (Behörde und Schulleitung), auf Anregung einer mutigen Basis, einen Entscheid mit weitreichenden Konsequenzen. Die ersten Schritte zur Umsetzung werden innerhalb kurzer Zeit angepackt. Die Phase der Verunsicherung aller Beteiligten bezüglich Ausrichtung der Schule ist dadurch kurz. Schulangehörige, die nicht hinter der Entwicklung stehen, können eine Stelle suchen, die ihnen besser entspricht.

Für eine solche Art von Entwicklung eignet sich die Methode des Projektmanagements schlecht. Eine mutige Gemeinschaft entwickelt eine Perspektive und hält es aus, dass nicht im Voraus alle Teilschritte definiert werden können.

Entwicklungen im kleineren Rahmen

In vielen Schulen gibt es mindestens eine einflussreiche Gruppe, die sich nicht auf tief greifende Veränderungen einlässt. In solchen Situationen kann es sinnvoll sein, dass Pioniergruppen mit einer klaren Perspektive und mit Begeisterung in der Entwicklung vorangehen.

Im günstigen Fall motivieren die Leistungen der Pioniergruppen weitere Schulangehörige zum Mitmachen. Wenn tragende Kräfte aus verschiedenen Lagern starr auf ihren Positionen verharren, kann es auch zu einer Spaltung des Kollegiums kommen. Dies führt oft zu kräftezehrenden Konflikten.

Keine wesentlichen Veränderungen «von oben»

Grosse Schulen – geschweige denn kantonale Bildungssysteme – sind derart komplexe Gebilde, dass sie meines Erachtens «von oben» keine nachhaltigen Veränderungen auslösen können. Wirkliche Veränderungen passieren in der Regel nur durch Impulse aus der Basis.

Sprudelnde Ressourcen

Oft sind engagierte Lehrpersonen und Schulleitungen mit dem Alltagsbetrieb bereits ausgelastet. Für tief greifende Veränderungen fehlen ihnen die Kräfte. Dabei wird meistens die naheliegendste Ressource komplett übersehen: die engagierten Schülerinnen und Schüler. In jedem Schulhaus gibt es zahlreiche Jugendliche, die sich auf Veränderungen einlassen und bereit sind, mit Begeisterung Verantwortung zu übernehmen. Bewährt haben sich zum Beispiel diese drei Vorgehensweisen:

1. Die Schülerinnern und Schüler indirekt einbeziehen:

Schülerinnen und Schüler schaffen den Lehrpersonen Freiräume für Entwicklungen.

Diese können nur in Teams angegangen werden. Eine intensive Teamarbeit braucht grosszügige Zeitgefässe. Alle diese Gefässe in der unterrichtsfreien Zeit anzusetzen, ist nicht in jeder Gemeinde möglich.

In der Realschule (Sek C) Niederwil AG findet das Lernen in altersdurchmischten Lerngruppen statt, teilweise geleitet von einem Schüler oder einer Schülerin aus der 3. Klasse. Diese Organisationsform begünstigte entlastende Arbeitsformen im Schulhaus. Zum Beispiel: Mehrmals übernahmen die Gruppenleitungen (betreut von mir als Schulleiter) die Gestaltung einer Doppelstunde für die ganze Realschule. In dieser Zeit arbeitete das Lehrerinnen- und Lehrerteam mit dem externen Experten, Fritz Zaugg, zusammen, an den nächsten Entwicklungsschritten.

2. Die Schülerinnen und Schüler direkt einbeziehen

Wenn ich den Schülerinnen und Schülern auf Augenhöhe begegne, sind sie gerne bereit, über den Schulbetrieb nachzudenken und sich in Entwicklungen einzubringen. In bester Erinnerung bleiben mir zum Beispiel solche Sequenzen aus der Oberstufe Niederwil AG:

  • Klässlerinnen und Klässler bewerben sich um eine Gruppenleitung im nächsten Schuljahr. In der Auswahlgruppe machen 9. Klässlerinnen und Klässer mit. Die Lehrpersonen profitieren von den Erfahrungsberichten der älteren Schülerinnen und Schüler.
  • Ältere Schüler unterstützen die Lehrpersonen bei der Ausgestaltung eines altersdurchmischten Berufswahlprozesses.
  • Schülerinnen und Schüler beteiligten sich an der Entwicklung eines Lernjournals.

3. Die Schülerinnen und Schüler über den Schulbetrieb und die Entwicklungen berichten lassen

Ich werde häufig an Tagungen und Weiterbildungen eingeladen, um über Erfahrungen mit Veränderungen zu berichten. Es bewährt sich ausgezeichnet, dass Schülerinnen und Schüler aus meinen aktuellen Klassen einen wesentlichen Teil des Beitrages übernehmen.

Beispiel: Kürzlich führte eine Volksschule des Kantons Luzern eine interne Weiterbildung zum Thema «Neue Autorität» durch. Eine Schülerin und zwei Schüler aus unserer jetzigen 2. Klasse der Sek C und Sek B berichteten, wie wir in Niederlenz AG an den Themen «Unterstützungssystem», «Beziehung» und «Transparenz» arbeiten. Sie äusserten sich klar und authentisch. Nach kurzer Zeit waren wir in einem regen Austausch mit dem Kollegium.

Regelmässig erlebe ich bei solchen Veranstaltungen, dass die Worte der Schülerinnen und Schüler bei den Teilnehmenden mindestens das gleiche Gewicht haben wie die Worte der Erwachsenen. Und dass ihre Beiträge Mut machen, Entwicklungen anzugehen.

Ich wünsche Ihnen Mut und Energie, Veränderungen anzupacken.

Dani Burg, Klassenlehrer, Realschule Niederlenz AG

Bereits im Blogbeitrag «Die Schule erstickt – Mutige Projekte zur Befreiung» vom 18.10.2018 führte Dani Burg die tief greifenden Veränderungen im Bildungswesen aus.

Quellen:

u.a: Fritz Zaugg – Schulung, Beratung, Projektbegleitung – Steffisburg

Mark Fry, Lehrer im Schulverband Reusstal AG

Literaturhinweise:

Dani Burg: «Die Schule erstickt – Mutige Projekte zur Befreiung»

Link mit Leseprobe: https://www.rex-buch.ch/Artikel/Die-Schule-erstickt-Burg-Dani/4858/

Hammer, Kaduk, Osmetz, Wüthrich: «Musterbrecher – Die Kunst das Spiel zu drehen»

Bild: zVg

Premiere geglückt!

Am Wein- und Käseabend «Wer heute die Schule regiert» durften wir 25 Blogleserinnen und Blogleser begrüssen. Das wunderschöne Ambiente der Zunftstube, die auserlesenen Weine, ein reichhaltiges Käsebuffet und die Gedanken von NZZ-Journalist Martin Beglinger inspirierten zu umsichtigen Diskussionen rund um die Frage, wer eigentlich das Schweizer Bildungswesen steuert und wie bedrohlich die disruptiven Szenarien der Global Players sind.

Gibt es ein globales Netzwerk, welches das traditionelle pädagogische Establishment aushebelt und die Ökonomie der Schule anstrebt? Stimmt es, dass unser Bildungssystem längst nicht mehr durch humboldsche Bildungsideale, sondern zunehmend durch neolieberales Gedankengut geprägt ist?

Martin Beglinger relativiert die Gefahr eines latenten bildungsindustriellen Komplexes und präzisiert: «Dies verdanken wir primär unserem föderalistischen Schulsystem, der starken Verankerung der Schule in unserer Gesellschaft und dem geteilten Machtverhältnis in der Bildungspolitik – anders als dies zum Beispiel in den USA der Fall ist.»

Wie aber soll der Einfluss internationaler Trends wie Mitarbeiterbeurteilung, Evaluationen, Rechenschaftsberichte und Vergleichtests eingeordnet werden? Wie stark lassen wir uns durch die OECD mit ihrem PISA-Leistungstest oder durch den digitalen Monokapitalismus von Apple, Google, Microsoft und Co. beeinflussen?

Mit diesen und weiteren Fragen setzten wir uns in überschaubaren Tischgruppen auseinander, genossen die mitgebrachten Käse und auserlesene Weine aus dem Zürcher Weinland, dem sonnenverwöhnten Wallis und aus Österreich, dem Herkunftsland unseres Gastgebers, Sepp Vimmer. Auch deshalb verflog die Zeit wie im Hui!

Mich freut es sehr, wie angeregt und umsichtig die Diskussionen geführt wurden. Dass alle Gäste länger an den Tischen verweilten und die Gespräche vertieften und fortführten, deute ich als positives Zeichen. Und dass wir für einmal nicht online – hier auf dem Blog Schulführung – diskutierten, sondern gemeinsam in der Zunftstube, machte diesen Abend für mich zu etwas ganz Speziellem.

Bald feiert unser Blog Schulführung seinen 1. Geburtstag und ich bin überzeugt, dass wir dank der gelungenen Premiere des Wein- und Käseabends «Wer heute die Schule regiert» auch in Zukunft attraktive Gelegenheiten schaffe, um uns virtuell und physisch zu treffen, auszutauschen und voneinander zu lernen.

Jörg Berger, Schulleiter Schule Knonau und Wissenschaftlicher Mitarbeiter Zentrum Management und Leadership, PH Zürich

Hier gehts zum Blog-Beitrag von Johannes Breitschaft über den NZZ-Artikel von Martin Beglinger «Wer heute die Schule regiert»