Auf die Schulleitung kommt es an

Bereits steht der letzte Kongresstag vor der Tür. Die Tage in Düsseldorf vergehen wie im Flug. Es ist ein Anlass im Jahr, an dem ich als Schulleitung auftanken, neue Ideen und Impulse mitnehmen kann und etwas Distanz zum Schulalltag gewinne.

Bei der Auswahl der Vorträge für den Samstag habe ich lange hin und her überlegt. Hattie interessierte mich, doch hatte ich auch schon viel darüber gelesen und glaube gut informiert zu sein. Es ist aber immer wieder spannend zu hören, wie sich verschiedene Pädagogen mit Hattie auseinandersetzen und die Resultate interpretieren. Also doch, Hattie zum Frühstück!

Das Eingangszitat des Referats von Michael Felten, Gymnasiallehrer und Lehrbeauftragter in der Lehrerausbildung «Ihr müsst den Kindern zeigen, dass die Schule etwas ganz Besonderes ist» hat mich nachdenklich gestimmt. Noch immer ist es für viele Kinder auf dieser Welt nicht selbstverständlich, dass sie zur Schule gehen können oder sie nehmen teils lange und gefährliche Schulwege in Kauf. Einige unserer Schülerinnen und Schüler hingegen sehen die Schule oftmals als unangenehme Pflicht. Doch was macht es aus, dass Schule in der westlichen Welt für viele Schülerinnen und Schüler als ein Müssen oder eine Unterbrechung der Freizeit angesehen wird?

Auf diese Frage gibt es sicherlich unterschiedliche, teils diametral auseinanderliegende Antworten die, abendfüllend diskutiert werden könnten. Als Schulleiterin stellt sich mir die Frage: Was kann ich dazu beitragen, dass Schule attraktiv ist und die Schülerinnen und Schüler den Besuch der Schule wieder als Privileg betrachten?

Michael Felten, Autor von «Auf die Lehrer kommt es an!» zeigt in diesem Referat, dass es auch auf die Schulleitung ankommt. Für ihn ist der Kern der Schulentwicklung Unterrichtsentwicklung. Aber:

– wer stösst Unterrichtsentwicklung an?

– Wohin soll sie gehen?

Aufgrund der Ergebnisse von Hattie hat die Schulleitung einen hohen Effekt (d=0.84) wenn sie sich an der Unterrichtsentwicklung beteiligt und ihre Expertise einbringt. Doch wie soll sie das tun? Eher als Motivator, Vorbild und Mentor oder durch Führung mit Vorgaben, einem System klarer Regeln und Entwicklungsarbeit an der Lernkultur? Hattie belegt mit seiner Metastudie, dass die klare, instruktionale Führung den höheren Wirkungsgrad hat.

Laut Felten – und das zeigt sich auch in meinem persönlichen Umfeld – neigen Schulleitungen eher dazu «gut Freund» mit dem Kollegium sein zu wollen, gerade dann, wenn Schulleitungen aus dem Kollegium herauskommen, also eher die transformationale Führung bevorzugen.

Für mich persönlich bedeutet der Befund von Hattie aber nicht, dass Schulleiterinnen und Schulleiter nicht auch als Vorbild, Mentor und Coach führen sollen. Denn wie schon Joachim Bauer (2005) gesagt hat: «Der Mensch ist für den anderen Menschen die Motivationsdroge Nummer eins.»

Und zum Schluss nochmals Hattie mit seinen drei Kernbefunden:

– Auf die Lehrer kommt es an

– Viele Wege führen nach Rom – nicht alle!

– Die Beziehung macht’s

Diese drei Aussagen lassen sich auch auf meine Tätigkeit als Schulleiterin übertragen und werden mich in meinen Schulleitungsalltag begleiten.

Simone Augustin, Schulleiterin Schule Aeugst am Albis ZH und Co-Leiterin Bezirksschulleiterkonferenz Affoltern

Es lohnt sich, sich zu engagieren!

Am Deutschen Schulleiterkongress lernt Johannes Breitschaft, Dozent an der PH Zürich, interessante Abenteurer kennen, die von ihren Pioniertaten erzählen. Das sind der Lifestyle-Unternehmer Jochen Schweizer, der Polarforscher Arved Fuchs und der Dschungelbezwinger Rüdiger Nehberg.

Die Faszination ist beim Publikum nicht zu verbergen. Mit Leidenschaft und Humor erzählen sie von ihrem erfüllten und abenteuerlichen Leben. Keine 08/15-Biografien. Leider sind alles Männer, etwas mehr «starke Frauen» würden dem Kongress gutstehen. Dennoch: das Publikum hängt diesen Persönlichkeiten an den Lippen. Was man daraus ziehen kann? Das Erlebnis, bei den Wagnissen wenigsten ein bisschen dabei gewesen zu sein. Was ich daraus nehme: «Es lohnt sich, sich zu engagieren».

Bei Prof. Rolf Arnold geht es wieder etwas wissenschaftlicher zu und her. Er zeigt nachvollziehbare Verbindungen von Neurobiologie, Lernen und Erwachsenenbildung. Lernen ist für ihn ein selbstgesteuerter Aneignungsprozess. Didaktik sollte keine Lehr-, sondern eine Lernwissenschaft sein. Auch in meiner Ausbildung in Hochschuldidaktik ging es um den «shift from teaching to learning». Das Motto lautet: vom Lernenden her denken, was mich an die Bedingungen zu Kompetenzorientierung erinnert. Lehrpersonen müssen Bedingungen schaffen, damit etwas (Neues) entstehen kann! Die Lehrperson bietet den Kompetenzrahmen, den Kompetenznachweis muss der Lernende selber geben. Die Beziehung und die Resonanz ist der Boden. Schon Rolff hat den Satz geprägt: «wer den Unterricht verändern will, muss mehr als den Unterricht verändern». Veränderungen geschehen meist sehr langsam. Die Problematik ist dabei, dass das Überlieferte und die Erfahrung zunächst immer für richtig erachtet werden. Eine weiterführende Anregung zum Weiterdenken können einige gesammelte Zitate zum Lernen sein, die ich von Rolf Arnold gefunden habe.

Prof. Dr. Harald Görlich zeigt mir, dass wir im Modul «Selbst-, Zeit-, Gesundheitsmanagement» im Rahmen des Lehrgangs «Führen einer Bildungsorganisation» die richtigen Schwerpunkte setzen. Sein Thema ist «Stark durch Resilienz!». Was mir besonders in Erinnerung bleibt, ist die konsequente Haltung des Vertrauensvorschusses gegenüber Mitarbeitenden und die bedingungslose Einstellung, dass man als Führungsperson in jedem Menschen einen wertvollen Kern erkennen muss. Schon Anselm Grün meint «wenn ich den Menschen mag, ist er nicht so schnell zu viel für mich» oder Thomas von Aquin «ich freue mich, dass du da bist, und nicht weil du so bist».

Schulleitungen müssen neben vielem Anderen auch Meisterinnen und Meister der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen sein! Was ich wieder mitnehme: Die Befriedigung von vier Grundbedürfnissen, welche die Basis psychischer Gesundheit, unabhängig von der Quantität der Arbeit sind, nämlich:

1. Orientierung und Wirkungsmöglichkeit (Sinnerfahrung). «Wer ein Warum zu leben weiss, erträgt fast jedes Wie» (Nietzsche)

2. Anerkennung und Wertschätzung (Selbstwertbezug)

3. Soziale Bindung / Zugehörigkeit

4. Lust erleben / Unlust vermeiden.

Zwei Fragen werden mich noch weiter begleiten: Was heisst für mich gelingendes Leben? Wann mache ich einen Termin mit mir selbst, um den wirklich wichtigen Fragen nachzugehen?

Johannes Breitschaft, Dozent PH Zürich

Hat die Schule ein Umsetzungsdefizit?

Nach dem Referat von Prof. Dr. Andreas Helmke am Deutschen Schulleiterkongress stellt sich für Simone Augustin, Schulleiterin in Aeugst am Albis die Frage: Hat die Schule ein Umsetzungsdefizit? Hier beschreibt sie den weiten Weg vom Wissen zum Tun.

Nach einer kurzen Stärkung am Buffet und einem erfrischenden Spaziergang entlang des Rheins, freue ich mich auf den Nachmittag mit Prof. Dr. Andreas Helmke, Autor diverser Fachliteratur – darunter «Kernpunkte guten Unterrichts – ein summarischer Überblick» oder «Unterrichtsdiagnostik als Ausgangspunkt für Unterrichtsentwicklung» und Mitentwickler der evidenzbasierten Methode der Unterrichtsdiagnostik und -entwicklung EMU.

Gleich zu Beginn des Referats zeigt Helmke an einem anschaulichen Beispiel auf, weshalb Unterrichtsdiagnostik und Feedback so zentral für Schulentwicklung ist.

Beispiel: Lehrpersonen wurden während einer Lektion gefilmt. Danach wurden sie gefragt, wie hoch sie ihren Sprechanteil in der gefilmten Lektion einschätzen. Danach wurden die gefilmten Lektionen, mit der Stoppuhr in der Hand, betrachtet und der effektive Sprechanteil ermittelt. Der Unterschied in der untenstehenden Grafik spricht für sich.

 

 

 

 

 

«Es besteht oftmals eine Kluft zwischen dem, was Lehrpersonen glauben zu tun und dem, was sie wirklich tun.» Das heisst jetzt aber nicht, dass alle Lehrpersonen unfähig sind. Es ist ein Zeichen dafür, dass das Lehr- und Lerngeschehen

· hoch komplex

· multidimensional

· gleichzeitig

· unvorhersehbar

· sowie unaufschiebbar ist.

Um dem hochkomplexen Geschehen gerecht zu werden, braucht es eine evidenzbasierte Bestandsaufnahme. Dazu eignen sich folgende Methoden:

· Schülerfeedback

· Kollegiales Feedback

· kollegiale Hospitation

· virtuelles Feedback (Videoaufnahmen des Unterrichts)

· Feedback durch Dritte

Viele dieser Feedbackmethoden sind bekannt und teils auch seit Jahren in vielen Schulen fest verankert. Doch was geschieht nach dem Feedback? Was passiert in der Unterrichtstunde nach dem kollegialen Feedback, nach dem Betrachten der auf Video festgehaltenen Lektion?

Nach Helmke wäre der folgende Vierschritt optimal:

1. Diagnose

2. evidenzbasiert, kriteriengeleitete Reflexion

3. Durchführung von Massnahmen

4. Analyse der Wirksamkeit

Meist hapert es ab Punkt 3. Es gibt im Alltag so viele kleine Hinderungsgründe; keine Zeit Unterricht neu zu planen, es hat ja bis jetzt auch ganz gut funktioniert, das Neue kenne ich zu wenig, der Kollege macht es ja auch so…

Ich habe mir während dem Vortrag immer wieder die Frage gestellt: «Was kann ich als Schulleitung dazu beitragen, dass Unterrichtsentwicklung stattfindet und Feedback nicht als l’art pour l’art betrieben wird?» Aus meiner Sicht gibt es einen wichtigen Punkt, denn ich zukünftig beherzigen werde. Nach einer Weiterbildung oder einem Feedback die Frage an mich und mein Team stellen: «Was probiere ich morgen konkret aus und mit wem bespreche ich meine gemachte Erfahrung.»

Simone Augustin, Schulleiterin Schule Aeugst am Albis ZH und Co-Leiter der Bezirksschulleiterkonferenz Affoltern

Begegnungen bereichern das Leben

Johannes Breitschaft, Dozent an der PH Zürich, schildert in drei Tagebucheinträgen vom Deutschen Schulleitungskongress.

Begegnungen bereichern das Leben. Meine erste (zufällige) Begegnung in Düsseldorf ist der rappende und malende Taxifahrer, der auch in der lokalen Presse portraitiert wurde. Der Rap «Mein Taxi ist mein Flow / Mein Taxi ist meine Show» zeigt mir deutlich auf, dass Leidenschaft ansteckend ist. Ich erfahre viel Lebensweisheiten, die die Biografie des Lebens von Seddik Gasmi bereichert haben. Ich erfahre, dass Flexibilität lebendig hält und nichts als selbstverständlich betrachtet werden darf – faszinierend! Bin gespannt, ob die eingeladenen Keynote-Speaker auch so viel zu bieten haben.

 

 

 

 

 

Meinen ersten Workshop leitet Michael Brandt, Regisseur, Autor und Schauspiellehrer. Es geht um Führung von Nicht-Führbaren. Von Schulleitungen höre ich ab und zu, dass die so genannten Nicht-Führbaren Leidensdruck generieren. Ich mache mir meine Gedanken dazu: was heisst das eigentlich? Gibt es auch eine Art von Führung, die Nicht-Führbarkeit mit sich bringt? Auf welche Weise äussern sich die beiden Akteure, Vorgesetzter und Mitarbeitende?

Im Seminar sind wir dauernd aktiv am Kommunizieren in szenischen Darstellungen. Wir lassen zwei Personen, unabhängig von ihrer formalen Hierarchie, im sogenannten Hochstatus und Tiefstatus miteinander sprechen, immer und immer wieder, auch vor dem Plenum. Die These, die dahinter liegt, heisst: Konflikte sind keine Sach-, sondern eine Statusfrage. Und diese lässt sich ändern.

Das Modell des Statusmodells wurde in der Theaterpädagogik entwickelt und stammt von Keith Johnstone. Auf den schulischen Unterricht wurde dieses Konzept von Maike Plath übertragen. Bei der Recherche ist mir ein hilfreicher Link für den Unterricht aufgefallen:

https://www.smore.com/t0bgb-status-im-unterricht

 

 

 

 

 

 

Johannes Breitschaft, Dozent PH Zürich

Vom Chefsessel brüllen kann jeder

Simone Augustin, Schulleiterin der Schule Aeugst am Albis berichtet über spannende Impulse und Innovationen in ihrem Tagebuch über den Deutschen Schulleiterkongress in Düsseldorf.

Frisch gestärkt von einem reichhaltigen Frühstück rufen wir ein Taxi und bitten zum Messegelände gefahren zu werden.  Der Taxifahrer dreht sich zu uns um und meint: «Ah, sie gehen zur Beautymesse?» Ja, jetzt kann man sich hintersinnen, ob man dies als erste morgendliche Stärkung des Egos betrachten soll oder doch eher als Beleidigung? Wir entscheiden uns für Ersteres!

Der erste Hauptvortrag des Tages «Vom Chefsessel brüllen kann jeder! Bringen Sie Ihre Mannschaft durch faire Führung zum Sieg» gehalten von Urs Meier, dem Schweizer Weltfussballschiedsrichter, hat die anwesenden Schulleiterinnen und Schulleiter in ihren Bann gezogen. In rasantem Tempo, begleitet von spontanem Applaus und herzlichen Lachern aus dem Publikum, erläuterte Urs Meier den Zuhörern, was eine faire Führungspersönlichkeit in seinem Sport, dem des Schiedsrichters, ausmacht.

  • Es braucht eine überzeugende Persönlichkeit
  • mit einer überdurchschnittlichen Kompetenz im sozialen Bereich
  • sie muss belastbar sein und einstecken können
  • braucht eine mentale Kraft, um zu motivieren
  • braucht Durchsetzungsvermögen und soll klar im Ausdruck sein
  • muss Beziehungsfähig sein und Menschen mögen
  • und als letztes aber nicht minder wichtig: soll dialogfähig und entwicklungsbereit sein.

Wenn ich die obige Beschreibung lese, könnte die aber genauso gut aus einem Inserat für eine Schulleitungsstelle stammen. Brauchen also alle Führungspersönlichkeiten ähnliche Fähigkeiten?

Und was hat «Fairplay» mit Führung in der Schule zu tun? Fairplay heisst: Vom anderen her denken und wer vom anderen her denkt, ist längerfristig erfolgreich. Auch diese Aussage passt wunderbar zu unserem Job. Doch Entscheidungen treffen – und das müssen Schulleitungen täglich – ist immer ein Risiko. Es birgt das Risiko, Fehler zu machen.

Hier hat Urs Meier eine klare Haltung. Menschen machen Fehler! Führungspersönlichkeiten sind Menschen. Im Sport besteht immer die Gefahr, dass ein Schiedsrichter nach einem Fehlentscheid zu einem späteren Zeitpunkt einen sogenannten Kompensationsentscheid fällt, in der Meinung, den begangenen Fehler wieder gut zu machen. Doch ist das korrekt? Urs Meier verneint das explizit.

1 Fehler + 1 Fehler = 2 Fehler und ist nicht null.

Diese Aussage hat mich zum Nachdenken gebracht. Fällen wir in der Schule als Schulleitungen auch Kompensationsentscheide? Machen das unsere Lehrpersonen?

Diese Frage nehme ich nach Hause mit und werde sie sicher mit meinem Team diskutieren. Denn ja, 1 + 1 = 2. Das lernen bereits unsere jüngsten Schülerinnen und Schüler.

Simone Augustin, Schulleiterin der Schule Aeugst am Albis ZH und Co-Leiterin Bezirksschulleiterkonferenz Affoltern

Konflikte sind eine Statusfrage

Mehr als 2’500 Schulleitungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz reisten an den Deutschen Schulleiterkongress nach Düsseldorf, welcher in dieser Form bereits zum 7. Mal stattfindet. Simone Augustin, Schulleiterin in Aeugst am Albis ZH berichtet jeden Tag über die spannendsten Impulse und Innovationen für den Schulführungsalltag.

Mit viel Vorfreude auf drei spannende Tage voller Workshops, Praxisforen und Vorträgen checken wir in der Düsseldorfer Messe Süd ein.

Aus dem grossen Angebot habe ich mir für den ersten Nachmittag den Workshop «Führen von Nichtführbaren», geleitet von Micheal Brandt, dem künstlerischen Leiter des Scharlatan Theaters für Veränderung, ausgesucht. Ein künstlerischer Leiter an einem Schulleiterkongress? Was kann ich da für meinen Alltag mitnehmen? Das haben sich vielleicht einige vor diesem Nachmittag gefragt. Wer aber nicht das erste Mal mit von der Partie ist, weiss, dass solche, in erster Linie «fachfremden» Vorträge oft einen neuen, spannenden Blick auf unseren Schulführungsalltag werfen.

Herr Brandt stellt gleich zu Beginn des Workshops eine Hypothese in den Raum:

«Konflikte sind keine Sachfrage sondere eine Statusfrage»

Doch was bedeutet Status?

Status ist der Unterschied zwischen formeller und informeller Hierarchie, wird jede Minute unbewusst neu verhandelt und findet immer statt.

Wie kann ich Status festmachen, an welchen Kriterien zeigt sich Status? Dazu ein paar Stichworte:

  • Stimmsitz
  • Blick
  • Lautstärke
  • Atmung
  • Muskeltonus
  • Raumnutzung
  • Zeit

Als Schulleitung sollte man im Status beweglich sein, nicht immer ist es sinnvoll und gewinnbringend im hohen, formellen Status zu verharren.

Nach einigen spannenden, szenischen Übungen führte uns Michael Brandt in die Rolle des A-part (franz. à part = abseits) ein. Der A-part, ein Stilmittel aus der Theaterwelt, vielen vielleicht besser bekannt aus House of Cards, gespielt von Kevin Spacey. Als Frank Underwood bedient er sich dieses Stilmittels erstmals im Fernsehen, um die Zuschauer damit an seinen Gedanken teilhaben zu lassen, während die Szene einfriert.

Der A-part im Alltag ist die Möglichkeit auf die Metaebene zu gehen, hilft eine schwierige Situation zu kontrollieren, indem Zeit gewonnen wird und dient als «Folie» zwischen Gefühl und Sache. Wenn auch noch der Humor ins Spiel kommt, kann das Leiden deutlich reduziert werden.

Ein Beispiel?

Situation: Dieter Bohlen steht ein Meter vor mir und schreit mich lauthals an. Der gedankliche A-part: «er schreit, er ist mir zu nahe, hat er Spinat gegessen?» Wenn ich die Idee des gedanklichen A-Part auf schwierige Situationen in meinen Alltag als Schulleiterin übertragen kann, winkt mir mehr Gelassenheit, Sicherheit und ein angepasster Status.

Simone Augustin, Schulleiterin Schule Aeugst am Albis ZH und Co-Leiterin Bezirksschulleiterkonferenz Affoltern

5 Fragen an Michael Gerber, Schulleiter Schulhaus Weihermatt, Urdorf ZH

In dieser Rubrik werden spannende Schulführungspersonen vorgestellt, die wiederum eine Kollegin/einen Kollegen interviewen und so den Stafetten-Stab weitergeben. Als erste Persönlichkeit traf ich Michael Gerber, Schulleiter der Schule Weihermatt in Urdorf ZH zum Gespräch.

Lieber Michael, seit 2015 leitest du die Schule Weihermatt in Urdorf ZH. Was ist dir in der Führung eurer Schule wichtig?

Primär denke ich an unseren Bildungsauftrag, an unsere Schülerinnen und Schüler und an die fachlichen und überfachlichen Ziele. Und dann überlege ich mir, welche Führung unser Schulteam braucht, damit optimale Voraussetzungen vorhanden sind, um den Bildungsauftrag bestmöglichst umzusetzen. Das bedeutet für mich Schulführung.

Bereits mit der Übernahme der Schulführung in Urdorf hast du dich mit dem MAS Bildungsmanagement an der PH Zürich weitergebildet. Inwieweit hat der MAS dein Führungsverständnis geprägt?

Ich erhielt dank theoretischen Grundlagen ein viel breiteres Bild und lernte das System «Schule» in seiner Komplexität differenzierter wahrzunehmen. Dies ist gleichzeitig ein Grundsatz, der mich für weitere Weiterbildungen motiviert.

In deiner MAS Abschlussarbeit hast du dich mit der Wirkung von Schulwebsiten befasst – mit welchen Erkenntnissen?

Unsere Schulwebsite hat wöchentlich bis zu 1000 Hits. Dies zeigt, wie wichtig das Medium für unsere Öffentlichkeitsarbeit ist. Für den Informationsaustausch gibt es nichts Vergleichbares, was der Wirkung einer modernen Website gleichkommt. Es ist entscheidend, dass sich Schulen auf ihrer Website präsentieren und das Potential dieses Kanals nutzen sich aber gleichzeitig den Grenzen der Kommunikation über Webseiten bewusst sind.

Eure Schulwebsite offenbart interessante Inhalte und stellt Besucher/innen herausfordernde Fragen – wie fallen die Reaktionen aus?

Sehr postitiv! Einerseits reagieren Lehrerinnen und Lehrer aus meinem Team, andererseits melden Eltern zurück, dass sie es spannend finden. Ich veröffentlichte beispielsweise Zitate wie «Wir müssen gemütlich hasten» und einen Beitrag zum Lehrplan 21. Dort verwies ich auf andere Schulreformen, die nicht den gewünschten Effekt hatten. Eine kritische Auseinandersetzung mit den verschiednen Ansprüchen an die Schule kommt gut an.

Was wünschst du dir für die Vernetzung unter uns Schulleiterinnen und Schulleitern für die Zukunft?

Ich möchte effizient gute Ideen austauschen. Deshalb habe ich die LinkedIn Gruppe «Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz» gegründet. Uns stehen mit den Onlinemedien viele Möglichkeiten zur Verfügung. Wenn ich beispielsweise für den nächsten Evaluationstag nicht wieder im gleichen Muster vorgehen möchte, schreibe ich die Frage meinem Netzwerk und erhalte innert kürzester Zeit viele tolle Anregungen. Dies würde mir die Arbeit sehr erleichtern. Weiter wünsche ich mir Antworten auf Fragen zu herausfordernden Situationen im Führungsalltag, bei Konflikten usw. Hier ist der Rat von anderen goldwert.

von Jörg Berger, Schulleiter und Wissenschaftlicher Mitarbeiter PH Zürich

Forschungstagebuch 3/3

Im Rahmen des Forschungsprojektes ‘Von den Besten lernen – Schulleitungshandeln an den Siegerschulen des Deutschen Schulpreises’ reist Niels Anderegg für drei Tage an eine Siegerschule des Deutschen Schulpreises nach Ostdeutschland. Jeden Tag berichtet er im Blog Schulführung.

Am dritten Tag führe ich vor allem Gespräche. Während den zwei Tagen in denen ich an der Schule bereits präsent bin und mit vielen Personen kleine Gespräche geführt habe, ist eine Bezeihung entstanden, welche bereits ein gewisses Vertrauen beinhaltet. So habe ich heute sowohl mit einer Gruppe Lehrpersonen und später auch noch mit einer Gruppe Schüler/innen ein Interview geführt. Die Kunst der Interviewführung besteht darin, die Fragen, welche wir an allen Schule standardmässig stellen, in den Gesprächsverlauf einzubauen, konzentriert hinzuhören und Themen aufzunehmen. Gleichzeitig ist es wichtig,  den Gesprächsverlauf möglichst wenig zu leiten, da sonst die Gefahr besteht, dass die Teilnehmenden so antwortet, wie ich frage und nicht wie sie denken. Eine besondere Herausforderung beim heutigen Interview war es, die Schüler/innen zum Erzählen zu bringen. Vier der sechs teilnehmenden Schüler/innen haben nur wenig gesprochen. Durch Anlächeln, Ansprechen, Ermutigen oder Anpassen der Fragen versuchte ich, alle miteinander ins Gespräch zu bringen.

 

 

 

 

 

Die Interviews sind immer sehr spannend, da sie Themen nochmals auf eine andere Art auf den Punkt bringen. So meint eine Lehrperson im Interview, dass sie den Job des Schulleiters nicht möchte. Als Begründung gibt sie an, dass sie auch noch ein Privatleben haben möchte. Oder eine Schülerin, welche lange nichts gesagt hat, erzählt auf einmal von einem Konflikt, den sie in der Klasse mit einer Lehrperson hatten. Sie hätten sich entschieden damit zum Schulleiter zu gehen und dieser hat sich der Sache angenommen. Er reagiert noch am gleichen Tag, vermittelte und es konnte eine gute Lösung gefunden werden. Ein Schüler reagiert auf die Geschichte mit der Bemerkung: «Das ist das tolle an unserem Schulleiter. Wenn man ein Problem hat, dann reagiert er sofort und schiebt es nicht auf die lange Bank». Eine Qualität, welche auch von den Lehrpersonen im Interview so genannt wurde. «Ich sehe den Schulleiter nicht sehr oft. Aber wenn ich ihn brauche, dann ist er sofort da und handelt. Man kann ihn jederzeit aufs Handy anrufen. Das Handy ist sein zweites Zuhause.»

 

 

 

 

 

 

Die Unterschiedlichkeit und gleichzeitige Gleichheit zwischen den Schulleitenden ist etwas das mich während den vielen Feldphasen an den Siegerschulen des Deutschen Schulpreises am meisten aufgefallen ist. Jede Schulleiterin und jeder Schulleiter tut es auf seine Art, hat seine Ecken und Kanten und doch tun sie im Grunde genommen Ähnliches. Dieses Ähnliche wollen wir finden. Mit den Feldphasen ist das Forschungsprojekt noch lange nicht abgeschlossen. Eine Studentische Mitarbeiterin transkribiert die über 100 von uns geführten Interviews. Diese werden wir danach codieren und in Kategorien zusammensetzen, so dass wir am Schluss aus den Dokumenten der Schule, den Beobachtungen und den Interviews Merkmale für das Schulleitungshandeln von pädagogisch erfolgreiche Schulen erhalten. Wir sind schon jetzt gespannt, was wir finden werden. Ich werde sicher immer wieder davon hier im Blog erzählen und präsentieren.

 

 

 

 

 

Drei intensive Forschungstage liegen hinter mir und ich laufe müde und beschenkt mit meinem Koffer zum Bahnhof. Irgendwo zwischen Schule und Bahnhof entdecke ich an einem DDR-Plattenbau das folgende Grafiti (siehe Foto): «Ich liebe dich – NIEMAND». Ein poetisches und nachdenkliches Grafiti zugleich. Gerade darum bin ich als Schulleitungsforscher unterwegs. Natürlich will ich verstehen, was die Schulleitungen an diesen pädagogisch hervorragenden Schule machen um diese hohe Qualität zu erhalten. Aber eigentlich treibt mich der Wunsch, dass möglichst alle Kinder solche Schulen besuchen können.

Forschungstagebuch 2/3

Im Rahmen des Forschungsprojektes ‘Von den Besten lernen – Schulleitungshandeln an den Siegerschulen des Deutschen Schulpreises’ reist Niels Anderegg für drei Tage an eine Siegerschule des Deutschen Schulpreises nach Ostdeutschland. Jeden Tag berichtet er im Blog Schulführung.

Mein 2. Forschungstag beginnt heute früh am Morgen. Um 7 Uhr treffe ich in der Schule ein und habe Zeit, im Lehrer/innen-Zimmer noch einen Kaffee zu trinken. Mehr als der Kaffee interessiert mich jedoch die Art und Weise wie die Lehrpersonen und Schüler/innen am Morgen an der Schule ankommen. Und ich werde nicht enttäuscht. Seit einigen Tagen sind viele Schüler/innen krank und auch bei den Lehrpersonen gibt es mehrere Absenzen. Zudem sind diese Woche noch einige Lehrpersonen im Skilager. Heute gibt es drei zusätzliche Krankmeldungen – insgesamt fehlen 15 von 40 Lehrpersonen. Ein Lehrer meldet sich ganz kurzfristig ab, da seine Tochter krank ist. Alle Stunden müssen von den anwesenden Lehrpersonen übernommen oder Klassen zusammen unterrichtet werden. Und das an einem Tag, wo sowohl der Schulleiter als auch seine Stellvertreterin nicht an der Schule sind. Jetzt zeigt sich, ob und wie Distributed und Teacher Leadership funktioniert. Und ja, es funktioniert. Mit einer grossen Gelassenheit wird organisiert und eingeteilt. Als ich den Lehrer, der auch Mitglied der erweiterten Schulleitung ist, darauf anspreche, zuckt er nur mit den Schultern. «Iss einfach so», meint er und erklärt, dass die Prozesse und Verantwortlichkeiten geklärt seien. «Jetzt springe ich ein und ein anderes Mal springt jemand für mich ein». Was er nicht sagt, ich aber eindrücklich erlebe, ist, dass die Schüler/innen es sich gewohnt sind, selbstständig zu arbeiten. Dies wird im regulären Unterricht eingeübt und von ihnen verlangt und funktioniert auch, wenn keine Lehrperson direkt anwesend ist. Im Laufe des Tages begegne ich immer wieder Schüler/innen, welche für sich selbstständig arbeiten. Es ist ein ganz normaler Schulalltag – nur mit etwas weniger Lehrpersonen.

Diese Selbständigkeit ist ein Produkt ihres pädagogischen Verständnisses und Handelns, wird mir erklärt. Schüler/innen müssen involviert werden, sie müssen ihren Fragen nachgehen können und verstehen, dass die Schule wegen ihnen stattfindet. Das bedeutet nicht, dass sie nur das machen, worauf sie Lust haben. Vielmehr bedeutet es, dass sie einbezogen sind, dass sie Teil und nicht nur Objekt der Schule sind und dass sie verstehen, was sie warum machen. Diese Haltung, welche über viele Jahre aufgebaut worden ist, wird von allen gelebt, wie der heutige Tag eindrücklich demonstriert.

 

 

 

 

 

Aber eigentlich will ich heute beschreiben, was ich als Forscher den ganzen Tag so mache. Die Aufgabe ist relativ einfach: Ich gehe den Alltag der Schule mit, beobachte und notiere meine Beobachtungen. Ich bin gewissermassen ein Schwimmer im Schulalltag und lass mich durch das Schulhaus treiben. Konkret habe ich am Morgen einen Lehrer mit seiner Klasse begleitet, habe ihn im Lehrer/innen-Zimmer beobachtet, im Unterricht und im Flur. Ich versuche, so viel wie möglich von dem, was ich sehe und wahrnehme, zu notieren. Dabei hat es Dinge, welche mich sofort anspringen und in denen ich Zusammenhänge sehe. Gleichzeitig gibt es auch Dinge, welche mir auf den ersten Blick nicht wesentlich erscheinen. Erst im Nachhinein, bei der Auswertung, erhalten sie plötzlich eine Relevanz. Dadurch habe ich die Möglichkeit, auch Neues zu entdecken und zu verstehen. Und gleichzeitig gibt es immer wieder Momente, in denen ich meine, etwas verstanden zu haben. Wenn ich meine Beobachtungsnotizen im Nachhinein auswerte, merke ich, dass das, was ich meine, Verstanden zu haben, nur die halbe Wahrheit ist und es Hinweise gibt, welche genau dagegen sprechen. Forschung ist ein langsames Suchen, Herantasten, Finden und Verwerfen. Meistens alles gleichzeitig. In der Feldphase geht es aber ‘nur’ um das Aufnehmen.  Das Verstehen brauche ich nur, um meinen Beobachtungen eine gewisse, jedoch nicht zu enge Richtung zu geben.

Neben dem Beobachten ist ein zweites, wesentliches Element das Führen von Gesprächen. Am zweiten und dritten Tag ist man an einer Schule nicht mehr fremd und die Lehrpersonen und Schüler/innen beginnen einem anzusprechen und Fragen zu stellen. Ungefragt beginnen die Leute zu erzählen und ich kriege viel authentischere Antworten, als wenn ich in einer Interviewsituation die Personen befragen würde (was ich jedoch auch immer wieder mache).

 

 

 

 

 

Im Verlauf des Tages habe ich auch die Aussenstelle besucht. Die Aussenstelle ist ein altes Schulhaus, das eigentlich nicht mehr benutzt werden kann, jedoch auf Grund des Platzmangels von der Schule genutzt wird. Gerade für mich als Schweizer war es wieder einmal beeindruckend zu sehen, wie trotz schlechten Rahmenbedingungen guter Unterricht gehalten werden kann. Gleichzeitig ist die Situation für die Lehrpersonen belastend. Und hier kommen wir wieder auf die Frage der Schulführung zu sprechen. Dem Schulleiter dieser Schule gelingt es immer wieder, Gelder für seine Schule zu finden und die politischen Behörden davon zu überzeugen, dass nun etwas geschehen muss. Ein schönes Beispiel dafür ist die ehemalige Turnhalle (siehe erstes Foto). Diese sollte eigentlich abgerissen werden. Ein Schüler hatte jedoch die Idee, dass daraus Werkstätten entstehen könnten. Obwohl das Geld für den Abriss bereits budgetiert war, gelang es dem Schulleiter alle davon zu überzeugen, dass die alte Turnhalle zu Werkstätten und die Schule sich dadurch stärker der Berufsorientierung widmen kann. Über verschiede Fördermittel gelang es, aus der alten Halle ein pädagogisches Bijou zu machen. Als vor einigen Wochen der Bundespräsidenten die Schule besuchte, wurden die Foto- und Filmaufnahmen just in dieser Halle gemacht. Der Schulleiter hat sich gefreut wie ein kleines Kind.

 

 

 

 

 

Den Begriff Feldphase nehme ich am Ende des Tages dann auch noch wörtlich. Nach vielen Stunden des Sitzens geniesse ich es, noch kurz vor dem Eindunkeln über die Felder des gefrorenen Moors zu joggen und mich zu bewegen. Ein guter Ort, um über die Eindrücke und Erkenntnisse des Tages nachzudenken.

Niels Anderegg, Zentrumsleiter Management und Leadership PH Zürich

Forschungstagebuch 1/3

Im Rahmen des Forschungsprojektes ‘Von den Besten lernen – Schulleitungshandeln an den Siegerschulen des Deutschen Schulpreises’ reist Niels Anderegg für drei Tage an eine Siegerschule des Deutschen Schulpreises nach Ostdeutschland. Jeden Tag berichtet er im Blog Schulführung.

Normalerweise reise ich jeweils am Vortag an, so dass ich am ersten Tag ausgeruht an die Schule gehen kann. Leider ist es dieses Mal nicht möglich. So nehme ich um 20 Uhr im Hauptbahnhof Zürich den Nachtzug in Richtung Berlin.

 

 

 

 

 

Das schöne am Nachtzug ist, dass man gleich mit einem Fläschchen Vino Spumante begrüsst wird. Und auch sonst ist es in meinem Zimmerlein gemütlich, so dass ich noch einen Fachartikel für das Forschungstreffen vom Montag lesen und dann bald tief und fest einschlafen kann.

Da ich umsteigen muss, werde ich schon um 5 Uhr geweckt. Immerhin mit einem Frühstück. Dann heisst es umsteigen und mit der S-Bahn in eine kleine Provinzstadt fahren, das Hotel suchen, den Koffer einstellen und ab an die Schule. Ich bin schon sehr gespannt was mich erwartet. Auch wenn ich bereits viel über die Schule gelesen habe, so ist die erste Begegnung an der Schule doch immer wieder überraschend. Michael Schratz spricht immer wieder davon, dass man sich in eine Schule ‘hineinspüren’ muss. Und genau so ist es auch heute wieder.

 

 

 

 

 

 

Als ich in der Schule ankomme überkommt mich wieder einmal das eigenartige Gefühl, dass man ‘Schule spürt’. Das mag nun, gerade in einem Bericht eines Forschers eigenartig klingen, aber ich mache immer wieder die Erfahrung, dass ich in ein Schulhaus hineinkomme und sogleich die Qualität dieser Schule fühlen kann. Und da geht schon das Forschen los. Was spricht mich an? Was macht diesen Ort besonders?

Mir fällt sogleich auf, dass Schülerinnen und Schüler überall am Arbeiten sind: Auf dem Gang, in kleinen Nischen und in den Schulzimmern, welche alle offene Türen haben. Hier wird mit einer Ernsthaftigkeit gearbeitet und gelernt, die spürbar ist. Dieser erste Eindruck wird sich im Verlauf des Tages weiter bestätigen und ich finde sowohl bei den Beobachtungen als auch in den Gesprächen mit dem Schulleiter und verschiedenen Personen immer wieder hinweise, warum dies an dieser Schule so ist. Und genau darum geht es mir in diesen drei Tagen: Ich möchte verstehen wie diese Schule ‘tickt’ und was die Schulleitung dafür macht.

 

 

 

 

 

Im Schulsekretariat treffe ich den Schulleiter zusammen mit den beiden Sekretärinnen und dem Hausmeister bei einem Kaffeeklatsch. Das Wort Beziehung wird während dem ganzen Tag immer wieder fallen. «Die wichtigste Aufgabe als Schulleiter ist es die Beziehungen zu den Menschen zu pflegen und zu gestalten». Auf dem Rundgang durch das Schulhaus spricht der Schulleiter immer wieder Schülerinnen oder Schüler an, murmelt dem einem zu, dass der Vortrag hervorragend war und sagt zum anderen, dass er dies toll gemacht habe. Auf meine Frage, ob er denn alle 450 Schülerinnen und Schüler kenne, schaut er mich nur erstaunt an. Später, im Verlaufe des Tages wird er zu Schulleitenden, welche auf Hospitation sind, sagen, dass er über den Unterricht und die Schülerinnen und Schüler wenig wisse, da seien die Lehrpersonen die Profis und die wissen ganz viel. 10 Minuten später, als eine der hospitierenden Schulleiterin von ihrer Beobachtung einer schwierigen Situation in einer Klasse berichtet, meint der Schulleiter: «Ach ja, Sie waren wohl in der 9b». Und berichtet dann, dass es dort momentan nicht so rund läuft und erzählt von den Gründen weshalb das momentan so ist und was sie dagegen unternehmen. Als ich ihn später darauf anspreche und meine, dass ich es ihm nicht abnehme, dass er nicht so viel über den Unterricht und die Schülerinnen und Schüler weiss, muss er schmunzeln. «Mir ist es wichtig, dass die Schulleitenden den Lehrpersonen vertrauen und ihnen die Möglichkeit geben auszuprobieren und ihr Ding zu machen». Hier kommt wieder die Beziehungsgestaltung ins Spiel. «Lehrpersonen und auch Schülerinnen und Schüler müssen die Möglichkeit haben ihre Ideen umzusetzen und auszuprobieren. Dazu brauchen sie mein Vertrauen und meine Wertschätzung. Die gebe ich ihnen durch mein Interesse und meine Präsenz». Der Schulleiter kontrolliert nicht, sondern ermutigt. Und er ist neugierig. Immer wieder fragt er Schülerinnen und Schüler, welche irgendwo am Arbeiten sind, was sie gerade tun. Er lässt es sich erklären und ist begeistert. Am Ende des Tages meint er bedauernd, dass er so gerne an allen Präsentationen der Projektarbeiten der Schülerinnen und Schüler dabei sein möchte. Aber das sei unmöglich. Ein Projekt hat es ihm dann jedoch so angetan, dass er versucht seine Termine so zu schieben, dass er an dieser Präsentation dabei sein kann. Dieses Team (der Projektunterricht an dieser Schule findet immer in Teams statt) geht der Frage nach, in wie weit die momentane Regierungsbildung in Deutschland mit der Situation der Weimarer Republik verglichen werden kann. «Auf diese Fragestellung muss man doch zuerst einmal kommen. Und das von Schülerinnen und Schüler die mitten in der Pubertät stecken und alle sagen, dass sie keinen Bock auf Lernen haben». Wie war das mit dem ersten Eindruck: Die Ernsthaftigkeit mit welcher hier gearbeitet wird.

Am Ende des Tages habe ich über 10 Seiten Beobachtungen in mein Forschungstagbuch getippt und das erste Interview mit dem Schulleiter geführt. Mit vielen Eindrücken und neuen Fragen und Hinweisen verlasse ich die Schule und gehe ins Hotel. Dort gehe ich nochmals meine Notizen durch und schreibe mir Stichworte, Eindrücke und Fragen auf. Ich bin schon gespannt auf den nächsten Tag. Ich werde um 7 Uhr einen Lehrer treffen und ihn und seine Klasse dann durch den Morgen begleiten. Ich freue mich darauf.

Nach der Nacht im Schlafwagen freue mich nun auf mein Hotelbett. Zuerst muss nun jedoch noch die Mailflut aus dem Büro bearbeitet werden. Auch als Forscher ist man immer noch ein Stück mit dem Büroalltag verbunden.

Niels Anderegg, Zentrumsleiter Management und Leadership PH Zürich