Achtsamkeit, Stärkeorientierung, positive Traditionen und Energiebilanz sind einige Bausteine im Führungsansatz Positive Leadership. Natalie Glatthaar empfiehlt gleich zwei Bücher, um einen Überblick zu diesem Leadershipansatz zu erhalten und selbst einzelne Bausteine ausprobieren zu können.
Die Arbeitswelt befindet sich in einem Wandel. Die Beschleunigung, die erhöhte Diversität sowie die geänderten Ansprüche der Arbeitnehmenden spürt auch die Schule als Arbeitgeberin und die in den Bildungsinstitutionen tätigen Führungspersonen sind entsprechend gefordert. Unterschiedliche Führungsansätze versuchen Antworten und Orientierung zu geben für unsere heutige Zeit und wie effektiv geführt und zusammengearbeitet werden kann. Einer dieser Ansätze, welcher seit den 2000er-Jahren immer mehr Einzug in die Führungspraxis findet, ist «Positive Leadership». Vereinfacht kann man sagen, dass dieses Führungsverständnis den Fokus auf das Gelingende und Positive legt und dadurch nicht nur eine höhere Mitarbeitendenorientierung und -zufriedenheit erreicht, sondern auch die Organisationen dadurch agiler, resilienter und effektiver werden.
Die Basis für diesen Ansatz wird mit der Positiven Psychologie, den Neurowissenschaften, der Verhaltensökonomie und dem systemischen Denken gelegt. Die wissenschaftlichen Studien, welche seit den 2000er-Jahren in diese Richtung zunehmen, weisen darauf hin, dass es sich auch aus der Perspektive der Leistung und des ökonomischen Überlebens für eine Organisation respektive ein Unternehmen lohnt, diesen Ansatz – sei es auch nur punktuell – einzuführen. Im deutschen Sprachraum sind in den letzten zehn Jahren zwei Bücher erschienen, welche sich explizit mit diesem Ansatz auseinandersetzen und dabei eine Vielzahl an praktischen Methoden und Interventionen aufzeigen.
«Positive Leadership» als Revolution von Ruth Seliger
Das Buch von Ruth Seliger ist 2014 erschienen und im Untertitel wird «Positive Leadership» als «Die Revolution in der Führung» angepriesen. Das weckt das Interesse. Im ersten Teil legt die Autorin die Grundlagen dar. So beschreibt sie den Paradigmenwechsel in einem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang und aus einer geschichtlichen Perspektive. Das liest sich leicht und ist spannend. Weiter fächert sie die wissenschaftliche Basis auf, auf welcher dieser Ansatz beruht. Es werden die Forschungszweige beschrieben und die zentralen Begriffe daraus. Diesen ersten Teil schliesst sie dann mit einem von ihr entwickelten Modell zu «Positive Leadership» und einer Definition ab. Das Modell ist eine Landkarte, worin in den weiteren Kapiteln immer wieder Bezug genommen wird und in welcher das eigene Führungshandeln verortet werden kann.
Diesen ersten Teil untermauert sie immer wieder mit Beispielen von Unternehmungen, sogenannte «Case Studies», welche ganz konkret etwas umgesetzt haben. Seliger spricht bei diesen Organisationen von «Vanguard Organizations», das heisst Unternehmungen, welche diese neuen Ansätze und Methoden als Vorreiter einsetzen und anwenden und dadurch zur Vorhut dieser neuen Ära der Führung werden. Da das Buch bereits zehn Jahre alt ist, ist dies eine retrospektive Momentaufnahme. Seither hat sich einiges getan, weitere Unternehmungen und Organisationen haben den Ansatz für sich adaptiert und Erfahrungen damit gesammelt.
Nach den Grundlagekapiteln folgen dann weitere, welche konkrete Instrumente vorstellen, die auf den unterschiedlichen Handlungsebenen der Führung eingesetzt werden und den positiven sowie stärkebasierten Fokus als Grundlage haben. Diese Instrumente und Methoden werden konkret für die Umsetzung beschrieben. Hier zeigt sich, dass sich unter dem Label «Positive Leadership» ganz unterschiedliche Konzepte vereinen. So trifft man auch auf solche, welche man bereits unter einem anderen Ansatz kennengelernt hat, ohne sich mit «Positive Leadership» auseinandergesetzt zu haben. Aber die Sammlung und Zusammenführung dieser unterschiedlichen Ansätze und zugleich das konsequente Rückführen auf die Prinzipien von Positive Leadership ist der Verdienst dieses Buches.
Das Buch von A. Hunziker zu «Positive Leadership» als handlicher Kompass
2018 ist im deutschen Sprachraum ein Buch von Alexander Hunziker erschienen. Er ist Professor für Wirtschaft an der Berner Fachhochschule und bringt neben seinem Volkswirtschaftsstudium ein Psychologiestudium mit. Er kam zum ersten Mal als Visiting Scholar an der Harvard Universität 2009 mit dem Ansatz «Positive Leadership» in Berührung. An der Berner Fachhochschule deckt er seither Unterrichtsfächer im Bereich Achtsamkeit, Resilienz, Positive Psychologie und Glücksforschung und die Übersetzung in einen Business- respektive organisationalen Kontext ab und gilt mittlerweile als Experte für Positive Leadership.
Das Buch «Positiv führen – Leadership – mit Wertschätzung zum Erfolg» kommt sehr ansprechend und übersichtlich daher. Es ist mit unterschiedlichen Farben gestaltet und mit den eingeschobenen Sprechblasen hat es eine gute Leser:innen-Führung. Es kann somit in kurzer Zeit etwas nachgeschlagen werden oder anhand der jeweils am Ende des Kapitels aufgeführten Quellen und vertiefender Literatur recherchiert werden.
Im Aufbau fallen die grossen Parallelen zum Buch von Ruth Seliger auf. Auch hier werden die wissenschaftlichen und theoretischen Grundlagen aufgezeigt und eine von ihm entworfene Landkarte für Positive Leadership, welche sich im Aufbau und Formgebung von jener Seligers unterscheidet. Das Modell dient eher für die Didaktik, wohingegen jene von Seliger für die Arbeit an und in einer Organisation geeigneter ist.
Nach den Grundlagenkapiteln folgen wie bei Seliger Kapitel mit konkreten Instrumenten und Methoden, um den Ansatz in Führungshandeln auf den unterschiedlichen Ebenen praktisch umzusetzen – das heisst bei der Selbstführung, der relationalen Führung von Mitarbeitenden und schlussendlich auf der Ebene der Organisation, wo es um übergreifende Prozesse und Strukturen geht. Bei den konkreten Methoden gibt es einige Überschneidungen mit jenen von Seliger, aber auch andere. Somit sind die Methoden ergänzend. Auch hier werden diese konkret beschrieben und lassen sich für die eigene Praxis umsetzen.
Positive Leadership – ein Führungsansatz für die aktuellen Herausforderungen
Der Ansatz «Positive Leadership» entwickelt sich seither weiter und hat Ansteckungspotenzial. Insbesondere der Zweig der Positiven Psychologie als auch der Megatrend der Achtsamkeit tun ihres dazu, dass eine Übersetzung in den Führungskontext angestrebt wird und vielleicht sogar bald Mainstream im Leadership-Verständnis darstellt.
So gibt es zahlreiche Unternehmen und Organisationen (worunter auch Schulen gemeint sind), welche damit experimentieren und Erfahrungen sammeln – sei es in der direkten Mitarbeitendenführung, aber auch bei den Strukturen und Prozessen. Es gibt auch Schulen, welche Programme respektive Entwicklungen auf Konzepten aus der Positiven Psychologie resp. «Positive Leadership» aufbauen.
Die beiden vorgestellten Bücher sind ideal für einen fundierten Einstieg in diese Thematik und geben Anregungen zur Umsetzung. Sie sind wahre Methodenkoffer – bieten aber mit den zuvor gestellten Grundlagen zugleich ein Fundament für die Entwicklung der so wichtigen dahinterstehenden Haltung – denn ohne diese wäre es nur eine hohle Technik.
INFOBOX Positive Leadership ist auch zentrales Thema am nächsten Symposium Personalmanagement vom 24. Mai 2024.Unter dem Titel Schulen zum Blühen bringen bietet dieser Tag für Führungspersonen die Möglichkeit, Ihre Führungshaltung gemeinsam mit anderen Führungspersonen und auf dem Hintergrund von anregenden Referaten und Foren in diese Richtung hin zu reflektieren und zu entwickeln.
Zur Autorin

Natalie Glatthaar Brändle arbeitet seit 2022 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Zentrum Management und Leadership an der PH Zürich. Sie hat dabei ihre Schwerpunkte im Personalmanagement und -entwicklung. Vor ihrem Einstieg war sie beruflich in unterschiedlichen Branchen und der Verwaltung im HR tätig unter anderem als Fachbereichsleiterin Personal in einer grossen Zürcher Schulgemeinde. Neben ihrer Tätigkeit an der PH Zürich ist sie selbstständig als Mediatorin FSM-SDM tätig und begleitet Teams in der Konfliktklärung und Entwicklung.
Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: zVg
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