Für eine nachhaltige Weiterentwicklung unserer Wirtschaft und Gesellschaft steht die zentrale Bedeutung von Future Skills ausser Frage. Leadership gestaltet die Zukunft, daher sind Future Skills in unserer sich rasant wandelnden Welt auch und besonders in der Führungsrolle unerlässlich. Doch waren solche Fähigkeiten nicht schon immer gefragt und für ein zielgerichtetes, sinnvolles Navigieren durch Veränderungen relevant?
«The world is changed by your example not your opinion.»
Paul Coelho
10.15 Uhr, pünktlich bei ihrem Weekly mit HR. Sie war gut durch den Verkehr gekommen, hatte nach ihrer Ankunft den Kaffee mit dem Kantinenteam getrunken, war dann Richtung Zentraloffice zum Update los und auf dem Weg dorthin noch kurz beim Hausdienst vorbei, um die Temperatur auf- und ein paar Anregungen mitzunehmen.
Wie jeden Dienstag begrüssen wir sie um 10.45. Über den Tag wechseln sich Teammeetings, Dossierarbeit und Telefonate ab. Sie hört überall aktiv zu, hinterfragt viel, bringt Vorschläge, holt Feedback und Ideen ein, übt – konstruktiv – positive wie negative Kritik, fordert viel und fördert nicht minder. Mittwoch, am frühen Abend, reist sie nach Süddeutschland zurück, wo ihr Wohnort und Lebensmittelpunkt sind. Wenn es um Future Skills in der Führung geht, verkörpert sie, unsere Leaderin, im 50% Pensum angestellt, gefühlt voll präsent, eine zentrale Fähigkeit: Lead by example.
Leadership gestaltet die Zukunft – wie die Vergangenheit bereits
Führen als sozialer Prozess bedeutet, aktiv zu werden, andere durch sein Verhalten zu motivieren, zu lotsen, zu (beg)leiten. So auch in der Schule: Führungsqualitäten der Schulleitung beeinflussen die Motivation und Partizipation der Lehrpersonen, die Lernfreude und den Lernerfolg der Schüler:innen, die Lernumgebung, die Schulentwicklung, die Zusammenarbeit innerhalb der Schulgemeinschaft und letztendlich die Qualität der Bildung.
Aufgrund der allgegenwärtigen Konnektivität, Verfügbarkeit von Wissen und den wachsenden Herausforderungen an technologisches Verständnis werden einige Führungsfähigkeiten in Zukunft besonders relevant sein, um diese Ziele zu erreichen. In ihrer Art, Austausche im Team zu führen, hat unsere oben geschilderte Leaderin solche Führungsskills bereits damals gelebt und im Team ermöglicht. Sie hat sich dafür insbesondere von Sokrates (469-399 v.Chr.) inspiriert, der seine Schüler:innen durch offene und, wo nötig, klärende Fragestellungen dazu bringen wollte, ihr Wissen und ihre Überzeugungen regelmässig zu hinterfragen.
Durch ihre Fragen hat unsere Leaderin sichergestellt, das wir uns an der Kommunikation und am gedanklichen Austausch innerhalb des Teams aktiv beteiligen und kritisch und vernetzt denken. Indem wir unser Wissen und besonders unsere Annahmen regelmässig hinterfragen sollten, mussten wir oft die eigene Komfortzone verlassen. Sie hat damit eine Growth Mindset-Haltung ins Zentrum gestellt, die ein grosses Mass an Agilität fordert, aber auch Zusammenarbeit und kreative Lösungsansätze fördert. In diesem Prozess hat sie sich selbst immer als Mitlernende gesehen.
In unserer schnelllebigen Zeit kommt – im Gegensatz zum Learning just in case – dem sogenannten Learning just in time immer grössere Bedeutung zu. Dieses setzt eben voraus, bestehendes Wissen ständig zu aktualisieren, zu synthetisieren und gestützt darauf sinnvolle Entscheide zu treffen. Nochmals im Schulkontext beispielsweise bei der Frage: Wo und wie kann eine neue Technologie oder eine Innen-/Aussenraumgestaltung lernanregend und -unterstützend wirken und ihr Einsatz eine sinnvolle Individualisierung ermöglichen? Sind sie aus pädagogischer Sicht empfehlenswert? Wurde bei einer Produkteentwicklung die Wirkungsforschung dahinter berücksichtigt?
Vielmehr Essential als Future Skills
Genauso, wie der Wandel kein neues Normal ist (wir ihn aber, aufgrund seines Tempos, heute vielleicht einfach stärker wahrnehmen), plädiere ich dafür, dass die sogenannten Future Skills nicht nur für die Zukunft relevant, sondern für eine verantwortungsvolle Führung und Weiterentwicklung schlichtweg essentiell sind. Indem ein Leadership solche Essential Skills vorlebt und auch im Team fordert, schafft es ein Lern- und Arbeitsumfeld, das Zusammenarbeit, Kreativität und Innovation ermöglicht, technologischen Fortschritt sinnvoll nutzt, sozial-emotionale Kompetenzen fördert und die grundlegenden Werte, die eine Institution auszeichnen, dabei nicht kompromittiert, sondern die Zukunft mitprägen lässt.
Zurück zu unserer Leaderin von damals: an einer Fähigkeit arbeitete sie in eigener Sache: Achtsamkeit (auch) sich selbst gegenüber – nicht zuletzt, um sich als Person und für die vielseitige Führungsaufgabe zu stärken.
INFOBOX Das Spannungsfeld zwischen kurzfristigen gesellschaftlichen Entwicklungen und langfristigen Ansprüchen an einen hochwertige Bildung wird an der Tagung Schulführung mit dem Thema Future Skills in Leadership fokussiert. Diese findet mit einem vielfältigen Programm am 19. Januar 2024 statt. Anmeldungen sind noch bis am 5. Januar 2024 möglich.
Zur Autorin
Tanja Alvesalo ist Juristin und Schulleiterin. In den letzten neun Jahren war sie als Leitung Admissions und Co-Gesamtschulleiterin der Obersee Bilingual School in Wollerau tätig. Im Laufe ihres beruflichen Werdegangs hatte sie auch die Interessenvertretung des Bundes im Bildungs- und Diplomanerkennungsbereich sowie in Schulungsprojekten der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit mit den entsprechenden europäischen Institutionen und internationalen Organisationen inne.
Redaktion: Jasmin Kolb
Titelbild: adobe stock
Liebe Tanja
Ein wunderbar inspirierender Beitrag, in dem so vieles mitschwingt.
Ja, es gibt sie: die Begabung für Führung. Da steckt eine deutlich sichtbare Haltung dahinter und ein pro-aktiver Umgang mit den eigenen Überzeugungen. Jetzt habe ich noch einige Fragen:
Wozu führte es am Ende in der Bildung?
Waren einige nicht überfordert damit? (Es gehört ja eine grosse Portion Bereitschaft zur Selbstreflexion dazu)
Ich selbst bin auch niemand, der den Status Quo einfach akzeptiert und vieles auf den Prüfstand stellt, professionell und persönlich.
Und da habe ich die Erfahrung gemacht, dass Viele das nicht wollen, damit sie ihr Komfort-Sofa nicht verlassen müssen und es weiter ‘dahinplätschern’ kann.
Wenn man dann aber mal den grossen Freiraum und die Entwicklung spürt, den das mit sich bringt, dann gehen langsam viele mit.
Toll, wenn jemand so by example führt und den Dornröschenschlaf beendet. Top!
Herzliche Grüsse, Susanne