In den vergangenen Jahren wurde in verschiedenen Gemeinden im Kanton Zürich die Stelle der Leitung Bildung geschaffen. Die Ausgestaltung dieser rein kommunal finanzierten Stelle ist den Gemeinden überlassen und steht im engen Zusammenhang mit den örtlichen Gegebenheiten und der gemeindeeigenen Organisation. Inwieweit gleichen sich diese Positionen in den verschiedenen Gemeinden und welches ist die Rolle der Leitung Bildung im Steuerungsprozess der Schule im Kanton Zürich? Mit diesen Fragen befasste sich Nadine Kuhn in Ihrer MAS-Arbeit im Rahmen des MAS Bildungsmanagement an der PH Zürich. Dabei nahm sie drei Gemeinden von ähnlicher Grösse unter die Lupe.
Mit der Änderung des Volksschulgesetzes vom April 2020 erhielten die Gemeinden die Möglichkeit, eine Leitung Bildung als neue Hierarchiestufe zwischen Schulleitung und Schulpflege zu setzen mit dem Ziel, die Behörden und Verwaltungen zu entlasten.
Die Schule als komplexes System
Im Bildungssystem der Schweiz herrscht seit mehr als 200 Jahren eine nicht klar hierarchisch trennbare Zuständigkeit und Mitspracheregelung vor. Wenige Vorgaben auf Bundesebene lassen den Kantonen einen erheblichen Spielraum für die Ausgestaltung der Schule.
Hangartner und Heinzer (2016) betonen, dass die Kantone zwar Rahmenbedingungen vorgeben, jedoch die Gemeinden die Verantwortung für die Organisation der Schule tragen, vor allem in finanzieller Hinsicht. Viele Akteur:innen auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene sind in die Schule und deren Steuerung involviert und lassen ein komplexes Mehrebenensystem entstehen.
Wie wird dieses Schiff gesteuert?
Laut Senn (2021) sind auf Gemeindeebene die Schulbehörde, die Schulleitung und die Schulverwaltung für die Steuerung einer Schule verantwortlich. Damit eine zielorientierte Steuerung überhaupt möglich ist, müssen die Handlungen der verschiedenen Akteur:innen koordiniert sein.
Die Bildungsdirektion (2010) bezeichnet das Organisationsstatut und das Schulprogramm als «die beiden zentralen Instrumente zur Führung der Schule». Zuständigkeiten werden im Organisationsstatut definiert und somit auch Anweisungen zur Koordination der Handlungen gegeben. Das Schulprogramm definiert, wohin überhaupt gesteuert werden soll.
Die Rolle der Leitung Bildung im Steuerungsprozess
Die Zuständigkeiten sind weitgehend im Organisationsstatut geregelt. Beteiligt sind viele Akteur:innen. Sowohl Senn (2021), als auch Kussau und Brüsemeister (2007) beschreiben, wie sie alle nach unterschiedlichen Rationalitäten und Logiken mit verschiedenen Zeithorizonten handeln.
Es gilt also nicht nur deren Handlungen zu koordinieren, sondern auch zwischen diesen verschiedenen Menschen und Gruppen zu übersetzen, sie miteinander in Verbindung zu bringen und sie für die Denkweisen anderer zu sensibilisieren. Genau hier hat die Leitung Bildung eine Schlüsselfunktion. Sie sorgt dafür, dass alle Akteur:innen in ihrer Rolle wirksam sein können.
Unterschiedliche Strukturen in der Praxis
Es zeigt sich, dass die Zuständigkeiten in allen drei untersuchten Gemeinden klar geregelt sind. Die Struktur ist jedoch keinesfalls einheitlich. So unterscheiden sich beispielsweise die Geschäftsleitungen und deren Anzahl Mitglieder.
Dementsprechend gestalten sich auch die Stellenbeschriebe der Leitungen Bildung verschieden. Ihnen allen gemeinsam ist, dass die Leitung Bildung die Verantwortung für die Leitung, Entwicklung und Qualitätssicherung des pädagogischen Schulbetriebs trägt.
Quo vadis?
Die Rolle der Leitung Bildung und auch deren Tätigkeitsbereiche sind derzeit noch vage definiert. Die Vernetzung, etwa durch einen kürzlich gegründeten Verband VLBZH , dürfte der Stelle in den kommenden Jahren ein schärferes Profil geben.
INFOBOX Aktuelle Lehrgänge und Module im Bereich Schulführung finden Sie auf dieser Themenseite der PH Zürich.
Zur Autorin

Nadine Kuhn arbeitet als Schulleiterin in Küsnacht im Kanton Zürich. Aus ihren zahlreichen Tätigkeiten kennt sie das System Schule aus Sicht einer Primarlehrerin, Schulpflegerin, Schulpsychologin, Schulleiterin und Mutter von drei Söhnen. Eine jahrelange und vertiefte Auseinandersetzung mit der Bildung liess sie die Komplexität des Systems erkennen. Vom Verstehen ist sie bis heute weit entfernt.
Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: adobe stock
Literaturnachweis
Bildungsdirektion Kanton Zürich. 2010. «Umsetzung Volksschulgesetz: Handreichung Geleitete Schule.»https://www.zh.ch/content/dam/zhweb/bilder-dokumente/themen/bildung/informationen-fuer-schulen/informationen-fuer-die-volksschule/organisation/handreichung_geleitete_schule.pdf
Hangartner, Judith und Markus Heinzer, Hrsg. 2016. Gemeinden in der Schul-Governance der Schweiz: Steuerungskultur im Umbruch. SpringerLink Bücher 31. Wiesbaden: Springer VS.
Kussau, Jürgen und Thomas Brüsemeister. 2007. «Educational Governance: Zur Analyse der Handlungskoordination im Mehrebenensystem der Schule.». In Educational Governance: Handlungskoordination und Steuerung im Bildungssystem, hrsg. v. Herbert Altrichter, Thomas Brüsemeister und Jochen Wissinger, 15–54. SpringerLink Bücher. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Senn, Peter. 2021. Schulführungsmodell SFM: Ein betriebswirtschaftlicher Orientierungsrahmen für Schulleitungen und Schulbehörden öffentlicher Volksschulen der Schweiz. Springer eBook Collection. Wiesbaden: Springer VS.
[MM1]Was ist das genau für eine Abkürzung? Ich kann die Definition nirgends finden.